BT-Drucksache 15/3738

Mittelstand entlasten - Neues Formular zur Einnahmenüberschussrechnung zurücknehmen

Vom 22. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3738
15. Wahlperiode 22. 09. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Volker
Wissing, Birgit Homburger, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel
Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Mittelstand entlasten – Neues Formular zur Einnahmenüberschussrechnung
zurücknehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Mit dem Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmen und zur Verbesserung

der Unternehmensfinanzierung vom 31. Juli 2003 wurde u. a. die Umsatz-
grenze, ab der ein gewerblicher Unternehmer buchführungspflichtig ist, von
260 000 Euro auf 350 000 Euro angehoben. Ziel dieser Änderung war, gerade
kleine mittelständische Unternehmen von Bürokratie zu entlasten. Der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 15/537) bemerkt:
„Insbesondere kleine undmittlere Unternehmen und Existenzgründer werden
dadurch überproportional belastet, dass sie bereits bei geringen Einnahmen/
Umsätzen u. a. gegenüber den Finanzbehörden umfassende Aufzeichnungs-
und Erklärungsfristen erfüllen müssen. Vielfach muss bereits zur Erfüllung
der elementaren Buchführungspflichten die Hilfe von Steuerberatern hinzu-
gezogen werden. Die dadurch entstehenden Kosten stehen gerade bei kleinen
und kleinsten Unternehmen häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu
den erzielten Umsätzen. Bürokratische Hürden sind damit ein wesentliches
Hindernis auf dem Weg zu einer erfolgreichen und auch für das Gemein-
wesen nachhaltigen „profitablen“ Geschäftstätigkeit.“
Ebenfalls mit dem Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmen und zur Ver-
besserung der Unternehmensfinanzierung wurde festgelegt, dass nicht buch-
führungspflichtige Unternehmen eine Gewinnermittlung nach amtlich vor-
geschriebenem Vordruck zu erstellen haben. Diese Standardisierung sollte
einen Beitrag zur Steuervereinfachung darstellen und dem Steuerpflichtigen
nicht nur die Erfüllung seiner Erklärungs- und Auskunftspflichten erleich-
tern, sondern auch Nachfragen seitens der Finanzbehörden vermeiden.

Drucksache 15/3738 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der neue amtlich vorgeschriebene Vordruck besteht aus zwei DIN-A4-Seiten
mit 82 Zeilen. Die Anleitung zum Formular umfasst noch einmal fünf DIN-
A4-Seiten.

2. Das neue Formular zur Einnahmeüberschussrechnung verfehlt die genannten
Ziele in eklatanterWeise. Es ist hochkompliziert, für steuerlich nicht beratene
Unternehmer nahezu unverständlich und verlangt zum Teil Aufzeichnungen,
die das Gesetz ausdrücklich nicht vorsieht oder die überflüssig sind. Das gilt
z. B. für viele Unternehmer für die Frage nach einem abweichenden Wirt-
schaftsjahr oder für die Verpflichtung zur Erstellung eines Verzeichnisses der
abnutzbarenWirtschaftsgüter. Diese Verpflichtung gilt nach § 268 Abs. 2 des
Handelsgesetzbuches ausdrücklich nur für buchführungspflichtige Kauf-
leute.
In der Anleitung zum Vordruck für die Einnahmeüberschussrechnung wird
der Unternehmer auf die vielen für ihn geltenden Vorschriften hingewiesen.
Für den steuerlich nicht vorgebildeten Unternehmer, der nach Auffassung der
Bundesregierung zur Ausfüllung des Formulars keinen Steuerberater benö-
tigt (Bundestagsdrucksache 15/2920, Antwort zur Frage 5), ist diese An-
leitung in keiner Weise behilflich. Vereinfachend im Sinne der Zielsetzung
des Gesetzgebers wäre es gewesen, dem Unternehmer klar zu sagen, was er
aufzuzeichnen hat. Zwar kann kein Steuerpflichtiger einen Verstoß gegen
Vorschriften mit deren Unkenntnis begründen, tatsächlich ist unser hochkom-
pliziertes Steuerrecht dem Laien aber nicht mehr vermittelbar. Gerade aus
diesemGrund sollte das neue Formular eine Erleichterung für die betroffenen
Unternehmen sein. Dieses vom Gesetzgeber ausdrücklich formulierte Ziel
hat die Finanzverwaltung gründlich verfehlt. Die Unternehmer sind faktisch
zur Buchführung und damit zur Einschaltung eines Steuerberaters gezwun-
gen. Das ist mit zum Teil hohen Kosten verbunden. Angesichts der auf
Rekordniveau verharrenden Arbeitslosigkeit, dringend notwendiger Exis-
tenzgründungen und einer großen Zahl von Insolvenzen hat die Finanzver-
waltung mit dem Bundesfinanzministerium an der Spitze hier ein völlig fal-
sches Signal gesetzt.

3. Die Bundesregierung betont in ihrer Antwort auf dieKleineAnfrage der Frak-
tion der FDP (Bundestagsdrucksache 15/2920), dass der Gesetzgeber neben
der Steuervereinfachung zumindest gleichberechtigt eine ökonomischere und
effizientere Steuerkontrolle schaffenwollte. Er sei zwar bereit gewesen, durch
Anhebung der Buchführungspflichtgrenzen eine Vielzahl von Steuerpflich-
tigen aus der Buchführungspflicht zu entlassen. Nach Auffassung der Bun-
desregierung musste jedoch im Interesse der Steuergerechtigkeit darauf
geachtet werden, dass die Einnahmeüberschussrechnung „einen ausreichen-
den Standard an Transparenz und Kontrollmöglichkeiten“ bietet.
Diese Auffassung widerspricht dem Willen des Gesetzgebers. Er wollte mit
der Ermächtigung zur Standardisierung der Einnahmeüberschussrechnung
nicht die Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung verbessern, sondern
ausschließlich das Steuerrecht vereinfachen und kleinere und mittlere Unter-
nehmen entlasten. Das geht eindeutig aus demBericht des Finanzausschusses
zum Kleinunternehmerförderungsgesetz (Bundestagsdrucksache 15/1042)
hervor.
Diese Absicht des Gesetzgebers hat die Verwaltung mit dem neuen Formular
missachtet. Zwar ist die Schaffung ausreichender Kontrollmöglichkeiten
sinnvoll und zur Sicherung des Steueraufkommens in gewissen Grenzen not-
wendig. Beides spielte aber im Gesetzgebungsverfahren zum Kleinunterneh-
merförderungsgesetz keine Rolle. Die Anhebung der Buchführungsgrenzen
für kleinere Unternehmen sowie die vereinfachte Standardisierung der Ein-
nahmeüberschussrechnung sollten ausschließlich Erleichterungen für die
betroffenen Unternehmen bringen. Der Gesetzgeber wollte nicht die Arbeit

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3738

der Finanzverwaltung erleichtern. Darüber hat sich die Finanzverwaltung
bzw. das Bundesfinanzministerium hinweggesetzt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
das neue Formular zur Einnahmeüberschussrechnung unverzüglich ersatzlos zu-
rückzunehmen.

Berlin, den 22. September 2004
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Volker Wissing
Birgit Homburger
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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