BT-Drucksache 15/4250

zu 23 gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des sechsten Europäischen Parlaments as der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 26. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4250
15. Wahlperiode 26. 11. 2004

Erste Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu 23 gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des sechsten Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland eingegangenenWahleinsprüchen

A. Problem
Gemäß § 26 Abs. 2 des Europawahlgesetzes (EuWG) finden für das Wahlprü-
fungsverfahren zur Europawahl die Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes
(WPrüfG) entsprechende Anwendung. Der Deutsche Bundestag hat danach
über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Juni 2004
auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses
zu entscheiden.
Insgesamt waren 46 Wahleinsprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfas-
sung vorgelegten Entscheidungen behandeln 23 Einsprüche; davon sind drei
Einsprüche zurückgenommen worden und ein Einspruch hat sich auf andere
Art und Weise erledigt. Die Beschlussempfehlungen zu den weiteren Einsprü-
chen wird der Wahlprüfungsausschuss nach dem Abschluss der Beratungen im
Wahlprüfungsausschuss vorlegen.

B. Lösung
– Zurückweisung von 19 Wahleinsprüchen ohne mündliche Verhandlung

wegen offensichtlicher Unbegründetheit (§ 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 6
Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG) oder wegen Unzulässigkeit (§ 26 Abs. 2 EuWG
i. V. m. § 6 Abs. 1a Nr. 1 und 2 WPrüfG) (vgl. Nr. 2 der Beschlussempfeh-
lung);

– Verfahrenseinstellung in vier Fällen auf der Grundlage von § 26 Abs. 2
EuWG i. V. m. § 2 Abs. 6 WPrüfG (vgl. Nr. 1 der Beschlussempfehlung).

Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche,
a) die einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorbereitung und

Durchführung der Wahl nicht erkennen lässt;
b) die die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behaupten; im Rahmen des

Wahlprüfungsverfahrens im Deutschen Bundestag kann eine derartige Fest-
stellung nicht erfolgen (seit der 1. Wahlperiode ständige Praxis des Deut-
schen Bundestages; diese Kontrolle blieb stets dem Bundesverfassungs-
gericht vorbehalten);

c) die mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen lassen, auf
welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird (BVerfGE 40, 11/30);

Drucksache 15/4250 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

d) die sich zwar auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder Durch-
führung der Wahl stützen, wobei diese Mängel jedoch angesichts des Stim-
menverhältnisses keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können
(BVerfGE 4, 370/372 f.).

C. Alternativen
Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.
Der Wahlprüfungsausschuss ist jedoch entsprechend seinem Selbstverständnis
und seiner ständigen Praxis allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen,
auch wenn sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung der deutschen Abge-
ordneten im sechsten Europäischen Parlament hatten. Diese Art der Behand-
lung soll dafür Sorge tragen, dass sich festgestellte Wahlmängel bei künftigen
Wahlen möglichst nicht wiederholen.

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4250

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. die Verfahren zu den Wahleinsprüchen EuWP 09/04, EuWP 22/04,

EuWP 05/04 und EuWP 20/04 einzustellen.
2. die aus den Anlagen 1 bis 19 ersichtlichen Entscheidungen zu treffen.

Berlin, den 25. November 2004

Der Wahlprüfungsausschuss
Erika Simm
Vorsitzende und Berichterstatterin

Hermann Bachmaier
Berichterstatter

Hans-Joachim Hacker
Berichterstatter

Petra-Evelyne Merkel
Berichterstatterin

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Berichterstatter

Manfred Grund
Berichterstatter

Thomas Strobl (Heilbronn)
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jürgen Koppelin
Berichterstatter

Drucksache 15/4250 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil:

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

Aktenzeichen Betreff Berichterstatter/in Anlage Nr. Seite
EuWP 23/04 Nichteintragung in dasWählerverzeichnis Abg. Bachmaier 1 5

EuWP 28/04 Grundsatz der Chancengleichheit(Wahlplakate) Abg. Dr. Friedrich (Hof) 2 7
EuWP 32/04 Erstellen des Wählerverzeichnisses Abg. Dr. Friedrich (Hof) 3 9
EuWP 04/04 Grundsatz der Chancengleichheit,Allgemeine Gründe Abg. Dr. Friedrich (Hof) 4 11

EuWP 06/04 Nichtzugang derWahlbenachrichtigung Abg. Grund 5 15
EuWP 14/04 Nichtzugang von Briefwahlunterlagen Abg. Grund 6 17
EuWP 33/04 Informationen über Wahlbewerber Abg. Hacker 7 19
EuWP 15/04 Gestaltung des Stimmzettels Abg. Koppelin 8 21
EuWP 16/04 Gestaltung des Stimmzettels Abg. Koppelin 9 23
EuWP 27/04 Gestaltung der Wahlbenachrichtigung Abg. Koppelin 10 25

EuWP 07/04
Wahlgeheimnis (Anordnung der
Wahlkabinen), Listenaufstellung,
Briefwahl

Abg. Merkel 11 27

EuWP 12/04 Wahlgeheimnis(Anordnung der Wahlkabinen) Abg. Merkel 12 33
EuWP 25/04 Verwendung von Bleistiften Abg. Merkel 13 37
EuWP 35/04 Durchführung der Urnenwahl Abg. Merkel 14 39
EuWP 19/04 Möglichkeit der Stimmenthaltung Abg. Montag 15 43
EuWP 03/04 Nichtzugang derWahlbenachrichtigung Abg. Simm 16 47
EuWP 21/04 Wahlausschluss Abg. Simm 17 49
EuWP 44/04 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Strobl (Heilbronn) 18 51
EuWP 01/04 Allgemeine Gründe Abg. Strobl (Heilbronn) 19 55

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4250

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn M. D., 34298 Helsa

– Az.: EuWP 23/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem Schreiben vom 17. Juni 2004, das vomKreiswahl-
leiter des Landkreises Kassel an den Deutschen Bundestag
weitergeleitet worden und hier am 29. Juni 2004 eingegangen
ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
derWahl derAbgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 13. Juni 2004 eingelegt.
Er wendet sich gegen die Nichteintragung in das Wählerver-
zeichnis.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am Wahltag erschien der Einspruchsführer gegen 14 Uhr in
seinem Wahllokal, um an der Wahl teilzunehmen. Eine
Wahlbenachrichtigung konnte er nicht vorweisen, da ihm
diese nicht zugesandt worden war. Es stellte sich dann her-
aus, dass auch im Wählerverzeichnis kein entsprechender
Eintrag vorhanden war. Daraufhin teilte man ihm mit, dass
er nicht an der Wahl teilnehmen könne, sondern dass er sich
bei der Gemeindeverwaltung in Helsa um die Angelegen-
heit selbst kümmern müsse.
Der Einspruchsführer trägt vor, dass weitere Bemühungen,
die Angelegenheit aufzuklären, nicht unternommen worden
seien. Da er nicht eingesehen habe, zur Ausübung des Wahl-
rechts über 10 km zu fahren und in Helsa auch erheblicher
Zeitaufwand zu erwarten gewesen sei, habe er nicht an der
Wahl teilgenommen. Der Einspruchsführer bittet um Auf-
klärung der Angelegenheit, insbesondere darüber, warum
der Eintrag im Wählerverzeichnis nicht vorgenommen wor-
den sei.
Der Kreiswahlleiter des Landkreises Kassel hat zu der An-
gelegenheit unter Einbeziehung der Gemeinde Helsa und
des Datenverarbeitungs-Dienstleisters der Gemeinde Helsa
wie folgt Stellung genommen:
Die Gemeinde Helsa nutze das Einwohnerwesenverfahren
PAMELA. Zur Europawahl seien die relevanten Daten aller
wahlberechtigten Bürger aus der Datenbank gesichtet und in
das Wählerverzeichnis übernommen worden. Für jeden im
Wählerverzeichnis eingetragenen Wahlberechtigten sei eine
Wahlbenachrichtigungskarte gedruckt und per Post versandt
worden. Eine Analyse der Fallkonstellation habe ergeben,
dass im Datensatz für den Einspruchsführer ein Straßen-

schlüssel aufgrund eines Programmfehlers innerhalb der
Datenbank gelöscht worden sei. Der Einspruchsführer habe
neben seiner Hauptwohnung in der Gemeinde Helsa noch
einen Nebenwohnsitz in einer benachbarten Stadt gehabt.
Diese Nebenwohnung habe er aufgegeben und einen neuen
Nebenwohnsitz in der gleichen Stadt begründet. Da alle Än-
derungen eines Wohnstatus in allen betroffenen Wohnsitz-
gemeinden des Einwohners nachvollzogen worden seien,
sei auch der Wohnungswechsel des Einspruchsführers in die
Datenbank als Information eingetragen worden. Dabei habe
das Einwohnerwesenprogramm fälschlicherweise den Stra-
ßenschlüssel der Hauptwohnung des Einspruchsführers ge-
löscht. Mit Hilfe eines Prüfprogrammes sei ermittelt wor-
den, dass in der Gemeinde Helsa nur der Datensatz des Ein-
spruchsführers von diesem Fehler betroffen gewesen sei.
Der geschilderte Programmfehler sei erst nach der Europa-
wahl bekannt und zwischenzeitlich beseitigt worden, so
dass bei zukünftigen Wahlen diese Problematik nicht mehr
auftreten werde.
Mit öffentlicher Bekanntmachung sei allen wahlberechtig-
ten Bürgern der Gemeinde zur Kenntnis gebracht worden,
dass nur wählen könne, wer im Wählerverzeichnis eingetra-
gen sei. Jeder wahlberechtigte Bürger habe die Möglichkeit
gehabt, bei der Gemeindebehörde nachzuforschen, warum
er keine Wahlbenachrichtungskarte erhalten habe oder nicht
im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen sei. Wenn der
wahlberechtigte Bürger dies versäumt habe und trotzdem an
der Wahl teilnehmen wolle, so könne die Gemeindebehörde
gemäß § 24 Abs. 2 Europawahlordnung (EuWO) einen
Wahlschein ausstellen, um dem wahlberechtigten Bürger
damit die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen. Dazu
müsse sich der betroffene Bürger mit der Gemeindebehörde
in Verbindung setzen.
Technische Fehler seien bei der Durchführung von Wahlen
nicht auszuschließen. Der Gesetzgeber habe aber für den
vorliegenden Fall Vorkehrungen getroffen, um die Aus-
übung des aktiven Wahlrechts sicherzustellen. Der Ein-
spruchsführer habe die Möglichkeit gehabt, durch eigenes
zumutbares Handeln das Wahlrecht auszuüben. Darüber
hinaus sei es in einem ländlich geprägten Bereich nicht
unzumutbar, 10 km zur Gemeindeverwaltung zu fahren.

Drucksache 15/4250 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Stellungnahme ist dem Einspruchsführer bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht mehr geäußert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Ein Wahlfehler ist im Ergebnis nicht festzustellen, da der
Einspruchsführer rechtlich die Folgen dafür zu tragen hat,
dass er keine Einsicht in das Wählerverzeichnis genommen
hat, nachdem er keine Wahlbenachrichtigung erhalten hatte.
Der Einspruchsführer war für die Europawahl zwar materiell
wahlberechtigt imSinne des § 6EuWG,wegen der fehlenden
Eintragung in das Wählerverzeichnis jedoch nicht formell
wahlberechtigt.Nach § 4EuWG i. V. m. § 14Abs. 1Bundes-
wahlgesetz (BWG) kann nur derjenige sein Wahlrecht aus-
üben, der in einWählerverzeichnis eingetragen ist oder einen
Wahlschein hat. Da der Einspruchsführer weder in das Wäh-
lerverzeichnis eingetragenwar noch einenWahlschein besaß,
hat ihn der Wahlvorstand gemäß § 49 Abs. 6 Nr. 1 EuWO im
Wahllokal zu Recht zurückgewiesen.
Die Eintragung des Einspruchsführers in das Wählerver-
zeichnis von Amts wegen gemäß § 15 Abs. 1 EuWO ist auf-
grund eines Programmfehlers in der Datenbank der Ge-
meinde Helsa unterblieben. Infolgedessen ist auch die nach
§ 18 EuWO vorgesehene Versendung einer Wahlbenach-
richtigung an den Einspruchsführer unterblieben. Dieser
formale Verstoß ist jedoch im Ergebnis nicht als Wahlfehler
zu bewerten. Wie in der Stellungnahme des Kreiswahlleiters
zu Recht ausgeführt worden ist, hat der Verordnungsgeber
in der Europawahlordnung ein Verfahren dafür vorgesehen,
derartige Pannen bei der Erstellung des Wählerverzeichnis-
ses u. a. durch aktive Mitwirkung der Wahlberechtigten zu
korrigieren. Hierbei wird nicht übersehen, dass die Wahl-
benachrichtigung eine gewisse Hinweis- und Unterstüt-
zungsfunktion für die Bürgerinnen und Bürger hat. Zudem
ist es angesichts des hohen Stellenwerts des Wahlrechts
bedauerlich, wenn – wie hier – ein Fehler in der Program-
mierung einer Datenbank dazu beiträgt, dass das Wahlrecht
letztlich nicht ausgeübt wird.
Nach § 19 Abs. 1 EuWO macht die Gemeindebehörde spä-
testens am 24. Tag vor der Wahl öffentlich bekannt,
– von wem, zu welchen Zwecken und unter welchen Vor-

aussetzungen, wo, wie lange und zu welchen Tagesstun-
den das Wählerverzeichnis eingesehen werden kann,

– dass bei der Gemeindebehörde innerhalb der Einsichts-
frist (20. bis 16. Tag vor der Wahl) schriftlich oder durch

Erklärung zur Niederschrift Einspruch gegen das Wäh-
lerverzeichnis eingelegt werden kann,

– dass Wahlberechtigten, die in das Wählerverzeichnis
eingetragen sind, bis spätestens am Tage der vor der Be-
reithaltung des Wählerverzeichnisses zur Einsichtnahme
eine Wahlbenachrichtigung zugeht und dass Wahlbe-
rechtigte, die nur auf Antrag in das Wählerverzeichnis
eingetragen werden und bereits einen Wahlschein mit
Briefwahlunterlagen beantragt haben, keine Wahlbe-
nachrichtigung erhalten,

– wo, in welcher Zeit und unter welchen Voraussetzungen
Wahlscheine beantragt werden können und

– wie durch Briefwahl gewählt wird.
Eine solche öffentliche Bekanntmachung durch die Ge-
meinde Helsa ist im vorliegenden Fall erfolgt. Nach § 4
EuWG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BWG hat jeder Wahl-
berechtigte das Recht, an den Werktagen vom 20. bis zum
16. Tag vor der Wahl (24. bis 28. Mai 2004) während der
allgemeinen Öffnungszeiten die Richtigkeit oder Vollstän-
digkeit der zu seiner Person im Wählerverzeichnis eingetra-
genen Daten zu überprüfen. Diese Möglichkeit hätte der
Einspruchsführer wahrnehmen und innerhalb dieser Frist
Einspruch gegen das Wählerverzeichnis nach § 21 EuWO
einlegen können. Da er keine Wahlbenachrichtigung erhal-
ten hatte, durfte er nicht darauf vertrauen, dass er dennoch
im Wählerverzeichnis eingetragen sei und somit sein Wahl-
recht am Wahltag ausüben könne. Wer keine Wahlbenach-
richtigung bekommen hat und trotzdem keine Einsicht in
das Wählerverzeichnis nimmt, muss die aus einer eventuel-
len Nichteintragung in das Wählerverzeichnis resultierende
Folge – nämlich mangels formeller Wahlberechtigung nicht
an der Wahl teilnehmen zu können – tragen (Bundestags-
drucksache 15/1150, Anlage 9; Schreiber, Kommentar zum
Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 14 Rn. 5).
Der Wahlvorstand hat am Wahltag auch insoweit korrekt
gehandelt, als er den Einspruchsführer auf die Möglichkeit
eines Antrags auf Erteilung eines Wahlscheins nach § 24
Abs. 2 Nr. 1 EuWO, die amWahltag bis 15 Uhr besteht (§ 26
Abs. 4 Satz 1 EuWO), hingewiesen hat. Eine zwingend vor-
geschriebene Verpflichtung hierzu bestand im vorliegenden
Fall nicht. Ein solcher Hinweis ist nach § 49 Abs. 6 Satz 2
EuWO nur für den Fall vorgeschrieben, dass ein Wähler im
Vertrauen auf die ihm übersandte Benachrichtigung, dass er
im Wählerverzeichnis eingetragen sei, keinen Einspruch
eingelegt hat.
Da der Einspruchsführer am Wahltag nicht mehr nach Helsa
gefahren ist, um einen Antrag auf Erteilung eines Wahl-
scheins nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 EuWO zu stellen, kann die
Frage offen bleiben, ob die Voraussetzungen dieser Vor-
schrift (Nachweis, dass der Einspruchsführer ohne sein Ver-
schulden die Einspruchsfrist für einen Einspruch gegen das
Wählerverzeichnis versäumt hat) vorliegen.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4250

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn D. V., 01169 Dresden

– Az.: EuWP 28/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem Schreiben an die Landeshauptstadt Dresden, das
an den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und hier
am 9. Juli 2004 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Eu-
ropäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004 eingelegt. Er wendet sich gegen den Inhalt
von Wahlplakaten für die Europawahl.
Der Sache nach sieht er in den von ihm angeführten Plaka-
ten der SPD, der PDS und der CDU eine unzulässige Wahl-
beeinflussung. In Bezug auf Europa seien Texte „mit Inhalt
vor 1933 (z. B. Europa … im deutschen Interesse)“ zugelas-
sen worden. Im Einzelnen bezieht er sich auf folgende
Wahlplakate, die dem Wahlprüfungsausschuss vorliegen:
– ein Wahlplakat der SPD mit folgendem Text:

„Deutschland in Europa
ZUKUNFTSGERECHT
Politik mit einem klaren Prinzip.
Neue Stärke. SPD“
Nach Darstellung des Einspruchsführers soll dieses Pla-
kat auch den Text „im Deutschen Interesse“ enthalten.

– ein Wahlplakat der SPD mit folgendem Text:
„Deutschland in Europa
FRIEDENSMACHT
Politik mit Entschlossenheit.
Neue Stärke. SPD“

– ein Wahlplakat der PDS mit folgendem Text:
„Europa an der Seite der UNO
nicht im Schatten der USA!
Am 13. Juni Sozial wählen.
PDS
www.Sozialisten.de“

– ein Wahlplakat der PDS mit folgendem Text:
„Es reicht!
Für eine besserer Politik
Am 13. Juni Sozial wählen
PDS
www.Sozialisten.de“

– ein Wahlplakat der CDU mit folgendem Text:
„BESSER FÜR
DEUTSCHLAND.
Gegen rot-grünes Chaos.
13. Juni Europawahl: CDU
Besser für die Menschen. CDU“

Der Einspruchsführer hat seinem Wahleinspruch die ihm
übersandten Briefwahlunterlagen beigefügt, um zu doku-
mentieren, dass er nicht an der Wahl teilgenommen habe.
Darüber hinaus trägt er Sachverhalte vor, die sich auf eine
seiner Ansicht nach gegebene Ungültigkeit der gleichzeitig
mit der Europawahl in Sachsen durchgeführten Kommunal-
wahlen beziehen. Insoweit wird wegen der Einzelheiten des
Vorbringens auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Das Regierungspräsidium Dresden hat dem Wahlprüfungs-
ausschuss diesbezüglich mitgeteilt, dass es das Schreiben
des Einspruchsführers als eine formlose Beschwerde gewer-
tet habe. Dem Einspruchsführer sei u. a. mitgeteilt worden,
seine Ausführungen seien unsubstantiiert und nicht geeig-
net, den Vorwurf der Wahlbeeinflussung oder sonstiger
Rechtsverstöße zu begründen. Wegen des offensichtlich un-
zureichenden Beschwerdevorbringens werde auf eine wei-
tere Erwiderung verzichtet. Ein Tätigwerden der Rechtsauf-
sichtsbehörde sei nicht veranlasst.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Der Vortrag des Einspruchsführers lässt einen Fehler bei der
Anwendung der für die Wahl geltenden Vorschriften und
Rechtsgrundsätze nicht erkennen. Die von ihm beanstande-
ten Wahlplakate könnten nur dann eine unzulässige Wahl-

Drucksache 15/4250 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

beeinflussung darstellen, wenn durch sie die Grundsätze der
Wahlfreiheit und Wahlgleichheit verletzt worden wären
(BVerfGE 40, 11/39). Dabei ist anerkannt, dass diese
Grundsätze nicht nur für den Wahlvorgang selbst gelten,
sondern auch schon für die Wahlvorbereitung und die in
diesem Zusammenhang erfolgende Wahlwerbung
(BVerfGE 44, 125/146).
Der Einspruchsführer wendet sich gegen den Inhalt von
Wahlplakaten. Er ist – soweit ersichtlich – nicht damit ein-
verstanden, dass „deutsche Interessen“ im Europawahl-
kampf eine Rolle gespielt hätten. Die vom Einspruchsführer
behauptete Formulierung „Europa zukunftsgerecht im deut-
schen Interesse“, die sich seiner Ansicht nach auf einem
Wahlplakat der SPD befand, konnte vom Wahlprüfungsaus-
schuss in dieser Form nicht verifiziert werden. Es bedarf
jedoch keiner abschließenden Klärung, ob diese Formu-
lierung auf Wahlplakaten oder anderweitig im Europa-
wahlkampf verwendet wurde. Der Deutsche Bundestag und
der Wahlprüfungsausschuss können nämlich den Inhalt von
Wahlplakaten ohnehin nicht einer Bewertung unterziehen.
Ebenso wenig bedürfen Wahlplakate, wie der Einspruchs-
führer offenbar meint, einer staatlichen Zulassung. Es ist
Sache der Parteien, mit welchen Aussagen sie im Wahl-
wettbewerb auftreten. Wahlpropaganda als Werbung für
eine „gezielte“ Stimmabgabe in ihren unterschiedlichen
Ausprägungen ist in einer Demokratie wie der Bundesrepu-
blik Deutschland für die Durchführung einer Wahl im Sinne
des Demokratieprinzips unerlässlich. Sie dient in aller
Regel der Willensbildung und Entschließungsfreiheit der
Wählerinnen und Wähler und ist nicht gegen sie gerichtet
(Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage,
§ 1 Rn. 15). Bei dieser Sachlage ist eine Verletzung der
Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit nicht er-
sichtlich.
Die weiteren Einwendungen des Einspruchsführers bezie-
hen sich auf die Kommunalwahlen in Sachsen am 13. Juni
2004. Sie unterliegen nicht der Entscheidungskompetenz
des Deutschen Bundestages. Der Einspruchsführer hat
hierzu vom Regierungspräsidium Dresden einen Bescheid
erhalten.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4250

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn P. S., 22087 Hamburg

– Az.: EuWP 32/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 25. Juni 2004, dass vom Landeswahl-
leiter der Freien und Hansestadt Hamburg an den Deutschen
Bundestag weitergeleitet worden und hier am 14. Juli 2004
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am
13. Juni 2004 Einspruch eingelegt.
Er beanstandet, dass im Land Hamburg das Wählerverzeich-
nis nicht vom Land, sondern von der Freien und Hansestadt
Hamburg erstellt und geführt worden sei. Die Freie und
Hansestadt Hamburg habe auch „alles Weitere organisiert
und mit Anderem verbunden“. Er halte dies für einen grund-
sätzlichen Verfahrensfehler und für einen Verstoß gegen den
Unmittelbarkeitsgrundsatz. Schließlich schlägt er vor, dass
künftig bei der Europawahl im Sinne des Gleichheitssatzes
in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Wahl-
lokale an einem Tage geöffnet und geschlossen werden
mögen.
Zu diesem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter wie
folgt Stellung genommen:
Für die am 13. Juni 2004 durchgeführte Europawahl seien
in Hamburg die Wählerverzeichnisse durch die Wahldienst-
stellen bei den Bezirksämtern erstellt und geführt worden.
Dies beruhe auf der Vorschrift des § 4 der Verordnung über
regelmäßige Datenübermittlungen und automatische Abrufe
aus dem Melderegister (Meldedatenübermittlungsverord-
nung – MDÜV) vom 9. September 1997, zuletzt geändert
am 30. September 2003. Auch die Wahldienststellen in den
Bezirksämtern seien Dienststellen der Freien und Hanse-
stadt Hamburg, da in der Freien und Hansestadt Hamburg
gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Hamburger Verfassung staat-
liche und gemeindliche Tätigkeiten nicht getrennt würden.
Die Freie und Hansestadt Hamburg wiederum sei ein Bun-
desland der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 1 der
Hamburger Verfassung). Da somit die Wählerverzeichnisse
für die Europawahlen am 13. Juni 2004 im Land Hamburg
von den zuständigen Dienststellen rechtmäßig erstellt und
geführt worden seien, liege ein vom Einspruchsführer be-
anstandeter Verfahrensfehler und ein Verstoß gegen den
Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht vor.

Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Nach Artikel 4
Abs. 1 der Hamburger Landesverfassung vom 6. Juni 1952
werden in der Freien und Hansestadt Hamburg, die ein Land
der Bundesrepublik Deutschland ist (Artikel 1 der Hambur-
ger Landesverfassung in Verbindung mit dem Grundgesetz),
staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt. Bereits
daraus ergibt sich, dass das Wählerverzeichnis nicht auf
Landesebene erstellt werden muss. Im Übrigen werden auch
in anderen Bundesländern die Wählerverzeichnisse von den
Gemeinden, und nicht etwa – wie dies aus der Sicht des Ein-
spruchsführers geboten wäre – von den Ländern erstellt. Zur
Rechtslage in Hamburg, wo das Wählerverzeichnis von den
Wahldienststellen bei den Bezirksämtern erstellt und fortge-
schrieben wird, ist dem Einspruchsführer zusammen mit der
Stellungnahme des Hamburger Landeswahlleiters die Vor-
schrift des § 4 MDÜV übersandt worden. Ein Verstoß gegen
Wahlrechtsvorschriften oder Wahlrechtsgrundsätze ist nicht
erkennbar.
Soweit schließlich der Einspruchsführer die Durchführung
künftiger Europawahlen in allen Mitgliedstaaten an einem
Tag vorschlägt, so ist dem nicht im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens nachzugehen. Die Wahlprüfung ist allein
auf die Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz
für die Verteilung der Mandate bei der Europawahl 2004
beschränkt.

