BT-Drucksache 15/435

Marktwirtschaftliches Modell einer flächengebundenen Kulturlandschaftsprämie verwirklichen

Vom 13. Februar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/435
15. Wahlperiode 13. 02. 2003

Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrich
Heinrich, GudrunKopp,Marita Sehn, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Dr. Christian Eberl, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Karlheinz Guttmacher, Christoph Hartmann (Homburg), Klaus
Haupt, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Eberhard
Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Marktwirtschaftliches Modell einer flächengebundenen Kulturlandschaftsprämie
verwirklichen

Der Bundestag wolle beschließen

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. bei den Beratungen der Legislativ-Vorschläge der EU-Kommission zur

Halbzeitbewertung der Agenda 2000 die Versorgung der Verbraucher mit
qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sowie den Erhalt und die Pflege der
Kulturlandschaft in den Mittelpunkt der Beratungen zu rücken;

2. für eine Stärkung einer unternehmerischen Landwirtschaft und des länd-
lichen Raumes einzutreten;

3. Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirte,
die vor- und nachgelagerten Bereiche sowie die Ernährungswirtschaft zu
schaffen;

4. die europäische Agrarpolitik zukünftig stärker an den Prinzipien der Sozia-
len Marktwirtschaft und der Nachhaltigkeit zu orientieren, und
– die Direktzahlungen (Prämien) aus marktwirtschaftlichen und ökologi-

schen Gründen von der Produktion zu entkoppeln und an die Bewirt-
schaftung der Flächen zu binden;

– die bürokratischen Regelungen zu verringern;
– die gesamtgesellschaftlichen Leistungen einer multifunktionalen Land-

wirtschaft zu honorieren.
Dazu sollen Landwirte zukünftig für ihre Dienstleistungen zur Pflege und
Erhaltung unserer Kulturlandschaft unter Einbeziehung des Grünlandes eine
Kulturlandschaftsprämie erhalten;

Drucksache 15/435 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

5. die europäische Agrarpolitik marktwirtschaftlich weiterzuentwickeln und
damit die vereinbarten Ziele der vierten Ministerkonferenz der Welthandels-
konferenz (WTO) in Doha umzusetzen;

6. den Anbau Nachwachsender Rohstoffe weiterhin auf Stilllegungsflächen zu
ermöglichen und

7. zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Agrar- und Ernäh-
rungswirtschaft und damit zur Stärkung des ländlichen Raumes nationale
Sonderwege in der Agrarpolitik zu überprüfen und dadurch verursachte
Nachteile abzubauen.

Berlin, den 13. Februar 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
In den kommenden Wochen muss eine detaillierte Analyse und Bewertung der
umfangreichen Vorschläge der EU-Kommission zur Halbzeitbewertung der
Agenda 2000 erfolgen. Im Vordergrund dieser Prüfung müssen die positiven
und negativen Auswirkungen der Reformvorschläge auf die heimische Agrar-
und Ernährungswirtschaft und die damit verbundenen Konsequenzen für den
ländlichen Raum stehen. Weiterhin muss geklärt werden, ob mit den unterbrei-
teten Vorschlägen die angestrebten Ziele zu erreichen sind. Zudem ist auf eine
WTO-konforme Ausgestaltung zu achten. Schließlich ist sicherzustellen, dass
die europäische und nationale Agrarpolitik gemeinsame Ziele verfolgen. Diese
gemeinsamen Ziele dürfen nicht durch widersprüchliche Maßnahmen einzelner
Mitgliedstaaten zu Lasten der Verbraucher und Landwirte konterkariert wer-
den.
Die europäische Agrarpolitik muss sich zukünftig stärker an den Prinzipien der
Sozialen Marktwirtschaft und der Nachhaltigkeit orientieren. Dazu muss der
unternehmerische Landwirt in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Landwirte
müssen von bürokratischer Gängelung und bürokratischen Marktregulierungen
befreit und damit wieder zu Unternehmern gemacht werden. Sie müssen die
Chance haben, einen wesentlichen Teil ihres Einkommens am Markt zu erzie-
len.
Zukünftig sollen die Landwirte für ihre Leistungen zur Pflege und Erhaltung
unserer Kulturlandschaft eine produktunabhängige Kulturlandschaftsprämie er-
halten. Im Gegenzug entfallen schrittweise die bisherigen bürokratischen
Marktregulierungen. Weil unternehmerische Landwirte Planungssicherheit und
verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, kann ein Umbau der produktbezo-
genen Stützung zu einer produktunabhängigen Kulturlandschaftsprämie nicht
von heute auf morgen erfolgen. Deshalb muss die Halbzeitbewertung der
Agenda 2000 genutzt werden, um die mit der Agrarreform von 1992 und mit
der Agenda 2000 eingeleitete marktwirtschaftliche Orientierung der EU-Agrar-
politik fortzuführen.
Eine Stärkung der Mitgliedstaaten durch mehr Subsidiarität und größere natio-
nale Steuerungsmöglichkeiten ist dringend erforderlich. Dazu sollte das Instru-
ment der Kofinanzierung in der europäischen Agrarpolitik weiter ausgebaut
werden. Dieser Umbau der europäischen Agrarpolitik ist auch erforderlich, um
die Herausforderungen der laufenden WTO und der EU-Osterweiterung erfolg-
reich zu bestehen. Mit Rücksicht auf die höheren Standards und die multifunk-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/435

