BT-Drucksache 15/4513

Rechtssicherheit für die Einwerbung von Drittmitteln an Hochschulen und Universitätskliniken für Forschung und Lehre

Vom 15. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4513
15. Wahlperiode 15. 12. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Hellmut Königshaus,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Markus Löning, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Rechtssicherheit für die Einwerbung von Drittmitteln an Hochschulen
und Universitätskliniken für Forschung und Lehre

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Hochschulen in Deutschland erlangen immer mehr Freiheit in haushalts-
und organisationsrechtlichen Fragen, was von allen Fraktionen des Deutschen
Bundestages, aber auch in den Bundesländern nachdrücklich politisch unter-
stützt wird. Den Hochschulen wird die Möglichkeit eingeräumt, Einnahmen aus
Vertragsforschung oder aus wirtschaftlicher Tätigkeit zu behalten und nach ei-
gener Entscheidung zu verwenden. Hochschulgesetze und ministerielle Erlasse
der Bundesländer fordern die Hochschulen ausdrücklich auf, Drittmittel einzu-
werben. Die Gewährung von leistungsabhängigen Zulagen für Hochschullehrer
hängt nicht zuletzt auch vom Erfolg der Einwerbung von Drittmitteln ab. Ohne
eine intensive Drittmittel-Akquirierung könnten die Hochschulen in Zeiten
extrem knapper öffentlicher Mittel ihre Aufgaben nicht mehr uneingeschränkt
erfüllen.
Es besteht ein erheblicherWiderspruch zwischen der Notwendigkeit, bzw. sogar
gesetzlich normierten Dienstpflicht, Drittmittel einzuwerben und den Regelun-
gen der §§ 331 ff. StGB, sowie der §§ 43 BRRG, 70 BBG, die die Annahme von
Geschenken und Vorteilen imAmt untersagen. Hier kann es zu erheblichenWer-
tungswidersprüchen zwischen der Verpflichtung zur Einwerbung von Drittmit-
teln und einer effektiven Korruptionsbekämpfung kommen.
Kernproblem ist die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Vorteil“, des-
sen Interpretation nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
extrem weit bis zum ideellen Nutzen greift. Weiterhin wurde der Empfänger-
kreis für den durch den „Täter“ gewonnenen Nutzen auch auf Dritte erweitert.
Zwar sieht das Gesetz eine Genehmigungsmöglichkeit vor, diese wird jedoch
nur in sehr engen Grenzen erteilt. Zahlreiche Hochschullehrer sahen sich in der
Vergangenheit mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren konfrontiert.

Drucksache 15/4513 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Besonders hart getroffen wurden Universitätskliniken. Trotz der Ausgliederung
vieler Kliniken aus der regulären Universitätsverwaltung, die die Wettbewerbs-
fähigkeit mit Privatkliniken sichern soll, unterliegen die Professoren und Ärzte
weiterhin dem öffentlichen Dienstrecht und fallen somit in den Anwendungs-
bereich der §§ 331 ff. StGB.
Um die Drittmittelproblematik zu entschärfen, gehen Unternehmen dazu über,
Kooperationen mit rein privatrechtlich geführten Forschungseinrichtungen zu
forcieren, die nicht den weiten Straftatbeständen der Amtsdelikte unterliegen,
sondern den weitaus engeren, der Straftaten gegen den Wettbewerb. Andere
wählen gleich den Weg einer Unterstützung von Forschungsprojekten im Aus-
land. Dies kann nicht im Sinne der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des
Hochschulstandortes Deutschland sein.
Die zu Tage getretenen Rechtsunsicherheiten können nur durch eine bundesein-
heitliche Regelung aufgehoben werden, um eine Zersplitterung des Drittmittel-
rechtes in Deutschland zu verhindern.
Das dienstlich geforderte Verhalten des Hochschullehrers darf nicht in einen
kriminellen Kontext geraten. Deshalb muss der Grundsatz gelten, dass die
Annahme von Drittmitteln für Zwecke der Forschung und Lehre zulässig ist.
Es erscheint es zweckmäßig, eine Änderung des Strafrechtes herbeizuführen, die
die Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung für solche Fälle straflos stellt, in
denen das Dienst- bzw. Hochschulrecht der Länder die Einwerbung von Mitteln
Dritter für die Durchführung von Forschungsvorhaben und die Lehre ausdrück-
lich erlaubt, bzw. sie sogar fordert.
Im Sinne von Transparenz und zur Vermeidung von Abhängigkeiten sollten sol-
che Drittmitteleinwerbungen angezeigt und von der Hochschule bzw. Universi-
tätsklinik genehmigt werden. Diese Regelung würde eine personelle Trennung
der Drittmittel einwerbenden Stelle (i. d. R. der Hochschullehrer) und der ge-
nehmigenden Stelle (i. d. R. die Hochschulleitung bzw. der Klinikumsvorstand)
gewährleisten.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Umfang

