BT-Drucksache 15/4441

Teenagerschwangerschaften

Vom 30. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4441
15. Wahlperiode 30. 11. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michaela Noll, Rita Pawelski, Maria Eichhorn,
Dr. Maria Böhmer, Antje Blumenthal, Thomas Dörflinger, Ingrid Fischbach,
Dr. Maria Flachsbarth, Ute Granold, Markus Grübel, Barbara Lanzinger,
Walter Link (Diepholz), Hannelore Roedel, Andreas Scheuer, Angela Schmid,
Annette Widmann-Mauz, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Teenagerschwangerschaften

Aktuelle Meldungen in der Presse und in Fachveröffentlichungen zeigen deut-
lich, dass die Zahlen von Teenagerschwangerschaften bei Minderjährigen zu-
nehmen. Dies lässt sich u. a. aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes
(Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/
CSU „Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Beobach-
tungs- und Nachbesserungspflicht“ auf Bundestagsdrucksache 15/3155) ablei-
ten. Den Angaben zufolge ist in Deutschland ein Anstieg der gemeldeten
Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen zu verzeichnen. Die Zahl ist
von 1996 bis 2003 von 4 724 auf 7 645 gestiegen. Dabei hat sich die Summe
bei den unter 15-Jährigen im selben Zeitraum von 365 auf 715 nahezu verdop-
pelt. Der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen an der Ge-
samtzahl der Abbrüche stieg von 3,6 auf 6 Prozent.
Hinzu kommt, dass der erste Geschlechtsverkehr bei jüngeren Jugendlichen in
vielen Fällen ungeplant und ohne Verhütungsmaßnahmen erfolgt, obwohl sich
die Mehrzahl dieser Jugendlichen selber für ausreichend aufgeklärt hält. Zu
diesen Ergebnissen kam eine Studie über Jugendsexualität der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2001.
Diese Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse machen auf ein alarmieren-
des Problem aufmerksam, das im Sinne der jungen Generation gelöst werden
muss. Ziel dieser Anfrage ist es daher, die Ursachen des steten Zuwachses von
Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüchen bei Minderjährigen zu lo-
kalisieren und zu hinterfragen, um in einem zweiten Schritt den Jugendlichen
umfassende und gezielte, d. h. auf sie zugeschnittene Beratung und Hilfe anzu-
bieten.

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Statistische Ausgangslage und Ursachen
1. Verfügt die Bundesregierung über Datenmaterial, das die Anzahl der Teena-

gerschwangerschaften und -abbrüche regionalspezifisch ausweist, und wenn
nein, beabsichtigt die Bundesregierung entsprechende Zahlen zu erheben?

2. Stimmt die Bundesregierung zu, dass der Anstieg der Schwangerschaften
und Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen als besorgniserregend
zu bezeichnen ist?

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3. Worin sieht die Bundesregierung die Gründe für eine vermehrte Zahl von
Teenagerschwangerschaften?

4. Wie bewertet die Bundesregierung Untersuchungsergebnisse, nach denen
als Grund für eine Teenagerschwangerschaft häufig mangelnde Zukunfts-
perspektiven angegeben werden, die durch die Mutterschaft kompensiert
werden sollen (Teenagerschwangerschaften in Sachsen. Angebote und
Hilfebedarf aus professioneller Sicht. Kurzfassung; Studie im Auftrag der
BZgA, April 2004)?

5. Ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen im ersten
Halbjahr 2004 weiter gestiegen?

6. Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, aus denen hervorgeht, wie vielen
minderjährigen Mädchen in den letzten Jahren die „Pille danach“ ver-
schrieben wurde, und wie sich diese Zahl im ersten Halbjahr 2004 ent-
wickelt hat?

7. Von welchen medizinischen bzw. wissenschaftlichen Grundlagen hat sich
die Bundesregierung bei der Antwort des Staatssekretärs im Bundesminis-
terium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Dr. Klaus Theo Schröder,
vom 5. November 2004 auf die schriftliche Frage 70 der Abgeordneten
Dr. Maria Flachsbarth in Bundestagsdrucksache 15/4211 leiten lassen, dass
einem Verzicht auf die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ zur Notfallkon-
trazeption, insbesondere bei Jugendlichen, keine Aspekte der Arzneimittel-
sicherheit entgegenstehen?

8. Wie gedenkt die Bundesregierung im Falle eines möglichen späteren Weg-
falls der Verschreibungspflicht sicherzustellen, dass die „Pille danach”, ins-
besondere bei Jugendlichen, tatsächlich nur zur Notfallkontrazeption ein-
gesetzt wird?

9. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, inwiefern sich die Herkunft
aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Kulturkreisen auf das Phäno-
men der Teenagerschwangerschaften niederschlägt?

II. Auswirkungen
10. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wie sich die Situation der

Schwangeren bzw. derjenigen, die ihre Schwangerschaft abbrechen, auf
deren Erwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit auswirkt?

11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Problemsituatio-
nen vor, die sich aus Schwangerschaft und Mutterschaft minderjähriger
Mädchen für die Herkunftsfamilie der Mädchen ergeben?

12. Wie schätzt die Bundesregierung die Ausbildungschancen dieser minder-
jährigen Mütter ein?

13. Welche besonderen Probleme ergeben sich für die minderjährigen Väter
und wie muss darauf reagiert werden?

14. Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, wie viele Kinder von minderjähri-
gen Müttern seit 1990 zur Adoption freigegeben wurden?

15. Wie viele minderjährige Mütter und ihre Kinder leben nach Kenntnis der
Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern in so genannten Mütter-
häusern?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4441

III. Aufklärung und Beratung
16. Liegen der Bundesregierung Daten vor, inwiefern die Schwangerschaft bei

Minderjährigen das Ergebnis der ersten sexuellen Kontakte ist?
17. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Aufklärung in einem aus-

reichenden Maße erfolgt, und wenn nein, wo sieht die Bundesregierung
Nachbesserungsbedarf?