tionalen Leistungen unserer heimischen Landwirtschaft muss bei den laufenden
Verhandlungen der WTO die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft
sichergestellt werden, ohne dass neue protektionistische Barrieren aufgebaut
werden.
Die vorliegenden Vorschläge der EU-Kommission werden dem Ziel einer euro-
päischen Agrarpolitik, die sich stärker an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und
der Sozialen Marktwirtschaft orientiert, zum Teil gerecht. So ist die weitere
Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion grundsätzlich zu begrü-
ßen. Allerdings bleibt die Entkoppelung der Direktzahlungen auf einige Pro-
dukte beschränkt. Außerdem führt die von der EU-Kommission vorgeschla-
gene Betriebsprämie durch komplizierte Antrags-, Nachweis- und Kontrollver-
fahren zu Problemen und Nachteilen bei den wirtschaftenden Betrieben. Im Ge-
gensatz zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Betriebsprämie ist
eine flächenbezogene Kulturlandschaftsprämie zu favorisieren. Sie muss fest
an die Bewirtschaftung gebunden sein. Diese flächengebundene Kulturland-
schaftsprämie hat zudem den Vorteil, dass damit keine Benachteiligung der
Grünlandstandorte erfolgt. Die Vorschläge der EU-Kommission führen eben-
falls zur Entkoppelung des Direktausgleichs mit umweltpolitischen Auflagen
(Cross Compliance). Allerdings ist bei der Umsetzung sicherzustellen, dass
eine Ausweitung der Bürokratie über die mit dem Cross Compliance verbunde-
nen 38 Verordnungen im Tier-, Natur- und Umweltschutz sowie Verbraucher-
schutz verhindert wird. Schließlich ist das damit verbundene obligatorische Be-
triebsberatungssystem für Betriebe, die mehr als 15 000 Euro im Jahr in Form
von Direktzahlungen erhalten oder einen Umsatz von mehr als 100 000 Euro
im Jahr verzeichnen, zur Stärkung einer unternehmerischen und eigenverant-
wortlichen Landwirtschaft ungeeignet. Aus eigentumspolitischen Gesichts-
punkten ist es zudem abzulehnen.
Die Verschiebung des Beginns der obligatorischen Modulation der Direktzah-
lungen auf das Jahr 2006 ist zu begrüßen. Damit erhalten die Landwirte in die-
sem Punkt die notwendige Planungssicherheit. Im Gegensatz zur EU-Kommis-
sion wurde in Deutschland bereits zum 1. Januar 2003 die Modulation im natio-
nalen Alleingang eingeführt. Derartige nationale Alleingänge führen zwangs-
läufig zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der heimischen Landwirte und
sind daher zu korrigieren. Die rot-grüne Bundesregierung setzt mit der so ge-
nannten Agrarwende die falschen Rahmenbedingungen für den Verbraucher-
schutz und die heimische Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft. Die Verbrau-
cher können nicht durch nationale Alleingänge beim Verbraucherschutz in
einem offenen Binnenmarkt geschützt werden. Die einseitige und überpropor-
tionale Förderung des ökologischen Landbaus ist ohne die entsprechende Ver-
brauchernachfrage kontraproduktiv. Funktionierende Märkte werden durch
eine unangemessene staatliche Förderung zerstört und die Einkommensbasis
der ökologisch wirtschaftenden Betriebe wird gefährdet.
Nach ersten Berechnungen führt das Vorziehen der Milchmarktreform der
Agenda 2000 um ein Jahr auf das Jahr 2004/2005 zu deutlichen Einkommen-
seinbußen in der Landwirtschaft. Planungssicherheit und verlässliche Rahmen-
bedingungen sind so nicht zu erreichen. Zwar wird mit der Verlängerung der
Quotenregelung bis zum Jahr 2015 eine scheinbare Planungssicherheit für die
Milch produzierenden Betriebe geschaffen. Gleichzeitig wird allerdings durch
die Stützpreissenkungen um insgesamt 35 Prozent bei Butter und 17 Prozent
bei Magermilchpulver und einer zusätzlichen Quotenaufstockung für alle Mit-
gliedstaaten um 2 Prozent die Basis dieser Regelung ausgehöhlt.
Schließlich ist es nicht im Interesse der Stärkung erneuerbarer Energien und
Nachwachsender Rohstoffe, dass zukünftig die Möglichkeit des Anbaus Nach-
wachsender Rohstoffe auf Stilllegungsflächen entfallen wird.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.