BT-Drucksache 15/3989

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/3349, 15/3971- Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer der §§ 100g, 100h StPO

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3989
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/3349, 15/3971 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer der
§§ 100g, 100h StPO

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Artikel 1 wird wie folgt gefasst:

,Artikel 1
Änderung des Gesetzes

zur Änderung der Strafprozessordnung
vom 20. Dezember 2001

In Artikel 4 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung
vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3879) wird die Angabe „1. Januar
2008“ durch die Angabe „1. Juli 2005“ ersetzt.‘

II. Nach Arikel 1 wird folgender neue Artikel 2 eingefügt:
„Artikel 2

Berichtspflicht
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag gegenüber eine

jährliche Berichtspflicht. Sie berichtet über folgende Sachverhalte:
1. Zahl der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Anordnungen zur

Auskunftspflicht über Telekommunikationsverbindungsdaten.
2. Zahl der erteilten Auskünfte über Telekommunikationsverbindungs-

daten, unterteilt nach den verschiedenen Auskunftsarten. Insbesondere
sind Daten über die so genannte Zielwahlsuche und die so genannte
Funkzellenabfrage (§§ 100g, 100h StPO) aufzulisten.

3. Dauer der angeordneten Auskunftserteilungen.
4. Zahl der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen nach den

§§ 100a, 100b StPO, die durch Auskunftserteilungen nach den §§ 100g,
100h StPO ausgelöst wurden.

5. Relevanz der angeordneten Auskunftserteilungen für das strafrechtliche
Ermittlungsverfahren und für Verurteilungen.

6. Zahl der Unverdächtigen, die von den angeordneten Auskunftserteilun-
gen betroffen waren.

Drucksache 15/3989 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

7. Benachrichtigung/Nichtbenachrichtigung der Betroffenen nach § 101
Abs. 1 StPO.

8. Höhe der Kosten, die bei den Betreibern von Telekommunikationsanla-
gen durch die angeordneten Auskunftserteilungen entstehen.“

III. Die Artikel 2 und 3 werden die Artikel 3 und 4.

Berlin, den 20. Oktober 2004
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau

Begründung
Durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 20. Dezember
2001 (BGBl. I S. 3879) wurden die §§ 100g und 100h – Auskunft über Tele-
kommunikationsverbindungsdaten – in die StPO eingefügt. Die Neuregelung
war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Schon in der zweiten
und dritten Lesung zum damaligen Gesetzentwurf zur Änderung der Strafpro-
zessordnung im Deutschen Bundestag am 30. November 2001 wurde Hand-
lungsbedarf selbst von den Vertretern der Regierungsparteien für eine Neurege-
lung festgestellt. Nachbesserungen wurden zugesagt, u. a. beim Zeugnisschutz
von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten. Zugesagt wurde auch, bei einer
Neuberatung wissenschaftliche Gutachten zu Rate zu ziehen (vgl. Plenarproto-
koll des Deutschen Bundestages 14/206, S. 20417 ff.). Von dem FDP-Abgeord-
neten Rainer Funke wurde damals in der Beratung vom 30. November 2001 vor
allem darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf gravierende datenschutz-
rechtliche Mängel aufweist und die Eingriffsschwelle gegenüber der Regelung
des alten § 12 FAG beträchtlich gesenkt habe (ebenda).
Von den Versprechungen der Regierungsparteien wurde bis heute buchstäblich
nichts realisiert.
In einem Schreiben vom 24. September 2004 an Mitglieder des Rechtsaus-
schusses des Deutschen Bundestages führt die Humanistische Union (HU) aus:
„Die Bundesregierung begnügt sich in der Begründung des Gesetzentwurfs mit
dem pauschalen Hinweis, die Auskunftsanordnung hätte sich >als wichtiges Er-
mittlungsinstrument erwiesen< und sei daher >unabdingbar<. Wegen fehlender
Berichtspflichten liegt jedoch nicht einmal eine statistische Übersicht über die
Zahl der Auskunftserteilungen in den vergangenen drei Jahren vor.“
Die HU bemängelt, dass im vorliegenden Gesetzentwurf keine Berichtspflicht
über erteilte Auskünfte normiert wurde und weist darauf hin, dass der Gesetz-
geber bei der angekündigten Gesamtnovellierung der Telekommunikations-
überwachung vor dem gleichen Problem wie heute stehen wird: „Eine Evaluie-
rung scheitert am fehlenden Zahlenmaterial über die vorgenommenen Eingriffe
gemäß §§ 100g, 100h StPO“ (ebenda).
Wolff/Neumann fassten ihre Kritik an der gesetzlichen Regelung der §§ 100g,
100h StPO wie folgt zusammen: „Dem Gesetzgeber war seit langer Zeit be-
kannt, dass § 12 FAG, die Vorgängervorschrift der §§ 100g, h StPO, außer
Kraft treten würden. Die Gelegenheit, die Neuregelung der Auskunft über Ver-
bindungsdaten sorgfältig vorzubereiten, blieb indes ungenutzt. Das Gesetz-
gebungsverfahren zeugt zwar vom Bemühen, kriminal- und sicherheitspoliti-
sche Forderungen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen,
hat aber kein Glanzstück der Gesetzgebungstechnik hervorgebracht: § 100g I 1

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3989

StPO ist mindestens beim ersten Lesen kaum verständlich und wurde zwischen-
zeitlich gar von einer Strafkammer für grammatikalisch unvollständig erklärt.“
(Wolff/Neumann, NStZ 2003, 404).
Die Befristung auf ein halbes Jahr soll den Gesetzgeber zeitnah veranlassen, in
Absprache u. a. mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, datenschutz-
rechtliche Verbesserungen vorzunehmen. Die Eingriffsschwellen müssen er-
höht werden, da Straftaten von erheblicher Bedeutung als Voraussetzung für
einen Eingriff ausreichen. In der Praxis bedeutet dies, dass die §§ 100g, 100h
StPO selbst in Fällen von Beleidigungen oder des Zugriffs auf WWW-Seiten
mit strafrechtlich bedeutsamem Inhalt Anwendung finden (vgl. Wolff/Neu-
mann, NStZ 2003, 404). Hinzu kommt, das die Praxis vor allem bei Ermittlun-
gen gegen unbekannt erhebliche rechtliche Defizite aufweist und gegen die
§§ 100g, 100h StPO verstoßen wird (vgl. ebenda).

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