Drucksache 15/4250 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4250

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. M., 74076 Heilbronn

– Az.: EuWP 04/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird teilweise als unzulässig,

teilweise als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 18. Juni 2004, das am 21. Juni 2004
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er wen-
det sich im Wesentlichen gegen die Berichterstattung der
„Heilbronner Stimme“ im Vorfeld der Europawahl 2004
und äußert sich zur Wahlbeteiligung an der Europawahl,
zum Entwurf einer Verfassung der Europäischen Union und
zu weiteren politischen Themen.
Bezüglich der Berichterstattung im Vorfeld der Europawahl
trägt er vor, die „Heilbronner Stimme“ besitze das Medien-
monopol in der Region Franken. Circa 250 000 Leserinnen
und Leser seien darauf angewiesen gewesen, dass diese Zei-
tung die notwendigen Fakten zur Europawahl darstelle. Die
Berichterstattung in dieser Zeitung zur Europawahl habe
erst am 26. Mai 2004 begonnen und habe sich mit Neben-
sächlichkeiten befasst. Er habe dies gegenüber der Zeitung
gerügt und eine Sonderbeilage zur Europawahl mit Abdruck
der Kandidatenlisten aller 24 Parteien gefordert. Erst am
Samstag, dem 12. Juni 2004, seien auf einer halben Seite
sechs Spitzenkandidaten und die unterschiedlichen Positio-
nen der wichtigsten Parteien dargestellt worden. 18 Parteien
seien somit unerwähnt geblieben. Diese Art und Weise der
Berichterstattung sei unfair gewesen. Der Einspruchsführer
habe deshalb selbst Informationsmaterial zur Europawahl in
Heilbronn angeboten. Dem Wahleinspruch sind vom Ein-
spruchsführer handschriftlich erstellte Informationen über
die zur Europawahl 2004 zugelassenen Parteien, über die
Verteilung der Mandate auf die einzelnen Mitgliedstaaten
sowie über die nach Auffassung des Einspruchsführers
wichtigsten Politiker der Europäischen Union, über die
Wahlergebnisse sowie über den Einspruchsführer als Kandi-
daten für die Gemeinderatswahlen beigefügt.
Darüber hinaus wendet sich der Einspruchsführer gegen die
seiner Ansicht nach zu geringe Wahlbeteiligung bei der
Europawahl 2004. 57 Prozent der Wahlberechtigten hätten
nicht an der Wahl teilgenommen. Somit sei die Europawahl
zu einer „demokratischen Farce“ geworden. Er schlägt in

diesem Zusammenhang vor, dass jeder Nichtwähler, der sich
weigere, schriftlich seine Nichtteilnahme zu begründen,
100 Euro als Bußgeld bezahlen solle. Außerdem kritisiert der
Einspruchsführer, dass der Entwurf einer Verfassung der
Europäischen Union nicht Gegenstand des Wahlkampfes
gewesen sei. Demgegenüber sei allein die deutsche Innen-
politik im Wahlkampf thematisiert worden. Der Entwurf der
Verfassung der Europäischen Union werde zudem in der
Öffentlichkeit nicht genügend bekannt gemacht.
Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg hat
unter Einbeziehung des Stadtwahlleiters für den Stadtkreis
Heilbronn zu der Beanstandung des Einspruchsführers, die
„Heilbronner Stimme“ habe im Vorfeld der Europawahl un-
genügend bzw. unfair berichtet, wie folgt Stellung genom-
men:
Der vom Einspruchsführer vorgetragene Sachverhalt lasse
keinen Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der
Wahl erkennen. Die Wählerinnen und Wähler hätten im
Wahlkampf generell verschiedene Möglichkeiten, sich über
Parteien, Programme und Bewerber zu informieren. Der
Stadtwahlleiter halte die Berichterstattung in der Tageszei-
tung über die Europawahl für ausreichend und habe noch
darauf hingewiesen, dass Informationen über die Durchfüh-
rung der Europawahl in der Heilbronner Stadtzeitung, dem
Amtsblatt der Stadt Heilbronn, erfolgt seien. Die von priva-
ter Hand betriebene Presse sei im Übrigen aufgrund der ver-
fassungsrechtlich verbürgten Pressefreiheit bei der Auswahl
von Veröffentlichungen und in ihrer Verbreitung grundsätz-
lich frei.
Der Bundeswahlleiter, dem der Wahleinspruch vom Ein-
spruchsführer ebenfalls übersandt worden war, hat dem Ein-
spruchsführer zu dessen Kritik an der Wahlbeteiligung Fol-
gendes mitgeteilt:
Weder der Akt zur Einführung allgemeiner und unmittel-
baren Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments – Direktwahlakt – noch das Europawahlgesetz sähen
eine Mindestwahlbeteiligung bei Europawahlen oder gar
eine Wahlpflicht vor. Die Gültigkeit der Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik

Drucksache 15/4250 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Deutschland sei unabhängig von der Höhe der Wahlbetei-
ligung. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung bezüglich
einer Mindestwahlbeteiligung ergebe sich nicht zuletzt auch
aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl, wonach jeder
wahlberechtigte Deutsche frei darüber entscheiden könne,
wen er wähle und ob er überhaupt an der Wahl teilnehmen
und somit von seinem Wahlrecht Gebrauch machen möchte.
Eine Wahl sei nicht frei, wenn der Wähler gegen seinen
Willen veranlasst werde, zur Wahl zu gehen. Aus dem Prin-
zip der Allgemeinheit der Wahl folge kein Zwang zur Ein-
führung einer Wahlpflicht.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin bekannt gegeben worden. Er hat daraufhin mit
Schreiben vom 28. Juli 2004 mitgeteilt, er habe in der „Heil-
bronner Stadtzeitung“, einer Beilage der „Heilbronner
Stimme“ unter anderem eine öffentliche Bekanntmachung
zur Durchführung der Wahl zum Europäischen Parlament
gefunden. Eine öffentliche Bekanntmachung der Wahlvor-
schläge zur Europawahl habe es jedoch in Heilbronn nicht
gegeben. Die zur Wahl stehenden Parteien seien nicht vor-
gestellt worden. Als Voraussetzung für eine faire Wahl ge-
nüge es nicht, dass der mündige Bürger darauf verwiesen
sei, sich selbst die notwendigen Informationen zu besorgen.
Der Stimmzettel für die Europawahl hätte den Bürgerinnen
und Bürgern nach Auffassung des Einspruchsführers schon
vor der Wahl besser bekannt gemacht werden müssen. Es
sei nicht möglich, sich in wenigen Sekunden in der Wahl-
kabine zu entscheiden. Dem Schreiben sind als Anlagen
weitere vom Einspruchsführer erstellte Informationen über
die Europawahl sowie zu weiteren politischen, insbesondere
regionalen und kommunalpolitischen Themen beigefügt.
In einem weiteren Schreiben vom 4. August 2004 erneuert
der Einspruchsführer seine Kritik am Umgang mit den klei-
nen Parteien im Vorfeld der Europawahl und äußert sich
„zum Zustand der Demokratie in Heilbronn“. Hierbei trägt
er verschiedene Sachverhalte vor, die sich insbesondere auf
kommunalpolitische und regionale Themen beziehen.
Mit Schreiben vom 29. September 2004 kritisiert der Ein-
spruchsführer unter anderem, dass über seinen Wahlein-
spruch noch nicht entschieden worden sei und dass seine
Leserbriefe nicht in der „Heilbronner Stimme“ abgedruckt
würden. Dem Schreiben sind zwei vom Einspruchsführer
verfasste Stellungnahmen zu politischen Themen beigefügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Ein-
spruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.
Dem Wahlprüfungsausschuss liegen die Bekanntmachung
der Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg
über die Wahlvorschläge für die Europawahl 2004 vom
19. April 2004 (Staatsanzeiger Baden-Württemberg Nr. 16
vom 26. April 2004, S. 13), die Bekanntmachung des Bun-
deswahlleiters über die Wahlvorschläge für die Europawahl
2004 (Bundesanzeiger Nr. 78 vom 24. April 2004, S. 9034)
und die Wahlbekanntmachung der Stadt Heilbronn (Heil-
bronner Stadtzeitung vom 13. Mai 2004) vor.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)

in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Soweit sich der Einspruchsführer gegen die Berichterstat-
tung durch die „Heilbronner Stimme“ im Vorfeld der Euro-
pawahl 2004 wendet, kann offen bleiben, ob der Einspruch
zulässig ist, denn er ist jedenfalls offensichtlich unbegrün-
det. Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Einspruchsfüh-
rers ist der Einspruch unzulässig.
Bezüglich des Vortrags des Einspruchsführers zur Bericht-
erstattung durch die „Heilbronner Stimme“ bestehen ge-
wisse Zweifel, ob insoweit ein zulässiger Wahleinspruch
vorliegt. Er ist fristgerecht eingegangen; es ist jedoch zwei-
felhaft, ob die Mindestanforderungen an eine Begründung
im Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG
noch als erfüllt anzusehen sind. Es besteht kein Anlass,
diese Frage zu klären, da der Einspruch insoweit auf jeden
Fall offensichtlich unbegründet ist.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist insoweit
aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Die
vom Einspruchsführer gerügte Berichterstattung durch die
„Heilbronner Stimme“ könnte wahlprüfungsrechtlich nur
dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung darstellen, wenn
durch sie die Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahlgleich-
heit verletzt worden wären (BVerfGE 40, 11/39). Diese
Grundsätze gelten auch schon für die Wahlvorbereitung und
die in diesem Zusammenhang erfolgende Wahlwerbung
(BVerfGE 44, 125/146). Der Hinweis des Einspruchsführers
auf eine möglicherweise vorhandene Monopolstellung der
„Heilbronner Stimme“ reicht nicht aus, um einen Verstoß
gegen die Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit
zu begründen. Hierbei braucht nicht geklärt zu werden, ob
die Berichterstattung unzureichend war, wie der Ein-
spruchsführer meint, oder ob sie – so der Stadtwahlleiter –
ausreichend war. Der Einspruchsführer bezieht sich nämlich
im Wesentlichen auf den redaktionellen Teil der Zeitung.
Dieser unterliegt der Pressefreiheit. Die Pressefreiheit um-
fasst die Freiheit, die Grundrichtung einer Zeitung unbeein-
flusst zu bestimmen und zu verwirklichen. Bei der Gestal-
tung des redaktionellen Teiles ist die von privater Hand be-
triebene Presse hinsichtlich der Auswahl der Nachrichten
und der Verbreitung von Meinungen grundsätzlich frei
(Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage,
§ 1 Rn. 23k). Soweit der Einspruchsführer eine Benachteili-
gung kleinerer Parteien aufgrund der – vermeintlichen oder
tatsächlichen – Monopolstellung durch den Verlag der
„Heilbronner Stimme“ geltend macht, liegt eine unzulässige
Wahlbeeinflussung bereits wegen der verfassungsrechtlich
gewährleisteten Pressefreiheit nicht vor. Im Übrigen kann
davon ausgegangen werden, dass eine etwaige Benachteili-
gung der kleineren Parteien mit Mitteln des Wahlwettbe-
werbs, z. B. durch deren Informationsstände oder durch die
Berichterstattung in anderen Medien, ausgeglichen worden
ist (vgl. BVerfGE 103, 111/133).
Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers sind auch
in Heilbronn die Wahlvorschläge für die Europawahl öffent-
lich bekannt gemacht worden. Die öffentliche Bekannt-
machung obliegt nicht der „Heilbronner Stimme“ oder an-
deren privat betriebenen Zeitungen, sondern den amtlichen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4250

Wahlorganen. Die Landeswahlleiterin ist ihrer nach § 37
Abs. 2 EuWO bestehenden Verpflichtung, die Reihenfolge
der Wahlvorschläge öffentlich bekannt zu machen, durch
die o. g. Veröffentlichung im Staatsanzeiger vom 26. April
2004 nachgekommen. Darüber hinaus hat der Bundeswahl-
leiter gemäß § 37 Abs. 1 EuWO die Wahlvorschläge für die
Europawahl im Bundesanzeiger Nr. 78 vom 24. April 2004
(S. 9034) veröffentlicht. Die vom Einspruchsführer er-
wähnte „Öffentliche Bekanntmachung zur Durchführung
der Wahl zum Europäischen Parlament – Europawahl – und
der Wahl des Gemeinderats am 13. Juni 2004“ (Heilbronner
Stadtzeitung vom 13. Mai 2004) enthielt gemäß § 41 Abs. 1
EuWO weitere inhaltliche und organisatorische Hinweise
zur Europawahl. Somit bestand für die Wählerinnen und
Wähler die Möglichkeit, sich noch vor der Stimmabgabe im
Wahllokal über die Wahlvorschläge und über den Ablauf
der Wahl zu informieren. Im Übrigen ist es – entgegen der
Auffassung des Einspruchsführers – Sache der Wählerinnen
und Wähler, sich über die durch gesetzliche Vorschriften
vorgesehenen Bekanntmachungen hinaus von sich aus über
Wahlvorschläge und Programme zu informieren und den
Wahlkampf über die verschiedenen Medien und die örtliche
Wahlwerbung der Parteien zu verfolgen. Tut ein Wähler
dies nicht, so muss er etwaige Informationsdefizite in Bezug
auf seine Wahlentscheidung in Kauf nehmen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Einspruchsführers ist
der Einspruch unzulässig, weil er keine gemäß § 26 Abs. 2
EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG erforderliche Begrün-
dung enthält.
Die Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt noch
erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten
Wahl. Sie erfolgt vielmehr nur auf Einspruch, der zu be-
gründen ist. Die Begründung muss mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen
lassen und genügend substantiierte Tatsachen enthalten. Ihr
Umfang richtet sich also nach dem Einspruch, durch den der
Einspruchsführer den Anfechtungsgegenstand bestimmt.
Der Prüfungsgegenstand ist nach dem erklärten, verständig
zu würdigenden Willen des Einspruchsführers unter Be-

rücksichtigung des gesamten Einspruchsvorbringens sinn-
gemäß abzugrenzen. Diese Abgrenzung ist auch danach
vorzunehmen, inwieweit der Einspruchsführer seinen Ein-
spruch substantiiert hat. Nur im Rahmen des so bestimmten
Anfechtungsgegenstandes hat der Wahlprüfungsausschuss
dann den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
von Amts wegen zu erforschen und alle auftauchenden
rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen (BVerfGE
40, 11/30; ständige Rechtsprechung).
Soweit der Einspruchsführer Kritik an den Wählerinnen und
Wählern wegen der seiner Ansicht nach zu geringen Wahl-
beteiligung bei der Europawahl übt, so handelt es sich hier-
bei nicht um einen abgrenzbaren, der Überprüfung zugäng-
lichen Anfechtungsgegenstand. Der Bundeswahlleiter hat
dem Einspruchsführer bereits mitgeteilt, dass eine Min-
destwahlbeteiligung nicht vorgesehen ist. Soweit der Ein-
spruchsführer in diesem Zusammenhang die Einführung
eines Bußgeldes für Nichtwähler fordert, so ist dem nicht im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens nachzugehen. Die
Wahlprüfung ist allein auf die Feststellung von Wahlfehlern
und deren Relevanz für die Verteilung der Mandate bei der
Europawahl 2004 beschränkt.
Auch seine Kritik am Europawahlkampf wegen der dort be-
handelten Themen enthält keinen wahlrechtlich relevanten
Tatbestand. Der Einspruchsführer macht insoweit keinen
Verstoß gegen rechtliche Regelungen über die Vorbereitung
und Durchführung der Wahl geltend. Auch seine Meinungs-
äußerungen zum Entwurf einer Europäischen Verfassung
und zu anderen, überwiegend regionalen und kommunal-
politischen Themen stehen allenfalls in einem allgemeinen
Zusammenhang mit der Europawahl, enthalten jedoch keine
wahlrechtlich relevanten Tatbestände. Sie sind einer nähe-
ren rechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Deshalb ist
der Einspruch insoweit als unzulässig zurückzuweisen.
Der Einspruch ist somit teilweise als unzulässig und teil-
weise als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 26
Abs. 2 EuWG i. V. m. § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurück-
zuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/4250

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
1. des Herrn L. K., 64807 Dieburg
2. des Herrn R. K., 64807 Dieburg

– Az.: EuWP 06/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem an den Kreiswahlleiter des Landkreises Darm-
stadt-Dieburg gerichteten Schreiben vom 14. Juni 2004, das
an den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und dort
am 22. Juni 2004 eingegangen ist, haben die Einspruchs-
führer gemeinschaftlich Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus
der Bundesrepublik Deutschland am 13. Juni 2004 Ein-
spruch eingelegt.
Zur Begründung führen sie an, dass sie keine Wahlbenach-
richtigungskarte erhalten hätten, obwohl sie ordnungsge-
mäß gemeldet seien. Sie seien dadurch benachteiligt wor-
den.
Der Kreiswahlleiter des Landkreises Darmstadt-Dieburg hat
hierzu wie folgt Stellung genommen:
Die Stadt Dieburg habe mitgeteilt, dass der Einspruchs-
führer zu Nummer 1 wahlberechtigt gewesen und ordnungs-
gemäß in das Wählerverzeichnis eingetragen worden sei.
Somit hätte er auch ohne Wahlbenachrichtigungskarte an
der Wahl teilnehmen können. Die Wahlbenachrichtigungs-
karten seien im Land Hessen zentral durch ein privates Un-
ternehmen eingeliefert worden. Probleme in diesem Zusam-
menhang seien dem Kreiswahlleiter nicht bekannt gewor-
den. Der Einspruchsführer zu Nummer 2 sei nach den An-
gaben des Einwohnermeldeamtes Dieburg ursprünglich in
Dieburg gemeldet gewesen. Er sei jedoch am 1. Oktober
2003 von Amts wegen mit unbekanntem Aufenthalt abge-
meldet worden und somit nicht wahlrechtlich in Dieburg er-
fasst worden.
Die Stellungnahme ist den Einspruchsführern bekannt gege-
ben worden. Sie haben sich hierzu nicht mehr geäußert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Ein Wahlfehler ist weder hinsichtlich des Einspruchsführers
zu Nummer 1 noch hinsichtlich des Einspruchsführers zu
Nummer 2 festzustellen.
Soweit geltend gemacht wird, der Einspruchsführer zu
Nummer 1 habe keine Wahlbenachrichtigung erhalten, so
bedarf es keiner Aufklärung, ob dies zutrifft oder nicht. Die
Zusendung einer Wahlbenachrichtigung ist nämlich nicht
Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts. Hierauf ist
bereits anlässlich von Einsprüchen gegen die Bundestags-
wahlen 1998 und 2002 hingewiesen worden (Bundes-
tagsdrucksache 15/1150, Anlage 9; Bundestagsdrucksache
14/1560, Anlage 20). Nach § 4 EuWG i. V. m. § 14 Abs. 1
Bundeswahlgesetz (BWG) hängt die formelle Wahlberech-
tigung davon ab, ob jemand in ein Wählerverzeichnis einge-
tragen ist oder einen Wahlschein hat. Da der Einspruchsfüh-
rer zu Nummer 1 am 35. Tag vor der Wahl (Stichtag, hier
der 9. Mai 2004) bei der Meldebehörde für eine Wohnung
gemeldet und somit in das Wählerverzeichnis eingetragen
war (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EuWO), war er zur Ausübung seines
Wahlrechts berechtigt. Die Vorlage der Wahlbenachrichti-
gung ist für die Stimmabgabe im Wahllokal nicht unbedingt
erforderlich. Durch Vorlage des Personalausweises oder
eines sonstigen amtlichen Papiers hätte der Einspruchsfüh-
rer zu Nummer 1 in dem für ihn zuständigen Wahllokal am
Wahltag sein Wahlrecht ausüben können. Weiterhin hätte er
z. B. Briefwahl beantragen können.
Soweit der Einspruchsführer zu Nummer 2 beanstandet, er
habe keine Wahlbenachrichtigung erhalten, so liegt dies da-
ran, dass er zum o. g. Stichtag (9. Mai 2004) nicht in Die-
burg gemeldet war. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EuWO sind
von Amts wegen alle Wahlberechtigten in das Wählerver-
zeichnis einzutragen, die am 35. Tag vor der Wahl bei der
Meldebehörde für eine Wohnung gemeldet waren. Da der
Einspruchsführer zu Nummer 2 am 1. Oktober 2003 von
Amts wegen mit unbekanntem Aufenthalt abgemeldet wor-

Drucksache 15/4250 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

den war, konnte eine solche Eintragung nicht erfolgen.
Diese Anknüpfung an das Melderecht bedeutet jedoch
nicht, dass die nicht gemeldeten Personen vom Wahlrecht
ausgeschlossen wären. Sie müssen sich lediglich selbst um
die Voraussetzungen zur Ausübung ihres Wahlrechts bemü-
hen. Solche Bemühungen, sein materiell offenbar bestehen-
des Wahlrecht auszuüben, sind durch den Einspruchsführer
zu Nummer 2 – soweit ersichtlich – nicht erfolgt. Die Euro-
pawahlordnung sieht insoweit die Eintragung in das Wäh-
lerverzeichnis auf Antrag (§ 15 Abs. 2 EuWO) und den Ein-
spruch gegen ein unrichtiges oder unvollständiges Wähler-
verzeichnis (§ 21 EuWO) während der von der Gemeinde-
behörde bekannt gemachten Frist zur Einsicht in das
Wählerverzeichnis (20. bis 16. Tag vor der Wahl gemäß § 4
EuWG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BWG) vor. Wer keine
Wahlbenachrichtigung erhalten hat und dennoch keine Ein-
sicht in das Wählerverzeichnis nach § 17 Abs. 1 Satz 2
BWG i. V. m. § 4 EuWG nimmt, muss die aus einer even-
tuellen Nichteintragung in das Wählerverzeichnis resultie-
rende Folge (keine Teilnahme an der Wahl) tragen (Bundes-
tagsdrucksache 15/1150, Anlage 9; Schreiber, Kommentar
zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 14 Rn. 5).
Der Einspruch ist somit hinsichtlich beider Einspruchsfüh-
rer als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 26 Abs. 2
EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zu-
rückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4250

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn W. D., 73733 Esslingen am Neckar

– Az.: EuWP 14/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einer beim Landratsamt Esslingen am Neckar zur Nie-
derschrift abgegebenen und eigenhändig unterschriebenen
Erklärung vom 16. Juni 2004, die an den Deutschen Bun-
destag weitergeleitet worden und hier am 23. Juni 2004
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am
13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er beanstandet, dass er
trotz rechtzeitiger Anforderung keine Briefwahlunterlagen
erhalten habe und somit keinen Einfluss auf das Wahlergeb-
nis habe ausüben können.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Einspruchsführer stellte mit Schreiben vom 2. Juni
2004, das am 4. Juni 2004 beim Ordnungs- und Standesamt
der Stadt Esslingen einging, einen formlosen Antrag auf
Ausstellung von Briefwahlunterlagen für die Kommunal-
wahlen in Baden-Württemberg und die Europawahl am
13. Juni 2004. Bei der Antragsbearbeitung wurde festge-
stellt, dass der Einspruchsführer nicht im Wählerverzeichnis
registriert war. Nach Auskunft des Bürgeramtes der Stadt
Esslingen wurde der Einspruchsführer aufgrund der Aus-
zugsmitteilung des Vermieters von Amts wegen nach Unbe-
kannt abgemeldet. Der Einspruchsführer wurde zu diesem
Sachverhalt mit Schreiben vom 9. Juni 2004 schriftlich um
Stellungnahme gebeten. Dieses Schreiben kam nach Aus-
kunft der zuständigen Sachbearbeiterin – wie auch die
Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004 – mit dem Postvermerk
„Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu er-
mitteln“ zurück.
Der Kreiswahlleiter hat diesen Sachverhalt in seiner Stel-
lungnahme zum Wahleinspruch wie folgt bewertet:
Da der Einspruchsführer nicht mehr in Esslingen am Neckar
gemeldet gewesen sei, sei er für die Europawahl in Esslin-
gen nicht wahlberechtigt gewesen und habe daher keinen
Anspruch auf Ausstellung der Briefwahlunterlagen gehabt.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme mit Schreiben
vom 15. Juli 2004 bekannt gegeben worden. Er hat sich
hierzu wie folgt geäußert:

Da er hinsichtlich eines Wohnungs- bzw. Wohnsitzwechsels
nichts veranlasst habe, sei gegen seinen erklärten Willen so-
wohl von seinem Vermieter, seinem Onkel, als auch von der
Stadt Esslingen am Neckar eine „Aberkennung von Rech-
ten“ vollzogen worden. Er erwäge die Einleitung rechtlicher
Schritte. Dem Schreiben sind in Ablichtung ein Schreiben
des Einspruchsführers an das Bundesverfassungsgericht
vom 2. Juli 2004 und ein an den Vermieter gerichtetes
Schreiben des Einspruchsführers vom 23. Oktober 2003
beigefügt. Aus Letzterem ergibt sich, dass der Einspruchs-
führer seinen Vermieter aufforderte, das Zukleben seines
Briefkastens zu unterlassen. Im Übrigen wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Hierbei ist die Schriftform des § 4
EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG schon deshalb gewahrt,
weil die von einem Mitarbeiter des Landratsamts Esslingen
am 16. Juni 2004 zur Niederschrift entgegengenommene
Erklärung vom Einspruchsführer eigenhändig unterzeichnet
worden ist. Der Einspruch ist somit zulässig.
Er ist jedoch offensichtlich unbegründet, weil eine Verlet-
zung wahlrechtlicher Vorschriften aus dem vorgetragenen
Sachverhalt nicht ersichtlich ist. Die Stadt Esslingen hat
dem Einspruchsführer auf seinen Antrag hin zu Recht keine
Briefwahlunterlagen für die Europawahl übersandt, weil er
zur Ausübung seines Wahlrechts in Esslingen nicht berech-
tigt war. Diese formelle Wahlberechtigung ist in § 4 EuWG
i. V. m. § 14 Bundeswahlgesetz (BWG) geregelt. Hiernach
kann nur derjenige wählen, der in ein Wählerverzeichnis
eingetragen ist oder einen Wahlschein hat. Der Einspruchs-
führer ist zu Recht nicht in das Wählerverzeichnis eingetra-
gen worden. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EuWO sind von

Drucksache 15/4250 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Amts wegen alle Wahlberechtigten in das Wählerverzeich-
nis einzutragen, die am 25. Tag vor der Wahl bei der Melde-
behörde für eine Wohnung gemeldet waren. Da der Ein-
spruchsführer zum Stichtag (9. Mai 2004) nicht in das Mel-
deregister der Stadt Esslingen eingetragen war, ist er zu
Recht nicht in das Wählerverzeichnis für die Europawahl
eingetragen worden. Hierbei ist die melderechtliche Ent-
scheidung nicht im Wahlprüfungsverfahren anfechtbar und
überprüfbar, weil sie sich nicht unmittelbar auf das Wahl-
verfahren bezieht (§ 26 Abs. 4 EuWG). Das Melderegister
ist lediglich Grundlage für die Erstellung des Wähler-
verzeichnisses (Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 40;
Bundestagsdrucksache 14/2761, Anlage 22). Für die vom
Einspruchsführer der Sache nach aufgestellte Behauptung,
die Stadt Esslingen habe die Abmeldung von Amts wegen
mit der Zielrichtung vorgenommen, ihn an der Ausübung
seines Wahlrechts für die Europawahl in Esslingen zu hin-
dern, bestehen aufgrund des vorliegenden Sachverhalts kei-
nerlei Anhaltspunkte.
Die Anknüpfung an das Melderecht bedeutet nicht, dass die
nicht gemeldeten Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen
wären. Sie müssen sich allerdings selbst um die Vorausset-
zungen zur Ausübung ihres Wahlrechts bemühen. Solche
Bemühungen, sein materiell offenbar bestehendes Wahl-
recht auszuüben, sind durch den Einspruchsführer bis zur
Stellung seines Antrags auf Übersendung von Briefwahlun-
terlagen am 4. Juni 2004 nicht erfolgt. Die Europawahlord-
nung sieht insoweit die Eintragung in das Wählerverzeich-
nis auf Antrag (§ 15 Abs. 2 EuWO) und den Einspruch ge-
gen ein unrichtiges oder unvollständiges Wählerverzeichnis
(§ 21 EuWO) während der von der Gemeindebehörde be-
kannt gemachten Frist zur Einsichtnahme in das Wählerver-
zeichnis (20. bis 16. Tag vor der Wahl gemäß § 4 EuWG
i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BWG) vor. Wer keine Wahl-
benachrichtigung erhalten hat und dennoch nicht rechtzeitig
Einsicht in das Wählerverzeichnis nach § 17 Abs. 1 Satz 2

