BT-Drucksache 15/4550

Situation des Fernunterrichts in Deutschland

Vom 15. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4550
15. Wahlperiode 15. 12. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Hellmut Königshaus, Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Situation des Fernunterrichts in Deutschland

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel hat ein so hohes Tempo
angenommen, dass die fortlaufende Sicherung der eigenen Kompetenzen zur
Herausforderung für jeden Einzelnen, aber auch in Bezug auf die Mitarbeiter-
schaft zur Herausforderung für die Unternehmen geworden ist. Schule und
Berufsausbildung reichen als Lebensphasen des Lernens schon längst nicht
mehr aus. Vielmehr gewinnt lebens- und berufsbegleitendes Lernen eine stän-
dig wachsende Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt und die Stei-
gerung der fachlichen Kompetenz, sondern auch um Allgemein- und Persön-
lichkeitsbildung.
Die demographische Tatsache der zunehmenden Alterung unserer Bevölkerung
und damit einer zunehmenden Alterung der aktiven Arbeitnehmerschaft unter-
streicht sehr deutlich über das Genannte hinaus die ansteigende Notwendigkeit
lebens- und berufsbegleitenden Lernens.
Der Stellenwert solchen Lernens ist in Deutschland bisher schlechter entwickelt
als in Nachbarländern. Nach der 2003 erschienenen Studie des Bundesinstituts
für Berufsbildung liegt die Chance von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
in Deutschland, an einer betrieblichen Lehrveranstaltung teilnehmen zu kön-
nen, mit 36 Prozent unter den Werten fast aller Mitgliedstaaten der EU.
Eine wichtige Form der Angebote für berufs- und lebensbegleitendes Lernen ist
der Fernunterricht sowohl in seiner klassischen Form mit Lehrbriefen als auch
als E-Learning mit Nutzung direkter Kommunikation im Internet bzw. in der
gemischten Form des „blended learning“. Auch in diesen Bereichen werden
viele Möglichkeiten in Deutschland noch zu wenig genutzt. Die Nutzung von
E-Learning in der beruflichen Weiterbildung liegt unter dem EU-Durchschnitt.
Bei der Nutzung von Fernunterricht erreichen z. B. die Niederlande gemessen
an der Bevölkerungszahl eine doppelt so hohe Teilnahmequote.
In Deutschland wird der Fernunterricht bundesgesetzlich durch das Gesetz zum
Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG) geregelt. Jeder einzelne in

Drucksache 15/4550 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Deutschland angebotene Fernlehrgang ist danach gesondert zuzulassen. Zulas-
sungsbehörde ist die durch Staatsvertrag der Länder beim Land Nordrhein-
Westfalen errichtete Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht.
Die Unternehmen, die Fernunterricht anbieten, müssen zur Finanzierung dieser
Behörde Gebühren entrichten. Die Gebühren, die für jeden einzelnen Lehrgang
zu entrichten sind, sind in der letzten Zeit verdoppelt worden und sollen weiter
erheblich angehoben werden. Dies kann gegebenenfalls ein Markteintritts-
hemmnis für neue und/oder kleinere Anbieter darstellen. Für die Versorgung
der Verbraucher mit innovativen, preiswerten und effektiven Bildungsdienst-
leistungen im Bereich des Fernunterrichts und insbesondere des E-Learning ist
jedoch Wettbewerb und offener Marktzutritt unerlässlich.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Umfang haben die derzeitigen Gebühren der staatlichen Zentral-

stelle für Fernunterricht (ZFU) im Durchschnitt pro neu geplanten Lehr-
gang?

2. Wie groß sind die durchschnittlichen Teilnehmerzahlen der Lehrgänge,
möglichst differenziert im berufsbildenden und im allgemeinbildenden Be-
reich?

3. Welchen Kostendeckungsgrad hat die ZFU heute und welchen Kostende-
ckungsgrad hält die Bundesregierung bei den Gebühren für maximal ver-
tretbar?

4. Wie kann die ordnungsgemäße Zulassung von Fernlehrgängen nach dem
Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht trotz der beschlosse-
nen Reduzierung des Personalbestandes und der weiter steigenden Zahl
von Anträgen in angemessener Frist bewältigt werden?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Pläne des Landes Nordrhein-West-
falen, die Gebühren der bei ihr errichteten Zulassungsstelle weiter dras-
tisch zu erhöhen im Hinblick auf die Chancen für neue Anbieter und neue
Lehrgänge?

6. Wäre eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der
ZFU aus Sicht des Bundes grundsätzlich denkbar?

7. Wie viele Anträge ausländischer Anbieter auf Zulassung von Fernlehrgän-
gen in Deutschland wurden bei der staatlichen Zentralstelle für Fernunter-
richt in den Jahren 2002, 2003 und in 2004 bis heute gestellt?

8. Wie viele dieser Anträge wurden abgelehnt und warum?
9. Wie viele Anträge inländischer Anbieter wurden in den gleichen Zeitinter-

vallen gestellt?
10. Wie viele dieser Anträge wurden abgelehnt und warum?
11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kostenentwicklung für nach dem

Sozialgesetzbuch geförderte Lehrgänge mit E-Learning- bzw. Fernlehran-
teilen, in denen neben der ISO oder ähnlicher Zertifizierung als Vorausset-
zung und der AWZV-Zulassung (Anerkennungs- und Zulassungsverord-
nung – Weiterbildung) auch noch eine ZFU-Zertifizierung erforderlich ist?

12. Wie steht die Bundesregierung zu der Aussage der Gutachter der im Hin-
blick auf die Leonardo da Vinci-Programme der EU angefertigten Studie
„E-Learning in Europe – Results and Recommendations“, dass E-Learning
ein erheblich anwachsender normaler Bestandteil des Lernens werden
wird?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4550

13. Durch welche Maßnahmen wird die Bundesregierung die Entwicklung und
die Akzeptanz des E-Learning in Deutschland unterstützen?

14. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der „European E-Skills
2004 Conference“, die vom 20. bis 21. September 2004 in Thessaloniki
stattfand, dass im Hinblick auf die Umsetzung der Lissabon-Strategie die
europäische Kooperation bei der Entwicklung und Implantation von Lern-
einheiten verstärkt werden muss?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den in der Schlussdeklaration der ge-
nannten Konferenz gemachten Vorschlag, europäische Standards für Lern-
module bzw. Lehrgänge zu entwickeln und wie will sie gegebenenfalls
diese Entwicklung fördern?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die zum Teil sehr detaillierten Bestim-
mungen des Artikels 8 des Staatsvertrags über das Fernunterrichtswesen
über die Zulassung eines Fernlehrgangs in Deutschland im Hinblick auf
die Chance innovativer Produkte im Bereich des E-Learning?

17. Ist seitens der Bundesregierung in absehbarer Zeit eine Novellierung des
Fernunterrichtsgesetzes im Hinblick auf den im Fernabsatzgesetz moderni-
sierten und erweiterten Verbraucherschutz und/oder im Hinblick auf die
Verbesserung der Bedingungen für die Entwicklung innovativer Lösungen
für deutsche Anbieter im sich global entwickelnden E-Learning-Markt ge-
plant?

18. Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 14. Dezember 2004
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Hellmut Königshaus
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt

Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.