BT-Drucksache 15/4560

Für ein modernes Berufsbeamtentum

Vom 16. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4560
15. Wahlperiode 16. 12. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Rainer Funke, Ernst Burgbacher, Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Dr. HermannOtto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. ClaudiaWinterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Für ein modernes Berufsbeamtentum

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag begrüßt das Eckpunktepapier „Neue Wege im öffent-
lichen Dienst“ des Bundesministeriums des Innern, des dbb beamtenbund und
tarifunion und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als wichtigen
Beitrag zu einer Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts.
Ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst ist eine wichtige Säule unseres demo-
kratischen Rechtsstaats. Die Modernisierung des öffentlichen Dienstes ist eine
Daueraufgabe im Interesse von Bürgern, Gesellschaft und Staat.
Das Berufsbeamtentum hat sich bei der politischen Entwicklung Deutschlands
bewährt. Es bietet unersetzliche Vorteile, wie z. B. besondere Loyalitätspflich-
ten, Streikverbot, Bindung an Recht und Gesetz und damit für den Gesetzgeber
die Gewährleistung eines unparteiischen und objektiven Gesetzesvollzugs,
außerdem breite Einsetzbarkeit, ggf. dienstherrenübergreifend, sowie die Rege-
lung der Beschäftigungsbedingungen durch Gesetz und auf Grund gesetzlicher
Vorschriften.
Der Deutsche Bundestag hält an dem Ziel fest, das Berufsbeamtentum zu
modernisieren. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums lassen
genug Spielraum für eine umfassende Fortentwicklung und Erneuerung des
Beamtenrechts.
Der Deutsche Bundestag bekennt sich zur Stärkung des Leistungsgedankens
im öffentlichen Dienstrecht und zur Erleichterung des Personalaustauschs
zwischen öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft.
Der Deutsche Bundestag spricht sich für eine Konzentration des Berufsbeam-
tentums auf seine Kernaufgaben aus. Des beamtenrechtlichen Sonderstatus
bedarf es nur für die Erfüllung eigentlicher, eng verstandener Hoheitsaufgaben.
Innerhalb dieses Aufgabenbereichs ist der Beamtenstatus auf solche Personen-
gruppen zu beschränken, die wegen ihrer Leitungs-, Steuerungs- und/oder Voll-

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zugsfunktionen und ihrer gegenüber der politischen Verantwortungsebene bzw.
gegenüber dem Bürger herausgehobenen Verantwortung einer besonderen
Absicherung ihrer Unabhängigkeit und Unparteiischkeit bedürfen. Auf diese
Weise wird es gelingen, dem Berufsbeamtentum ein klares Profil und qualifi-
zierten Bewerbern die Perspektive zu geben, dem Staat an herausgehobener
Stelle im Sinne einer Lebensentscheidung dienen zu können. Das entspricht
den historischen Grundlagen des Berufsbeamtentums und aktuellen europa-
rechtlichen Entwicklungen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
zur Umsetzung der Eckpunkte ein Gesetz und ergänzende Verwaltungsregelun-
gen vorzulegen, die folgenden Maßgaben entsprechen:
1. Die leistungsbezogene Bezahlung ist gerecht, transparent und unbüro-

kratisch auszugestalten. Es ist sicherzustellen, dass die für die leistungsbe-
zogene Bezahlung vorgesehenen Mittel auch tatsächlich zu diesem Zweck
verwendet werden. Der Rahmen der variablen Bezahlung ist entsprechend
der übernommenen Funktion festzulegen. Er wächst mit der Wertigkeit der
Tätigkeit und dem Maß der beruflichen Verantwortung. Bei höherwertigen
Tätigkeiten mit gesteigerter beruflicher Verantwortung soll der Anteil der
leistungsabhängigen Vergütungsbestandteile über den im Eckpunktepapier
vorgesehenen Rahmen hinaus bis zu 20 Prozent des Basisgehalts betragen.
Gehälter bei Spitzenämtern der B-Besoldung sowie bei den Ämtern, die auf
Probe oder auf Zeit vergeben werden, müssen in einem vorgegebenen Rah-
men ausgehandelt werden können. Dabei sind auf der Basis der gegenwärti-
gen Gehälter Abschläge bis zum nächstniedrigeren Amt und Zuschläge bis
zum nächsthöheren Amt möglich.

2. Das Bezahlungssystem ist so auszugestalten, dass es neben der Differenzie-
rung nach Leistung auch regional-, arbeitsmarkt-, berufsgruppen- und aufga-
benbezogene Differenzierungen ermöglicht.

3. Die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung von Bund und Ländern ist zu
stärken. Dies setzt im Statusbereich eine deutliche Reduzierung der Rege-
lungsdichte voraus. Insbesondere sind die Regelungsmöglichkeiten der
Länder in den Bereichen Teilzeitbeschäftigung, langfristige Beurlaubung,
Nebentätigkeits- und Personalaktenrecht zu erweitern.