18. Gibt es spezielle Kursangebote und Projekte zur Beratung und Unterstüt-
zung minderjähriger Mütter, und wenn ja, welche?

19. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, bei minderjährigen Schwangeren
für eine bessere Vernetzung zwischen Gynäkologen und Beratungsstellen
zu sorgen?

20. Inwiefern gibt es Pläne, das vorhandene sexualpädagogische Beratungsan-
gebot, das in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christel
Riemann-Hanewinckel, vom 16. September 2004 auf die schriftliche Frage
60 der Abgeordneten Michaela Noll in Bundestagsdrucksache 15/3702 auf-
gezählt wird, angesichts der oben skizzierten Entwicklung zu verändern
bzw. auszubauen?

21. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung ihrer sexualpädagogischen
Maßnahmen, wie der „Kindergartenbox“ und des Medienpakets „Dem
Leben auf der Spur“ ein?
Wird es dazu eine externe Evaluierung geben?

22. Welche weiteren „vielfältigen trägerspezifischen sexualpädagogischen An-
gebote für Jugendliche einschließlich jugendlicher Schwangerer“ kennt die
Bundesregierung außer denen, die sie in ihrer Antwort zur Frage 17 der
Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Umsetzung der vom Bun-
desverfassungsgericht geforderten Beobachtungs- und Nachbesserungs-
pflicht“ (Bundestagsdrucksache 15/3155) nennt?

23. Wann wird die im Oktober 2003 von der Bundesregierung begonnene Ent-
wicklung eines „adäquaten sexualpädagogischen Präventionskonzepts und
entsprechender Hilfs- und Befähigungsangebote, die speziell auf die Ziel-
gruppe abgestimmt sind“, abgeschlossen sein (Quelle siehe Frage 22)?

24. Kann die Bundesregierung Beispiele für den „umfangreichen massenme-
dialen und personalkommunikativen Maßnahmenmix“ der BZgA nennen
(Antwort zur Frage 40 der Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
„Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Beobach-
tungs- und Nachbesserungspflicht“, Bundestagsdrucksache 15/3155)?

25. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der
o. g. BZgA-Studie, aus denen u. a. hervorgeht, dass das Verhütungswissen
der Jugendlichen mehrheitlich von den Experten als unzureichend bis man-
gelhaft eingeschätzt wird und dass es an Informationen über das Vorhan-
densein von Beratungs- und Betreuungsangeboten bei den minderjährigen
Schwangeren mangelt?

26. Wann erwartet die Bundesregierung Ergebnisse der in der Antwort der Par-
lamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend, Christel Riemann-Hanewinckel, vom 16. Sep-
tember 2004 auf die schriftliche Frage 60 der Abgeordneten Michaela Noll
angekündigten Expertise zur Nutzung von vorhandenen Angeboten und
Hilfen für jugendliche Schwangere und inwiefern berücksichtigen solche
Beratungsmöglichkeiten die unterschiedlichen Bedürfnisse der jungen wer-
denden Mütter und Väter?

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27. Hat die Bundesregierung die Befragung von Beraterinnen und Beratern der
Schwangerschaftskonfliktberatung zu Teenagerschwangerschaften durch-
führen lassen, die der Staatssekretär im Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, Peter Ruhenstroth-Bauer, in seiner Antwort
vom 22. April 2003 auf die schriftliche Frage 60 der Abgeordneten Ingrid
Fischbach angekündigt hat (Bundestagsdrucksache 15/877)?
Wenn ja, wie sehen die Ergebnisse aus bzw. wenn nein, wann wird die
Bundesregierung diese Befragung durchführen lassen?

28. Welche Bedeutung hat die Peer Group für die Einstellungs- und Verhal-
tensbildung junger Frauen und Männer zu Fragen von Sexualität, Verhü-
tung und Verantwortung für eine mögliche Schwangerschaft/Vaterschaft?

29. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei ihrer Kooperation mit
den für die Schwangerenkonfliktberatung zuständigen Ländern und Bera-
tungsträgern gekommen, bei der nach Auskunft von Staatssekretär Peter
Ruhenstroth-Bauer eine intensive Beschäftigung mit den Hintergründen
und Ursachen der Entwicklung bei Schwangerschaftsabbrüchen Min-
derjähriger stattfinden sollte (Antwort des Staatssekretärs auf die schrift-
liche Frage 60 der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Bundestagsdrucksache
15/877)?

30. Welche speziellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung durch die „beson-
dere Berücksichtigung sozialer, kultureller und religiöser Faktoren“ ge-
wonnen (Quelle siehe Frage 29)?

31. Sind der Bundesregierung Stiftungen bekannt, die finanzielle Hilfen spe-
ziell für minderjährige Schwangere zur Verfügung stellen, und wenn ja,
welche?

32. Wie oft haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Stiftungen
minderjährigen Schwangeren und Müttern geholfen und wie hoch waren
die finanziellen Hilfen pro Person und insgesamt?

33. Ist der Bundesregierung bekannt, welchen Stellenwert das Thema Adop-
tion in den bisherigen Beratungsformen einnimmt?

Berlin, den 30. November 2004
Michaela Noll
Rita Pawelski
Maria Eichhorn
Dr. Maria Böhmer
Antje Blumenthal
Thomas Dörflinger
Ingrid Fischbach
Dr. Maria Flachsbarth
Ute Granold
Markus Grübel
Barbara Lanzinger
Walter Link (Diepholz)
Hannelore Roedel
Andreas Scheuer
Angela Schmid
Annette Widmann-Mauz
Willi Zylajew
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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