BT-Drucksache 15/4405

Ratifikations des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention

Vom 1. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4405
15. Wahlperiode 01. 12. 2004

Antrag
der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Heinrich,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Eberhard Otto (Godern),
Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion
der FDP

Ratifikationdes12. Zusatzprotokolls zurEuropäischenMenschenrechtskonvention

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Am 3. und 4. November 2000 wurde in Rom auf der Konferenz anlässlich des
50. Jahrestages der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grund-
freiheiten von 1950 – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – das
12. Zusatzprotokoll zur EMRK zur Unterzeichnung aufgelegt. Das Zusatz-
protokoll wurde am 26. Juni 2000 vom Ministerkomitee des Europarates ver-
abschiedet. 25 der damals 41 Mitgliedstaaten des Europarates haben das Zu-
satzprotokoll noch am 4. November 2000 unterzeichnet. Auch Deutschland
gehörte zu den Erstunterzeichnerstaaten. Bis November 2004 ist die Zahl der
Unterzeichnerstaaten auf 34 angestiegen. Acht Staaten (Bosnien und Herzego-
wina, Mazedonien, Georgien, Kroatien, Niederlande, San Marino, Serbien und
Montenegro sowie Zypern) haben bisher das Zusatzprotokoll ratifiziert, die
deutsche Ratifikation steht noch aus. Das Zusatzprotokoll tritt mit der zehnten
Ratifikation in Kraft.
Inhalt des Zusatzprotokolls ist ein universelles Diskriminierungsverbot. Nach
Artikel 1 Abs. 1 ZP wird der Genuss aller gesetzlichen Rechte ohne Diskrimi-
nierung aus einem Grund wie dem Geschlecht, der Rasse, der Hautfarbe, der
Sprache, der Religion, der politischen oder einer sonstigen Anschauung, der
nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Min-
derheit, dem Vermögen, dem Geburts- oder eines sonstigen Status gesichert.
Nach Absatz 2 darf niemand von einer öffentlichen Stelle, einschließlich der
Gerichte, des Gesetzgebers und der Verwaltung, aus einem solchen Grund
diskriminiert werden. Verletzungen dieses Diskriminierungsverbotes können
vor den nationalen Gerichten, gegebenenfalls aber auch vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gerügt werden.
Die Notwendigkeit des Zusatzprotokolls ergibt sich aus dem bisher nur be-
schränkten Diskriminierungsverbot des Artikels 14 EMRK. Dieses kann nicht

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selbstständig angerufen werden, sondern nur in Verbindung mit den Rechten
und Freiheiten, die in der EMRK und ihren Zusatzprotokollen vorgesehen sind.
Artikel 14 EMRK enthält damit nur ein sogenanntes akzessorisches Diskrimi-
nierungsverbot. Das Zusatzprotokoll hingegen schreibt das Diskriminierungs-
verbot für alle gesetzlichen Rechte fest und erweitert es damit zu einem univer-
sellen und selbständigen Rechtsgleichbehandlungsgebot. Zukünftig wird damit
jede Diskriminierung bei der Gewährung eines Rechtes, die auf einem der
genannten Gründe beruht, selbständig angegriffen werden können. Mit dieser
Neugestaltung des Diskriminierungsverbotes erlangt das Zusatzprotokoll
besondere Bedeutung im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz und bei der
Gleichstellung von Mann und Frau. Unabhängig davon ist der Abbau von
Diskriminierungen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich nicht nur per
Gesetz verordnen lässt. Hierfür ist ein verändertes Bewusstsein notwendig.
Toleranz und Akzeptanz müssen durch konkretes Handeln täglich neu gelebt
werden.
Es fehlen die Ratifikationsurkunden von nur zwei Staaten, damit das 12. Zu-
satzprotokoll in Kraft treten kann. Mit der Signalwirkung, die von einer Ratifi-
zierung durch Deutschland unter den Europaratsmitgliedern ausgehen würde,
wäre ein zügiges Inkrafttreten gesichert. Deutschland sollte dies als Chance be-
trachten, seine Vorbildrolle im Menschenrechtsbereich zu wahren und zu stär-
ken.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,
umgehend einen Entwurf für ein Gesetz zur Ratifizierung des 12. Zusatzproto-
kolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
von 1950 zu erarbeiten und dem Deutschen Bundestag zur Entscheidung vorzu-
legen.

Berlin, den 30. November 2004
Rainer Funke
Dr. Karl Addicks
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin

Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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