4. Beamtinnen und Beamten sind nach Eignung, Befähigung, Leistung und
dienstlichen Gegebenheiten mehr individuelle Möglichkeiten zur freiwilli-
gen Weiterarbeit nach Erreichen der Altersgrenze einzuräumen. Zur lang-
fristigen Sicherung der Beamtenversorgung ist die Kapitaldeckung der Ver-
sorgungskosten auszubauen. Hierzu sind für neu berufene Beamtinnen und
Beamte Versorgungsrückstellungen nach versicherungsmathematischen
Grundsätzen zu bilden, die generationengerecht und so haushaltsfest auszu-
gestalten sind, dass sie nicht zur Disposition aktueller und/oder sachfremder
finanzieller Bedürfnisse stehen. Die Anlagemöglichkeiten sind zu erweitern.
Die Verwaltung der Versorgungsfonds ist auszuschreiben, eine Übertragung
auf private Dritte zu ermöglichen.

5. Die Attraktivität des Wechsels von der Wirtschaft in den öffentlichen Dienst
ist zu erhöhen, u. a. durch Aufhebung der Altersgrenzen für eine Verbeam-
tung, durch Anrechnung gleichwertiger Tätigkeiten außerhalb des öffent-
lichen Dienstes auf die Probezeit und durch Berücksichtigung außerhalb des
öffentlichen Dienstes erworbener beruflicher Qualifikationen bei der Fest-
legung der Einstiegsebene. Das Eckpunktepapier regelt nur den umgekehr-
ten Fall des Wechsels vom öffentlichen Dienst in die Wirtschaft und sieht
vor, dass Beamtinnen und Beamte ihre beamtenrechtlichen Versorgungs-
ansprüche mitnehmen können. Die Förderung des Personalaustauschs zwi-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4560

schen öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft ist jedoch keine Einbahn-
straße.

6. Die Verfahren zur Leistungsfeststellung und -bewertung, die die Grundlage
der Leistungsbezahlung bilden, sind zu objektivieren. Mitarbeiter sind früh-
zeitig in das Verfahren zur Leistungsfeststellung einzubeziehen. Ihnen soll
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Darüber hinaus erhalten
Mitarbeiter Gelegenheit zur Beurteilung von Vorgesetzten. Auf diese Weise
erhalten Führungskräfte eine Rückmeldung, die dazu beitragen kann, das
Führungsverhalten fortlaufend zu verbessern. Das Bewertungsverfahren ist
so zu strukturieren, dass ein erhöhter bürokratischer Aufwand vermieden
und die Verantwortung des Vorgesetzten nicht durch politische Einfluss-
nahme oder durch Gremien, z. B. Personalräte, beeinträchtigt werden. Basis
sind Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräche, die regelmäßig, mindestens ein-
mal jährlich, stattzufinden haben. Sie dienen u. a. der Erörterung des Leis-
tungsstands und bereiten die Leistungsfeststellung und -bewertung vor, die
im Zweijahresrhythmus erfolgt.

7. Der öffentliche Dienst braucht eine neue Führungskultur und moderne
Instrumente der Personalführung. Hierzu ist ein Leitbild für Führungskräfte
zu entwickeln, das nicht nur auf Fachkenntnisse abstellt, sondern Führungs-
qualitäten und soziale Kompetenzen, z. B. gender mainstreaming, einbe-
zieht. Ein wichtiges Instrument der Personalführung sind Zielvereinbarun-
gen. All dies ist auch bei Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zu
berücksichtigen. Im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und zur
Stärkung von Motivation und Einsatz sind Transparenz und eine Verbesse-
rung der innerbehördlichen Kommunikation ebenso anzustreben, wie der
Abbau von Hierarchien, die Zusammenführung von Aufgaben und Verant-
wortung sowie eine stärkere Projektarbeit.

8. Das Berufsbeamtentum ist auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren. Auf
Grund seiner Organisationshoheit hat der Bund diesen Kernbereich für seine
Bediensteten auszufüllen. Im Zusammenhang mit der gesetzgeberischen
Umsetzung der Eckpunkte legt die Bundesregierung ein Konzept zur Kon-
zentration des Berufsbeamtentums auf einen Kernbereich vor.

9. Eine derartige Umsetzung der Eckpunkte „Neue Wege im öffentlichen
Dienst“ wird Signalwirkung und Vorbildfunktion für die Erneuerung des
öffentlichen Dienstrechts auch in den Ländern und Gemeinden im Rahmen
ihrer Regelungskompetenzen haben.

Berlin, den 16. Dezember 2004
Dr. Max Stadler
Rainer Funke
Ernst Burgbacher
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus

Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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