BWG i. V. m. § 4 EuWG nimmt, muss die aus einer eventu-
ellen Nichteintragung in das Wählerverzeichnis resultie-
rende Folge (keine Teilnahme an der Wahl) tragen (Bundes-
tagsdrucksache 15/1150, Anlage 9; Schreiber, Kommentar
zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 14 Rn. 5). Dem Ein-
spruchsführer war in diesem Zusammenhang auch kein
Wahlschein gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 EuWO zu erteilen.
Selbst wenn man den formlosen Antrag des Einspruchsfüh-
rers auf Übersendung von Briefwahlunterlagen als Antrag
auf Erteilung eines Wahlscheins nach dieser Vorschrift deu-
tet, so fehlt es am Nachweis des Einspruchsführers, dass er
ohne sein Verschulden die Antragsfrist nach § 17 Abs. 1
EuWO zur Eintragung in das Wählerverzeichnis (21. Tag
vor der Wahl; 23. Mai 2004) versäumt hat.
Soweit der Einspruchsführer im Zusammenhang mit seiner
Abmeldung von Amts wegen Vorwürfe gegen seinen Ver-
mieter erhebt, so braucht dieser privatrechtlichen Angele-
genheit in einem Wahlprüfungsverfahren nicht nachgegan-
gen werden. Wahlfehler können in erster Linie von den amt-
lichen Wahlorganen (§ 5 EuWG) begangen werden. Dritte
können Wahlfehler nur insoweit begehen, als sie unter Bin-
dung an wahlgesetzliche Anforderungen kraft Gesetzes
Aufgaben bei der Organisation einer Wahl erfüllen (vgl.
BVerfGE 89, 243/251). Einer solchen Bindung unterliegt
der Vermieter des Einspruchsführers nicht.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Entschei-
dung ausschließlich auf die Anfechtung der Europawahl
durch den Einspruchsführer bezieht. Soweit er sich auch ge-
gen die ebenfalls am 13. Juni 2004 in Baden-Württemberg
durchgeführten Kommunalwahlen wendet, sind der Deut-
sche Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss hierfür
nicht zuständig.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/4250

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn Dr. T. F., 71034 Böblingen

– Az.: EuWP 33/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 28. Juni 2004 an den Bundeswahlleiter,
das an den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und
hier am 16. Juli 2004 eingegangen ist, und mit Schreiben
vom 21. Juli 2004 hat der Einspruchsführer gegen die Gül-
tigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland am 13. Juni
2004 Einspruch eingelegt. Er wendet sich gegen die aus sei-
ner Sicht mangelhaften Informationen der Parteien über ihre
Programme im Vorfeld der Europawahl 2004.
Hierzu trägt er vor, er habe vor der Europawahl und vor den
am gleichen Tag durchgeführten Kommunalwahlen in Ba-
den-Württemberg Faltblätter von FDP und Republikanern
zur Kommunalwahl in seinem Briefkasten vorgefunden.
Außerdem habe er an einem Informationsstand der FDP ein
Gespräch mit seinem ehemaligen Gymnasiallehrer geführt.
In der Stadt Böblingen habe er diverse Plakate mit unbe-
kannten Gesichtern und nichtssagenden Sätzen wie „Wir
fördern die Wirtschaft“ gesehen. Dem Einspruchsführer, der
keinen Fernseher besitze, sei von Kollegen erzählt worden,
dass die im Fernsehen ausgestrahlten Wahlkampfspots ohne
Aussage gewesen seien. Da der Einspruchsführer berufs-
tätig sei und zwei bis drei Nachrichtensendungen am Tag
höre, hätten ihn eventuelle Informationen im Radio nicht er-
reicht. Erst im Wahllokal habe er einen Stimmzettel mit
Namen erhalten, die ihm alle unbekannt gewesen seien und
deren politischen Programme er nicht kenne. Nach Ansicht
des Einspruchsführers wäre es unter diesen Umständen „wie
Lotto spielen“ gewesen, wenn er gewählt hätte. Fataler-
weise habe ihn die Europawahl 2004 an eine Wahl in der
DDR erinnert, die er dort als Kleinkind miterlebt habe.
Das Grundgesetz verlange eine Unterstützung durch die
Parteien bei der politischen Meinungsbildung. Es sei Auf-
gabe der Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen,
die Wähler über Kandidaten und politische Programme zu
informieren. Bezüglich der politischen Programme sei eine
solche Information nicht erfolgt.
Der Bundeswahlleiter hat hierzu in einem Schreiben an den
Einspruchsführer wie folgt Stellung genommen:

Der Bundeswahlleiter habe die zugelassenen Wahlvor-
schläge (Listen für die einzelnen Länder und gemeinsame
Listen für alle Länder) gemäß § 14 Abs. 5 Europawahl-
gesetz (EuWG) im Bundesanzeiger (Nr. 78 vom 24. April
2004, S. 9034) bekannt gemacht. Außerdem habe er sie in
dem Sonderheft „Die Wahlbewerber für die Wahl zum
Europäischen Parlament aus der Bundesrepublik Deutsch-
land 2004“ und in seinem Internetangebot (www.bundes-
wahlleiter.de) veröffentlicht. Im Übrigen sei es Aufgabe der
Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen, die Wäh-
ler über Kandidaten und politische Programme zu informie-
ren. Ein Wahlfehler sei daher nicht erkennbar.
Dem Einspruchsführer ist vom Wahlprüfungsausschuss
Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu zu äußern. Er hat
sich daraufhin wie folgt geäußert:
Inzwischen habe er die Kandidatenlisten der Parteien im
Bundesanzeiger angesehen. Trotzdem wisse er aber immer
noch nicht, welche politischen Programme die Parteien bzw.
ihre Kandidaten verfolgten. Die Parteien seien ihrer Ver-
pflichtung, die Wähler über ihre politischen Programme zu
informieren, nicht nachgekommen. Bei der Europawahl hät-
ten keine politischen Inhalte den Ausschlag gegeben.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 EuWG in
Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Einspruchs-
führer vertritt zu Unrecht die Auffassung, die Parteien seien
im Vorfeld der Europawahl 2004 ihrer Verpflichtung, die
Wählerinnen und Wähler über ihre politischen Programme
zu informieren, nicht nachgekommen.

Drucksache 15/4250 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) wirken die
Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.
Hierdurch wird den Parteien eine herausragende Stellung im
Wahlrecht zugewiesen. Gerade im Vorfeld von Wahlen ha-
ben sie die Aufgabe, die Wählerinnen und Wähler im Rah-
men der Wahlwerbung auf ihre Wahlprogramme und Ziel-
setzungen aufmerksam zu machen (Schreiber, Kommentar
zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, Einführung, Rn. 15).
Sie können ihre Wahlentscheidung nur sinnvoll treffen,
wenn ihnen diese im Wahlkampf vorgetragen werden und
wenn sich die verschiedenen Wahlbewerber vorstellen
(Schreiber, a. a. O. § 1 Rn. 15).
Der Einspruchsführer stellt nicht in Abrede, dass vor der
Europawahl 2004 ein Wahlkampf stattgefunden hat, kriti-
siert jedoch das seiner Ansicht nach bestehende Defizit an
politischen Inhalten. Der Deutsche Bundestag und der
Wahlprüfungsausschuss nehmen keine inhaltliche Bewer-
tung von Wahlvorschlägen und von Wahlprogrammen vor.
Dementsprechend obliegt ihnen auch nicht eine Überprü-
fung der hierüber erfolgten Informationen. Maßgeblich ist,
dass ein Wahlwettbewerb stattgefunden hat, in dem die
zugelassenen Wahlvorschläge mit ihren Programmen der
Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
Den Parteien obliegt nicht die alleinige Verantwortung da-
für, dass die Wählerinnen und Wähler ausreichend infor-
miert werden. Aus dem Wort „mitwirken“ in Artikel 21
Abs. 1 Satz 1 GG folgt, dass sie kein Monopol bei der poli-
tischen Willensbildung des Volkes haben (Schreiber,

a. a. O., Einführung, Rn. 15). Es obliegt unter anderem auch
den Wählerinnen und Wählern selbst, sich durch eigene Ini-
tiative über die Programme und Kandidaten der Parteien
und sonstigen zur Wahl stehenden politischen Vereinigun-
gen zu informieren. Auch der Einspruchsführer hatte die
Möglichkeit, sich in den verschiedenen Medien über die un-
terschiedlichen Wahlprogramme zu informieren. Hierbei
kommt es nicht darauf an, dass einzelne Wählerinnen und
Wähler zu bestimmten Medien möglicherweise keinen Zu-
gang haben. Der Einspruchsführer hätte darüber hinaus z. B.
die Möglichkeit gehabt, sich beim Bundeswahlleiter über
die zugelassenen Parteien zu informieren und bei diesen
Parteien Programme und andere Informationen anzufor-
dern. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass verschiedene
Parteien Straßenwahlkampf betreiben und damit die Mög-
lichkeit besteht, im direkten Gespräch mit den Vertretern
der Parteien Informationen zu erhalten (vgl. Bundestags-
drucksache 13/2029, Anlage 6). Vor diesem Hintergrund ist
der vom Einspruchsführer gezogene Vergleich der Europa-
wahl 2004 mit einer Wahl in der DDR bereits im Ansatz
verfehlt.
Soweit der Einspruchsführer auch die Informationen zu den
Kommunalwahlen in Baden-Württemberg kritisiert, haben
der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss
keine Kompetenz, hierüber zu befinden.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/4250

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
1. der Frau K.T., 30890 Barsinghausen
2. des Herrn G.T., 30890 Barsinghausen

– Az.: EuWP 15/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 13. Juni 2004 an die Stadt Barsinghau-
sen, das an den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden
ist und dort am 22. Juni 2004 eingegangen ist, haben die
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung tragen sie vor, dass auf den Stimmzetteln
für die Europawahl im Land Niedersachsen lediglich für die
Partei der CDU eine Liste für das Land Niedersachsen aus-
gewiesen sei. Alle anderen politischen Parteien hätten auf
den Stimmzetteln eine gemeinsame Liste für alle Länder.
Dies sei ihrer Ansicht nach „irreführend“ und verunsichere
die Wählerinnen und Wähler. Es handele sich um Wahlbe-
trug. Ein Muster des Stimmzettels für die Europawahl im
Land Niedersachsen liegt dem Wahlprüfungsausschuss vor.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Rechtsgrund-
lage für den von den Einspruchsführern beanstandeten
Stimmzettel des Landes Niedersachsen ist § 15 Abs. 2
EuWG. Hiernach enthält der Stimmzettel
1. die Überschrift „Wahl der Abgeordneten des Europäi-

schen Parlaments“,
2. die Namen der Parteien und, sofern sie eine Kurzbe-

zeichnung verwenden, auch diese, bei sonstigen politi-

schen Vereinigungen deren Namen und, sofern sie ein
Kennwort verwenden, auch dieses,

3. die Bezeichnung der Wahlvorschläge als Listen für ein-
zelne Länder oder gemeinsame Listen für alle Länder so-
wie bei Listen für einzelne Länder die Angabe des Lan-
des, für das der Wahlvorschlag aufgestellt ist, und

4. die ersten zehn Bewerber der zugelassenen Wahlvor-
schläge mit Vor- und Familiennamen, Beruf oder Stand,
Ort der Wohnung (Hauptwohnung), sowie bei Bewer-
bern für gemeinsame Listen für alle Länder zusätzlich
die Abkürzung des Landes, in dem der Ort der Wohnung
liegt.

Der Stimmzettel für die Wahl im Land Niedersachsen erfüllt
diese Voraussetzungen, insbesondere auch die unter Num-
mer 3 genannten. Die Tatsache, dass der Wahlvorschlag der
CDU als „Liste für das Land Niedersachsen“ bezeichnet ist,
beruht auf deren eigener Entscheidung. Ebenso ist dies bei
den Wahlvorschlägen der anderen Parteien der Fall, die „ge-
meinsame Listen für alle Länder“ eingereicht haben. Nach
der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 EuWG kann eine Partei
oder eine sonstige politische Vereinigung entweder Listen
für einzelne Länder, und zwar in jedem Land nur eine Liste,
oder eine gemeinsame Liste für alle Länder einreichen.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EuWG treffen die Entscheidung
über die Einreichung einer gemeinsamen Liste für alle Län-
der oder von Listen für einzelne Länder der Vorstand des
Bundesverbandes oder, wenn ein Bundesverband nicht be-
steht, die Vorstände der nächstniedrigen Gebietsverbände
im Wahlgebiet gemeinsam, oder eine andere in der Satzung
des Wahlvorschlagsberechtigten hierfür vorgesehene Stelle.
Somit hatten es die Bundesvorstände der Parteien oder die
sonst hierfür zuständigen Parteigremien durch ihre Ent-
scheidung in der Hand, entweder die Bezeichnung „Liste
für das Land Niedersachen“ oder „Gemeinsame Liste für
alle Länder“ auf dem Stimmzettel erscheinen zu lassen.
Schon aus diesem Grund liegt eine rechtlich relevante Wäh-
lerbeeinflussung nicht vor. Um eine etwaige Verunsiche-
rung am Wahltag zu vermeiden, hatten die Wählerinnen und
Wähler die Möglichkeit, sich vor der Wahl über die Gestal-

Drucksache 15/4250 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

tung des Stimmzettels und insbesondere über den von den
Einspruchsführern geschilderten Sachverhalt zu informie-
ren. Beispielsweise hat der Bundeswahlleiter vor der Wahl
in Pressemitteilungen und auf einer Pressekonferenz über
die zugelassenen Listen für die Europawahl informiert.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 Europawahlgesetz in Verbindung mit
§ 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/4250

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn A. R. V., 72469 Meßstetten

– Az.: EuWP 16/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 23. Juni 2004, das am 28. Juni 2004
beim Bundestag eingegangen ist, hat der Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er rügt im Wesent-
lichen einen Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit.
Er sieht diesen Grundsatz als verletzt an, weil es für ihn als
Wähler im Land Baden-Württemberg nicht möglich gewe-
sen sei, seine Stimme der Christlich-Sozialen Union (CSU)
oder der Bayern-Partei (BP) zu geben. Dies verstoße gegen
§ 1 Abs. 1 Europawahlgesetz (EuWG) und gegen Artikel 38
Abs. 1 Grundgesetz (GG). Da es gemeinsame Grundsätze
der EU-Staaten bisher nicht gebe, gehe er davon aus, dass
die Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes der Bundes-
republik Deutschland auch für die Wahl zum Europäischen
Parlament Geltung hätten und sich der Grundsatz der Wahl-
rechtsgleichheit auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland zu erstrecken habe. Im Hinblick auf eine vor-
her erfolgte Information durch den Bundeswahlleiter stellt
der Einspruchsführer klar, dass sich sein Einspruch auch ge-
gen das Europawahlgesetz richte, weil dieses gegen den
Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verstoße und deshalb
manipulativen Charakter habe.
Der Bundeswahlleiter hatte dem Einspruchsführer mit
Schreiben vom 18. Juni 2004 zu seinen mit einem inhalts-
gleichen Schreiben vorgetragenen Bedenken mitgeteilt, das
Europawahlgesetz eröffne in § 8 Abs. 2 Satz 1 den Parteien
und sonstigen politischen Vereinigungen die Möglichkeit,
Wahlvorschläge entweder in Form von Listen für einzelne
Länder, und zwar in jedem Land nur eine Liste, oder eine
gemeinsame Liste für alle Länder einzureichen. Die Ent-
scheidung darüber, wo und wie sie kandidieren wollten, ob-
liege den Parteien. Die CSU und die BP hätten von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, für Bayern eine Landes-
liste aufzustellen. Daher sei es nur den in Bayern Wahl-
berechtigten möglich gewesen, diese Parteien zu wählen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)

in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Rechtsgrund-
lage für die vom Einspruchsführer beanstandete Einrei-
chung der Listen der CSU und BP nur für das Land Bayern
ist – wie vom Bundeswahlleiter ausgeführt – § 8 Abs. 2
EuWG. Hiernach kann eine Partei oder eine sonstige politi-
sche Vereinigung entweder Listen für einzelne Länder, und
zwar in jedem Land nur eine Liste, oder eine gemeinsame
Liste für alle Länder einreichen. Die Entscheidung über die
Einreichung einer gemeinsamen Liste für alle Länder oder
von Listen für einzelne Länder treffen der Vorstand des
Bundesverbandes oder, wenn ein Bundesverband nicht be-
steht, die Vorstände der nächst niedrigen Gebietsverbände
im Wahlgebiet gemeinsam, oder eine andere in der Satzung
des Wahlvorschlags berechtigte hierfür vorgesehene Stelle.
Diese Voraussetzungen sind bei der Zulassung der gemein-
samen Listen für alle Länder durch den Bundeswahlaus-
schuss und der Listen für einzelne Länder durch die Landes-
wahlausschüsse beachtet worden.
Soweit der Einspruchsführer geltend macht, § 8 Abs. 2
EuWG verstoße gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleich-
heit des Artikels 38 Abs. 1 Satz 1 GG, ist zunächst auf die
ständige Praxis des Deutschen Bundestages und des Wahl-
prüfungsausschusses zu verweisen, wonach diese sich nicht
berufen sehen, die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechts-
vorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden. Unabhän-
gig davon bestehen jedoch keine Zweifel daran, dass die
vom Europawahlgesetz eingeräumte Möglichkeit, Listen für
einzelne Länder als Wahlvorschläge einzureichen, verfas-
sungsgemäß ist. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung
des Wahlrechts einen gewissen Gestaltungsspielraum. Das
Gebot der Wahlrechtsgleichheit ist kein Kriterium für die

Drucksache 15/4250 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, ob er nur einheit-
liche Listen für das gesamte Wahlgebiet zulassen möchte
oder ob er eigene Listen in bestimmten Untergliederungen
des Wahlgebiets gestatten möchte. Hat er eine bestimmte
Grundsatzentscheidung getroffen, so sind der Grundsatz der
Wahlrechtsgleichheit und andere Wahlrechtsgrundsätze eine
maßgebliche Grundlage für die konkrete Ausgestaltung.
Hiernach durfte der Gesetzgeber den föderativen Aufbau
der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Gliede-
rung in Bund und Länder, bei der Regelung des Wahlvor-
schlagsrechts berücksichtigen. Die konkrete Ausgestaltung
dieses Rechts in § 8 Abs. 2 EuWG verstößt ebenfalls nicht
gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit.
Darüber hinaus entspricht die Vorschrift des § 8 Abs. 2
EuWG dem Beschluss und Akt zur Einführung allgemeiner
unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments vom 20. September 1976 (BGBl. 1977 II S. 733/
734), zuletzt geändert durch Beschluss des Europäischen
Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (BGBl.
2003 II S. 810). Nach Artikel 2 dieses sog. Direktwahlaktes
können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ent-
sprechend ihren nationalen Besonderheiten für die Wahl des
Europäischen Parlaments Wahlkreise einrichten oder ihre
Wahlgebiete auf andere Weise unterteilen, ohne das Verhält-
niswahlsystem insgesamt in Frage zu stellen. Nach Artikel 8
Direktwahlakt bestimmt sich das Wahlverfahren vorbehalt-
lich der Vorschriften des Direktwahlakts in jedem Mitglied-
staat nach den innerstaatlichen Vorschriften. Diese inner-
staatlichen Vorschriften können den Besonderheiten in den
Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Zu den Besonderheiten
des Wahlrechts auf Bundesebene in der Bundesrepublik
Deutschland gehört es seit jeher, getrennte Listen von Par-
teien oder sonstigen politischen Vereinigungen in den ein-
zelnen Bundesländern zu ermöglichen.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/4250

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn W. W. K. G., 14558 Nuthetal

– Az.: EuWP 27/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einer an den Landeswahlleiter des Landes Brandenburg
gerichteten E-Mail vom 2. Juli 2004, die an den Deutschen
Bundestag weitergeleitet worden und dort am 9. Juli 2004
eingegangen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am
13. Juni 2004 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass auf der Wahlbenachrich-
tigungskarte nicht alle seine Vornamen abgedruckt gewesen
seien und er die seiner Ansicht nach insofern unkorrekte
Wahlbenachrichtigungskarte zurückgegeben habe, da ihm
eine korrekte Wahlbenachrichtigung nicht zugegangen sei.
Die Einspruchsschrift ist vom Einspruchsführer nicht unter-
schrieben worden. Sie enthält am Ende des Textes lediglich
dessen Familiennamen sowie die Anfangsbuchstaben seiner
Vornamen in Druckbuchstaben. Der Einspruchsführer ist
mit Schreiben vom 12. Juli 2004 durch das Sekretariat des
Wahlprüfungsausschusses unter Hinweis auf den Ablauf der
Einspruchsfrist am 13. August 2004 darauf aufmerksam ge-
macht worden, dass durch die fehlende eigenhändige Unter-
schrift das Schriftformerfordernis nicht gewahrt sei und da-
her die übermittelte E-Mail noch kein formgültiger Ein-
spruch sei. Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 hat die Vorsit-
zende des Wahlprüfungsausschusses den Einspruchsführer
unter Hinweis auf das Schreiben des Sekretariats aufgefor-
dert, bis spätestens 13. August 2004 eine eigenhändig unter-
schriebene Einspruchsschrift vorzulegen.
Der Einspruchsführer hat mit einer nicht unterschriebenen
E-Mail vom 12. August 2004, die am Ende des Textes den
Familiennamen sowie einen Anfangsbuchstaben eines Vor-
namens in Druckbuchstaben enthielt, darum gebeten, den
Wahleinspruch als formgerecht anzuerkennen. Es sei ihm
nicht möglich, den Einspruch per Telefax zu übermitteln, da
ihm derzeit keine Faxverbindung zur Verfügung stehe; der
Postweg sei ihm finanziell zu aufwändig. Wegen der weite-
ren Einzelheiten des Vorbringens des Einspruchsführers in
dieser E-Mail wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 2 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig, weil die E-Mail vom 2. Juli
2004 nicht dem Schriftformerfordernis entspricht.
Nach § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG ist der
Einspruch schriftlich beim Deutschen Bundestag einzurei-
chen. Zur Schriftform gehört nach der ständigen Praxis des
Deutschen Bundestages und des Wahlprüfungsausschusses
auch die eigenhändige Unterschrift des Einspruchsführers
(Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 41; Bundestags-
drucksache 14/1560, Anlage 6). Der Einspruchsführer hat
seine Einwendungen gegen die Gültigkeit der Europawahl
am 2. Juli 2004 dem Landeswahlleiter lediglich per E-Mail
übermittelt. Eine eigenhändige Unterschrift enthält diese
E-Mail nicht. Schon aus diesem Grund besteht kein Anlass
zur Entscheidung, ob der Deutsche Bundestag und der
Wahlprüfungsausschuss dem Beschluss des Gemeinsamen
Senats der Obersten Gerichte des Bundes vom 5. April 2000
(GmS-OGB 1/98 – NJW 2000, S. 2340) folgen. In diesem
Beschluss hat der Gemeinsame Senat in Prozessen mit Ver-
tretungszwang die Übermittlung bestimmender Schriftsätze
auch durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit
eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf
ein Faxgerät des Gerichts als ausreichend zur Wahrung der
Schriftform angesehen (näher hierzu: Bundestagsdruck-
sache 15/1850, Anlage 41).
Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift innerhalb
der vorgesehenen Frist für sog. bestimmende Schriftsätze
wie etwa Klage, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegrün-
dungsschrift ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
auch für andere Verfahrensordnungen, z. B. für den Zivil-
prozess und für das Arbeitsgerichtsverfahren, anerkannt
(BGHZ 101, 134/137 f.; BGH, Urteil vom 18. Dezember
1975 – VII ZR 123/75, NJW 1976, 966 f.; BAG, Urteil vom

Drucksache 15/4250 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

26. Januar 1976 – 2 AZR 506/74, NJW 1976, 1285). An
dieser Rechtsprechung zur Schriftform sollte auch durch das
Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privat-
rechts und anderen Vorschriften an den modernen Rechts-
verkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542), in dem zur
Wahrung der Schriftform alternativ die elektronische Sig-
nierung als Substitut für die eigenhändige Unterschrift an-
geboten wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs,
Bundestagsdrucksache 14/4987, S. 12), nichts geändert
werden (a. a. O. S. 13 und S. 23 f.). Es ist deshalb folgerich-
tig, wenn bei Verwendung eines elektronischen Dokuments
(E-Mail) für bestimmende Schriftsätze eine qualifizierte
elektronische Signatur (vgl. § 130a Abs. 1 Satz 2 und § 130
Nr. 6 der Zivilprozessordnung) innerhalb der vorgesehenen
Frist verlangt wird (Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO-Kom-
mentar, 25. Auflage, § 129 Rn. 6). Dies spricht ebenfalls für
eine Beibehaltung der bisherigen Praxis, jedenfalls bei einer
„einfachen“ E-Mail das Schriftformerfordernis als nicht
erfüllt anzusehen, zumal das Wahlprüfungsgesetz keine
eigene Rechtsgrundlage für die Verwendung von elektroni-
schen Dokumenten und für eine elektronische Signatur nach
dem Signaturgesetz enthält.
Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 4. Juli 2002 (BVerfG 2 BvR 2168/00) ergibt sich keine

andere Interpretation des Schriftformerfordernisses. Diese
Entscheidung, die einen Einspruch gegen einen Strafbefehl
betrifft, ist nicht auf das Wahlprüfungsverfahren übertrag-
bar. Dieses ist streng formalisiert und erfordert – entspre-
chend seinem Zweck, eine alsbaldige Klarheit über die Gül-
tigkeit der Wahl herbeizuführen – solche Kriterien für das
Schriftformerfordernis, die alsbald nach Ablauf der Ein-
spruchsfrist eine abschließende Beurteilung der Zulässigkeit
der vorliegenden Wahleinsprüche ermöglichen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der mit
einer nicht unterschriebenen E-Mail vom 12. August 2004
vorgetragenen Bitte des Einspruchsführers, seine Einwen-
dungen gegen die Europawahl 2004 als formgerecht anzuer-
kennen. Die Frage, ob dem Einspruchsführer eine Fax-Ver-
bindung zur Verfügung stand, ist für die generellen Anforde-
rungen an das Schriftformerfordernis unerheblich. Dies gilt
auch für seinen Einwand, der Postweg sei ihm finanziell zu
aufwändig. Dieser Aufwand erscheint schon im Hinblick
darauf, dass das Wahlprüfungsverfahren kostenfrei ist, als
zumutbar. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Ein-
spruchsführer zweimal – zuletzt durch ein Schreiben der
Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses vom 20. Juli
2004 – auf die fehlende Schriftform hingewiesen worden ist.
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/4250

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn R. L., 91126 Schwabach

– Az.: EuWP 07/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 14. und 28. Juni 2004 hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Als Be-
gründung trägt er im Wesentlichen vor, in seinem Wahllokal
in der staatlichen Realschule der Stadt Schwabach sowie in
einem weiteren Wahllokal dieser Schule sei aufgrund der
Anordnung der Wahlkabinen sowie durch die Art und Weise
der Faltung der Stimmzettel das Wahlgeheimnis verletzt
worden. Darüber hinaus führt er an, bei der Europawahl
habe keine echte Auswahlmöglichkeit bestanden, da die
Bürgerinnen und Bürger u. a. keine Möglichkeit gehabt hät-
ten, auf die Zusammensetzung der Listen Einfluss zu neh-
men. Außerdem sei durch die Zulassung von Überhang-
mandaten das Wahlergebnis verfälscht worden. Schließlich
sei durch die Möglichkeit der Briefwahl das Wahlergebnis
manipuliert worden.
Hintergrund des Einspruches sind frühere Beschwerden des
Einspruchsführers, die sich auf die Wahrung des Wahl-
geheimnisses bei zurückliegenden Wahlen beziehen. Bezüg-
lich des hierzu vom Einspruchsführer vorgelegten Schrift-
wechsels mit der Regierung von Mittelfranken wird auf den
Inhalt der Akten Bezug genommen.
Soweit der Einspruchsführer eine Verletzung des Wahl-
geheimnisses in zwei Wahllokalen der staatlichen Real-
schule der Stadt Schwabach geltend macht, liegt dem Ein-
spruch folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Wahllokal Zimmer 37 waren bei der Europawahl vier
Wahlkabinen (Wahlzellen) vor der Fensterfront parallel zu
dieser platziert. Diese bestanden aus vier in einem gewissen
Abstand voneinander platzierten Tischen, auf denen sich je-
weils eine Sichtblende (Wahlschirm) mit einer Breite von
75 cm und einer Tiefe von 65 cm befand. Die Wählerinnen
und Wähler saßen bei der Wahlhandlung mit dem Rücken
zur Fensterfront. Direkt gegenüber, neben der Eingangstür,
befand sich ein Tisch zur Stimmzettelausgabe. Der Wahl-
vorstand und die Wahlurne befanden sich rechtwinklig zu
den Wahlzellen vor einer Wand. Das Wahllokal Zimmer 40
war ebenso angeordnet; es befand sich in der Nähe des Hof-
eingangs.

