BT-Drucksache 15/3808

Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren

Vom 28. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3808
15. Wahlperiode 28. 09. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ruprecht Polenz, Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Bötsch,
Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Hermann Gröhe, Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg, Klaus-Jürgen Hedrich, Joachim Hörster, Volker Kauder,
Claudia Nolte, Dr. Klaus Rose, Volker Rühe, Bernd Schmidbauer, Dr. Andreas
Schockenhoff, Dr. Hans-Peter Uhl, Willy Wimmer (Neuss) und der Fraktion der
CDU/CSU

Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts und den damit geänderten weltpoliti-
schen Rahmenbedingungen erleben private Anbieter von Sicherheitsdienstleis-
tungen (private Sicherheitsunternehmen, private Militärfirmen, Mietarmeen) in
bewaffneten Konflikten einen kontinuierlichen Aufschwung. Ihr Aufgabenfeld
ist breit gestreut und reicht von Beratung, Training und logistischer Unterstüt-
zung über Minenräumen bis hin zu Kampfeinsätzen. Die Übergänge zwischen
militärischen und zivilen Aufgaben sind oft fließend.
Die Gründe dieser globalen Entwicklung liegen zum einen in der Reduzierung
der Streitkräfte und dem damit verbundenen ‚outsourcing‘ bestimmter Aufga-
ben, zum anderen aber auch im gestiegenen Sicherheitsbedürfnis von Behörden,
internationalen Organisationen und Unternehmen aufgrund zahlreicher instabi-
ler Regierungen und innerstaatlicher Konflikte weltweit.
Diese Privatisierung militärischer Funktionen kann langfristig zu einem funda-
mentalen Wandel im Verhältnis zwischen Militär und Nationalstaat führen. Das
Gewaltmonopol des Staates könnte in Frage gestellt werden, gegebenenfalls
ganz aufgegeben werden.
Das Kriegsvölkerrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen Zivilisten und
Kombattanten. De jure sind Angehörige von privaten Sicherheitsunternehmen
also keine Kombattanten, de facto aber häufig auch keine Zivilpersonen.
Ein völkerrechtliches Regime zum Umgang mit den in bewaffneten Konflikten
für öffentliche oder private Auftraggeber tätigen privaten Sicherheitsunterneh-
men oder ihren Beschäftigten existiert bislang nicht, und nur wenige Staaten
haben für diesen Bereich nationale Regelungen geschaffen. Es gibt deshalb er-
hebliche Unsicherheiten bezüglich des Status der in den Konflikt involvierten
Beschäftigten privater Sicherheitsunternehmen als auch bezüglich der Verant-
wortung und damit der Haftung für mögliche Rechtsverstöße.
Private Sicherheitsunternehmen werden auch im Ausland eingesetzt. Das er-
schwert die Kontrolle ihrer Aktivitäten nach den Bestimmungen des nationalen
Rechts. Dadurch sind ihre Aktivitäten trotz möglicherweise vorhandener natio-