mitMitteln Dritter für Forschung, Lehre, Aus- und Fortbildung an Hochschu-
len und Hochschulkliniken im Hinblick auf die strafrechtlichen Bestechungs-
delikte auf eine einwandfreie Grundlage stellt;

2. mit den Bundesländern zusammen eine möglichst einheitliche Regelung zur
Drittmitteleinwerbung an Hochschulen und Kliniken zu verabschieden, die
folgende Punkte enthalten sollte:
a) Die Hochschulen tragen zur Finanzierung der ihnen übertragenen Aufga-

ben durch Einwerbung von Mitteln Dritter und sonstigen Einnahmen bei.
Die Einwerbung und Verwendung von Mitteln Dritter für die Durchfüh-
rung von Forschungsvorhaben und der Lehre gehört zu den dienstlichen
Aufgaben der in der Forschung tätigen Mitglieder der Hochschule oder
des Klinikums.

b) Das Angebot eines Dritten zur Bereitstellung von Mitteln ist der Hoch-
schulleitung oder der von ihr beauftragten Stelle, im Bereich der Univer-
sitätskliniken dem Klinikumsvorstand oder der von ihm bezeichneten
Stelle schriftlich anzuzeigen. Dabei sind alle zur Entscheidung notwendi-
gen Angaben und Unterlagen vorzulegen.

c) Die Annahme wird durch die Hochschule oder die von ihr bezeichneten
Stelle, im Bereich der Universitätskliniken durch den Klinikumsvorstand
oder der von ihm bezeichneten Stelle erklärt. Die Drittmitteleinwerbung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4513

ist aktenkundig zu machen. Die Leitung der Hochschule bzw. der Klini-
kumsvorstand hat das Angebot schriftlich abzulehnen, wenn die Annahme
gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Sie können das Angebot ablehnen
oder die Annahme mit Auflagen versehen, wenn die Erfüllung anderer
Aufgaben der Hochschule bzw. des Klinikums sowie Rechte und Pflichten
anderer Personen dadurch beeinträchtigt werden oder wenn die durch die
Annahme entstehenden Folgelasten nicht angemessen berücksichtigt sind.
Die Ablehnung bzw. die Zustimmung unter Auflagen ist binnen einer Frist
von zwei Monaten zu erklären. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Zustim-
mung als erteilt.

d) Die Erklärung der Hochschule bzw. des Klinikumsvorstandes über die
Annahme umfasst zugleich die Zustimmung zur Inanspruchnahme der
damit verbundenen Vorteile für die beteiligten Mitglieder der Universität;

3. im Rahmen der Novellierung des Hochschuldienstrechtes den Hochschulen
die Möglichkeit zu geben, ihre Bilanzen regelmäßig von unabhängigen Insti-
tutionen oder Wirtschaftsprüfern kontrollieren zu lassen.

Berlin, den 14. Dezember 2004
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Hellmut Königshaus
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Markus Löning
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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