Der Einspruchsführer trägt vor, er habe bei der Europawahl
Einblick in die Wahlunterlagen von zwei Wählern gehabt
und er selbst habe einen Einblick in seine eigenen Wahl-
unterlagen kaum verhindern können. Er habe bei Abgabe
seiner Stimme in der Wahlzelle lautstark und für jedermann
gut hörbar darauf hingewiesen, dass er Einblick in die
Wahlunterlagen anderer Wähler habe und dass diese auch
seine Stimmabgabe beobachten könnten. Eine Reaktion des
Wahlvorstandes sei nicht erfolgt. Seiner anschließend
mündlich vorgetragenen Beschwerde sei der Wahlvorstand
ebenfalls nicht nachgegangen. Er habe von der Wahlvorste-
herin lediglich den Hinweis erhalten, seine Beschwerde
werde weitergegeben. Der Abstand zwischen den Tischen
sei so eng gewesen, dass die Wahlzellen nicht auf direktem
Wege erreichbar gewesen seien. Man habe sich hinter an-
deren Wählenden „vorbeischleichen“ müssen. In einem an-
deren Wahlraum der Realschule (Zimmer 40), dessen Wahl-
zellen ebenfalls vor der Fensterfront platziert waren, sei
eine Einsichtnahme durch die Fenster vom Schulhof aus
möglich gewesen. Er sei am Wahltag in den Hof der Real-
schule gegangen und habe auf die ersten beiden Wahlzellen
des Zimmers 40 direkten Einblick gehabt, ohne selbst ge-
sehen zu werden. Die Aufstellung von Wahlzellen in der
Nähe von einsehbaren Fenstern verletze ebenfalls das Wahl-
geheimnis. Gegen dieses sei auch dadurch verstoßen wor-
den, dass bei der Stimmabgabe nicht sichergestellt worden
sei, dass die Schrift des Stimmzettels insgesamt verdeckt
sei. Dies hätte – so der Einspruchsführer – z. B. durch Bei-
gabe eines mittig gefalteten DIN-A4-Bogens erfolgen kön-
nen.
Der Stadtwahlleiter der Stadt Schwabach hat hierzu fol-
gende Stellungnahme abgegeben:
Die Wahlzellen seien am Vormittag des Wahltages vom Lei-
ter des Wahlamtes überprüft worden. Zwischen den Tischen
sei jeweils durch ausreichenden Abstand sichergestellt ge-
wesen, dass der Wähler auf direktem Weg die Wahlzelle
habe erreichen können. Schon allein durch den Abstand zu
den Außenwänden sei für jeden Wähler ersichtlich gewe-
sen, dass hier kein Durchgang habe ermöglicht werden sol-
len. Dies sei auch durch den Wahlvorstand, der alles im
Blick gehabt habe, gewährleistet gewesen. Der Wahlvor-

Drucksache 15/4250 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

stand des Wahllokals Zimmer 37 sei mit erfahrenen städti-
schen Mitarbeitern besetzt gewesen.
Soweit der Einspruchsführer eine seiner Ansicht nach beste-
hende Möglichkeit der Einsichtnahme von außerhalb in das
Wahllokal Zimmer 40 beanstande, sei darauf hinzuweisen,
dass die betreffenden Klassenzimmer der Realschule seit
Jahren als Wahlräume benutzt würden. Auch zur Fenster-
seite hin befänden sich regelmäßig Wahlzellen. Vor den
Fenstern befinde sich ein Blumenbeet mit ca. 2 m Breite, die
Brüstungshöhe betrage ca. 1,5 m. Die älteren, leicht ange-
laufenen Fenster spiegelten von außen, insbesondere bei
dem vom Einspruchsführer beschriebenen spitzen Einsicht-
winkel vom Hofeingang her. Der Sichtabstand betrage min-
destens 4 m, wobei der Sichtwinkel ungünstig sei. Darüber
hinaus habe der Wahlvorstand auch darauf geachtet, dass
sich keine Personen in wahlgefährdender Weise vor dem
Fenster befänden.
Bezüglich der Faltung der Stimmzettel sei der Wahlvorstand
bei der Wahleinweisung dahingehend belehrt worden, dass
es gerade bei dem unhandlichen Stimmzettel zur Europa-
wahl wichtig sei, die Wähler darauf hinzuweisen, diesen
ordnungsgemäß zu falten. Der Einspruchsführer stelle An-
forderungen an das Wahlgeheimnis, die über das vom
Gesetzgeber vorgesehene Maß hinausgingen. Auch für die
Stadt Schwabach sei das Wahlgeheimnis ein wichtiger
Grundsatz, den es einzuhalten gelte.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme bekannt ge-
geben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:
Zur Frage der Anordnung der Wahlzellen führt er aus, dass
die Tische so nebeneinander platziert gewesen seien, dass
ein „Hindurchzwängen“ nicht möglich oder zumutbar ge-
wesen sei. Damit Wählerinnern und Wähler die innen gele-
genen Wahlzellen hätten erreichen können, hätten sie sich
hinter anderen Wählern „vorbeischleichen“ müssen. Inso-
weit sei entgegen der Darstellung des Stadtwahlleiters genü-
gend Raum zwischen Fensterfront und Tischen vorhanden
gewesen. Da der Wahlvorstand den Wahlzellen nicht direkt
gegenüber gesessen habe, habe dieser höchstens von der
Seite her kontrollieren können.
Entgegen der Darstellung des Stadtwahlleiters bleibe er
auch bei seiner Darstellung, dass man in das Wahllokal
Zimmer 40 vom Schulhof aus direkt Einblick zumindest auf
die ersten beiden Wahlzellen gehabt habe und dass hier nur
von einer Entfernung zumWähler von 2 bis 3 m gesprochen
werden könne. Er habe sich absichtlich ca. 2 Minuten lang
auf ein kleines Mäuerchen gestellt, um durch das Fenster in
das Wahllokal Zimmer 40 zu sehen und eine Reaktion sei-
tens des Wahlvorstandes zu provozieren. Entgegen der Dar-
stellung in der Stellungnahme seien die Fenster am Wahltag
dort nicht angelaufen gewesen.
Zur Faltung der Stimmzettel führt der Einspruchsführer aus,
dass auf jeden Fall erkennbar gewesen sei, was der Wähler
nicht gewählt habe. Entgegen der Darstellung des Stadt-
wahlleiters sei es gar nicht möglich, bei den Anforderungen
an den Grundsatz der geheimen Wahl über das vom Gesetz-
geber vorgesehene Maß hinauszugehen. Das Wahlgeheim-
nis sei durch das Grundgesetz vorgeschrieben.
Der Stadtwahlleiter ist daraufhin um eine ergänzende Stel-
lungnahme zur Frage der Anordnung der Wahlzellen und

zur Positionierung des Wahlvorstandes sowie um eine
Skizze hierzu gebeten worden.
Der Stadtwahlleiter hat daraufhin eine Skizze mit dem Hin-
weis „ohne Maßstab“ und je ein Foto, das den Wahlraum
Zimmer 37 von Innen und von Außen sowie den Wahlraum
Zimmer 40 von Außen zeigt, vorgelegt. Wegen der Positio-
nierung der Wahlzellen sei nochmals Rücksprache mit dem
Wahlvorstand gehalten worden. Danach sei zwischen den
Tischen ausreichend Platz gewesen, um den Wählerinnen
und Wählern die (nahe liegende) Möglichkeit zu geben,
direkt zur Wahlzelle zu gelangen.
Die ergänzende Stellungnahme und die Skizze (mit Fotos)
ist dem Einspruchsführer bekannt gegeben worden. Er hat
sich hierzu wie folgt geäußert:
Die Behauptung, es sei ausreichend Platz zwischen den Ti-
schen gewesen, sei falsch. Diese seien mit einem so gerin-
gen Abstand aufgestellt gewesen, dass ein freies Durch-
schreiten zweier Personen unmöglich gewesen sei. Der Ab-
stand habe allenfalls 25 bis 30 cm betragen. Die vorgelegte
Skizze sei nicht im richtigen Maßstab dargestellt; außerdem
würden die auf den Tischen befindlichen Wahlschirme in ih-
rem Verhältnis zueinander und nicht der Abstand zwischen
den Tischen dargestellt. Wegen der weiteren Kritik des Ein-
spruchsführers an der Skizze sowie wegen seines weiteren
Vortrags zur Einsehbarkeit des Wahllokals Zimmer 40 von
Außen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Wegen der Frage der Erkennbarkeit des Wählervotums ist
ein Muster des in Schwabach verwendeten Stimmzettels an-
gefordert worden, das dem Wahlprüfungsausschuss vor-
liegt.
Zu seinen weiteren Einspruchsgründen führt der Ein-
spruchsführer der Sache nach Folgendes aus:
Die Europawahl sei verfassungswidrig gewesen, weil sie
keine echte Auswahl zwischen den Wahlbewerbern ermög-
licht habe. Die Wählerinnen und Wähler hätten keinen Ein-
fluss auf die Erstellung der Wahlvorschläge der Parteien
gehabt. Die Bewerber auf den Listen würden ebenso wie
deren Reihenfolge allein von den „Partei-Granden“ be-
stimmt. Dies verstoße gegen das Demokratieprinzip. Nach
Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) gehe alle Staats-
gewalt vom Volke und nicht etwa von den Parteien aus.
Diese wirkten gemäß Artikel 21 Abs. 1 Satz 1 GG bei der
politischen Willensbildung des Volkes lediglich mit. Eine
demokratische Wahl müsse es dem Bürger überlassen, wel-
che Person aus welcher Partei er unterstützen wolle. Inso-
weit müsse es möglich sein, eine bestimmte Person aus
einer anderen Partei mit zu unterstützen, ohne gleichzeitig
die von ihm bevorzugte Partei gänzlich abzustrafen.
Darüber hinaus seien Überhangmandate zu unterbinden,
weil sie das Wahlergebnis nicht richtig widerspiegelten.
Wenn eine Partei beispielsweise nur von 30 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger gewählt werde, so sei es falsch,
Überhangmandate zuzulassen, die die tatsächlich erreichte
Prozentzahl verfälschten.
Schließlich sei die Briefwahl verfassungswidrig. Eine Wahl
habe an einem ganz bestimmten Tag stattzufinden. Nur die
an diesem Tag in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen
sollten nach Ansicht des Einspruchsführers berücksichtigt
werden. Es könne nicht angehen, dass sich Bürgerinnen und

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/4250

Bürger schon bis zu vier Wochen vor einer Wahl festzulegen
hätten, wem sie am Wahltag ihre Stimme geben wollten.
Darüber hinaus seien bei der Briefwahl problemlos Manipu-
lationen durch die Teilnahme kranker Personen sowie von
Personen in Alten- und Pflegeheimen möglich. Insgesamt
werde durch die Zulassung der Briefwahl das Wahlrecht der
Personen, die an der Urnenwahl teilnähmen, in unverhält-
nismäßiger Weise manipuliert.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europa-
wahlgesetz – EuWG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3
Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) von einer mündlichen Ver-
handlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Soweit der Einspruchsführer geltend macht, er habe Ein-
blick in die Stimmzettel von zwei Wählern erhalten, kann
offen bleiben, ob ein Wahlfehler vorliegt, denn ein solcher
hätte jedenfalls keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung.
Aufgrund der weiteren, vom Einspruchsführer vorgetrage-
nen Einspruchsgründe – insbesondere in Bezug auf das
Wahlgeheimnis – ist eine Verletzung wahlrechtlicher Vor-
schriften nicht festzustellen.
Soweit der Einspruchsführer vorträgt, er habe beiAbgabe sei-
ner Stimme Einblick in die Wahlunterlagen anderer Wähler
gehabt, ist es durchausmöglich, dass sich dies so ereignet hat.
Der Stadtwahlleiter ist der Argumentation des Einspruchs-
führers zwar insgesamt entgegengetreten, hat sich jedoch
konkret zu diesem Punkt nicht geäußert. Unabhängig von der
im vorliegenden Fall zu bejahenden Frage, ob hinreichende
Vorkehrungen zur Wahrung des Wahlgeheimnisses getroffen
worden sind, ist der Grundsatz der geheimen Wahl dann
verletzt, wenn eine andere Person vom Wahlverhalten eines
Wählers tatsächlich Kenntnis erlangt hat. Im Ergebnis kann
dahingestellt bleiben, ob eine solche Kenntnisnahme tatsäch-
lich erfolgt ist und somit ein Wahlfehler vorliegt. Nach stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der
sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag stets angeschlossen haben, können nämlich nur solche
Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die
auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein
können. Infolgedessen scheiden alleVerstöße von vornherein
als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370/372 ständige Recht-
sprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie
angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Einfluss auf die
Mandatsverteilung haben können.
Auch wenn man unterstellt, zwei Stimmen seien aufgrund
des vom Einspruchsführer geschilderten Sachverhalts un-
gültig, so würde sich die Mandatsverteilung der deutschen
Abgeordneten für das Europäische Parlament nicht ändern.

Vor diesem Hintergrund bedarf dieser Sachverhalt keiner
weiteren Aufklärung.
Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses ist nicht festzustel-
len, soweit sich der Einspruchsführer gegen die Anordnung
der Wahlzellen in den Wahllokalen Zimmer 37 und 40, ge-
gen die seiner Ansicht nach bestehende Möglichkeit der
Einsichtnahme in das Wahllokal Zimmer 40 von außen und
gegen die seiner Ansicht nach mangelhaften Vorkehrungen
gegen eine Einsichtnahme in den gefalteten Stimmzettel
wendet.
Gemäß § 4 EuWG gelten für die Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland die Vorschriften der Abschnitte zwei bis sieben
des Bundeswahlgesetzes – hierzu gehören die Vorschriften
über die Wahlhandlung – entsprechend. Nach § 33 Abs. 1
Satz 1 Bundeswahlgesetz (BWG) sind Vorkehrungen dafür
zu treffen, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet
kennzeichnen und falten kann. Dies dient der Gewährleis-
tung des verfassungsrechtlich verbürgten Wahlgeheimnisses
bei der Stimmabgabe im Rahmen der Urnenwahl. Dement-
sprechend bestimmt § 43 Abs. 1 Satz 1 EuWO, dass die Ge-
meindebehörde in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder
mehrere Wahlzellen mit Tischen einrichtet, in denen der
Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und
falten kann. Nach Satz 2 dieser Vorschrift müssen die Wahl-
zellen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden
können.
Die Stadt Schwabach ist den Anforderungen dieser Vor-
schriften durch die Art und Weise, wie die vom Einspruchs-
führer beanstandeten Wahlräume eingerichtet und angeord-
net waren, nachgekommen. Die Anordnung der Wahlzellen
hat im konkreten Fall den Mindestanforderungen entspro-
chen, die vom Grundsatz der geheimen Wahl gefordert wer-
den. Hiernach müssen die Wahlzellen und alle sonstigen
Schutzvorrichtungen so beschaffen sein, dass niemand be-
obachten kann, ob und wie der Wähler den Stimmzettel aus-
füllt. Der Wahlberechtigte muss sicher sein können, nicht
daraufhin beobachtet werden zu können, was er mit seinem
Stimmzettel macht. Dies muss durch einen entsprechenden
Sichtschutz und durch weitere Maßnahmen zur Wahrung
des Wahlgeheimnisses gewährleistet sein, wobei die inso-
weit zu stellenden Anforderungen nicht unverhältnismäßig
sein dürfen. Eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen
Wahl liegt vor, wenn sich der Wähler aufgrund der konkre-
ten örtlichen Verhältnisse im Wahlraum nicht unbeobachtet
fühlen kann (Bundestagsdrucksache 13/2029, Anlage 23;
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage,
§ 33 Rn. 3). Der Einspruchsführer behauptet, dass es aus
seiner Sicht generell möglich gewesen sei, die Wahlberech-
tigten bei der Wahlhandlung in den beiden von ihm bean-
standeten Wahllokalen zu beobachten. Das Unsicherheitsge-
fühl des Einspruchsführers ist jedoch aufgrund der konkre-
ten Umstände des vorliegenden Falles objektiv nicht ge-
rechtfertigt. Selbst wenn man unterstellt, dass es zutrifft,
dass der Einspruchsführer zwei Wähler bei der Stimm-
abgabe beobachtet hat, so kann hieraus nicht gefolgert wer-
den, die in den beiden beanstandeten Wahllokalen getroffe-
nen Vorkehrungen zur Wahrung des Wahlgeheimnisses
seien generell unzureichend gewesen. Maßgeblich ist, dass
die Wahllokale Zimmer 37 und 40 so eingerichtet waren,
dass die Durchführung einer geheimen Wahl ohne weiteres

Drucksache 15/4250 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

möglich war. Es waren ausreichende Sichtblenden auf den
Tischen vorhanden. Es war auch möglich, die Wahlzellen zu
erreichen, ohne dass das Wahlgeheimnis hierbei konkret ge-
fährdet worden wäre. Hierbei bedarf es keiner Aufklärung
der zwischen dem Einspruchsführer und dem Stadtwahl-
leiter strittigen Frage, wie breit der Abstand zwischen den
Tischen genau war. Die vom Einspruchsführer genannte
Anforderung, dass ein gleichzeitiges Durchschreiten zweier
Personen möglich sein müsse, ist keine zwingende Voraus-
setzung zur Wahrung des Wahlgeheimnisses. Bereits aus
dem Vortrag des Einspruchsführers geht hervor, dass es
jedenfalls – wenn auch vielleicht nicht ganz problemlos –
möglich war, die innen befindlichen Wahlzellen anders als
dadurch zu erreichen, dass man an wählenden Personen hin-
ten vorbeiging. Darüber hinaus war es dem Wahlvorstand
entgegen der Auffassung des Einspruchsführers möglich,
die Wahlzellen zu überblicken und im Falle einer Verlet-
zung des Wahlgeheimnisses einzugreifen. Eine Gesamtbe-
trachtung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles
ergibt, dass das Unsicherheitsgefühl des Einspruchsführers
in Bezug auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses objektiv
nicht gerechtfertigt ist.
Eine objektive Rechtfertigung dieses Unsicherheitsgefühls
ergibt sich auch nicht daraus, dass der Schulhof betreten
werden konnte und dass es unter Umständen möglich war,
vom Hofeingang aus in das Wahllokal Zimmer 40 zu sehen.
Hierbei bedarf es keiner Aufklärung, ob der Abstand zum
Rücken des Wählers zwei bis drei Meter betrug – so der
Einspruchsführer – oder ob dieser Abstand vier Meter be-
trug, wie der Stadtwahlleiter vorträgt. Maßgeblich ist, dass
der Schulhof am Wahltag nicht dazu bestimmt war, von
Wählerinnen und Wählern betreten zu werden. Allein die
Tatsache, dass die Tür zum Schulhof nicht verschlossen
war, führt nicht dazu, dass das vom Einspruchsführer geäu-
ßerte Unsicherheitsgefühl objektiv gerechtfertigt wäre. Für
die Wahrung des Wahlgeheimnisses ist es ausreichend, dass
die Gemeindebehörde unter normalen Umständen nicht da-
mit rechnen musste, dass sich am Wahltag Personen im
Schulhof aufhalten und insbesondere vor dem Fenster des
Wahllokals Zimmer 40 stehen bleiben würden, um Wähler
bei der Wahlhandlung zu beobachten. Somit war es im kon-
kreten Fall rechtlich nicht geboten, die Tische in diesem
Raum anders anzuordnen oder andere Schutzmaßnahmen zu
treffen. Auf völlig atypische und unvorhersehbare Handlun-
gen einzelner Personen braucht die Gemeindebehörde sich
nicht einzustellen. Die Tatsache, dass sich der Einspruchs-
führer für ca. zwei Minuten auf ein Mäuerchen gestellt hat,
um eine Reaktion des Wahlvorstandes zu provozieren, führt
deshalb nicht dazu, dass ein Unsicherheitsgefühl in Bezug
auf die Wahrung des Wahlgeheimnisses objektiv gerechtfer-
tigt gewesen wäre.
Das Wahlgeheimnis ist nicht nur dann gewahrt, wenn unter
verschiedenen Lösungen diejenige ausgewählt worden ist,
die ausschließlich unter dem Blickwinkel des Wahlgeheim-
nisses als optimale Lösung erscheint. Vielmehr ist es zuläs-
sig, bei der Anordnung der Wahlkabinen und bei weiteren
wahlvorbereitenden Maßnahmen auch andere Faktoren zu
berücksichtigen, die geeignet sind, einen reibungslosen Ab-
lauf der Wahl zu gewährleisten. Die Mindestanforderungen
zur Wahrung des Wahlgeheimnisses müssen hierbei jedoch
stets gewahrt werden. Darüber hinaus kann es – ohne dass
dies rechtlich zwingend geboten wäre – im Einzelfall sinn-

voll sein, zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung des Wahl-
geheimnisses zu ergreifen.
Ein Verstoß gegen das Wahlgeheimnis ist auch nicht festzu-
stellen, soweit der Einspruchsführer behauptet, bei der
Stimmabgabe sei nicht sichergestellt worden, dass die
Schrift des Stimmzettels insgesamt verdeckt gewesen sei.
Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EuWO muss das Papier des
Stimmzettels so beschaffen sein, dass nach Kennzeichnung
und Faltung durch den Wähler andere Personen nicht erken-
nen können, wie er gewählt hat. Der in Schwabach verwen-
dete Stimmzettel erfüllt diese Voraussetzungen. Bei der
hierbei verwendeten Papierqualität, die den Empfehlungen
des Bundeswahlleiters entspricht, war es nach Überzeugung
des Deutschen Bundestages und des Wahlprüfungsaus-
schusses möglich, den Stimmzettel so zu falten, dass das
Wählervotum in keiner Weise erkennbar war. Hierbei greift
auch der Einwand des Einspruchsführers nicht durch, dass
erkennbar gewesen wäre, was der Wähler nicht gewählt
habe. Durch eine doppelte Faltung des Stimmzettels war es
möglich, diesbezügliche Bedenken zu beseitigen. Auch die
vom Einspruchsführer postulierte Beigabe eines mittig ge-
falteten DIN-A4-Bogens ist unter dem Blickwinkel der
Wahrung des Wahlgeheimnisses – nach Abschaffung der
amtlichen Wahlumschläge durch den Gesetzgeber – recht-
lich nicht geboten. Mangels hinreichender gegenteiliger An-
haltspunkte ist davon auszugehen, dass die Wahlvorstände
in Schwabach die Zurückweisungsvorschrift des § 49
Abs. 6 Nr. 5 EuWO richtig angewandt haben. Hiernach hat
der Wahlvorstand einen Wähler zurückzuweisen, der seinen
Stimmzettel so gefaltet hat, dass seine Stimmabgabe er-
kennbar ist. Einer näheren Prüfung bedürfte es insoweit nur
dann, wenn die Vermutung eines rechtmäßigen Handelns
der Wahlvorstände aufgrund eines substantiierten Vortrages
möglicherweise widerlegt werden könnte.
Soweit der Einspruchsführer beanstandet, die Wählerinnen
und Wähler hätten keinen Einfluss auf die Erstellung der
Wahlvorschläge der Parteien gehabt, so ist ein Wahlfehler
ebenfalls nicht festzustellen. Nach § 10 Abs. 1 EuWG kann
in einem Wahlvorschlag als Bewerber oder als Ersatzbewer-
ber nur benannt werden, wer in einer besonderen oder allge-
meinen Vertreterversammlung der Partei oder in einer Mit-
gliederversammlung zur Wahl der Bewerber hierzu gewählt
worden ist. Nach § 9 Abs. 2 EuWG müssen in einem Wahl-
vorschlag die Namen der Bewerber in erkennbarer Reihen-
folge aufgeführt sein. Neben jedem Bewerber kann ein Er-
satzbewerber aufgeführt werden. Soweit der Einspruchsfüh-
rer diese Vorschriften für verfassungswidrig hält, so ist da-
ran zu erinnern, dass laut Bundesverfassungsgericht das auf
Parteien beschränkte Vorschlagsrecht für deren Listen sich
„aus der Natur der Sache“ ergibt und mit Artikel 39 GG im
Einklang steht (BVerfGE 46, 196/199). In einer anderen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird betont,
dass das Bundeswahlgesetz – Entsprechendes gilt für das
Europawahlgesetz – die Aufgabe, Kandidatenvorschläge für
Landeslisten vorzulegen, „in die Hände der Parteien“ gelegt
hat (BVerfGE 89, 243/251). Soweit sich der Einspruchsfüh-
rer auch gegen das System der „starren“ oder „gebundenen“
Liste (§ 9 Abs. 3 und § 2 Abs. 4 EuWG) wendet, wonach
die Reihenfolge der Bewerber auf den Listen der Parteien
festgelegt ist und bei der Stimmabgabe nicht verändert wer-
den kann, so hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt
festgestellt, dass sich dieses System im Rahmen der dem

