BT-Drucksache 15/3698

Strafbarkeit von Mitgliedern in den Gemeindevertretungen bei der Mandatsausübung

Vom 13. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3698
15. Wahlperiode 13. 09. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Piltz, Jörg van Essen, Rainer Funke,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Strafbarkeit von Mitgliedern in den Gemeindevertretungen
bei der Mandatsausübung

Der Bundesgesetzgeber hat 1994 den Straftatbestand der Abgeordneten-
bestechung (§ 108e Strafgesetzbuch, StGB) eingeführt. Danach macht sich ein
Abgeordneter strafbar, wenn er für ein bestimmtes Stimmverhalten einen Vorteil
als Gegenleistung erhält. Das strafwürdige Unrecht der Abgeordnetenbeste-
chung besteht in der unlauteren Einflussnahme auf den demokratischen Prozess.
Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei Abgeordneten des Deutschen
Bundestages und der Landtage nicht um Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2
StGB, somit ist für sie eine Strafbarkeit nach den §§ 331 ff. StGB wegen Be-
stechlichkeit und Vorteilsannahme ausgeschlossen. § 108e StGB stellt insoweit
eine abschließende Regelung für Abgeordnete dar.
Der Gesetzgeber ging seinerzeit davon aus, dass diese Vorschrift auch für kom-
munale Mandatsträger gilt. Fraglich ist jedoch, ob bei Mitgliedern der Gemein-
devertretungen kumulativ neben § 108e StGB auch die Anwendbarkeit der
§§ 331 ff. StGB bejaht werden kann. Dies ist abhängig von der Frage, ob es sich
bei den Mitgliedern der Gemeindevertretungen um Amtsträger handelt oder
nicht. Gemeinderatsmitglieder sind nach Meinung von Teilen der Recht-
sprechung Amtsträger (LG Krefeld vom 14. März 1994, NJW 1994, 2036; AG
Wuppertal – 12 Ls 835 Js 79/01), da deren Tätigkeit im Gegensatz zu der des
Abgeordneten vorwiegend auf die Erledigung konkreter Verwaltungsaufgaben
gerichtet sei. Konsequenz dieser Auffassung ist eine mögliche Strafbarkeit nach
den §§ 331 ff. StGB mit einem deutlich weiteren Anwendungsbereich als dem
des restriktiven § 108e StGB und ein teilweise erhöhtes Strafmaß. Dagegen
existieren Meinungen, Mitglieder der Gemeindevertretungen seien keine Amts-
träger, vielmehr hätten diese aufgrund ihrer Wahl, Funktion und Beschlussfas-
sung eine abgeordnetenähnliche Funktion innerhalb der Gemeinden.
Die gegenüber § 331 StGB restriktivere Fassung des § 108e StGB wurde vom
Bundesgesetzgeber damit begründet, dass die Interessenwahrnehmung auch in-
nerhalb des Parlaments Bestandteil des politischen Kräftespiels sei und man
vom Abgeordneten nicht verlangen könne, dass sie – wie Beamte und Richter –
stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen ihr Mandat ausüben.
Dies gilt für Mandatsträger auf Bundes- und Landesebene gleichermaßen wie
für kommunale Mandatsträger. Für alle gilt der Grundsatz des freien Mandats.
Soweit die Straftatbestände der Vorteilannahme und der Bestechlichkeit auch
auf Gemeinderatsmitglieder Anwendung finden, ist die Grenzziehung zwischen
der repräsentativen Mandatsausübung und einem strafrechtlich vorwerfbaren

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Verhalten im Einzelfall äußerst schwierig. Für viele Ratsmitglieder führt diese
Grauzone zu einer großen Rechtsunsicherheit bei der Ausübung ihres Mandats.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des LG Krefeld vom 14. März

1994 (NJW 1994, 2036), dass die Mitglieder von Gemeindevertretungen
Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind?

2. Hält die Bundesregierung eine Klarstellung des Amtsträgerbegriffs in § 11
Abs. 1 Nr. 2 StGB im Hinblick auf Mitglieder von Gemeindevertretungen für
notwendig?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch gewählte Mitglieder der
Gemeinderäte von dem Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung gemäß
des § 108e StGB abschließend erfasst sind?

4. Werden vom Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung gemäß § 108e
StGB auch die in die Ausschussarbeit hinzugezogenen Bürger (sachkundige
Bürger/beratend hinzugezogene Bürger) erfasst?

5. Geht die Bundesregierung davon aus, dass sich die Straftatbestände § 108e
StGB und §§ 331 ff. StGB grundsätzlich ausschließen?

6. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Grenze, die zwischen der
zulässigen Interessenwahrnehmung bei der Ausübung desMandats und straf-
barer Korruption für einen Abgeordneten allein nach § 108e StGB zu bewer-
ten ist, auch für die Mitglieder der Gemeindevertretungen gilt?

7. Wie ist nach Auffassung der Bundesregierung, für den Fall, dass die
§§ 331 ff. StGB auch auf Gemeinderatsmitglieder Anwendung finden soll-
ten, die Arbeitsfähigkeit der gemeindlichen Vertretungen zu gewährleisten,
ohne dass bei der Interessenvertretung von Gemeinderatsmitgliedern bei
der Mandatsausübung strafbares Verhalten z. B. durch sog. Ansehens-
mehrung vorliegt?

8. Bewahrt eine Genehmigung gemäß § 331 Abs. 3 StGB kommunale Man-
datsträger vor Strafverfolgung bei der Mandatsausübung?
Wenn ja, besteht nach Ansicht der Bundesregierung dann die Gefahr, dass die
zuständige Behörde, die die Genehmigung erteilt, ihren Ermessensspielraum
aus politischenMotiven missbrauchen könnte, und sind der Bundesregierung
solche Fälle bekannt?

Berlin, den 13. September 2004
Gisela Piltz
Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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