Drucksache 15/3808 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

naler Regelungen nur schwer zu kontrollieren, die Einhaltung von Vorgaben
kann nur ansatzweise überwacht werden und die rechtliche Verfolgung bei Ver-
stößen ist schwierig. Viele Länder haben zwar den Einsatz ihrer Staatsbürger als
Söldner verboten, kontrollieren aber die Geschäftsgebaren der bei ihnen ansäs-
sigen privaten Sicherheitsunternehmen im Ausland kaum.
Das Recht im Kriege hat sich in einer jahrhunderte langer Entwicklung mühsam
herausgebildet und droht nun, durch die privaten Sicherheitsunternehmen unter-
laufen zu werden. Es muss verhindert werden, dass die privaten Sicherheitsun-
ternehmen bei militärischen Einsätzen durch die fehlenden völkerrechtlichen
Bestimmungen quasi uneingeschränkt agieren und damit das bestehende Kriegs-
völkerrecht, an das das Militär gebunden ist, unterlaufen können.
Problematisch ist zudem, dass private Sicherheitsunternehmen in einem Interes-
senkonflikt stehen: einerseits werden sie für ihren Erfolg bezahlt andererseits
sind Konfliktgebiete ihr Arbeitsfeld. Private Sicherheitsunternehmen können
deswegen ein großes Interesse an der Verlängerung des Konfliktes haben.
Ziel muss sein, sicherzustellen, dass die privaten Sicherheitsunternehmen und
ihre staatlichen Auftraggeber für rechtswidriges Tun haften.
Ein striktes Verbot von privaten Sicherheitsunternehmen ist nicht durchsetzbar,
da manche schwache Staaten sowie Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisa-
tionen, UN-Organisationen und andere in Entwicklungsländern tätige Personen
und Organisationen auf den von diesen Unternehmen gewährten Schutz ange-
wiesen sind. Es sind daher klare rechtliche Vorgaben auf internationaler und na-
tionaler Ebene erforderlich, die regeln, in welchen Bereichen und unter welchen
Bedingungen private Sicherheitsunternehmen operieren dürfen.
Regeln im internationalen Recht, die das Gewaltmonopol des Staates betreffen,
sind für das Engagement der Privatfirmen erforderlich. Insbesondere sind Fra-
gen hinsichtlich der Rechte (Erlaubnis, Waffen zu tragen oder Maßnahmen ge-
gen die Bevölkerung wie Kontrollen durchführen zu dürfen) und der Rechtsstel-
lung (Kombattanten oder Zivilisten) der Angestellten der privaten Militärfirmen
sowie der Übernahme der Verantwortung für ihr Handeln (jeder Einzelne, die
Firma oder der en Auftrag gebende Staat) zu beantworten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
national:
l die Registrierung von privaten Sicherheitsunternehmen einzuführen und

diese zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu verpflichten;
l ein Lizenzierungssystem für militärische Dienstleistungen von Unternehmen

einzuführen;
l eine Selbstregulierung der Sicherheitsunternehmen durch einen Verhaltens-

kodex zu fordern;
l zu bekräftigen, dass Auslandseinsätze privater militärischer Sicherheitsunter-

nehmen im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland an dieselben Regeln
gebunden sind, wie sie für Auslandseinsätze der Bundeswehr (Parlaments-
vorbehalt) und deutscher Polizeikräfte gelten;

l zu prüfen, ob beim Einsatz privater militärischer Sicherheitsunternehmen
klare Haftungsbedingungen einschließlich klarer Regeln für die Verfolgung
von Straftaten im Einsatzgebiet gelten, gegebenenfalls solche klare Haf-
tungsbedingungen bzw. Strafverfolgungsregeln zu schaffen. Dabei sollte der
auftraggebende Staat bei Verletzung seiner Aufsichtspflicht mithaften;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3808

international:
l die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung,

Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von 1989, in Kraft getreten am
20. Oktober 2001, zu ratifizieren;

l die Bestrebungen der Vereinten Nationen zu unterstützen, um die bestehen-
den Völkerrechtsinstrumente zum Söldnertum durch weitere eigenständige
völkerrechtliche und nationale Regelungen zu ergänzen, insbesondere durch:
– eine internationale Registrierung der Unternehmen;
– eine internationale Einrichtung, die bei dem UN-Sonderberichterstatter

über das Söldnertum angesiedelt sein könnte, zur Kontrolle der Unterneh-
men und der von ihnen abgeschlossenen Verträge;

– die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Sicherheits-
unternehmen und deren Auftraggebern;

l die Legalisierung des Geschäftsbereichs durch gesetzliche Regelungen in
Form der Registrierung, Lizenzierung und Bindung an die in Verträgen fest-
zulegenden Rahmenbedingungen für den jeweiligen Einsatz voranzutreiben.

Berlin, den 28. September 2004
Ruprecht Polenz
Dr. Friedbert Pflüger
Dr. Wolfgang Bötsch
Anke Eymer (Lübeck)
Erich G. Fritz
Hermann Gröhe
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Klaus-Jürgen Hedrich
Joachim Hörster
Volker Kauder
Claudia Nolte
Dr. Klaus Rose
Volker Rühe
Bernd Schmidbauer
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Hans-Peter Uhl
Willy Wimmer (Neuss)
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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