BT-Drucksache 15/3960

Bundeswehr stärken - Beschäftigungsbedingungen für Soldatinnen und Soldaten verbessern

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3960
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Helga Daub, Daniel Bahr (Münster),
Angelika Brunkhorst, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Dr. Dieter Thomae,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Bundeswehr stärken – Beschäftigungsbedingungen für Soldatinnen und
Soldaten verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Integration von Frauen in den Truppendienst der Bundeswehr ist erfolgreich
eingeleitet worden. Seit der Öffnung des Dienstes an der Waffe ist der Anteil der
Soldatinnen imTruppendienst auf fast 5 Prozent der Zeit- undBerufssoldaten an-
gewachsen. Soldatinnen leisten erfolgreichDienst in allenTeilstreitkräften, über-
nehmenVerantwortung und stellen täglich ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis.
Für die Bundeswehr ist die Möglichkeit, seit 2001 Frauen nicht nur für den
Sanitäts-, sondern auch für den Truppendienst gewinnen zu können, eine große
Chance. Die Bundeswehr kann dadurch nicht nur auf die Kompetenzen und
Qualifikationen der männlichen Bevölkerung zurückgreifen, sondern profitiert
gleichermaßen von den Fähigkeiten und Talenten junger Frauen, die sich für den
Dienst in der Bundeswehr interessieren.
Aufgaben, Strukturen und Selbstverständnis der Bundeswehr haben sich in den
vergangenen 15 Jahren seit Ende des Kalten Krieges grundlegend gewandelt.
Die Bundeswehr befindet sich auf dem Weg von einer reinen Landesverteidi-
gungsarmee zu einer modernen Einsatzarmee zur internationalen Friedenssiche-
rung und Konfliktprävention. Im gleichen Maße, wie sich die Anforderungen an
die technische Ausrüstung und die logistischen Fähigkeiten der Bundeswehr
verändern, wandeln sich auch die Anforderungsprofile an die Soldatinnen und
Soldaten in den Teilstreitkräften der Bundeswehr. Die Bundeswehr ist auch in
der Zukunft auf Soldatinnen und Soldaten mit hoher fachlicher und sozialer
Kompetenz angewiesen.
Die personelle Verkleinerung der Bundeswehr und die Neuausrichtung ihrer
Grundstruktur erfordern eine Veränderung der Wehrform. Für die Wehrpflicht
gibt es keine ausreichende Begründung mehr. Sie wird inhaltlich den Anforde-
rungen der Bundeswehr an ihre Soldatinnen und Soldaten nicht gerecht und
stellt einen nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriff in die Freiheitsrechte der
jungenMänner in Deutschland dar. DieWehrungerechtigkeit, nicht einmal mehr

Drucksache 15/3960 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

jeder zweite junge Mann wird in Deutschland zum Wehr- oder Zivildienst ein-
berufen, stellt eine eklatante Ungleichbehandlung junger Menschen dar. Die
Bundeswehr muss von einer Wehrpflichtarmee in eine Freiwilligenarmee über-
führt werden. Als Freiwilligenarmee wird die Bundeswehr auf dem Arbeits-
markt mit den Arbeitgebern der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Diens-
tes um die besten Fachkräfte konkurrieren müssen. Diesen Wettbewerb wird die
Bundeswehr nur bestehen können, wenn sie auf junge ausbildungs- und arbeit-
suchende Menschen attraktiv wirkt. Dazu muss die Bundeswehr, wie jeder
andere private oder öffentliche Arbeitgeber, Rücksicht auf die persönlichen
Bedürfnisse der Soldatinnen und Soldaten nehmen, wo immer dies möglich ist
und die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht einschränkt.
Der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Unter-
suchungen des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr und Be-
richte von Soldatinnen und Soldaten zeigen, dass es vor allem im Bereich der
Vereinbarkeit von Familie und Soldatenberuf große Probleme gibt.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion
„Soldatinnen in der Bundeswehr“ (Bundestagsdrucksache 15/2364) zeigt, dass
in einigen Bereichen der Bundeswehr Soldatinnen im Vergleich zu ihrer
Gesamtzahl in der Bundeswehr zurzeit noch stark unterrepräsentiert sind bzw.
völlig fehlen. Dies gilt besonders für den Bereich der Nachwuchsgewinnung
und der Ansprache junger, an der Bundeswehr interessierter Frauen undMänner.
Die Antworten der Bundesregierung belegen ferner, dass Soldatinnen später und
in geringerer Zahl als ihre männlichen Kollegen Führungspositionen in der
Bundeswehr erreichen. Im Sanitätsdienst der Bundeswehr, in dem seit 1975
Ärztinnen, Zahnärztinnen, Apothekerinnen und Veterinärinnen Dienst tun,
haben im Vergleich zu 245 männlichen Soldaten nur 5 Soldatinnen die Besol-
dungsstufen A16 und höher erreicht. Zum Zeitpunkt der Beantwortung der
Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung waren, aufgrund der erst ab 2001
vollzogenen Öffnung des Truppendienstes für Frauen, beim Luftwaffenfüh-
rungskommando keine, beim Heeresführungskommando 1,3 Prozent und beim
Flottenkommando 4,4 Prozent Soldatinnen vertreten.
Eine höhere Anzahl weiblichen Führungspersonals wäre durch die Vorbildfunk-
tion ein Vorteil bei der Gewinnung qualifizierter und interessierter Frauen für
den Dienst in der Bundeswehr. Gemindert wird die Attraktivität der Bundeswehr
für viele Frauen und teilweise auch Männer durch die stark eingeschränkte Ver-
einbarkeit von Familie und Soldatenberuf, vor allem durch häufige Versetzun-
gen, fehlende Dienstzeitregelungen und immer häufigere Auslandseinsätze.
Mit der Öffnung des Dienstes an der Waffe für Frauen ist die Bundeswehr auf
dem richtigen Weg. Drei Jahre später liegen nun ausreichend Erfahrungen und
Erkenntnisse vor, umKorrekturen und Ergänzungen bei der sozialen, rechtlichen
und organisatorischen Integration von Frauen in die Bundeswehr vorzunehmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l darauf hinzuwirken, dass der Anteil von Soldatinnen im Truppen- wie im