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/4250

Gesetzgeber eingeräumten Freiheit zur Ausgestaltung des
Wahlrechts und nicht gegen die Grundsätze der unmittel-
baren, freien und gleichen Wahl verstößt (vgl. z. B.
BVerfGE 7, 63/68 ff.; BVerfGE 47, 253/282). Der vom Ein-
spruchsführer der Sache nach aufgeworfenen Frage, ob das
geltende verfassungsgemäße und europarechtskonforme
Recht durch eine andere Ausgestaltung, die dem Wähler bei
der Stimmabgabe einen Einfluss auf die Reihenfolge der
von ihm gewählten Liste gibt, ersetzt werden sollte, ist nicht
im Rahmen der Wahlprüfung nachzugehen, die allein auf
die Feststellung von Wahlfehlern und deren Relevanz für
die Verteilung der Mandate beschränkt ist.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen Überhangmandate
wendet, so ist darauf hinzuweisen, dass die Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland allein nach den Grundsätzen der Verhält-
niswahl mit Listenwahlvorschlägen erfolgt (§ 2 Abs. 1
Satz 1 EuWG). Anders als bei Bundestagswahlen können
somit bei Europawahlen Überhangmandate nicht entstehen.
Schließlich hat der Einspruch auch keinen Erfolg, soweit er
sich gegen die Zulassung der Briefwahl bei der Europawahl
2004 wendet. Die Möglichkeit, durch Briefwahl an einer
Europawahl teilzunehmen, ist durch § 4 EuWG i. V. m. § 36
BWG ausdrücklich eingeräumt. Soweit der Einspruchsfüh-
rer deren Verfassungswidrigkeit geltend machen möchte, ist
zunächst darauf aufmerksam zu machen, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag sich in stän-
diger Praxis nicht als berufen ansehen, die Verfassungs-
widrigkeit von Wahlrechtsnormen festzustellen. Eine derar-
tige Kompetenz ist dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten. Davon abgesehen gibt es keinen Anlass, an der
Verfassungsmäßigkeit der Briefwahlregelungen zu zwei-
feln. Die pauschale Behauptung, durch die Zulassung der
Briefwahl würde eine Wahl insgesamt manipuliert, ist nicht
geeignet, die Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl in Frage
zu stellen. Auch der Anstieg der Briefwahlstimmen bei

Europawahlen (2004: 15,5 Prozent, 1999: 14,0 Prozent,
1994: 10,9 Prozent) lässt nicht als solcher auf Missbräuche
schließen. Die Erwägungen in den Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts von 1967 und 1981, die die
Briefwahl für verfassungsgemäß erklärt und dem Gesetz-
geber eine Prüfungs- und Nachbesserungspflicht aufgege-
ben haben (BVerfGE 21, 200 ff.; BVerfGE 59, 119 ff.), tref-
fen in Begründung und Ergebnis unverändert zu. Wie vom
Bundesverfassungsgericht betont, überschreitet die Einfüh-
rung der Briefwahl nicht den in Wahlrechtsfragen vorhande-
nen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Auch heute
ermöglicht die Briefwahl solchen Personen die Stimm-
abgabe, die sich andernfalls aus wichtigen Gründen an der
Stimmabgabe im Wahllokal gehindert sehen. Dadurch wird
dem Grundsatz der allgemeinen Wahl, wonach grundsätz-
lich alle Bürgerinnen und Bürger an der Wahl teilnehmen
sollen, in erhöhtem Maße Rechnung getragen. Dass dabei
zugleich durch die Gegebenheiten der Briefwahl dem Wäh-
ler die Wahrung der freien und geheimen Wahl in weiterem
Umfang als bei der Stimmabgabe im Wahllokal anvertraut
wird, ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht
beanstandet worden.
Die vom Einspruchsführer behaupteten, aber nicht näher
substantiierten Manipulationen in Alten- und Pflegeheimen
wären zwar als Wahlfehler zu bewerten. Der Wahlprüfungs-
ausschuss und der Deutsche Bundestag können jedoch der-
artigen Vorwürfen nur nachgehen, soweit sie hinreichend
substantiiert und somit vom Anfechtungsgegenstand des
Wahleinspruchs umfasst sind (BVerfGE 40, 11/30). Außer-
dem lassen sich schon angesichts der nicht erkennbaren
Dimensionen solcher angeblicher Manipulationen Auswir-
kungen auf die Verteilung der Mandate nicht feststellen
(vgl. Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 21).
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/4250

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn M. S., 24159 Kiel

– Az.: EuWP 12/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 14. Juni 2004, das an den Deutschen Bundestag weiter-
geleitet worden und dort am 25. Juni 2004 eingegangen ist,
sowie mit einem weiteren Schreiben vom 23. Juni 2004 hat
der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bun-
desrepublik Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch einge-
legt. Zur Begründung führt er aus, dass durch die Anord-
nung der Wahlkabinen in seinem Wahllokal in der Stadt
Kiel der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt worden sei.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
In dem Wahllokal und in den weiteren zwei Wahllokalen
des Schulgebäudes der Fritz-Reuter-Schule wurden Doppel-
wahlkabinen in T-Form aufgestellt, die seitlich rechts und
links begehbar waren. Diese Wahlkabinen waren in allen
Wahllokalen des Schulgebäudes mit der offenen Seite zur
Fensterfront hin aufgestellt. Außerhalb des Gebäudes waren
vor den Fenstern Grünflächen angelegt, deren Betreten
nicht erlaubt war. In die drei Wahllokale konnte man vom
Gebäudeflur aus – über diese Grünflächen hinweg – durch
die dort eingebauten Fenster blicken.
Der Einspruchsführer machte den Wahlvorstand nach seiner
Stimmabgabe im Wahllokal darauf aufmerksam, dass man
in die aufgestellten Wahlkabinen einsehen und dadurch
Wähler bei der Stimmabgabe beobachten könne.
In seiner Einspruchsschrift vertritt der Einspruchsführer die
Auffassung, dass die Wahlkabinen von zwei Seiten – so-
wohl durch die Außenfenster des jeweiligen Klassenraums
als auch durch die Flurfenster – einsehbar gewesen seien.
Da der Stimmzettel sehr groß gewesen sei und von den
Wählerinnen und Wähler nicht habe verdeckt werden kön-
nen, sei sowohl vom Flur als auch durch das Außenfenster
das Abstimmungsverhalten der Wählerinnen und Wähler
„eindeutig“ festzustellen gewesen. Sein entsprechender
Hinweis an den Wahlvorstand sei nicht weiter beachtet wor-
den.
Der Bundeswahlleiter hat in seinem Antwortschreiben an
den Einspruchsführer vom 18. Juni 2004 zum Vortrag des
Einspruchsführers u. a. wie folgt Stellung genommen:

Aus § 43 Abs. 1 Europawahlordnung (EuWO) ergebe sich
die Verpflichtung, Vorkehrungen zu treffen, dass der Wähler
den Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten
könne. Daraus folge, dass die Abstimmungsvorrichtungen
(Wahlkabine/Wahlzelle) so beschaffen sein müssten, dass
niemand beobachten könne, ob und wie der Stimmzettel
ausgefüllt werde, und dass der Wähler in der Lage sei, den
Stimmzettel unbeobachtet zu falten. Der Wahlberechtigte
müsse sicher sein, nicht beobachtet werden zu können, was
er mit seinem Stimmzettel mache. Die Anforderungen an
den Sichtschutz dürften jedoch nicht unverhältnismäßig sein
(vgl. Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, 7. Auflage, § 33
Rn. 3). Der Grundsatz der geheimen Wahl sei verletzt, wenn
sich der Wähler aufgrund der konkreten örtlichen Verhält-
nisse im Wahlraum nicht unbeobachtet fühlen könne oder
wenn es unzweifelhaft möglich gewesen sei, zu sehen, ob er
auf seinem Stimmzettel geschrieben, gestrichen oder einen
Wahlvorschlag angekreuzt, ob er ihn mit oder ohne Stimm-
vermerk zusammengefaltet habe (vgl. Schreiber, a. a. O.).
Es müsse also dafür gesorgt werden, dass kein Dritter den
Wähler bei der Ausübung seines Wahlrechts beobachten
könne. Ob diese Vorkehrungen zur unbeobachteten Stimm-
abgabe in dem vom Einspruchsführer genannten Wahllokal
getroffen worden seien oder ob der Sichtschutz unzurei-
chend gewesen sei, könne mangels Kenntnis der konkreten
örtlichen Gegebenheiten nicht beurteilt werden.
In seinem weiteren Schreiben an den Wahlprüfungsaus-
schuss vom 23. Juni 2004 bezieht sich der Einspruchsführer
auf diese Ausführungen des Bundeswahlleiters und trägt
hierzu vor, dass er am Wahltag die Sicherheit, nicht be-
obachtet zu werden, nicht gehabt habe. Diese Sicherheit
habe er unter den geschilderten Bedingungen „objektiv
nicht haben“ können. Es sei objektiv nicht dafür gesorgt
worden, dass kein Dritter den Wähler bei der Ausübung des
Wahlrechts beobachten konnte. Eine der Wahlkabinen in
seinem Wahlraum sei von zwei Seiten aus einsehbar ge-
wesen, die andere sei ebenfalls zum Fenster hin aufgestellt
gewesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat beim Stadtwahlleiter der
Stadt Kiel zu diesem Wahleinspruch eine Stellungnahme
eingeholt, in der Folgendes ausgeführt wird:

Drucksache 15/4250 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Nach seiner Auffassung liege eine Verletzung des Wahl-
geheimnisses nicht vor. Man habe sich aufgrund des Wahl-
einspruchs die Räumlichkeiten vor Ort angesehen und Mit-
glieder des Wahlvorstandes befragt. In den insgesamt drei
Wahlräumen des Schulgebäudes seien die Wahlkabinen we-
gen des besseren Lichteinfalls mit der offenen Seite zur
Fensterfront aufgestellt worden. Ein direkter Blick in die
Klassenräume sei von den vor den Außenfenstern befind-
lichen Grünflächen, die für die Öffentlichkeit nicht zu betre-
ten gewesen seien, nicht möglich gewesen. Der Flur, an dem
die drei Klassenräume lägen, verfüge zwar über Fenster,
durch die man auf die Grünflächen und über diese hinweg
auf die Fenster der betroffenen Klassenräume schauen
könne. Da jedoch am Wahltag der Blick teils durch zugezo-
gene Vorhänge, teils durch hoch gewachsene Pflanzen ver-
deckt gewesen sei, habe von dort nicht mehr als der Rücken
der Wählerinnen und Wähler bei der Wahlhandlung gesehen
werden können. Aufgrund des Hinweises des Einspruchs-
führers im Wahllokal habe der Wahlvorstand die Einsehbar-
keit überprüft. Hierzu habe man abwarten müssen, bis sich
kein Wähler im Wahllokal aufgehalten habe. Möglicher-
weise sei dadurch, dass der Einspruchsführer bei dieser
Überprüfung des Wahlvorstandes nicht anwesend gewesen
sei, beim Einspruchsführer der Eindruck entstanden, seine
Beschwerde sei nicht ernst genommen worden. Ein Anlass
zur Beanstandung sei bei der Überprüfung nicht festgestellt
worden. Für künftige Wahlen biete man jedoch an, die Fens-
terflächen zusätzlich abzukleben.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Kreis-
wahlleiters bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu wie
folgt geäußert:
Es sei „vollkommen unnötig“ gewesen, die drei Wahlkabi-
nen in allen drei Wahlräumen des Schulgebäudes mit der
offenen Seite zur Fensterfront aufzustellen, da die Klassen-
räume ausreichendes Oberlicht gehabt hätten. Die Wahl-
kabinen hätten – so der Einspruchsführer – an der Wand-
fläche aufgestellt werden können. Der Einspruchsführer
vertritt weiterhin die Auffassung, dass man von der Grün-
fläche in den Wahlraum sehen könne. Dabei sei es unerheb-
lich, ob es der Öffentlichkeit gestattet sei, die Grünfläche
vor den Fenstern zu betreten oder nicht. Die geheime Wahl
sei schon dann nicht garantiert, wenn „nur der Schulhaus-
meister“ die Grünfläche betreten dürfe und könne. Es sei
eine Tatsache, dass die Wahlkabinen von zwei Seiten „offen
einsehbar“ gewesen seien.
Auch habe man den Rücken der Wählerinnen und Wähler in
der Wahlkabine sehen können. Der Stimmzettel sei so groß
gewesen, dass er nicht vom Rücken der Wählerinnen und
Wähler habe verdeckt werden können. Wenn man den Rü-
cken der Wählerinnen und Wähler habe sehen können, dann
habe man auch den Stimmzettel erkennen können. Man
habe erkennen können, ob und an welcher Stelle der Stimm-
zettel gekennzeichnet worden sei.
Der Stellungnahme des Stadtwahlleiters sei nicht zu entneh-
men, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise
die Beschwerde des Einspruchsführers vom Wahlvorstand
überprüft worden sei. Möglicherweise sei er der einzige ge-
wesen, der über die offene Fensterfront Bedenken geäußert
habe. Die Frage, ob das Wahlgeheimnis verletzt worden sei,
dürfe jedoch nicht von der Zahl der Einspruchsführer ab-
hängig gemacht werden. Die Verletzung des Wahlgeheim-

nisses könne nicht dadurch geheilt werden, dass bei zukünf-
tigen Wahlen die Fenster abgedeckt würden.
Zum Beweis seiner Angaben benennt der Einspruchsführer
neben allen im Wählerverzeichnis eingetragenen Personen,
die in dem Wahlbezirk an der Wahl teilgenommen haben,
insbesondere eine Wählerin als Zeugin. Schließlich erklärt
er, er versichere an Eides statt, dass die von ihm gemachten
Angaben zu den Verhältnissen am Wahltag in dem Schul-
gebäude der Wahrheit entsprächen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europa-
wahlgesetz – EuWG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3
Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) von einer mündlichen Ver-
handlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist im Ergeb-
nis nicht festzustellen. Insbesondere ist durch die Anord-
nung der Wahlkabinen in den Wahlräumen der Fritz-Reuter-
Schule das Wahlgeheimnis nicht verletzt worden.
Gemäß § 4 EuWG gelten für die Wahl der Abgeordneten
des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland die Vorschriften der Abschnitte zwei bis sieben
des Bundeswahlgesetzes – hierzu gehören die Vorschriften
über die Wahlhandlung – entsprechend. Nach § 33 Abs. 1
Satz 1 Bundeswahlgesetz (BWG) sind Vorkehrungen dafür
zu treffen, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet
kennzeichnen und falten kann. Dies dient der Gewährleis-
tung des verfassungsrechtlich verbürgten Wahlgeheimnisses
bei der Stimmabgabe im Rahmen der Urnenwahl. Dement-
sprechend bestimmt § 43 Abs. 1 Satz 1 EuWO, dass die Ge-
meindebehörde in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder
mehrere Wahlzellen mit Tischen einrichtet, in denen der
Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und
falten kann. Nach Satz 2 dieser Vorschrift müssen die Wahl-
zellen vom Tisch des Wahlvorstandes aus überblickt werden
können.
Die Stadt Kiel ist den Anforderungen dieser Vorschrift durch
Doppelwahlkabinen in T-Form nachgekommen, die seitlich
rechts und links begehbar waren. Die Anordnung der Wahl-
kabinen hat im konkreten Fall den vom Grundsatz der gehei-
men Wahl geforderten Anforderungen genügt. Hiernach
müssen die Wahlkabinen und alle sonstigen Schutzvorrich-
tungen so beschaffen sein, dass niemand beobachten kann,
ob und wie der Wähler den Stimmzettel ausfüllt. Der Wahl-
berechtigte muss sicher sein können, nicht daraufhin be-
obachtet werden zu können, was er mit seinem Stimmzettel
macht. Dies muss durch einen entsprechenden Sichtschutz
gewährleistet sein, wobei die an diesen zu stellenden Anfor-
derungen nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Eine Verlet-
zung des Grundsatzes der geheimen Wahl liegt vor, wenn
sich der Wähler aufgrund der konkreten örtlichen Verhält-
nisse im Wahlraum nicht unbeobachtet fühlen kann (Bun-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/4250

destagsdrucksache 13/2029, Anlage 23; Schreiber, Kom-
mentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 33 Rn. 3). Der
Einspruchsführer trägt vor, dass es aus seiner Sicht möglich
war, die Wahlberechtigten bei der Wahlhandlung zu beob-
achten. Das Unsicherheitsgefühl des Einspruchsführers ist
jedoch aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden
Falles objektiv nicht gerechtfertigt. Hierbei spielt es entge-
gen seiner Auffassung für die Wahrung des Wahlgeheimnis-
ses eine entscheidende Rolle, dass das Betreten der Grünflä-
chen vor den Wahlräumen nicht erlaubt war. Allein die abs-
trakte Möglichkeit, dass entgegen dem Verbot die Grünflä-
chen am Wahltag dennoch mit dem Ziel betreten werden
könnten, den Wahlvorgang direkt vor dem Fenster zu be-
obachten, reicht für die Feststellung eines Verstoßes gegen
das Wahlgeheimnis nicht aus. Zudem hätte der Wahlvor-
stand die Möglichkeit gehabt, einzugreifen, falls eine oder
mehrere Personen die Grünflächen während des Wahlvor-
gangs tatsächlich betreten hätten. Dass dies vorgekommen
ist, wird vom Einspruchsführer nicht vorgetragen. Somit war
im konkreten Fall die Befürchtung objektiv nicht gerechtfer-
tigt, dass einWähler von hinten bei seiner Wahlhandlung be-
obachtet wird.
Eine objektive Rechtfertigung dieses Unsicherheitsgefühls
ergibt sich auch nicht daraus, dass der Rücken der Wähle-
rinnen und Wähler durch die Fenster im Gebäudeflur – über
die Grünflächen hinweg – erkennbar war. Hierbei bedarf die
zwischen dem Einspruchsführer und dem Stadtwahlleiter
der Stadt Kiel strittige Frage, inwieweit der Blick durch zu-
gezogene Vorhänge oder hochgewachsene Pflanzen ver-
deckt war, keiner abschließenden Klärung. Es ist nämlich
sehr unwahrscheinlich, dass der Wahlvorgang vom Flur aus
konkret beobachtet werden konnte. Wegen der dazwischen
liegenden Grünflächen war es jedenfalls nicht möglich, dass
sich eine Person direkt hinter einen Wähler oder eine Wäh-
lerin stellen und diese konkret beim Wahlvorgang beobach-
ten konnte. Darüber hinaus ist für die Frage, ob ein Un-
sicherheitsgefühl im Hinblick auf die Wahrung des Wahl-
geheimnisses objektiv gerechtfertigt war, von Bedeutung,
dass der Flur insbesondere zum Zwecke des Erreichens und
Verlassens des Wahllokals benutzt wurde. Selbst wenn man
im Einzelfall den Rücken eines Wählers bzw. einer Wähle-
rin erkennen konnte, so erscheint es als sehr unwahrschein-

lich, dass erkannt worden sein könnte, ob und ggf. an wel-
cher Stelle der Stimmzettel angekreuzt wurde.
Das Wahlgeheimnis ist nicht nur dann gewahrt, wenn unter
verschiedenen Lösungen diejenige ausgewählt worden ist,
die ausschließlich unter dem Blickwinkel des Wahlgeheim-
nisses als optimale Lösung erscheint. Vielmehr ist es zuläs-
sig, bei der Anordnung der Wahlkabinen auch andere Fak-
toren zu berücksichtigen, die geeignet sind, einen reibungs-
losen Ablauf der Wahl zu gewährleisten. Hierzu gehört im
vorliegenden Fall die Überlegung, bei der Platzierung der
Wahlkabinen auch den Lichteinfall zu berücksichtigen. Die
Mindestanforderungen zur Wahrung des Wahlgeheimnisses
müssen hierbei jedoch stets gewahrt werden. Darüber hin-
aus kann es – ohne dass dies rechtlich zwingend geboten
wäre – im Einzelfall sinnvoll sein, zusätzlich Maßnahmen
zur Wahrung des Wahlgeheimnisses – im konkreten Fall
z. B. das Abkleben von Fensterflächen – zu ergreifen.
Schließlich begründet auch die Art und Weise, wie der
Wahlvorstand mit dem Hinweis des Einspruchsführers auf
die seiner Ansicht nach bestehende Einsehbarkeit des Wahl-
vorgangs umgegangen ist, keinen Wahlfehler. Der Wahlvor-
stand ist nicht verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, wie er
die Einhaltung des Wahlgeheimnisses am Wahltag überprüft
und sichergestellt hat. Er war auch nicht verpflichtet, am
Wahltag unter Zurückstellung seiner anderen Aufgaben so-
fort eine Überprüfung der Einsehbarkeit vorzunehmen.
Vielmehr war es im Sinne eines reibungslosen Ablaufs der
Wahl sachgerecht, zunächst abzuwarten, bis keine Wähle-
rinnen und Wähler im Wahllokal anwesend waren. Der Ein-
spruchsführer weist zu Recht darauf hin, dass die Frage, ob
eine Verletzung des Wahlgeheimnisses vorliegt, nicht von
der Zahl der Beanstandungen abhängig gemacht werden
darf. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die
Wahlorgane aus diesem Grund die Einwände des Ein-
spruchsführers nicht ernst genommen hätten, zumal der
Stadtwahlleiter in seiner Stellungnahme für künftige Wah-
len eine Überprüfung angekündigt hat, ob bestimmte Fens-
ter zusätzlich abgeklebt werden.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/4250

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn R. M., 72074 Tübingen

– Az.: EuWP 25/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 14. Juni 2004, das vom Kreiswahlleiter
des Landkreises Tübingen an den Deutschen Bundestag
weitergeleitet worden und hier am 1. Juli 2004 eingegangen
ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland am 13. Juni 2004 Ein-
spruch eingelegt.
Zur Begründung führt der Einspruchsführer an, dass zum
Zeitpunkt seiner Stimmabgabe zwischen 15 und 16 Uhr in
seinem Wahllokal zur Kennzeichnung des Stimmzettels nur
ein gewöhnlicher Bleistift zur Verfügung gestanden habe.
Damit sei ihm eine „dokumentensichere“ Markierung des
Stimmzettels nicht möglich gewesen. Die Anforderung
eines Kugelschreibers sei sinnlos gewesen, da die Wahl
möglicherweise schon über sechs Stunden „unter diesen
Umständen“ durchgeführt worden sei. Er bittet darum, alle
Stimmzettel im Wahlkreis Tübingen unter diesem Gesichts-
punkt zu überprüfen.
Dem Einspruchsführer ist vom Sekretariat des Wahlprü-
fungsausschusses mit der Eingangsbestätigung eine Ab-
lichtung einer vom Deutschen Bundestag angenommenen
Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu ei-
nem vergleichbaren Wahleinspruch (Bundestagsdrucksache
15/1150, Anlage 32) übersandt worden. Darin wird u. a.
Folgendes ausgeführt:
„… Die Verwendung von radierfähigen, nicht dokumenten-
echten Bleistiften als Schreibgerät in der Wahlzelle begrün-
det keinen Wahlfehler. Gemäß § 50 Abs. 2 Bundeswahlord-
nung (BWO) soll in der Wahlzelle ein Schreibstift bereit lie-
gen. Als Schreibstift im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein
nicht dokumentenechter, radierfähiger Bleistift anzusehen.
Diese Rechtsauffassung liegt auch den Wahlprüfungsent-
scheidungen zur Bundestagswahl 1998 zu Grunde (Bundes-
tagsdrucksache 14/1560, Anlagen 46, 50 und 52). Dort wird
bereits ausgeführt, dass jede Art von funktionsfähigem
Schreibstift zur Kennzeichnung des Stimmzettels verwendet
werden darf. Voraussetzung für die Stimmabgabe ist, dass
mittels eines Schreibstiftes deutlich kenntlich gemacht wird,
welchem Wahlvorschlag die Erst- und welchem die Zweit-
stimme gelten soll. Dem Wähler steht es grundsätzlich frei,

das bereitliegende Schreibmittel zu benutzen oder den
Stimmzettel mit einem eigenen, mitgebrachten Schreibgerät
zu kennzeichnen. Da sowohl die Wahlhandlung als auch die
Auszählung der Stimmen öffentlich erfolgen, erscheint die
Gefahr, dass die mit Bleistift gekennzeichneten Stimmzettel
manipuliert werden könnten, als nahezu ausgeschlossen.…“
Dem Einspruchsführer ist diese Entscheidung unter Hinweis
darauf, dass die Vorschrift des § 43 Abs. 2 Europawahlord-
nung (EuWO) mit der Vorschrift des § 50 Abs. 2 BWO
identisch sei, übersandt und Gelegenheit gegeben worden,
sich hierzu zu äußern.
Der Einspruchsführer hat sich daraufhin nicht mehr geäu-
ßert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Die Vorschrift
des § 43 Abs. 2 EuWO, wonach in der Wahlzelle ein
Schreibstift bereitliegen soll, ist eingehalten worden.
Es besteht kein Anlass, von der dem Einspruchsführer zu
der inhaltsgleichen Vorschrift des § 50 Abs. 2 BWO bei der
Wahlprüfung der Bundestagswahlen 2002 und 1998 ver-
tretenen Rechtsauffassung (Bundestagsdrucksache 15/1150,
Anlage 32; Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlagen 46, 50
und 52) abzuweichen, wonach die Verwendung von radier-
fähigen, nicht dokumentenechten Bleistiften als Schreib-
gerät in der Wahlzelle keinen Wahlfehler begründet. Jede
Art von funktionsfähigem Schreibstift darf zur Kennzeich-
nung des Stimmzettels verwendet werden. Die Wählerinnen

Drucksache 15/4250 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und Wähler sind auch nicht gezwungen, das im Wahllokal
bereitliegende Schreibmittel zu benutzen. Sie haben viel-
mehr die Möglichkeit, den Stimmzettel mit einem eigenen,
mitgebrachten Schreibstift zu kennzeichnen.
Anlässlich der Prüfung der Bundestagswahl 1998 hatte der
Deutsche Bundestag die Bundesregierung um Prüfung ge-
beten, ob die derzeit geltende Vorschrift dahin gehend geän-
dert werden solle, dass Bleistifte nicht mehr als Schreib-
stifte zugelassen werden. Der hierzu vom Bundesministe-
rium des Innern im August 2002 vorgelegte Bericht ist zwi-
schenzeitlich vom Wahlprüfungsausschuss zustimmend zur
Kenntnis genommen worden. In dem Bericht wurde ausge-
führt, dass im Falle einer Regelung, wonach die Art der
Schreibstifte gesetzlich vorgeschrieben wird, die Verwen-
dung anderer Stifte zu einer ungültigen Stimmabgabe füh-
ren würde. Der Wählerwille würde in solchen Fällen nicht
zur Geltung gebracht. Das Bundesministerium des Innern
hat im Übrigen eine Anregung des Bundeswahlleiters an die
Innenressorts der Länder weitergegeben, wonach den Ge-
meindebehörden empfohlen werde solle, nicht radierfähige
Schreibstifte in den Wahlzellen auszulegen. Hierbei sollte
gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass Bleistiftkenn-
zeichnungen den Stimmzettel nicht ungültig machen.
Da nach geltendem Recht die Verwendung von Bleistiften
zur Kennzeichnung des Stimmzettels nicht beanstandet wer-
den kann, erübrigt es sich, die Stimmzettel im Wahlkreis
Tübingen – wie vom Einspruchsführer angeregt – unter die-
sem Gesichtspunkt zu überprüfen.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/4250

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn M. W., 14169 Berlin

– Az.: EuWP 35/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 20. Juli 2004, das vom Bundeswahllei-
ter an den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und
hier am 23. Juli 2004 eingegangen ist, hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch-
land am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er beanstandet,
– dass er als Wahlhelfer nicht ordnungsgemäß vereidigt

worden sei,
– dass der Vermerk über die Stimmabgabe im Wählerver-

zeichnis gegen das Grundgesetz verstoße und
– dass ein Wahlhelfer zu Unrecht in einem in der Nähe sei-

nes Wohnsitzes befindlichen Wahllokal in Berlin (Bezirk
Steglitz-Zehlendorf) eingesetzt worden sei.

Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Einspruchsführer war anlässlich der Europawahl 2004
in Berlin (Bezirk Steglitz-Zehlendorf) als Beisitzer einge-
setzt. Er wurde nicht in dem Wahlbezirk eingesetzt, in dem
er seinen Wohnsitz hatte. In dem Wahlvorstand war ein wei-
teres Mitglied vertreten, das seinen Wohnsitz in diesem
Wahlbezirk hatte. Als Mitglied des Wahlvorstandes wurde
der Einspruchsführer von der Wahlvorsteherin auf seine
Verpflichtung zur unparteiischen Wahrnehmung seines Am-
tes und zur Verschwiegenheit über die ihm bei seiner amt-
lichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten hin-
gewiesen. Die Belehrung wurde in die von den Mitgliedern
des Wahlvorstandes unterzeichnete Wahlniederschrift auf-
genommen.
Zwischen dem Einspruchsführer und dem Landeswahlleiter
ist auch unstreitig, dass das Wählerverzeichnis in dem be-
treffenden Wahllokal im Bezirk Steglitz-Zehlendorf korrekt
geführt wurde und dass dieses insbesondere nicht öffentlich
im Wahllokal auslag und auch nicht für jedermann einseh-
bar war.
Der Einspruchsführer trägt zu seiner ersten Beanstandung
vor, dass er als Wahlhelfer, wie dies vorgeschrieben sei, vor
der Wahl hätte vereidigt werden müssen.
Zu seiner zweiten Beanstandung macht der Einspruchsfüh-
rer geltend, dass der in der Europawahlordnung vorgese-

hene Vermerk über die Stimmabgabe im Wählerverzeichnis
gegen das durch die Verfassung gewährleistete Recht auf in-
formationelle Selbstbestimmung verstoße. Seiner Meinung
nach gebe es keinen Grund für diese Erfassung. Es habe
mehrere Wählerinnen und Wähler gegeben, die mit der
Kennzeichnung über ihre Teilnahme an der Wahl im Wäh-
lerverzeichnis nicht einverstanden gewesen seien. Es gehe
niemanden etwas an, ob von dem Recht auf Teilnahme an
der Wahl Gebrauch gemacht worden sei oder nicht. Der
„Zwischenschritt“ der Kennzeichnung im Wählerverzeich-
nis könne unterbleiben. Eine Erfassung der Wählerinnen
und Wähler erfolge bereits beim Bezirksamt, das die Wahl-
benachrichtigungskarten versandt habe. Dies sei nach An-
sicht des Einspruchsführers ausreichend. Zu einer alternati-
ven Verfahrensweise hinsichtlich der Erfassung der Stimm-
abgabe bei der Durchführung der Wahl macht der Ein-
spruchsführer folgenden Vorschlag, der seiner Ansicht nach
ausreichend sei und keinen Verstoß gegen das informatio-
nelle Selbstbestimmungsrecht darstelle:
Der Wahlberechtigte begebe sich mit der Wahlbenachrichti-
gungskarte und dem Ausweis oder dem Pass zum Wahl-
lokal. Die Zuständigkeit des Wahllokals werde anhand eines
Straßenverzeichnisses überprüft. Dann werde die Wahl-
benachrichtigungskarte zu Kontrollzwecken und zur Ver-
meidung einer doppelten Stimmabgabe abgestempelt und
somit „ungültig gemacht“. Der Wahlberechtigte behalte die
ungültige Wahlbenachrichtigungskarte zur „persönlichen
Entsorgung“ und erhalte dann seinen Stimmzettel. Der
Stimmzettel werde ausgefüllt und in die Wahlurne gewor-
fen. In diesem Zusammenhang werde zwecks Erhebung der
insgesamt abgegebenen Stimmen die Nummernliste ent-
sprechend bearbeitet. Bei diesem Verfahren erfolge keine
personenbezogene Erfassung, ob ein Wahlberechtigter an
der Wahl teilgenommen habe oder nicht. Zu den weiteren
diesbezüglichen Ausführungen des Einspruchsführers wird
auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Zu seiner dritten Beanstandung – die Zusammensetzung des
Wahlvorstandes – trägt der Einspruchsführer vor, es sei
seiner Ansicht nach „ausgesprochen unglücklich“ gewesen,
einen Wahlvorstand mit einem Mitglied aus dem eigenen
Wohnumfeld zu besetzen. Er habe persönlich mit anhören

Drucksache 15/4250 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

können, wie ein weiteres Mitglied des Wahlvorstandes ge-
sagt habe, dass es im Wählerverzeichnis nachsehen wolle,
ob sein Nachbar bereits an der Wahl teilgenommen habe.
Auch hätten Wähler, die sich in der Wahlkabine befunden
hätten, das Gesprochene mithören können. Dieses Verhalten
sei „höchst bedenklich“. Zukünftig müsse es untersagt wer-
den, dass Personen als Mitglieder in einem Wahlvorstand in
ihrem eigenen Wohnumfeld eingesetzt würden.
Zu diesem Wahleinspruch hat der Landeswahlleiter des
Landes Berlin wie folgt Stellung genommen:
Eine Vereidigung der Mitglieder des Wahlvorstandes sei
nach den Vorschriften zur Europawahl 2004 nicht vorgese-
hen gewesen. Die Belehrung durch die Wahlvorsteherin sei
laut der Wahlniederschrift vom Wahltage entsprechend den
Vorschriften der § 6 Abs. 9 Satz 3 und § 46 Abs. 1 Europa-
wahlordnung (EuWO) erfolgt.
Zur zweiten Beanstandung (Vermerk über die Stimmabgabe
im Wählerverzeichnis) führt der Landeswahlleiter aus, das
praktizierte Verfahren sei korrekt gewesen. Die vom Ein-
spruchsführer gemachten Vorschläge zur Durchführung der
Urnenwahl setzten – so der Landeswahlleiter – umfangrei-
che Änderungen der gesetzlichen Regelungen voraus, die
beispielsweise hinsichtlich der Korrekturen am Wählerver-
zeichnis oder bei der Organisation der Briefwahl zu einem
erheblichen Mehraufwand führen würden. Hinzu kämen un-
übersehbare Legitimationsprobleme und möglicherweise
negative Folgen für die Wahlbeteiligung.
Zu der vom Einspruchsführer beanstandeten personellen
Zusammensetzung des Wahlvorstandes (dritte Beanstan-
dung) sei festzustellen, dass die Regelungen des § 6 Abs. 1
EuWO und des § 6 Abs. 2 EuWO explizit vorsähen, die
Mitglieder des Wahlvorstandes aus den Wahlberechtigten
des Wahlbezirks zu berufen. Sollte im Einzelfall ein Mit-
glied des Wahlvorstandes Kenntnis davon erhalten haben,
dass sein Nachbar gewählt habe oder nicht, so falle dies
wiederum unter die dem Mitglied des Wahlvorstandes auf-
erlegte Schweigepflicht.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:
Obwohl die Mitglieder seines Wahlvorstandes belehrt wor-
den seien, sei trotz der Anwesenheit von Wählerinnen und
Wählern „sehr offen“ gesprochen worden und es seien Be-
merkungen gemacht worden.
Zu seiner zweiten Beanstandung (Vermerk über die Stimm-
abgabe im Wählerverzeichnis) bekräftigt der Einspruchs-
führer seine Auffassung, dass mit dem Ankreuzen des
Namens und der Adresse im Wählerverzeichnis gegen das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen
worden sei.
Seine Vorschläge zur Änderung des Wahlablaufs habe der
Landeswahlleiter in seiner Stellungnahme „in einer nicht zu
akzeptierenden Weise oberflächlich dargestellt“. Der Ein-
spruchsführer habe den Eindruck, dass der Landeswahlleiter
die Verbesserungsvorschläge in keiner Weise detailliert ge-
lesen bzw. bearbeitet habe. Die Änderung der gesetzlichen
Regelungen sei nach Ansicht des Einspruchsführers zwin-
gend erforderlich, wenn und soweit gegen Grundrechte der
Bürgerinnen und Bürger verstoßen werde. In dieser Hinsicht
sei in der Vergangenheit „nachlässig gearbeitet“ worden.

Ein vom Landeswahlleiter behaupteter Mehraufwand sei im
Falle der Realisierung seines Vorschlags nicht gegeben, da
die Erstellung der Wählerliste für jeden Wahlbezirk entfalle.
Lediglich im Bezirksamt existiere dann eine einzige Wäh-
lerliste. Dadurch könnten erhebliche Kosten für die Er-
stellung und Fertigung von Kopien aller Wählerverzeich-
nisse gespart werden. Den vom Landeswahlleiter angeführ-
ten unübersehbaren Legitimationsproblemen widerspricht
der Einspruchsführer. Jeder Wähler könne sich, wie bisher,
auch in Zukunft mit seinem Ausweis legitimieren. Die
Wahlbeteiligung werde durch seinen Vorschlag nicht be-
einflusst.
Bezüglich seiner dritten Beanstandung (Zusammensetzung
des Wahlvorstandes) sei darauf zu achten, dass in einem an-
deren als dem eigenen Wahlbezirk Dienst versehen werde,
um Vorkommnissen wie dem des Verstoßes gegen die
Schweigepflicht vorzubeugen. Durch Anonymität werde
auch die Verschwiegenheit gesichert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Ein-
spruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Ein-
spruchsführer wendet sich im Wesentlichen gegen be-
stimmte Auswirkungen wahlrechtlicher Vorschriften, sieht
jedoch in dem Verhalten der Mitglieder des Wahlvorstandes
in dem Wahllokal, in dem er als Beisitzer eingesetzt war, in
wesentlichen Teilen keinen Verstoß gegen die geltenden
wahlrechtlichen Vorschriften. Er räumt insbesondere ein,
dass das Wählerverzeichnis in diesem Wahllokal bei der
Europawahl 2004 korrekt geführt wurde und nicht für
jedermann einsehbar war.
Soweit der Einspruchsführer geltend macht, er sei als Wahl-
helfer nicht ordnungsgemäß vereidigt worden, so liegt
schon deshalb kein Wahlfehler vor, weil eine Vereidigung in
den wahlrechtlichen Vorschriften gar nicht vorgesehen ist.
Die Belehrung durch die Wahlvorsteherin ist erfolgt. Sie
hatte nach § 6 Abs. 9 Satz 3 EuWO i. V. m. § 6 Abs. 3
EuWO die Aufgabe, bei Eröffnung der Wahlhandlung (§ 46
Abs. 1 EuWO) die Beisitzer auf ihre Verpflichtung zur un-
parteiischen Wahrnehmung ihres Amtes und zur Verschwie-
genheit über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt
gewordenen Angelegenheiten hinzuweisen.
Soweit der Einspruchsführer die Vorschrift des § 49 Abs. 4
Satz 3 EuWO, wonach der Schriftführer die Stimmabgabe
im Wählerverzeichnis vermerkt, für verfassungswidrig hält,
ist zunächst auf die ständige Praxis des Deutschen Bundes-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/4250

tages und des Wahlprüfungsausschusses hinzuweisen, wo-
nach diese sich nicht dazu berufen sehen, die Verfassungs-
widrigkeit von Rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kon-
trolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 77). Un-
abhängig hiervon halten der Deutsche Bundestag und der
Wahlprüfungsausschuss diese Vorschrift für verfassungsge-
mäß.
Der Vermerk über die Stimmabgabe im Wählerverzeichnis
verstößt insbesondere nicht gegen das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung. Es gewährleistet die Befugnis des
Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Ver-
wendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die freie
Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Be-
dingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen
gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung
und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus (BVerfGE
65, 1/43). Allerdings muss der Einzelne Einschränkungen
seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im
überwiegenden allgemeinen Interesse hinnehmen. Diese
Beschränkungen bedürfen einer verfassungsmäßigen ge-
setzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und
der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger
erkennbar ergeben und die zudem den Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit beachtet (BVerfG, a. a. O., S. 1/44).
Mit dem Stimmabgabevermerk im Wählerverzeichnis wird
registriert, ob eine bestimmte Person an der Wahl teilge-
nommen hat. Eine solche Regelung ist im Rahmen der vom
Gesetzgeber verfolgten Konzeption des Wahlablaufs aus
organisatorischen Gründen notwendig, um die mehrfache
Stimmabgabe eines einzelnen Wahlberechtigten zu verhin-
dern und damit die Richtigkeit und Transparenz des Wahl-
ergebnisses sicherzustellen. Durch die Regelung des § 49
Abs. 3 Satz 4 EuWO wird zudem gewährleistet, dass eine
Weitergabe des Faktums der Wahlteilnahme einer Person an
Dritte nur dann erfolgt, wenn dies unumgänglich ist. Nach
dieser Vorschrift sind die Mitglieder des Wahlvorstandes
– wenn nicht die Feststellung der Wahlberechtigung es er-
fordert – nicht befugt, Angaben zur Person des Wählers so
zu verlautbaren, dass sie von sonstigen im Wahlraum An-
wesenden zur Kenntnis genommen werden können. Diese
Regelung wird – worauf der Landeswahlleiter zu Recht
hinweist – durch die Schweigepflicht der Mitglieder des
Wahlvorstandes ergänzt. Diese Regelungen entsprechen
dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Allein der Umstand,
dass es eine andere Konzeption des Wahlablaufs geben
könnte, bei der die mehrfache Teilnahme an der Wahl durch
eine Person auf eine andere Art und Weise als durch einen
Stimmabgabevermerk im Wählerverzeichnis sichergestellt

werden kann, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der vom
Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit ge-
wählte Konzeption mit Stimmabgabevermerk. Soweit der
Einspruchsführer in diesem Zusammenhang einen eigenen
Vorschlag zu einer alternativen Verfahrensweise vorlegt, so
ist dem nicht im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
nachzugehen. Die Wahlprüfung ist allein auf die Feststel-
lung von Wahlfehlern und deren Relevanz für die Verteilung
der Mandate bei der Europawahl 2004 beschränkt.
Hinsichtlich der vom Einspruchsführer gerügten Zusam-
mensetzung des Wahlvorstandes ist festzustellen, dass die
Mitglieder des Wahlvorstandes in dem betreffenden Wahl-
bezirk entsprechend den gesetzlichen Vorschriften berufen
worden sind. Nach § 6 Abs. 1 EuWO sind vor jeder Wahl,
nach Möglichkeit aus den Wahlberechtigten der Gemeinde,
für jeden Wahlbezirk ein Wahlvorsteher und sein Stellver-
treter zu ernennen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EuWO sollen
die Beisitzer des Wahlvorstandes möglichst aus den Wahl-
berechtigten der Gemeinde, nach Möglichkeit aus den
Wahlberechtigten des Wahlbezirks, berufen werden. Da es
somit dem Wortlaut und der Intention der Europawahlord-
nung entspricht, die Beisitzer aus dem Kreis der Wahl-
berechtigten des Wahlbezirks zu berufen, war die vom Ein-
spruchsführer beanstandete Berufung eines Mitglieds „aus
dem eigenen Wohnumfeld“ rechtmäßig. Auch wenn der
Einspruchsführer seinen Wohnsitz nicht in dem Wahlbezirk
hatte, wo er als Beisitzer tätig war, so bedeutet dies gleich-
wohl keinen Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 6 Abs. 2
Satz 1 EuWO. Sollte der Einspruchsführer mit seinem Hin-
weis auf die Aussage eines weiteren Mitglieds des Wahlvor-
standes bezüglich der Wahlteilnahme seines Nachbarn auch
die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 Satz 1 EuWO in
Frage stellen wollen, so ist auch insoweit auf die oben dar-
gestellte ständige Praxis des Deutschen Bundestages und
des Wahlprüfungsausschusses zu verweisen, wonach diese
sich nicht dazu berufen sehen, die Verfassungswidrigkeit
von Rechtsvorschriften festzustellen. Abgesehen davon be-
stehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung ge-
gen das informationelle Selbstbestimmungsrecht oder gegen
andere Verfassungsnormen verstoßen könnte. Der Landes-
wahlleiter weist in seiner Stellungnahme zu Recht auf die
Pflicht zur Verschwiegenheit der Mitglieder des Wahlvor-
standes hin. Soweit sich der Einspruchsführer auch für eine
Änderung dieser Regelung einsetzt, so ist dem – wie bereits
dargelegt – nicht im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
nachzugehen.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/4250

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn K.-B. L., 54439 Saarburg

– Az.: EuWP 19/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 21. Juni 2004, das am 28. Juni 2004
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er wen-
det sich im Wesentlichen dagegen, dass er gegen seinen
Willen an dieser Wahl habe teilnehmen müssen.
Dem Einspruch liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am 13. Juni 2004 wurden im Land Rheinland-Pfalz neben
der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland auch die Kommu-
nalwahlen durchgeführt. Zur Teilnahme an diesen Wahlen
waren insgesamt fünf Stimmzettel vorgesehen, wobei vier
Stimmzettel für die Kommunalwahlen bestimmt waren. Der
Einspruchsführer erschien in seinem Wahllokal in der Ver-
bandsgemeinde Saarburg und erklärte, dass er ausschließ-
lich die Stimmzettel für die Teilnahme an den Kommunal-
wahlen haben wolle. An der Europawahl wolle er – auch um
eine Wahlkampfkostenerstattung zu vermeiden – nicht teil-
nehmen und sich daher auch keinen Stimmzettel aushändi-
gen lassen.
Der Wahlvorstand stellte anhand des Wählerverzeichnisses
fest, dass der Einspruchsführer auch für die Europawahl
wahlberechtigt war. Er wurde deshalb gebeten, alle vorge-
sehenen Stimmzettel entgegenzunehmen und damit nach
Kennzeichnung an die Wahlurne zurückzukommen. Nach
einer kurzen Diskussion nahm der Einspruchsführer alle
Stimmzettel entgegen und begab sich damit in die Wahlka-
bine. Anschließend ging er zur Wahlurne und warf alle
Stimmzettel in Anwesenheit eines Beisitzers in die Wahl-
urne ein. Nach der Wahlhandlung verließ der Einspruchs-
führer das Wahllokal.
Der Einspruchsführer sieht in der seiner Ansicht nach nicht
gegebenen Möglichkeit, seine Stimme nicht abzugeben,
eine Verfälschung seines Wählerwillens. Er habe bewusst
nicht an der Europawahl teilnehmen wollen und habe sich
deshalb den Stimmzettel nicht aushändigen lassen wollen.
Dies sei ihm nicht gestattet worden, da die Stimmzettel aus-
schließlich „im Paket“ für beide Wahlen ausgegeben wor-

den seien. Auf „beharrliches Nachfragen“ sei ihm mehrfach
bestätigt worden, dass eine „Differenzierung auf die ver-
schiedenen Wahlen“ nicht vorgesehen gewesen sei. Das
„praktizierte Wahlverfahren“ habe die Möglichkeit, sich bei
einer der fünf Wahlen der Stimme zu enthalten, ausge-
schlossen. Dem Einspruchsführer sei angeboten worden,
eine ungültige Stimme abzugeben, was er jedoch abgelehnt
habe.
Zu diesem Wahleinspruch hat der Kreiswahlleiter des Land-
kreises Saarburg-Trier unter Einbeziehung der Verbandsge-
meindeverwaltung Saarburg wie folgt Stellung genommen:
Es habe dem Einspruchsführer frei gestanden, alle oder nur
einzelne Stimmzettel in die Wahlurne zu werfen oder von
der Möglichkeit der Stimmenthaltung durch Abgabe eines
leeren Stimmzettels Gebrauch zu machen. Das Wählerver-
zeichnis sei der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Lan-
desverordnung über die gleichzeitige Durchführung der
Kommunalwahl mit der Europawahl entsprechend verbun-
den worden. Ungeachtet der ausgehändigten Stimmzettel
habe weder eine Wahlverpflichtung noch eine Verpflichtung
zur Abgabe eines ungültigen Stimmzettels bestanden. Viel-
mehr habe der Einspruchsführer die Abgabe des Stimmzet-
tels bzw. den Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne ver-
weigern können. Er hätte – so der Kreiswahlleiter – den
Stimmzettel nach Erhalt vernichten oder an sich nehmen
können und dann keinen Stimmabgabevermerk im Wähler-
verzeichnis erhalten. Für die Europawahl hätte er dann als
„Nichtwähler“ gegolten. Dem Kreiswahlleiter sei eine
wahlrechtliche Vorschrift nicht bekannt, nach der die Wahl-
vorstände bei verbundenen Wahlen die Wählerinnen und
Wähler bei Aushändigung der Stimmzettel einzeln zu befra-
gen hätten, welche Stimmzettel für welche Wahl ausgege-
ben werden sollen. Unter Umständen sei sogar anzunehmen,
dass der Wähler bei Kenntnisnahme des Stimmzettels in der
Wahlkabine aufgrund einer erneuten Sichtung der Wahlvor-
schläge von seiner Entscheidung, für eine bestimmte Wahl
nicht wählen zu wollen, wieder abrücke.
Der Stellungnahme des Kreiswahlleiters war eine Stellung-
nahme von zwei Mitgliedern des Wahlvorstandes (des
stellvertretenden Wahlvorstehers und des Schriftführers),
die neben einem Beisitzer zum Zeitpunkt der Wahl des Ein-

Drucksache 15/4250 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

spruchsführers anwesend waren, beigefügt. Darin haben sie
erklärt, die Mitglieder des Wahlvorstandes hätten den Sach-
verhalt so gewertet, dass sie gehalten gewesen seien, Wäh-
lerinnen und Wählern die Möglichkeit zu eröffnen, zu sämt-
lichen Wahlen, zu denen sie wahlberechtigt gewesen seien,
ihre Stimme abzugeben, also ihnen auch die nötigen Stimm-
zettel auszuhändigen. Diese hätten dann die Wahl gehabt,
entweder keine Stimme abzugeben oder den entsprechenden
Stimmzettel nicht in die Urne zu werfen. Es sei stets darauf
geachtet worden, ob auch alle Stimmzettel wieder einge-
worfen worden seien. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so
wäre ein entsprechender Nichtabgabevermerk im Wähler-
verzeichnis angebracht worden. Dies sei aber nicht vorge-
kommen. Aus Sicht der Mitglieder des Wahlvorstandes
hätte ein Anfechtungsgrund gerade dann bestanden, wenn
einer der Stimmzettel – aus welchem Grund auch immer –
nicht ausgegeben worden wäre. Insoweit habe man darauf
geachtet, dass immer alle Stimmzettel, zu denen das Wahl-
recht bestanden habe, „im Paket“ ausgegeben worden seien.
Man habe keinen Anlass gesehen, den Sachverhalt geson-
dert in der Wahlniederschrift festzuhalten, da der Ein-
spruchsführer seine Wahlhandlung ohne weitere Äußerung
erledigt habe.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Kreis-
wahlleiters bekannt gegeben worden. Er hat sich hierzu wie
folgt geäußert:
Seiner Ansicht nach sei – wenn diese Bewertung zutreffe –
das Wahlrecht so wenig transparent, dass „es sich vom
Wahlrecht sehr subtil zur Wahlpflicht“ hin bewege. Auf
diese Weise ließe sich zudem der Einbruch bei der Wahlbe-
teiligung ein wenig abfedern. Soweit der Kreiswahlleiter
ausführe, dass der Wähler bei Kenntnisnahme des Stimm-
zettels in der Wahlkabine aufgrund einer neuen Sich-
tung der Wahlvorschläge von seiner Entscheidung, für eine
bestimmte Wahl nicht wählen zu wollen, abrücke, so erin-
nere er daran, dass Wählerbeeinflussung im Wahllokal und
in der nächsten Umgebung unzulässig sei. Er bleibe bei sei-
ner Auffassung, dass ihm die „Möglichkeiten“ bei der Wahl
nicht richtig erklärt worden seien bzw. „der Wahlmodus hart
am Rande der Legalität“ liege. Auch habe er bei Diskussio-
nen in seinem Bekanntenkreis erfahren, dass einige Wahl-
berechtigte, die auch nicht hätten wählen wollen, aber den-
noch hätten wählen müssen, die ausgehändigten Stimm-
zettel bei der Stimmabgabe „einfach irgendwo unten“ ge-
kennzeichnet hätten. Zu den weiteren Ausführungen des
Einspruchsführers, die sich auf die Art und Weise des ge-
führten Wahlkampfes, auf die Erstattung von Wahlkampf-
kosten und auf die Qualität der Kandidaten für die Europa-
wahl beziehen, sowie zu den der Zuschrift beigefügten Zei-
tungsartikeln mit den Titeln „Parteien machen richtig Kasse
mit Europawahl“ und „Ich wähle nicht“, wird auf den Inhalt
der Akten Bezug genommen.
Dem Wahlprüfungsausschuss liegt das im Landkreis Saar-
burg-Trier verwendete Merkblatt für die Beisitzer im Wahl-
vorstand und Briefwahlvorstand für die Europawahl und
Kommunalwahlen 2004 vor. Es enthält unter Punkt 2.2
(Ausgabe der Stimmzettel) u. a. folgenden Hinweis: „Der
Wähler erhält Stimmzettel und ggf. Wahlumschlag nur für
diejenige Wahl, für die er zugelassen ist.“
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-

setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet. Der Einspruch kann trotz eines festzustel-
lenden Wahlfehlers keinen Erfolg haben.
Der Wahlvorstand hat, als er dem Einspruchsführer gegen
seinen Willen einen Stimmzettel für die Europawahl aus-
händigte, gegen den Grundsatz der freien Wahl (§ 1 Abs. 1
Satz 2 EuWG; Artikel 1 Abs. 3 des Beschlusses und Akt zur
Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments – Direktwahlakt) ver-
stoßen.
Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 EuWG werden die für Bundes-
tagswahlen gültigen Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38
Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) für die Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland für verbindlich erklärt. Somit kann für den hier
in Rede stehenden Grundsatz der freien Wahl auf die über-
kommene Auslegung der Wahlrechtsgrundsätze nach dem
Grundgesetz zurückgegriffen werden. Wahlfreiheit bedeutet
hiernach, dass jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht frei,
d. h. ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung
von außen ausüben kann. Es soll vor allem die freie Wahl-
betätigung geschützt werden (BVerfGE 7, 63/69; BVerfGE
15, 165/166). Der Wähler soll frei entscheiden können, ob
er zur Wahl geht oder nicht. Ebenso hat er die Freiheit, seine
Stimme für eine bestimmte politische Partei (gültig oder un-
gültig) abzugeben oder sich der Stimme zu enthalten (Bun-
destagsdrucksache 13/3531, Anlage 2; Schreiber, Kommen-
tar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 13a). Das
Wahlverfahren und der Wahlablauf müssen so gestaltet wer-
den, dass die Entschließungsfreiheit der Wählerinnen und
Wähler gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 95, 335/350).
Der Wahlvorstand hat auf den Einspruchsführer einen indi-
rekten Zwang zur Teilnahme an der Europawahl ausgeübt,
als er ihm den Stimmzettel hierfür aushändigte, obwohl der
Einspruchsführer damit erkennbar nicht einverstanden war.
Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Europawahlordnung (EuWO) er-
hält der Wähler einen amtlichen Stimmzettel, wenn er den
Wahlraum betritt. Diese Bestimmung gilt auch, wenn eine
Europawahl – wie hier – zusammen mit anderen Wahlen
durchgeführt wird. Deshalb darf der Wahlvorstand auch hier
davon ausgehen, dass ein Wahlberechtigter, der den Wahl-
raum betritt, an der Europawahl teilnehmen möchte, solange
er keinen anderen Willen bekundet. Tut ein Wahlberechtig-
ter dies, so hat der Wahlvorstand ohne weiteres dessen Wil-
len zu respektieren. Der Einwand des Kreiswahlleiters, es
sei ihm keine Vorschrift bekannt, wonach bei verbundenen
Wahlen die Wählerinnen und Wähler bei Aushändigung der
Stimmzettel einzeln zu befragen seien, welche Stimmzettel
für welche Wahl einzeln ausgegeben werden sollen, greift
somit nicht durch. Die gemeinsame Durchführung mehrerer
Wahlen macht es – wie dargelegt – nicht notwendig, zur
Wahrung der Wahlfreiheit eine Einzelbefragung durchzu-
führen. Der Frage, ob der Grundsatz der freien Wahl bei

