BT-Drucksache 15/3769

Bundeswehreinsatz in Kunduz und Faisabad

Vom 22. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3769
15. Wahlperiode 22. 09. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Dr. Werner Hoyer, Helga Daub,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Christel Happach-Kasan,
Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Gisela Piltz,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Bundeswehreinsatz in Kunduz und Faisabad

Seit dem 25. Oktober 2003 sind Soldaten der Bundeswehr im Rahmen eines
Provincial Reconstruction Teams (PRT) der Internationalen Sicherheitsunter-
stützungstruppe in Afghanistan (ISAF), in Kunduz und seit dem 1. September
2004 zusätzlich in einem PRT in Faisabad eingesetzt. Während der Deutsche
Bundestag den Einsatz in Kunduz gegen die Stimmen der Fraktion der FDP am
24. Oktober 2003 billigte, wurde auf eine ausdrückliche Mandatierung des PRT
Faisabad verzichtet. Diese Unterlassung der Bundesregierung trägt zumindest
nicht zur Rechtssicherheit der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten bei, zumal
dann nicht, wenn es zu Problemen/Demonstrationen/Ausschreitungen im Ein-
satzgebiet kommt, wie etwa am 7. September 2004 geschehen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum wurde vor der Einrichtung des PRT Faisabad auf eine ausdrückliche

Mandatierung durch den Deutschen Bundestag verzichtet, obwohl sich das
am 25. Oktober 2003 erteilte Mandat konkret auf die Übernahme des US-
geführten PRT in Kunduz bezieht und der Aufbau eines zweiten PRT nicht
genannt ist?

2. Ist die Bundesregierung bestrebt, zukünftig höchstmögliche Rechtssicherheit
für die Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen durch auftragsbezogene
Mandatserteilungen durch den Deutschen Bundestag zu schaffen, z. B. durch
eine eigenständige Mandatserteilung für die deutschen PRT in Afghanistan?

3. Hält die Bundesregierung den Einsatz von rund 250 Soldaten in Kunduz für
ausreichend, um auftragsgerecht dem Personal der Vereinten Nationen und
anderem Zivilpersonal, das dem Wiederaufbau und humanitäre Aufgaben
nachgeht, ein sicheres Umfeld zu gewährleisten?

4. Hält die Bundesregierung den Einsatz von weniger als 100 Soldaten in
Faisabad für ausreichend, um dem Auftrag entsprechend ein sicheres Um-
feld für Wiederaufbau und humanitäres Engagement zu garantieren?

5. Gibt es ausgearbeitete Pläne für eine derartige Unterstützung zu Land bzw.
aus der Luft?

6. Werden Reservekräfte für die PRTs in Termez oder Kabul vorgehalten bzw.
sind Verstärkungen von dort grundsätzlich möglich?

Drucksache 15/3769 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
7. Gibt es Notfallevakuierungspläne für das in Faisabad eingesetzte Bundes-
wehrpersonal und wie schnell kann eine Evakuierung durchgeführt werden?

8. Können die besonderen klimatischen Verhältnisse am Hindukusch Verstär-
kungs- bzw. Rettungseinsätze be- oder gar verhindern?

9. Für welchen Zeitraum werden Versorgungsgüter für das PRT derzeit in
Faisabad bevorratet und auf welchem Wege wird der Ergänzungsbedarf
zugeführt?

10. Sind die in Faisabad eingesetzten Soldaten ausschließlich mit gepanzerten
Fahrzeugen ausgestattet und über welche Bewaffnung verfügen sie?

11. Gibt es in Kunduz bzw. Faisabad spezielle Aufklärungskräfte, die geeignet
und in der Lage sind, die Soldaten der PRTs rechtzeitig vor zu erwartende
Gefahren zu warnen?

12. Wie viele von den in Kunduz und Faisabad eingesetzten Soldaten sind tat-
sächlich – aufgrund ihrer Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung – in der
Lage, aktiv Gefahren abwehren zu können, die sich z. B. aus einer Groß-
demonstration vergleichbar der vom 7. September 2004 ergeben können?

13. Was wurde seitens des PRT Faisabad am 7. September 2004 unternommen,
nachdem es Kenntnis davon erhalten hatte (vor 09.00 Uhr), dass Mullahs
wegen einer angeblichen Vergewaltigung eines afghanischen Mädchens
durch NGO/GO-Angehörige im Rahmen des Morgengebets zu einer De-
monstration aufgerufen hatten?

14. Welche Befehle/Weisungen erteilte das Deutsche Einsatzkontingent in
Kunduz dem PRT in Faisabad bezüglich der zu erwartenden Demonstra-
tion?

15. Wurde eine zeitlich begrenzte Verstärkung des PRT Faisabad angedacht?
16. Wie viel Zeit hätte eine mögliche Verstärkung des PRT um ca. 100 Solda-

ten inklusive Ausrüstung und Bewaffnung benötigt?
17. Was unternahm das PRT Faisabad, nachdem es am 7. September 2004, um

11.05 Uhr, von drei Verletzten NGO/GO-Angehörigen Kenntnis darüber
erhalten hatte, dass diese von Teilnehmern der Demonstration angegriffen
worden waren?

18. Informierte die Führung des PRT Faisabad die Soldaten, die sich außerhalb
der PRT-Liegenschaft befanden, z. B. am Flughafen, über den Demonstra-
tionszug, dessen zumindest teilweise Gewaltbereitschaft, und welche Be-
fehle/Weisungen wurden wann erteilt?

19. Wäre ein Einschreiten der Soldaten des PRT Faisabad geboten gewesen,
als im Rahmen der Demonstration von ca. 1 000 Personen am 7. Septem-
ber 2004 NGO/GO-Angehörige angegriffen und die Gebäude der NGOs
FOCUS und MEDAIR angezündet sowie deren Fahrzeuge zerstört wurden?

20. Bestand für die Bundeswehrsoldaten des PRT Faisabad aufgrund ihrer An-
zahl, Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung eine realistische Chance
eingreifen zu können, ohne sich nicht selbst unverantwortlich zu gefährden?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass gerade die Vorkommnisse
des 7. September 2004 belegen, dass der Einsatz der PRTs Kunduz und
Faisabad in jetziger Form undurchführbar ist?

Berlin, den 21. September 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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