BT-Drucksache 15/369

Finanzplatz Frankfurt stärken

Vom 29. Januar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/369
15. Wahlperiode 29. 01. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig Thiele, Daniel Bahr (Münster), Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Markus Löning, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr,
Gisela Piltz, Marita Sehn, Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Finanzplatz Frankfurt stärken

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Finanzplatz Deutschland mit seinem Zentrum Frankfurt unterliegt infolge
der Globalisierung und der rasanten Entwicklung der internationalen Finanz-
märkte einem ständigen starken Wettbewerbsdruck. Politik und Wirtschaft sind
gefordert, laufend die Rahmenbedingungen zu überprüfen und ggf. zu verbes-
sern, um eine optimale Entwicklung zu gewährleisten. Das Finanzzentrum
Frankfurt muss gestärkt werden, weil andernfalls der Finanzplatz Deutschland
international zurückfällt.
Auswirkungen auf den Finanzplatz haben nicht nur die unmittelbaren recht-
lichen Rahmenbedingungen, die von nationaler Gesetzgebung und euro-
päischer Richtliniengebung geprägt sind. Eine wichtige Rolle spielt auch die
Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft als Grundlage für die Entscheidungen
nationaler wie internationaler Investoren.
1. Die wirtschaftliche Entwicklung mit steigenden Arbeitslosenzahlen, zuneh-

menden Insolvenzen, stagnierenden Wachstumsdaten, steigender Staatsver-
schuldung und hoher Steuer- und Abgabenbelastung ist schlecht. Sie wird
begleitet von einer zähen Diskussion um die Reform der sozialen Siche-
rungssysteme und die Regulierungsdichte auf dem Arbeitsmarkt. Die Folgen
sind ausbleibende Investitionen, rückläufiger Konsum, mehr Insolvenzen
und weniger Unternehmensneugründungen. Dieses Umfeld belastet auch
den Finanzplatz Frankfurt, das Vertrauen in den Standort Deutschland sinkt.
Dazu trägt auch die immer unberechenbarere deutsche Steuerpolitik bei.
Zwar wurden z. B. Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaf-
ten steuerfrei gestellt. Die jüngsten Steuerpläne der Bundesregierung mit der
Abschaffung des Bankgeheimnisses, der Diskriminierung ausländischer
Investmentfonds oder den geplanten Steuererhöhungen für Unternehmen
haben in- und ausländische Investoren erneut verunsichert. Sollten sie Reali-
tät werden, dürfte weiteres Kapital aus Deutschland abfließen.

Drucksache 15/369 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Fehler der Politik und die strukturellen Probleme der Wirtschaft sind mit ur-
sächlich für die stagnierende Konjunktur und tragen so mit zur schlechten
Stimmung an den Finanzmärkten bei.

2. Die unmittelbaren rechtlichen Rahmenbedingungen des Finanzmarktes wur-
den in den letzten Jahren insbesondere durch vier Finanzmarktförderungsge-
setze laufend verbessert und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit
des Finanzplatzes gestärkt. Wichtige Änderungen waren zuletzt die Schaf-
fung einer zentralen Aufsichtsbehörde, die Verbesserung des Anlegerschut-
zes, die Ausweitung der Anlagemöglichkeiten für Kapitalanlagegesellschaf-
ten und verschiedene Deregulierungen.
Allerdings gibt es noch erheblichen Handlungsbedarf. So ist die Börsenauf-
sicht immer noch auf Bund, Länder und die Börsen aufgespalten. Das ist an-
gesichts der Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
einerseits und der international immer mehr zusammenwachsenden Finanz-
märkte andererseits wenig effektiv und daher nicht mehr zeitgemäß. Die
Aufsicht sollte – wie international üblich – zusammengefasst werden. Dage-
gen sprechen die geltenden förderalen Strukturen, die Aufsicht über die ver-
schiedenen Wertpapierbörsen obliegt den Ländern. Bund und Länder sollten
gemeinsam die entsprechenden grundgesetzlichen Regelungen überprüfen.

