BT-Drucksache 15/3770

Einsatz der Bundeswehr im Innern

Vom 22. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3770
15. Wahlperiode 22. 09. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Helga Daub, Günther Friedrich Nolting, Jörg van Essen,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Christel Happach-Kasan,
Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Einsatz der Bundeswehr im Innern

Die grundlegende Bestimmung für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern in
Friedenszeiten ist die restriktiv anzuwendende Bestimmung des Artikels 87a
Abs. 2 Grundgesetz (GG). Danach dürfen Streitkräfte außer zur Verteidigung
nur eingesetzt werden, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich zulässt.
Zu den Ausnahmeregelungen in diesem Zusammenhang zählen Artikel 35
Abs. 2 Satz 2 GG zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders
schweren Unglücksfall sowie Artikel 35 Abs. 3 Satz 1 GG zur Unterstützung
der Polizei, falls eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücks-
fall mehr als das Gebiet eines Bundeslandes gefährdet.
Nach einem Bericht der Tageszeitung „DIE WELT“ vom 22. November 2003
wollte der Bundesminister des Innern die Einsatzmöglichkeiten der Bundes-
wehr im Innern prüfen lassen. Im Mittelpunkt der von der Innenministerkonfe-
renz in Jena dazu vorgeschlagenen Arbeitsgruppe stand die Frage, inwieweit
die Streitkräfte im Rahmen des Katastrophenschutzes/der Katastrophenhilfe im
Innern eingesetzt werden können. Der von der Arbeitsgruppe erarbeitete Be-
richt liegt mittlerweile den Teilnehmern der Innenministerkonferenz zur Bera-
tung vor.
Am 9. März 2004 brachte die Fraktion der CDU/CSU einen „Entwurf eines Ge-
setzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 35 und 87a)“ in den Deutschen
Bundestag ein. Dieser Entwurf verfolgt das Ziel, im Falle terroristischer Bedro-
hung die rechtlichen Voraussetzungen für einen Einsatz der Streitkräfte auf An-
forderung eines Bundeslandes zum Schutz ziviler Objekte zu schaffen und
Rechtssicherheit für den Einsatz der Bundeswehr zur Hilfe bei der Verhinde-
rung eines unmittelbar drohenden Unglücksfalls herzustellen.
Auch die öffentliche Diskussion zu dieser Thematik hält an. Dabei wird deut-
lich, dass mehr oder weniger populistische Äußerungen die Rechtslage bewusst
oder unbewusst falsch oder unvollständig darstellen. Darüber hinaus zählt der

Drucksache 15/3770 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Einsatz der Bundeswehr im Innern zu den rechtspolitisch umstrittenen The-
menfeldern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es zu, dass die Bundeswehr bei gegenwärtiger Verfassungslage be-

reits in einem erheblichen, in der öffentlichen Debatte häufig unterschätz-
ten Umfang der Polizei bei deren Aufgabenwahrnehmung Amtshilfe leis-
ten darf?

2. Unterliegt die Anwendung der technischen, wissenschaftlichen und logis-
tischen Fähigkeiten der Bundeswehr im Innern in personeller wie materiel-
ler Hinsicht dem limitierenden Verfassungsvorbehalt des Artikels 87a
Abs. 2 GG?

3. Ist eine Verwendung der Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei im
Rahmen der Amtshilfe unbedenklich, wenn es sich dabei um Transportge-
räte (LKW, Busse, Schiffe, Hubschrauber, Flugzeuge) nebst Bedienungs-
personal/Besatzungen handelt?

4. Ist es nach gegenwärtiger Verfassungslage erlaubt, wenn die Bundeswehr
der Polizei Unterstützung im Rahmen der Amtshilfe in den Bereichen Aus-
rüstung und Liegenschaften sowie Krankenhäuser und Sanitätspersonal
leistet?

5. Darf schon heute die Polizei bei Bedarf im Rahmen der Amtshilfe tech-
nisch-wissenschaftliche Fähigkeiten der Bundeswehr in Anspruch nehmen?

6. Erlaubt die gegenwärtige Verfassungslage die Unterstützung der Polizei im
Rahmen der Amtshilfe z. B. durch Sprengstoffexperten oder Spezialisten
gegen ABC-Anschläge der Bundeswehr sowie die Inanspruchnahme ent-
sprechender technischer Geräte (z. B. Spürpanzer Fuchs) und Einrichtun-
gen (z. B. wehrtechnische Dienststellen)?

7. Ist die Unterstützung der Polizei im Rahmen der Amtshilfe durch die Bun-
deswehr bei Tätersuchaktionen aus der Luft mit Wärmebildkameras schon
heute rechtlich unbedenklich?

8. Spricht die aktuelle Verfassungslage generell gegen eine Unterstützung
durch die Bundeswehr im Rahmen unmittelbarer Hilfeleistung als Reak-
tion auf einen denkbaren terroristischen Anschlag mit nuklearen, biologi-
schen oder chemischen Einsatzmitteln?

9. Würde die gegenwärtige Verfassungslage bei einer Großschadenslage die
Bereitstellung personeller Ressourcen der Bundeswehr für Bewachung,
Kontrolle und Sicherung erlauben, wenn originäre Sicherheitsorgane damit
überfordert wären?

10. Lässt die heutige Rechtslage die Bereitstellung von Personal und Material
durch die Bundeswehr zur Unterstützung von Führungsfähigkeiten im
Falle besonderer terroristischer Bedrohung bzw. der Bewältigung ihrer
Folgen zu?

11. Darf die Bundeswehr bei aktueller Verfassungslage die Bewachung von
Liegenschaften und kritischer Infrastruktur (z. B. Kernkraftwerke) zur Er-
höhung der Sicherheit übernehmen, wenn diese auf Grund einer besonde-
ren Gefährdungslage nicht anders sichergestellt werden kann?

12. Sollte die Amtshilfe durch die Bundeswehr auf das jetzt durch das Grund-
gesetz erlaubte Maß beschränkt bleiben oder plant die Bundesregierung
eine Verfassungsänderung und einen ausgeweiteten Einsatz der Streitkräfte
im Innern?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3770

13. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung der Bundeswehr im
Rahmen der Katastrophenhilfe (beispielsweise Fluthilfe) ein, und welchen
Stellenwert soll sie nach Ansicht der Bundesregierung zukünftig einneh-
men?

Berlin, den 21. September 2004
Helga Daub
Günther Friedrich Nolting
Jörg van Essen
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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