Sanitätsdienst, ausgehend von einem zu steigernden Bewerberinnenaufkom-
men, bei denEinstellungen sowie in allenLaufbahnen undBesoldungsgruppen
erhöht wird. Dazu sind kurz-, mittel- und langfristige Zielgrößen für die ange-
strebten Anteile von Soldatinnen zu formulieren. Diese Zielgrößen sind kei-
nesfalls alsQuoten festzulegen.Vielmehr sollenes transparente, imNachhinein
überprüfbare strategische Vorgaben sein, die dazu anspornen, Anstrengungen
im Bereich der Personalwerbung zu vergrößern und bei Auswahlentscheidun-
gen und sonstigen personellen Maßnahmen Frauen im objektiven Qualitäts-
wettbewerb mit den männlichen Kollegen angemessen zu berücksichtigen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3960

l Soldatinnen gemäß der Laufbahnverordnung bei entsprechender Leistung,
Eignung und Befähigung als zentrale Entscheidungskriterien in gleicher
Weise wie Soldaten bis in die Spitzendienstgrade gefördert werden;

l den Einsatz von Soldatinnen als Jugendoffizier so schnell wie ausbildungs-
technisch machbar zu realisieren, bis dahin aber bereits geeignete Soldatin-
nen an der Seite von Jugendoffizieren arbeiten zu lassen, und zur verbesser-
ten Ansprache junger Frauen, die sich für den Beruf „Soldatin“ interessieren,
so schnell wie möglich Soldatinnen in den Zentren für Nachwuchsgewinnung
einzusetzen;

l durch zentrale Dienstvorschriften und Erlasse dafür Sorge zu tragen, dass Sol-
datinnen bei ihrer beruflichen Karriere in der Bundeswehr in gleichem Maße
wie ihre männlichen Kameraden begleitet, unterstützt und gefördert werden;

l gezielt die Möglichkeit des Seiteneinstieges auch für qualifizierte Frauen bei
der Bundeswehr zu bewerben und auf diesem Weg für eine höhere Präsenz
von Soldatinnen in Führungsebenen der Bundeswehr zu sorgen;

l die Zahl der „Ansprechstellen für die spezifischen Probleme weiblicher Sol-
daten in der Bundeswehr“ von derzeit zwölf so zu erhöhen, dass den beson-
deren Bedürfnissen der Frauen in Uniform ausreichend Rechnung getragen
wird , ohne jedoch die Bürokratie unnötig auszuweiten;

l aktiv die Integration von Soldatinnen in die Truppe durch geeignete Maßnah-
men zu fördern, wie z. B. durch ein Angebot spezieller Seminare oder die
Aufnahme dieser Thematik in Laufbahnlehrgänge;

l die Dienstzeitregelung hinsichtlich der Teilzeitmöglichkeiten für alle nicht
im Auslandseinsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten der des Öffent-
lichen Dienstes des Bundes anzupassen, soweit in Ausnahmefällen keine un-
abdingbaren dienstlichen Erfordernisse dem entgegenstehen;

l die Teilnahme von Soldatinnen und Soldaten an Auslandseinsätzen grund-
sätzlich nicht über vier Monate auszuweiten;

l umgehend eine erste Evaluierung durchzuführen, die unter anderem ermit-
telt, welche Laufbahnen Soldatinnen empfohlen werden, welche Laufbahn
sie wählen, wie schnell sie diese Laufbahn durchlaufen und wie viele Sol-
datinnen die Bundeswehr aus welchem Grund und zu welchem Zeitpunkt
wieder verlassen haben.

Berlin, den 20. Oktober 2004
Ina Lenke
Klaus Haupt
Helga Daub
Daniel Bahr (Münster)
Angelika Brunkhorst
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb

Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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