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/4250

verbundenen Wahlen ausnahmsweise gewissen Beschrän-
kungen oder Modifikationen unterliegen kann, braucht des-
halb jedenfalls aufgrund des vorliegenden Sachverhalts
nicht nachgegangen werden.
Soweit der Kreiswahlleiter vorträgt, ungeachtet des überge-
benen Stimmzettels habe für den Einspruchsführer weder
eine Wahlverpflichtung noch eine Verpflichtung zur Abgabe
eines ungültigen Stimmzettels bestanden, so wird diese Ar-
gumentation dem Grundsatz der freien Wahl nicht gerecht.
Zur Wahlfreiheit gehört es, bereits die Entgegennahme des
Stimmzettels für eine bestimmte Wahl ablehnen zu können
und mit dem Vorgang der Stimmabgabe gar nicht erst begin-
nen zu müssen. Daran ändert die Möglichkeit, den Stimm-
zettel nach Entgegennahme noch vernichten oder an sich
nehmen zu können, nichts. Auf diese Weise war es dem Ein-
spruchsführer zwar möglich, sein erklärtes Ziel, den Par-
teien keine Wahlkampfkostenerstattung zukommen zu las-
sen, zu erreichen. Jedoch wäre ein solches Verfahren mit der
Entschließungsfreiheit des Wählers nicht vereinbar und
würde zudem die Gefahr in sich bergen, dass leere Stimm-
zettel aus dem Wahllokal mitgenommen würden und so die
Missbrauchsgefahr erhöht und zudem das Wahlgeheimnis
gefährdet würde. Um einen Stimmabgabevermerk zu ver-
meiden und für die Europawahl als Nichtwähler zu gelten,
darf den Wahlberechtigten unter dem Blickwinkel der Wahl-
freiheit ein solches Verfahren nicht zugemutet werden.
Schließlich vermag auch die Überlegung des Kreiswahl-
leiters nicht zu überzeugen, dass der Wahlberechtigte bei
Kenntnisnahme des Stimmzettels in der Wahlkabine auf-
grund einer erneuten Sichtung der Wahlvorschläge mögli-
cherweise von seiner Entscheidung abrücke, nicht wählen
zu wollen. Zu Recht wendet der Einspruchsführer hiergegen
ein, dass sich das Wahlrecht unter diesen Umständen subtil
zur Wahlpflicht hin bewegt. Es handelt sich um eine un-
zulässige Beeinflussung des Wählers, doch an der Europa-
wahl teilzunehmen. Es ist auch Sache des Wahlberechtigten,
autonom darüber zu befinden, zu welchem Zeitpunkt er
seine Entscheidung treffen möchte, an der Wahl teilzuneh-
men oder nicht.
Für die Mitglieder des Wahlvorstandes mag die vorliegende
Situation durchaus atypisch gewesen sein. Das Merkblatt
für die Beisitzer im Wahlvorstand und Briefwahlvorstand

für die Europawahl und Kommunalwahlen 2004 enthält
keinen Hinweis, wie zu verfahren ist, wenn ein Wähler nicht
an einer bestimmten Wahl teilnehmen möchte. Aus dem
Hinweis, der Wähler erhalte Stimmzettel und ggf. Wahl-
umschlag nur für diejenige Wahl, für die er zugelassen sei,
lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Eine
möglicherweise mangelhafte Information der Mitglieder des
Wahlvorstandes hat aber keinen Einfluss auf die Entschei-
dung der Frage, ob der Grundsatz der Freiheit der Wahl ver-
letzt worden ist.
Soweit sich der Einspruchsführer auf Diskussionen in sei-
nem Bekanntenkreis bezieht und daraus weitere gleichartige
Verstöße gegen die Wahlfreiheit ableiten möchte, so kann
derartigen Vermutungen im Rahmen des Wahlprüfungsver-
fahrens nicht nachgegangen werden. Nur wenn genügend
substantiierte Tatsachen vorgetragen werden, die erkennen
lassen, worauf die Wahlanfechtung konkret gestützt wird,
erforscht der Wahlprüfungsausschuss diesen Tatbestand von
Amts wegen (BVerfGE 40, 11/30).
Trotz des Verstoßes gegen den Grundsatz der freien Wahl
im Falle des Einspruchsführers kann der Einspruch keinen
Erfolg haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss
und der Deutsche Bundestag stets angeschlossen haben,
können nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch
erfolgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluss sind oder hätten sein können. Infolgedessen schei-
den alle Verstöße von vornherein als unerheblich aus, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berühren (seit
BVerfGE 4, 370/372 ständige Rechtsprechung). Selbst sol-
che Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts des
Stimmenverhältnisses keinen Einfluss auf die Mandatsver-
teilung haben können. Auch wenn man unterstellt, dass der
Einspruchsführer für eine der Parteien bei der Europawahl
seine Stimme abgegeben hat, so hätte diese zu Unrecht als
gültig gewertete Stimmabgabe keinen Einfluss auf die kon-
krete Verteilung der 99 deutschen Mandate für das Europäi-
sche Parlament.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/4250

Anlage 16

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. G., 32312 Lübbecke

– Az.: EuWP 03/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einer E-Mail vom 20. Juni 2004 hat der Einspruchsfüh-
rer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeord-
neten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass er keine Wahlbenachrich-
tigung und somit keine Information über die Schließung der
Wahllokale um 18 Uhr erhalten habe, dass die Wahl zum
wiederholten Male ohne amtliche Umschläge durchgeführt
worden sei und somit nicht geheim gewesen sei. Schließlich
beanstandet er, dass bei der Wahl Wahlmaschinen zur elek-
tronischen Stimmabgabe eingesetzt worden seien und Mani-
pulationen somit wahrscheinlich seien. Im Rahmen eines
zwischen dem Einspruchsführer und dem Bundeswahlleiter
zuvor per E-Mail geführten Schriftwechsels hat der Bundes-
wahlleiter zum Vorbringen des Einspruchsführers Stellung
genommen. Insoweit wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.
Die Einspruchsschrift wurde vom Einspruchsführer nicht
unterschrieben. Sie enthält am Ende des Textes lediglich
dessen Vor- und Familiennamen in Druckbuchstaben in Ma-
schinenschrift.
Der Einspruchsführer wurde mit Schreiben vom 21. Juni
2004 durch das Sekretariat unter Hinweis auf den Ablauf
der Einspruchsfrist am 13. August 2004 darauf aufmerksam
gemacht, dass durch die fehlende Unterschrift das Schrift-
formerfordernis nicht gewahrt sei und daher die übermittelte
E-Mail noch kein formgültiger Einspruch sei. Mit Schreiben
vom 20. Juli 2004 hat die Vorsitzende des Wahlprüfungs-
ausschusses den Einspruchsführer aufgefordert, bis spätes-
tens 13. August 2004 eine eigenhändig unterschriebene Ein-
spruchsschrift vorzulegen. Hierauf hat der Einspruchsführer
jedoch nicht mehr reagiert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 2 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig, weil die E-Mail vom 20. Juni
2004 nicht dem Schriftformerfordernis entspricht.
Nach § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG ist der
Einspruch schriftlich beim Deutschen Bundestag einzurei-
chen. Zur Schriftform gehört nach der ständigen Praxis des
Deutschen Bundestages und des Wahlprüfungsausschusses
auch die eigenhändige Unterschrift des Einspruchsführers
(Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 41; Bundestags-
drucksache 14/1560, Anlage 6). Der Einspruchsführer hat
seine Einwendungen gegen die Gültigkeit der Europawahl
am 20. Juni 2004 dem Deutschen Bundestag lediglich per
E-Mail übermittelt. Eine eigenhändige Unterschrift enthält
diese E-Mail nicht. Schon aus diesem Grund besteht kein
Anlass zur Entscheidung, ob der Deutsche Bundestag und
der Wahlprüfungsausschuss dem Beschluss des Gemein-
samen Senats der Obersten Gerichte des Bundes vom 5. April
2000 (GmS-OGB 1/98 – NJW 2000, S. 2340) folgen. In
diesem Beschluss hat der Gemeinsame Senat in Prozessen
mit Vertretungszwang die Übermittlung bestimmender
Schriftsätze auch durch elektronische Übertragung einer
Textdatei mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevoll-
mächtigten auf ein Faxgerät des Gerichts als ausreichend
zur Wahrung der Schriftform angesehen (näher hierzu: Bun-
destagsdrucksache 15/1850, Anlage 41).
Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift innerhalb
der vorgesehenen Frist für sog. bestimmende Schriftsätze
wie etwa Klage, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegrün-
dungsschrift ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
auch für andere Verfahrensordnungen, z. B. für den Zivil-
prozess und für das Arbeitsgerichtsverfahren, anerkannt
(BGHZ 101, 134/137 f.; BGH, Urteil vom 18. Dezember
1975 – VII ZR 123/75, NJW 1976, 966 f.; BAG, Urteil vom
26. Januar 1976 – 2 AZR 506/74, NJW 1976, 1285). An
dieser Rechtsprechung zur Schriftform sollte auch durch das
Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privat-
rechts und anderen Vorschriften an den modernen Rechts-
verkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542), in dem zur
Wahrung der Schriftform alternativ die elektronische Sig-
nierung als Substitut für die eigenhändige Unterschrift an-
geboten wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs,

Drucksache 15/4250 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bundestagsdrucksache 14/4987, S. 12), nichts geändert
werden (a. a. O. S. 13 und S. 23 f.). Es ist deshalb folgerich-
tig, wenn bei Verwendung eines elektronischen Dokuments
(E-Mail) für bestimmende Schriftsätze eine qualifizierte
elektronische Signatur (vgl. § 130a Abs. 1 Satz 2 und § 130
Nr. 6 der Zivilprozessordnung) innerhalb der vorgesehenen
Frist verlangt wird (Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO-Kom-
mentar, 25. Auflage, § 129 Rn. 6). Dies spricht ebenfalls für
eine Beibehaltung der bisherigen Praxis, jedenfalls bei einer
„einfachen“ E-Mail das Schriftformerfordernis als nicht
erfüllt anzusehen, zumal das Wahlprüfungsgesetz keine
eigene Rechtsgrundlage für die Verwendung von elektro-
nischen Dokumenten und für eine elektronische Signatur
nach dem Signaturgesetz enthält.
Auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 4. Juli 2002 (BVerfG 2 BvR 2168/00) ergibt sich keine
andere Interpretation des Schriftformerfordernisses. Diese
Entscheidung, die einen Einspruch gegen einen Strafbefehl
betrifft, ist nicht auf das Wahlprüfungsverfahren übertrag-
bar. Dieses ist streng formalisiert und erfordert – entspre-
chend seinem Zweck, eine alsbaldige Klarheit über die Gül-
tigkeit der Wahl herbeizuführen – solche Kriterien für das
Schriftformerfordernis, die alsbald nach Ablauf der Ein-
spruchsfrist eine abschließende Beurteilung der Zulässigkeit
der vorliegenden Wahleinsprüche ermöglichen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Einspruchsfüh-
rer zweimal – zuletzt durch ein Schreiben der Vorsitzenden
des Wahlprüfungsausschusses vom 20. Juli 2004 – auf die
fehlende Schriftform hingewiesen worden ist. Somit war
dem Einspruchsführer bewusst, unter welchen Vorausset-
zungen eine inhaltliche Prüfung seiner Einwendungen statt-
findet.
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/4250

Anlage 17

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. U., 38302 Wolfenbüttel

– Az.: EuWP 21/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einer an die Stadtverwaltung Wolfenbüttel gerichteten
E-Mail vom 13. Juni 2004, die an den Deutschen Bundestag
weitergeleitet worden und hier am 28. Juni 2004 eingegan-
gen ist, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parla-
ments aus der Bundesrepublik Deutschland am 13. Juni
2004 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass die seiner Ansicht nach
nicht funktionierende Organisation der Stadtverwaltung
Wolfenbüttel dazu geführt habe, dass er sein Wahlrecht
nicht habe ausüben dürfen. Entgegen der ursprünglich von
ihm beantragten Briefwahl habe er am Wahltage im Wahllo-
kal an der Wahl teilnehmen wollen. Im Wahllokal habe man
ihm mitgeteilt, dass er „in die Stadt“ fahren müsse, um an
der Wahl teilnehmen zu können. Es sei ihm nicht möglich
gewesen, bis zur Schließung der Wahllokale um 18 Uhr die-
sen Ort zu erreichen. Auf den in diesem Zusammenhang
zwischen dem Einspruchsführer und der Stadtverwaltung
Wolfenbüttel per E-Mail geführten Schriftwechsel wird
Bezug genommen.
Die Einspruchsschrift ist vom Einspruchsführer nicht un-
terschrieben worden. Sie enthält am Ende des Textes
lediglich dessen Familiennamen in Druckbuchstaben in
Maschinenschrift. Der Einspruchsführer ist mit Schreiben
vom 29. Juni 2004 durch das Sekretariat des Wahlprü-
fungsausschusses unter Hinweis auf den Ablauf der Ein-
spruchsfrist am 13. August 2004 darauf aufmerksam ge-
macht worden, dass durch die fehlende Unterschrift das
Schriftformerfordernis nicht gewahrt sei und daher die über-
mittelte E-Mail noch kein formgültiger Einspruch sei. Mit
Schreiben vom 20. Juli 2004 hat die Vorsitzende des Wahl-
prüfungsausschusses den Einspruchsführer unter Hinweis
auf das Schreiben des Sekretariats aufgefordert, bis spä-
testens 13. August 2004 eine eigenhändig unterschriebene
Einspruchsschrift vorzulegen.
Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 12. August
2004, das am 16. August 2004 beim Deutschen Bundestag
eingegangen ist, eine von ihm unterzeichnete Einspruchs-
schrift, in der er den Sachverhalt noch einmal schildert, vor-
gelegt.

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 des Ge-
setzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen
Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 2 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig, weil die E-Mail des Ein-
spruchsführers vom 13. Juni 2004 nicht dem Schriftformer-
fordernis entspricht und die eigenhändig unterzeichnete Ein-
spruchsschrift vom12.August 2004 erst nachAblauf der Ein-
spruchsfrist beim Deutschen Bundestag eingegangen ist.
Nach § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG ist der
Einspruch schriftlich beim Deutschen Bundestag einzurei-
chen. Zur Schriftform gehört nach der ständigen Praxis des
Deutschen Bundestages und des Wahlprüfungsausschusses
auch die eigenhändige Unterschrift des Einspruchsführers
(Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 41; Bundestags-
drucksache 14/1560, Anlage 6). Der Einspruchsführer hat
seine Einwendungen gegen die Gültigkeit der Europawahl
am 13. Juni 2004 der Stadtverwaltung Wolfenbüttel ledig-
lich per E-Mail übermittelt. Eine eigenhändige Unterschrift
enthält diese E-Mail nicht. Schon aus diesem Grund besteht
kein Anlass zur Entscheidung, ob der Deutsche Bundestag
und der Wahlprüfungsausschuss dem Beschluss des Ge-
meinsamen Senats der Obersten Gerichte des Bundes vom
5. April 2000 (GmS-OGB 1/98 – NJW 2000, S. 2340)
folgen. In diesem Beschluss hat der Gemeinsame Senat in
Prozessen mit Vertretungszwang die Übermittlung bestim-
mender Schriftsätze auch durch elektronische Übertragung
einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift des Prozess-
bevollmächtigten auf ein Faxgerät des Gerichts als ausrei-
chend zur Wahrung der Schriftform angesehen (näher
hierzu: Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 41).
Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift innerhalb
der vorgesehenen Frist für sog. bestimmende Schriftsätze
wie etwa Klage, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegrün-
dungsschrift ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
auch für andere Verfahrensordnungen, z. B. für den Zivil-

Drucksache 15/4250 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

prozess und für das Arbeitsgerichtsverfahren, anerkannt
(BGHZ 101, 134/137 f.; BGH, Urteil vom 18. Dezember
1975 – VII ZR 123/75, NJW 1976, 966 f.; BAG, Urteil vom
26. Januar 1976 – 2 AZR 506/74, NJW 1976, 1285). An
dieser Rechtsprechung zur Schriftform sollte auch durch das
Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privat-
rechts und anderen Vorschriften an den modernen Rechts-
verkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542), in dem zur
Wahrung der Schriftform alternativ die elektronische Sig-
nierung als Substitut für die eigenhändige Unterschrift an-
geboten wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, Bun-
destagsdrucksache 14/4987, S. 12), nichts geändert werden
(a. a. O. S. 13 und S. 23 f.). Es ist deshalb folgerichtig,
wenn bei Verwendung eines elektronischen Dokuments
(E-Mail) für bestimmende Schriftsätze eine qualifizierte
elektronische Signatur (vgl. § 130a Abs. 1 Satz 2 und § 130
Nr. 6 der Zivilprozessordnung) innerhalb der vorgesehenen
Frist verlangt wird (Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO-Kom-
mentar, 25. Auflage, § 129 Rn. 6). Dies spricht ebenfalls für
eine Beibehaltung der bisherigen Praxis, jedenfalls bei einer
„einfachen“ E-Mail das Schriftformerfordernis als nicht
erfüllt anzusehen, zumal das Wahlprüfungsgesetz keine
eigene Rechtsgrundlage für die Verwendung von elektroni-
schen Dokumenten und für eine elektronische Signatur nach
dem Signaturgesetz enthält. Auch aus dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2002 (BVerfG 2
BvR 2168/00) ergibt sich – wie weiter unten noch darzule-
gen ist – keine andere Interpretation des Schriftformerfor-
dernisses.
Das spätere Schreiben des Einspruchsführers vom 12. Au-
gust 2004 entspricht zwar dem Schriftformerfordernis, ist
jedoch erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen.
Gemäß § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 4 Satz 1
WPrüfG müssen Wahleinsprüche binnen einer Frist von
zwei Monaten nach dem Wahltag beim Deutschen Bundes-
tag eingehen. Bei der Wahl der Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am
13. Juni 2004 lief die Einspruchsfrist am 13. August 2004
ab. Der Einspruch des Einspruchsführers vom 12. August
2004 ist jedoch erst am 16. August 2004 beim Deutschen
Bundestag eingegangen.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem o. g.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2002
(2 BvR 2168/00). Das Bundesverfassungsgericht hat dort
eine Verfassungsbeschwerde als begründet erachtet, die ei-
nen Einspruch gegen einen Strafbefehl, der am letzten Tag
der Einspruchsfrist mit einem Computerfax eingelegt wor-
den ist, sowie die Versagung einer Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand nach Zurückweisung des Einspruchs als
unzulässig betraf. Das per Computer übermittelte Telefax-
schreiben enthielt ebenso wenig wie das zugleich per Post
übersandte und vier Tage später beim Amtsgericht einge-
gangene Schreiben eine Unterschrift des Beschwerdefüh-
rers, sondern lediglich dessen maschinenschriftlichen Na-
men. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss
ausgeführt, die Gerichte dürften bei der Auslegung und An-

wendung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Zugang zu
den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen
nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu
rechtfertigender Weise erschweren. Sie seien gehalten, den
Grundsatz rechtstaatlicher Verfahrensgestaltung zu beach-
ten und dürften bei der Anwendung und Auslegung der pro-
zessrechtlichen Vorschriften, die die Gewährung rechtlichen
Gehörs sichern sollen, keine überspannten Anforderungen
stellen. Eine eigenhändige Unterzeichnung sei keine we-
sentliche Voraussetzung der Schriftlichkeit; es genüge viel-
mehr, wenn aus dem Schriftstück ansonsten in einer jeden
Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich sei, von wem die
Erklärung herrühre und dass kein bloßer Entwurf vorliege.
Bezüglich der Frage eines Verzichtes auf die Notwendigkeit
einer eigenhändigen Unterschrift sei entscheidend darauf
abzustellen, welcher Grad von Formenstrenge nach den
maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll
zu fordern sei.
Diese Rechtsprechung zum strafprozessualen Verfahren ist
nicht auf das Wahlprüfungsverfahren übertragbar. Abgese-
hen davon, dass das Gebot der Gewährleistung effektiven
Rechtschutzes (Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz) wegen des
Vorrangs von Artikel 41 Grundgesetz (GG) als speziellere
Norm sowie ein Anspruch auf rechtliches Gehör aus
Artikel 103 Abs. 1 GG, der nur im Verfahren vor dem
Richter im Sinne des Artikels 92 GG gilt (BVerfGE 101,
397/404 f.), im Wahlprüfungsverfahren keine Geltung ha-
ben, spricht der Zweck des Schriftformerfordernisses in § 2
Abs. 3 WPrüfG sowie der Einspruchsfrist des § 2 Abs. 4
Satz 1 WPrüfG gegen eine weniger strenge Auslegung der
formalen Anforderungen im Wahlprüfungsverfahren. Das
öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Klarheit über die
Gültigkeit der Wahl erfordert eine Interpretation des § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG im Sinne einer strengen Ausschluss-
frist (Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 263; Bundes-
tagsdrucksache 14/1560, Anlage 41; Bundestagsdrucksa-
che 13/3770, Anlage 63; Schreiber, Kommentar zum Bun-
deswahlgesetz, 7. Auflage, § 49 Rn. 18) und zudem solche
Kriterien für das Schriftformerfordernis, die alsbald nach
Ablauf der Einspruchsfrist eine abschließende Beurteilung
der Zulässigkeit der vorliegenden Wahleinsprüche ermögli-
chen. Aus diesem Grund kennt das Wahlprüfungsgesetz im
Übrigen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht
(Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 267).
Darüber hinaus ist der Grundsatz rechtsstaatlicher Verfah-
rensgestaltung gegenüber dem Einspruchsführer auf jeden
Fall gewahrt worden, weil dieser unmittelbar nach Weiter-
leitung seiner an die Stadtverwaltung Wolfenbüttel gerichte-
ten E-Mail an den Deutschen Bundestag am 28. Juni 2004
durch ein Schreiben des Sekretariats des Wahlprüfungsaus-
schusses und danach noch einmal durch ein Schreiben der
Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses vom 20. Juli
2004 auf die fehlende Schriftform und auf den Ablauf der
Einspruchsfrist am 13. August 2004 hingewiesen worden
ist.
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/4250

Anlage 18

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. S., 58636 Iserlohn

– Az.: EuWP 44/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 13. August 2004, das am selben Tag per
Telefax beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er
macht geltend, die Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 2 Abs. 6
Europawahlgesetz (EuWG) sei verfassungswidrig.
Die Vorschrift, wonach bei der Verteilung der Sitze auf die
Wahlvorschläge nur Wahlvorschläge berücksichtigt würden,
die mindestens fünf vom Hundert der im Wahlgebiet ab-
gegebenen gültigen Stimmen erhalten hätten, verletze den
allgemeinen Gleichheitsgrundsatz sowie insbesondere die
allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze, wonach Wahlen nicht
nur allgemein, unmittelbar, frei und geheim, sondern auch
gleich zu sein hätten. Die diskriminierende Wirkung einer
Sperrklausel sei vor dem Hintergrund der Parallelvorschrift
des § 6 Abs. 6 Bundeswahlgesetz (BWG) bereits vielfach in
Literatur und Rechtsprechung erörtert worden. Bei einer
Europawahl fehle es an einer tragfähigen Rechtfertigung für
die Sperrklausel. Für Bundestags- und Landtagswahlen, bei
denen die Wahlgesetze entsprechende Sperrklauseln vorsä-
hen, werde die Rechtfertigung im Wesentlichen darin gese-
hen, dass die Wahl ihr eigentliches Ziel, nämlich die Bil-
dung eines handlungsfähigen Parlaments und einer für die
Dauer der Legislaturperiode auf eine handlungsfähige Par-
lamentsmehrheit gestützten Regierung nicht vereiteln dürfe.
Die Bildung handlungsfähiger Mehrheiten könne in der Tat
schwieriger sein, wenn einem Parlament auch mehrere klei-
nere Gruppierungen oder einzelne, fraktionslose Abgeord-
nete angehörten. Bezogen auf Europawahlen könnten derar-
tige Erwägungen gleichwohl nicht zu einer verfassungs-
rechtlichen Rechtfertigung der Sperrklausel führen.
Das Europäische Parlament sei mit dem Deutschen Bundes-
tag und den Landtagen kaum vergleichbar. Insbesondere
gebe es keine europäische Regierung, die auf das Vertrauen
der Parlamentsmehrheit angewiesen sei wie dies für Bun-
desregierung und Landesregierungen im Verhältnis zum
Deutschen Bundestag bzw. zu den Landtagen gelte. Auch
die Europäische Kommission sei bei der Verwirklichung
ihrer politischen Ziele im Wesentlichen auf Mehrheiten im

Ministerrat angewiesen und nur im Einzelfall auf Mehrhei-
ten im Europäischen Parlament. Die Befugnisse des Euro-
päischen Parlaments seien im Vergleich zu denen nationaler
Parlamente eingeschränkt. Sie bestünden im Wesentlichen
aus Mitwirkungs- und Kontrollrechten sowie aus dem
Recht, eine politische Debatte zu führen. Hinsichtlich dieser
Rechte bestehe allerdings kein Anlass, kleinere Gruppierun-
gen schon im Vorfeld von der Teilhabe auszuschließen.
Die Sperrklausel des § 2 Abs. 6 EuWG sei auch deshalb
verfassungswidrig, weil sie den europäischen Kontext der
bundesweiten Europawahl verkenne. Es sei schon im An-
satz verfehlt, im nationalen Wahlrecht Vorschriften zu ver-
ankern, die den Zweck hätten, einer Zersplitterung des
Europäischen Parlaments vorzubeugen. Eine lediglich
regionale Sperrklausel könne die Zersplitterung eines von
25 Staaten gewählten Parlaments ohnehin nicht verhindern.
Somit sei die Fünf-Prozent-Sperrklausel zur Erreichung die-
ses Zweckes ungeeignet und könne somit keinen Vorrang
vor dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl beanspruchen.
Es sei auch „wenig überzeugend“, dass für die Wahl des
Europäischen Parlaments in Deutschland in dieser Hinsicht
strengere Anforderungen gälten als in anderen Mitglied-
staaten, die Abgeordnete für dasselbe Parlament wählten.
Bei insgesamt 99 deutschen Mandaten führe die Sperrklau-
sel im Ergebnis dazu, dass auf einen Wahlvorschlag entwe-
der mindestens fünf Sitze oder gar keiner entfielen. Zypern
oder andere kleinere Staaten der Europäischen Union stell-
ten insgesamt keine größere Zahl von Abgeordneten für das
Europäische Parlament und dürften nach dieser Logik ent-
weder nur Abgeordnete derselben Partei oder gar keine Ab-
geordneten in das Europäische Parlament wählen.
Zudem könne die Sperrklausel im deutschen Europawahl-
recht die Zersplitterung des Europäischen Parlaments sogar
fördern. Nach der „Sperrklausel-Logik“ liege nämlich im-
mer dann eine – nach deutschem Recht unerwünschte –
Splittergruppe vor, wenn sie weniger als fünf Prozent der
Mandate ausmache. Nach diesem Maßstab müsse eine
Gruppierung des Europäischen Parlaments immerhin 37
Mandate erreichen, um „parlamentswürdig“ zu sein. Es sei
durchaus denkbar, dass beispielsweise einer liberalen Frak-
tion nach einer Wahl gerade die FDP-Mandate aus Deutsch-