3. Wichtig für die Bedeutung eines Finanzplatzes bzw. Kapitalmarktes im in-
ternationalen Vergleich sind die Berechenbarkeit und Stabilität der politi-
schen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Neben der
Stärke der Volkswirtschaft allgemein gehören dazu ein maßvolles Abgaben-
niveau, ein flexibles und einfaches Arbeitsrecht, ein einfaches Steuerrecht
mit niedrigen Steuersätzen und verlässliche kapitalmarktrechtliche Regelun-
gen.
Hierzu passt nicht die derzeit geplante Wertzuwachssteuer, mit der auch in
der Vergangenheit entstandene Gewinne belastet werden sollen. Zu vermei-
den ist die Doppelbesteuerung von Veräußerungsgewinnen auf der Invest-
mentfondsebene einerseits sowie beim Anteilscheininhaber andererseits.

4. Das Vertrauen der Investoren in den Finanzplatz Frankfurt hängt nicht zu-
letzt davon ab, dass es eine funktionierende Aufsicht und eine effektive Ver-
folgung von Finanzmarktdelikten bzw. Wirtschaftskriminalität gibt. Aus die-
sem Grund ist zu überlegen, ob für diese Delikte nicht die zentrale Zustän-
digkeit einer Zentralstaatsanwaltschaft mit Sitz in Frankfurt geschaffen wer-
den sollte. Auch hier muss die föderale Ordnung ggf. überprüft werden.
Bund und Länder sollten diese Überprüfung unvoreingenommen vorneh-
men.

5. Die Bedeutung des Finanzplatzes für die Finanzierung der Volkswirtschaft
wird steigen. Das gilt angesichts der demografischen Entwicklung für die
Anlagemärkte der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Der Markt für
Banken und Kapitalsammelstellen, für Rating-Agenturen und Beratungsun-
ternehmen wird expandieren. Aufgabe der Politik ist es, die staatliche Förde-
rung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge deutlich zu vereinfachen.
Das staatliche Angebot wird wegen unübersichtlicher Regelungen und nur
schlecht einzuschätzender Renditeaussichten noch zu wenig angenommen.
Zusätzlich wird sich auch die Unternehmensfinanzierung verändern. Nicht
zuletzt die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel II) bedeuten
für viele Unternehmen die stärkere Umstellung von der Kreditfinanzierung
auf andere Finanzierungsformen. Hier bieten sich für den Finanzplatz
Frankfurt viele Chancen. Der Staat ist aufgefordert, insbesondere durch eine
maßvolle Steuerpolitik die Bildung von Eigenkapital in den Unternehmen zu
erleichtern.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/369

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag erkennt die Bedeutung eines international wettbe-

werbsfähigen Finanzplatzes an. Er wird die Rolle Frankfurts als Finanzzent-
rum Deutschlands weiter stärken.

2. Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung, zusammen mit den
Ländern zu prüfen, ob eine gemeinsame Bund-Länder-Aufsichtsbehörde für
die Finanzmärkte geschaffen und mit der Bundesbank zusammengefasst
werden kann. Sie sollte Außenstellen an den Börsenplätzen der Länder ha-
ben.

3. Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung, zusammen mit den
Ländern zu überprüfen, ob eine zentrale Börsenstaatsanwaltschaft für Wirt-
schaftskriminalität mit Sitz in Frankfurt der Verbesserung des Vertrauens in
den Kapitalmarkt Deutschland und der Effektivität des Finanzplatzes Frank-
furt dient.

4. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, umgehend Ge-
setzentwürfe für die Vereinfachung der privaten und betrieblichen Altersvor-
sorge vorzulegen.

5. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, Konzepte für die
Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Reform der sozialen Sicherungssys-
teme sowie für ein einfaches Steuerrecht mit niedrigen Tarifen vorzulegen,
damit internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden kann.

Berlin, den 28. Januar 2003
Dr. Hermann Otto Solms
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Andreas Pinkwart
Carl-Ludwig Thiele
Daniel Bahr (Münster)
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.