Drucksache 15/4250 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

land – unterstellt, diese Partei hätte die Fünf-Prozent-Hürde
knapp verfehlt – fehlen könnten, um dieses Quorum von 37
Mandaten im Europäischen Parlament zu erreichen. Inso-
weit könne sich die Sperrklausel nach deutschem Wahlrecht
in Bezug auf die Verhinderung einer Zersplitterung im
Europäischen Parlament kontraproduktiv auswirken. Das
traditionelle deutsche „Sperrklausel-Wahlrecht“ beruhe auf
der Vorstellung, dass sich in Fraktionen jeweils Abgeord-
nete, die einer bestimmten Partei angehörten, zusammen-
schlössen. Gerade weil sich die Abgeordneten eines Staates
im Europäischen Parlament mit Abgeordneten anderer Staa-
ten zusammenschließen könnten und dies auch so prakti-
zierten, bestehe kein Anlass, einer Gruppe – auch wenn sie
sehr klein sei – oder einem einzelnem Abgeordneten eines
Mitgliedstaates die „Parlamentswürdigkeit“ abzusprechen.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen sei die Fünf-Pro-
zent-Sperrklausel bei Europawahlen lediglich ein Instru-
ment der etablierten Parteien, andere Parteien vom Erfolg
bei bundesweiten Wahlen auszuschließen.
Der Bundeswahlleiter hat zu einem vergleichbaren Wahlein-
spruch wie folgt Stellung genommen:
Artikel 3 des Beschlusses und Aktes zur Einführung all-
gemeiner und unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments vom 20. September 1976 (BGBl.
1977 II S. 733 ff.), zuletzt geändert durch Beschluss des
Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (BGBl.
2003 II S. 810) – Direktwahlakt – erlaube es den Mitglied-
staaten explizit, prozentuale Mindestschwellen für den Ein-
zug ins Europäische Parlament festzulegen, die jedoch lan-
desweit nicht mehr als 5 Prozent der abgegebenen Stimmen
betragen dürften. Neben Deutschland enthielten auch die
Wahlsysteme anderer Mitgliedstaaten der Europäischen
Union wie Frankreich, Litauen, Polen, die Slowakei, die
Tschechische Republik und Ungarn für die Wahl der Abge-
ordneten des Europäischen Parlaments eine Sperrklausel
von 5 Prozent. In Österreich und Schweden gelte für die Eu-
ropawahl eine Vier-Prozent-Hürde und in Griechenland eine
Sperrklausel von 3 Prozent.
Das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-
Sperrklausel gemäß § 2 Abs. 6 EuWG als verfassungskon-
form angesehen, weil sie an dem durch besondere, zwin-
gende Gründe gerechtfertigten Ziel, einer übermäßigen Par-
teienzersplitterung im Europäischen Parlament entgegenzu-
wirken, orientiert sei und das Maß des zur Erreichung dieses
Ziels Erforderlichen nicht überschreite (BVerfGE 51, 222/
233). Der Gleichheitssatz fordere nicht, dass der Gesetz-
geber die Einzelnen und ihre relevanten gesellschaftlichen
Gruppen unbedingt gleichmäßig behandele; er lasse Diffe-
renzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerecht-
fertigt seien. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheits-
satz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber
Differenzierungen erlaube, richte sich nach der Natur des je-
weils in Frage stehenden Sachbereichs (BVerfGE 6, 84/91
und BVerfGE 11, 266/272). Aus den Grundsätzen der for-
malen Gleichheit und der Chancengleichheit der politischen
Parteien und Wählergruppen folge mithin, dass dem Gesetz-
geber bei der Ordnung des Wahlrechts zu politischen Kör-
perschaften nur ein eng bemessener Spielraum für Differen-
zierungen verbleibe. In diesem Bereich bedürften Differen-
zierungen stets eines besonderen, rechtfertigenden, zwin-

genden Grundes (BVerfGE 1, 208/249 und 255; ständige
Rechtsprechung).
Die Verhältniswahl begünstige das Aufkommen kleiner
Parteien und Wählervereinigungen. Daraus könnten sich
ernsthafte Beeinträchtigungen der Handlungsfähigkeit der
zu wählenden Volksvertretung ergeben. Eine Wahl habe
nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein
Spiegelbild der in der Wählerschaft vorhandenen politi-
schen Meinungen darstelle, sondern sie solle auch ein funk-
tionsfähiges Organ hervorbringen. Würde der Grundsatz
der getreuen Abbildung der politischen Meinungsschich-
tung in der Wählerschaft bis zur letzten Konsequenz durch-
geführt, so könnte das nach Auffassung des Bundeswahl-
leiters eine Aufspaltung der Volksvertretung in viele kleine
Gruppen zur Folge haben, die die Mehrheitsbildung er-
schweren oder verhindern würde. Der unbegrenzte Proporz
würde es erleichtern, dass auch solche kleine Gruppen
eine Vertretung erlangten, die nicht ein am Gesamtwohl
orientiertes politisches Programm, sondern im Wesentlichen
nur einseitige Interessen verträten. Klare und ihrer Verant-
wortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in einer
Volksvertretung seien aber für eine Bewältigung der ihr ge-
stellten Aufgaben unentbehrlich. Deshalb dürfe der Gesetz-
geber Differenzierungen im Erfolgswert der Stimmen bei
der Verhältniswahl vornehmen, soweit dies zur Sicherung
des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorganges bei
der politischen Willensbildung im Interesse der Einheitlich-
keit des ganzen Wahlsystems und zur Sicherung der mit der
Wahl verfolgten Ziele unbedingt erforderlich sei (BVerfGE
51, 222/236). Unter diesem Blickpunkt habe das Bundes-
verfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung das Pos-
tulat der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertre-
tung und die Gebote des grundsätzlich gleichen Erfolgswer-
tes aller Wählerstimmen sowie der gleichen Wettbewerbs-
chancen der politischen Parteien und Wählervereinigungen
im Rahmen der Verhältniswahl gegeneinander abgewogen.
Was in diesem Zusammenhang von Verfassungs wegen als
zwingender Grund für eine begrenzte Differenzierung an-
zuerkennen sei, variiere von Bereich zu Bereich und be-
stimme sich vor allem nach dem Aufgabenkreis der zu wäh-
lenden Volksvertretung (BVerfGE 51, 222/236 und 236 f.).
Die Fünf-Prozent-Sperrklausel beziehe sich hier auf die
Wahlen zu einem supranationalen Organ, dem Europäi-
schen Parlament.
Der dem Europäischen Parlament im Verfassungsgefüge der
Europäischen Gemeinschaften zugewiesene Aufgabenkreis
und die ihm auf dem Wege zu „einem immer engeren Zu-
sammenschluss der europäischen Völker“ zugedachte Rolle
erforderten ein handlungsfähiges Organ. Das Europäische
Parlament könne die ihm gestellten Aufgaben nur dann
wirksam bewältigen, wenn es durch eine, den vielschichti-
gen Spezialmaterien angemessene, interne Arbeitsteilung
allen seinen Mitgliedern die notwendige Sachkenntnis ver-
schaffe und zu einer überzeugenden Mehrheitsbildung in
der Lage sei. Beides könne gefährdet werden, wenn die
durch die große Zahl der Mitgliedstaaten ohnehin nicht ver-
meidbare Aufgliederung des Parlaments in viele Gruppen
ein Ausmaß annehme, das dessen Funktionsfähigkeit ernst-
haft in Frage stelle. Dies sei ein zwingender Grund, der Vor-
kehrungen gegen eine übermäßige Parteienzersplitterung zu
rechtfertigen vermöge (BVerfGE 51, 222/246 f.).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/4250

Die Arbeitsfähigkeit eines so heterogen zusammengesetzten
Parlaments wie des Europäischen Parlaments hänge in noch
stärkerem Maße als bei einem nationalen Parlament von
dem Vorhandensein großer, durch gemeinsame politische
Zielsetzungen verbundener Gruppen von Abgeordneten ab.
Schon unter diesem Blickpunkt erwiesen sich Vorkehrun-
gen, die wie die in das Europawahlgesetz aufgenommene
Fünf-Prozent-Sperrklausel darauf abzielten, den Einzug
einer Gruppe von weniger als fünf Abgeordneten in das Par-
lament zu verhindern, als sachlich gerechtfertigt und zur
Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Europäischen
Parlaments zwingend geboten. Eine solch kleine Gruppe
wäre – so der Bundeswahlleiter – kaum in der Lage, die
zahlreichen Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaften
in ihrem vielschichtigen und weiträumigen Tätigkeitsbe-
reich zu verfolgen und kritisch zu beurteilen; sie wäre damit
außerstande, in einer dem Ineinandergreifen der vielfältigen
Aktivitäten gerecht werdenden Weise ihren Teil zur Kon-
trolle eines so hoch qualifizierten und großen bürokra-
tischen Apparates wie der Kommission beizutragen. Eine
solche Kontrolle sei wirksam nur möglich, wenn sie arbeits-
teilig erfolge und eine größere Organisation den einzelnen
Abgeordneten unterstütze. Entsprechendes gelte für die
Mitwirkung des Europäischen Parlaments im Gesetzge-
bungsverfahren und bei der Verabschiedung des Haushalts
(BVerfGE 51, 222/247).
Dem Europäischen Parlament komme ferner für die weitere
Integration der durch die Europäischen Gemeinschaften
verbundenen Mitgliedstaaten eine besondere Bedeutung zu.
Dem gerecht zu werden, sei nur ein Parlament in der Lage,
das zu einer überzeugenden Mehrheitsbildung und damit zu
einem möglichst geschlossenen Auftreten fähig sei.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme bekannt ge-
geben worden. Er hat sich hierzu nicht geäußert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 EuWG
in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz
(WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Darüber hinaus
kann der Einspruchsführer auch nicht mit Erfolg geltend
machen, die Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 2 Abs. 6
EuWG verstoße gegen die Verfassung.
Der Deutsche Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss
sehen sich nach ständiger Praxis nicht dazu berufen, die
Verfassungswidrigkeit von Rechtsvorschriften festzustellen.
Diese Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (Bundestagsdrucksache 14/1560, An-
lage 77). Unabhängig hiervon halten der Deutsche Bundes-
tag und der Wahlprüfungsausschuss die Vorschrift des § 2
Abs. 6 EuWG für verfassungsgemäß.

Nach Artikel 3 Satz 1 des geänderten Direktwahlakts kön-
nen die Mitgliedstaaten eine Mindestschwelle für die Sitz-
vergabe festlegen. Diese Schwelle darf jedoch nach Satz 2
dieser Vorschrift landesweit nicht mehr als 5 Prozent der
abgegebenen Stimmen betragen. Das Bundesverfassungsge-
richt hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2004 in einem
Organstreitverfahren zur Fünf-Prozent-Sperrklausel des § 2
Abs. 6 EuWG (2 BvE 1/04), in dem die diesbezügliche Or-
ganklage der NPD wegen Nichteinhaltung der Frist des § 64
Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz als unzulässig ver-
worfen worden ist, auf die Änderung des Direktwahlaktes
hingewiesen und hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber
mit dem am 21. August 2003 verkündeten Vierten Gesetz
zur Änderung des Europawahlgesetzes und des Neunzehn-
ten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengeset-
zes zum Ausdruck gebracht hat, dass er an der Fünf-Pro-
zent-Klausel festhalten möchte. Er hat sich dabei – so das
Bundesverfassungsgericht – auf die Ermächtigung der Mit-
gliedstaaten im Beschluss des Rates der Europäischen
Union stützen können, eine Sperrklausel zu erlassen. Der
Rat der Europäischen Union hat nach Zustimmung des Eu-
ropäischen Parlaments mit Beschluss vom 25. Juni und
23. September 2002 (BGBl. 2003 II S. 811) den Direkt-
wahlakt geändert, damit die Wahlen zum Europäischen Par-
lament „gemäß den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen
Grundsätzen stattfinden können, die Mitgliedstaaten zu-
gleich aber die Möglichkeit erhalten, für Aspekte, die nicht
durch diesen Beschluss geregelt sind, ihre jeweiligen natio-
nalen Vorschriften anzuwenden“. Dieser Änderung des
Direktwahlakts hat der deutsche Gesetzgeber mit Artikel 1
des Zweiten Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung
des Direktwahlakts vom 15. August 2003 (BGBl. II S. 810)
zugestimmt.
Zwar kann aus dieser erstmalig verankerten ausdrücklichen
Ermächtigung zum Erlass einer Fünf-Prozent-Sperrklausel
durch den Direktwahlakt nicht unmittelbar die Verfassungs-
mäßigkeit einer solchen Sperrklausel nach dem deutschen
Verfassungsrecht abgeleitet werden. Sie ist jedoch als star-
kes Indiz dafür anzusehen, dass § 2 Abs. 6 EuWG – wie
auch schon bisher – nicht gegen das Grundgesetz verstößt.
Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts verstößt die Fünf-Prozent-Sperrklausel
nicht gegen die Verfassung (BVerfGE 51, 222/233 ff.;
BVerfGE 95, 335/366). Die Grundzüge dieser Rechtspre-
chung werden in der Stellungnahme des Bundeswahlleiters
dargelegt. Darin wird auch darauf hingewiesen, dass auch
andere Mitgliedstaaten in ihren wahlrechtlichen Vorschrif-
ten zur Europawahl ähnliche Sperrklauseln verankert haben.
Schon aus diesem Grund greift der Einwand des Ein-
spruchsführers, in Deutschland gälten strengere Anforde-
rungen als in anderen Mitgliedstaaten und zudem werde die
Zersplitterung des Europäischen Parlaments durch die deut-
sche Sperrklausel noch gefördert, nicht durch. Hierbei liegt
es in der Natur der Sache, dass im Einzelfall paradoxe Ef-
fekte auftreten können, solange kein einheitliches Wahlrecht
für die Europawahl in allen Mitgliedstaaten gilt. Soweit der
Einspruchsführer in diesem Zusammenhang das aus der
Sperrklausel resultierende Mindestquorum von fünf Man-
daten in Deutschland mit der Zahl der Abgeordneten aus
kleineren Mitgliedstaaten (z. B. Luxemburg: 6, Zypern: 6,
Estland: 6, Malta: 5) vergleicht, so berücksichtigt er hierbei
nicht, dass in diesen kleineren Mitgliedstaaten ein wesent-

Drucksache 15/4250 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

lich höherer Prozentsatz an Wählerstimmen als 5 Prozent
zur Erlangung eines einzigen Mandats notwendig ist. Zu
Unrecht führt er aus, die Fünf-Prozent-Sperrklausel in
Deutschland sei zur Erreichung des Zieles, einer Zersplitte-
rung des Europäischen Parlaments vorzubeugen, von vorn-
herein ungeeignet. Das Verhältniswahlrecht birgt nämlich
von vornherein die Gefahr einer Parteienzersplitterung in
sich. Sperrklauseln in den einzelnen Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union und ähnlich wirkende Mechanismen der
Wahlsysteme tragen – entgegen der Auffassung des Ein-
spruchsführers – auf jeden Fall dazu bei, einer noch weiter-
gehenden Zersplitterung des Europäischen Parlaments vor-
zubeugen.
Soweit der Einspruchsführer auf Unterschiede zwischen
dem Europäischen Parlament auf der einen und dem Deut-
schen Bundestag sowie den Landtagen auf der anderen Seite
hinweist, so mag dies zwar im Grundsatz zutreffen. Die Tat-
sache, dass das Europäische Parlament nicht in gleicher
Weise eine Regierung kontrolliert wie dies im deutschen
Parlamentssystem üblich ist, lässt jedoch nicht die Schluss-
folgerung zu, die Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Wahl
der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament
sei nicht notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat be-
reits in seinem Beschluss vom 22. Mai 1979 auf die Auf-

gabe des Europäischen Parlaments hingewiesen, die Euro-
päische Kommission und deren weit verzweigte Tätigkeiten
zu kontrollieren (BVerfGE 51, 222/247). Die Befugnisse
des Europäischen Parlaments sind seither – wie dies z. B. an
der Zustimmungsbedürftigkeit des vom Europäischen Rat
benannten Kommissionspräsidenten durch das Europäische
Parlament sowie an der Notwendigkeit eines Zustimmungs-
votums für die gesamte Kommission durch das Europäische
Parlament (Artikel 214 Abs. 2 EG-Vertrag) deutlich wird –
erweitert worden, so dass der Gewährleistung der Funk-
tions- und Arbeitsfähigkeit des Europäischen Parlaments
nunmehr ein noch größerer Stellenwert zukommt. Zu Recht
wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass sich
Organisation und Arbeitsweise des Europäischen Parla-
ments nicht wesentlich von derjenigen der nationalen Parla-
mente der Mitgliedstaaten unterscheiden (BVerfGE 51, 222/
245 f.). Der Bundeswahlleiter weist schließlich zu Recht auf
die besondere Bedeutung des Europäischen Parlaments für
die weitere Integration der in der Europäischen Union ver-
bundenen Mitgliedstaaten hin.

Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 26 Abs. 2 EuWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1a
Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/4250

Anlage 19

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn L. K., 14772 Brandenburg/Havel

– Az.: EuWP 01/04 –
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 25. November 2004 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 14. Juni 2004 hat der Einspruchsführer
gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland
am 13. Juni 2004 Einspruch eingelegt. Er trägt im Wesent-
lichen vor, die Europawahl sei entgegen dem von den Mit-
gliedern der Bundesregierung geleisteten Amtseid keine
Wahl zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gewesen,
sondern zu deren Schaden, und nimmt in der Einspruchs-
schrift sowie in einem weiteren Schreiben vom
6. Oktober 2004 zu verschiedenen politischen Themen Stel-
lung.
Der Einspruchsführer führt im Einzelnen aus, dass den poli-
tischen Parteien Einhalt geboten werden müsse. Dies hätten
die Wählerinnen und Wähler durch ihre „Wahlverweige-
rung als Ausdruck des Misstrauens, der Heuchelei und gar
Volksfeindlichkeit des Parteiensystems … sehr eindeutig“
getan. So hätten als Ausdruck der Kritik deutlich mehr als
die Hälfte der Wählerinnen und Wähler nicht an der Wahl
teilgenommen. Die politischen Parteien und die Wahlleiter
aller Ebenen hätten die Bürger mit dem Argument, mitbe-
stimmen zu können, „genötigt“, an der Wahl teilzunehmen.
Jedoch hätten die Wählerinnen und Wähler „diesen Betrug“
erkannt und sich an der Wahl nicht beteiligt. Eine Zustim-
mung zur Europapolitik – wie von den Parteien und Wahl-
leitern beabsichtigt – könne aus der niedrigen Wahlbeteili-
gung nicht abgeleitet werden.
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr gegen den Willen
der Bürgerinnen und Bürger zeigten, dass die „Friedens-
losung“ auf den Wahlplakaten der SPD im Europawahl-
kampf nicht ernst gemeint sein könne. Der Bundeskanzler
habe im Anschluss an die gewonnene Bundestagswahl ver-
sucht, aus diesem Thema politisches Kapital zu schlagen
und die Bürger zu täuschen und zu betrügen. Die Europa-
wahl sei sehr spät auf die politische Tagesordnung gesetzt
worden, um die Bürgerinnen und Bürger zu täuschen. So sei
in Brandenburg/Havel „kein einziger Stand“ der politischen
Parteien zu sehen gewesen; lediglich ein PDS-Politiker habe
eine Informationsveranstaltung durchgeführt. Die politi-
schen Parteien hätten sich lediglich in Fernsehsendungen
der Öffentlichkeit präsentiert, wobei die Bürger „ausge-

grenzt“ worden seien und keine Fragen hätten einbringen
dürfen.
Daneben trägt der Einspruchsführer mehrere Vorschläge
und Meinungsäußerungen zu verschiedenen Politikfeldern
vor. Hierbei schlägt er z. B. die Einklagbarkeit des Amts-
eides von Regierungsmitgliedern, die Einrichtung einer
Bürgersendung mit Bürgerbeteiligung, die Analyse der
„Zustände“ in Deutschland unter Beteiligung sachkundiger
Bürger sowie die grundlegende Reform des Staates vor.
Darüber hinaus äußert sich der Einspruchsführer zum Got-
tesbezug in der Europäischen Verfassung, zum Verhalten
von Politikern in der Öffentlichkeit sowie zur Terrorismus-
bekämpfung.
Der Einspruchsführer nimmt darüber hinaus auf ein Telefax
vom 18. Mai 2004 Bezug, in dem er sich bereits im Vorfeld
der Europawahl 2004 gegen deren Gültigkeit gewandt hatte
und zu dem ihm vom Sekretariat des Wahlprüfungsaus-
schusses mitgeteilt worden war, dass ein Einspruch nur in-
nerhalb einer Frist von zwei Monaten nach dem Wahltag
möglich sei. In diesem Schreiben hatte der Einspruchsführer
moniert, dass die Kandidaten für die Europawahl weitest-
gehend unbekannt seien und dass außerdem die Wahlpro-
gramme weder bekannt noch einklagbar seien. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Einspruchsfüh-
rers in diesem Schreiben und in seinem Wahleinspruch vom
14. Juni 2004 wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.
Die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses hat mit
Schreiben vom 20. Juli 2004, in dem sie auf ein inhaltsglei-
ches Schreiben des Sekretariats vom 15. Juni 2004 Bezug
genommen hat, dem Einspruchsführer mitgeteilt, dass sein
Schreiben nicht dem Begründungserfordernis des § 26
Abs. 2 Europawahlgesetz (EuWG) i. V. m. § 2 Abs. 3 Wahl-
prüfungsgesetz (WPrüfG) entspreche. Nach § 6 Abs. 1a
Nr. 2 WPrüfG könne von einer mündlichen Verhandlung
abgesehen werden, wenn der Einspruch den Vorschriften
des § 2 Abs. 3 WPrüfG nicht entspreche und dem Mangel
innerhalb der gesetzten Frist nicht abgeholfen worden sei.
Der Einspruchsführer ist aufgefordert worden, bis spätes-
tens zum 13. August 2004 ganz konkret die Umstände mit-

Drucksache 15/4250 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
zuteilen, durch die er die geltenden Wahlrechtsvorschriften
als verletzt ansehe.
Hierauf hat der Einspruchsführer mit Telefax vom
23. Juli 2004 mitgeteilt, dass er dieses Schreiben als „Pro-
vokation und entwürdigend“ betrachte. Die Vorsitzende sei
inhaltlich auf kein einziges Argument eingegangen, sondern
habe sich „auf das bürokratische Procedere“ zurückgezo-
gen. Insoweit fehle es an Sachargumenten. Es verbiete sich
von selbst, das „Affentheater der Europawahl“ noch geson-
dert zu begründen. Der Einspruchsführer äußert sich in dem
Schreiben zu einem Wahlbewerber für das Europäische Par-
lament zur Osterweiterung der Europäischen Union, zu
militärischen Auslandseinsätzen, zur Umstrukturierung der
UNO sowie zur deutschen Politik in der Europäischen
Union vor.
Mit Telefax vom 6. Oktober 2004 hat der Einspruchsführer
seinen Vortrag ergänzt. In diesem Schreiben äußert er sich
zur Frage einer Aufnahme der Türkei in die Europäische
Union. Insoweit wird – ebenso wie zum Telefax vom
23. Juli 2004 – wegen der Einzelheiten auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 26 Abs. 2 Europa-
wahlgesetz (EuWG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1a Nr. 2
Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) von einer mündlichen Ver-
handlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist fristgerecht beim Deutschen Bundestag
eingegangen. Er ist unzulässig, weil er keine gemäß § 26
Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG erforderliche
Begründung enthält.
Nach § 26 Abs. 2 EuWG i. V. m. § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG
erfolgt die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu begrün-
den ist. Die Begründung muss mindestens den Tatbestand,
auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und
genügend substantiierte Tatsachen enthalten. Die Wahlprü-
fung findet also weder von Amts wegen statt noch erfolgt
sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl.
Vielmehr richtet sich ihr Umfang nach dem Einspruch,
durch den der Einspruchsführer den Anfechtungsgegen-
stand bestimmt. Der Prüfungsgegenstand ist nach dem er-
klärten, verständig zu würdigenden Willen des Einspruchs-
führers unter Berücksichtigung des gesamten Einspruchs-
vorbringens sinngemäß abzugrenzen. Aus der Begrün-
dungspflicht folgt, dass die Abgrenzung auch danach
vorzunehmen ist, inwieweit der Einspruchsführer den Ein-
spruch substantiiert hat. Nur im Rahmen des so bestimmten

Anfechtungsgegenstandes haben die Wahlprüfungsorgane
dann den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird,
von Amts wegen zu erforschen und alle auftauchenden
rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen (BVerfGE
40, 11/30; ständige Rechtsprechung).
Der Einspruchsführer teilt seine politische Einschätzung der
Europawahl und im Zusammenhang damit seine Einschät-
zung der politischen Parteien und der Regierungspolitik mit,
ohne einen abgrenzbaren, der Überprüfung zugänglichen
Anfechtungsgegenstand vorzutragen. Allein die Behaup-
tung, Regierungsmitglieder hätten gegen ihren Amtseid ver-
stoßen, begründet keinen wahlrechtlich relevanten Tatbe-
stand. Der Einspruchsführer macht keinen Verstoß gegen
rechtliche Regelungen über die Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Wahl geltend. Soweit vom Einspruchsführer Sach-
verhalte im Zusammenhang mit der Europawahl angespro-
chen werden, geschieht dies lediglich in allgemeiner Form.
So ist sein Hinweis, dass im Wahlkampf generell zu wenig
informiert worden sei und dass die Bürgerinnen und Bürger
in Fernsehsendungen zur Europawahl nicht zu Wort gekom-
men seien, einer näheren Prüfung auf Verstöße gegen wahl-
rechtliche Vorschriften nicht zugänglich. Dies gilt auch für
die vom Einspruchsführer bereits im Mai 2004 – also deut-
lich vor der Wahl – geäußerte allgemein gehaltene Kritik an
der seiner Auffassung nach mangelnden Bekanntheit von
Kandidaten und Wahlprogrammen.
Der Einspruchsführer ist nach einer entsprechenden Auffor-
derung durch die Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses
dem Begründungserfordernis nach § 26 Abs. 2 EuWG
i. V. m. § 2 Abs. 3 WPrüfG nicht nachgekommen. Sein
Schreiben vom 23. Juli 2004 enthält lediglich eine pau-
schale Kritik an dieser Aufforderung sowie generell an der
Europawahl und Meinungsäußerungen zu anderen politi-
schen Sachverhalten.
Letzteres gilt auch für das weitere Schreiben des Ein-
spruchsführers vom 6. Oktober 2004. Die allgemein gehal-
ten Äußerungen des Einspruchsführers zur Aufnahme der
Türkei in die Europäische Union sind keiner näheren Prü-
fung im Hinblick auf wahlrechtliche Vorschriften zugäng-
lich. Abgesehen davon wäre das Nachschieben eines
neuen Einspruchsgrundes nach Ablauf der Einspruchsfrist
(13. August 2004) im Interesse einer schnellen Klärung der
Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl und der damit ein-
hergehenden alsbaldigen verbindlichen Feststellung der
ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments ohne-
hin unzulässig (Bundestagsdrucksache 15/2400, Anlage 15;
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage,
§ 49 Rn. 18).
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

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