BT-Drucksache 15/3553

Folgen der jüngsten Anschläge in der Region Kundus für den Einsatz deuscher Militär- und Zivilkräfte

Vom 30. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3553
15. Wahlperiode 30. 06. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Löning, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Otto Fricke, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Folgen der jüngsten Anschläge in der Region Kundus für den Einsatz
deutscher Militär- und Zivilkräfte

Am 24. Oktober 2003 haben die Koalitionsfraktionen von SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion die
Fortsetzung der deutschen Beteiligung an ISAF und die Erweiterung des Einsat-
zes auf die Region Kundus mit einer Befristung bis zum 13. Oktober 2004 be-
schlossen. Die Kosten für den Einsatz der Bundeswehr in Kundus wurden für
den Zeitraum von zwölf Monaten mit 77 Mio. Euro veranschlagt, zusätzlich
wurden 33 Mio. Euro für entwicklungspolitische Maßnahmen beschlossen.
Erklärtes Ziel der Bundesregierung war eine sich selbst tragende Stabilität bei
sichtbarer und fortschreitender Demokratisierung des Landes. Die Präsenz deut-
scher Soldaten sollte eine „Atmosphäre der Sicherheit“ in der Region schaffen.
Die FDP hat als einzige Fraktion imDeutschen Bundestag demMandat nicht zu-
gestimmt, da sie den Einsatz von vereinzelten Provincial Reconstruction Teams
(PRTs) als nicht ausreichend ansieht. Nur eine gemeinsame Anstrengung der
Weltgemeinschaft und vor allem von NATO und europäischen Partnern kann
Afghanistan wirklich stabilisieren.
Außerdem müssen die Soldaten – denen es ausdrücklich verboten ist, bei der
Drogenbekämpfung tätig zu werden – dem Anbau und der Verarbeitung von
Schlafmohn und dem Handel mit Opium und Heroin tatenlos zuschauen. Letzt-
lich nutzt die Stabilisierung der Region natürlich auch der Drogenmafia.
Nach dem Anschlag auf „Ärzte ohne Grenzen“ mit vier Toten, demMassaker an
elf chinesischen Aufbauhelfern und dem Anschlag auf den Bundeswehrkonvoi
mit weiteren vier Toten stellt sich die Frage nach der Sicherheitslage unserer
Soldaten und der Zukunft der Arbeit in Kundus.

Drucksache 15/3553 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung die Sicherheit unserer Soldaten in der Re-

gion Kundus unter Berücksichtigung der jüngsten Anschläge auf Bundes-
wehr und Zivilpersonal ein?

2. An wie vielen Standorten ist die Bundeswehr zurzeit tätig?
3. Haben die jüngsten Anschläge Einfluss auf die Planungen für den Standort

Faizabad?
4. Wie viele zivile Helfer, auch als Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisa-

tionen (NRO) und internationalen Organisationen, sind zurzeit in der Pro-
vinz Kundus tätig?

5. Wie schätzt die Bundesregierung die Sicherheit dieser zivilen Helfer ein?
6. Hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Ärzte ohne Grenzen

seine Mitarbeiter abgezogen hat Erkenntnisse, dass andere NRO ihre Mit-
arbeiter ebenfalls abziehen oder abziehen wollen?

7. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass die Taliban sich auf-
grundmangelnden Verfolgungsdrucks reorganisieren und neue Kämpfer an-
werben konnten?

8. Wie viele Anhänger der Taliban und weiterer gewaltbereiter Gruppierungen
sind nach Erkenntnis der Bundesregierung in der Region aktiv?

9. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über Allianzen verschiedener
Gruppierungen vor?

10. Erwägt die Bundesregierung einen Rückzug der Bundeswehr aus Kundus?
11. Wie schätzt die Bundesregierung die politischen Auswirkungen eines sol-

chen Rückzuges für Afghanistan ein?
12. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen eines Rückzuges für die

Glaubwürdigkeit der Hilfe- und Aufbauzusagen der Weltgemeinschaft ein?
13. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen eines Rückzuges auf

den weiteren Aufbau der Region ein?
14. Ist die Durchführung demokratischer Wahlen in Afghanistan bei der derzei-

tigen Sicherheitslage realistisch?
15. Wenn nein, was tut die Bundesregierung, um eine Sicherheitslage herzustel-

len, die die Durchführung der Wahlen ermöglicht?
16. Wann werden weitere PRTs in Afghanistan aufgebaut, wie dies von unseren

NATO-Partnern mehrfach zugesagt wurde?
17. Was hat die Bundesregierung getan, um die Zusagen unserer Partner einzu-

fordern und damit die Situation in Afghanistan weiter zu stabilisieren?
18. Hat die Bundesregierung die EU-Partner gebeten und aufgefordert, sich zu

beteiligen?
19. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
20. Gibt es Absprachen oder Abmachungen zwischen der Bundeswehr und den

örtlichen Machthabern hinsichtlich der Bekämpfung des Terrors und der
Sicherheit unserer Soldaten?

21. Wenn nein, warum nicht?
22. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, inwieweit die im Oktober

anstehenden Wahlen durch terroristische Anschläge gestört werden sollen?
23. Wenn ja, wie wird die Bundesregierung darauf reagieren?
24. Ist die Bundeswehr derzeitig in der Lage, den Wahlhelfern ausreichend

Schutz vor Gewalttaten zu bieten?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3553

25. Wenn nein, wie will sie das bis zu den Wahlen erreichen?
26. Ist die Bundeswehr derzeitig in der Lage, die Zielsetzung einer sich selbst

tragenden Stabilität bei sichtbarer und fortschreitender Demokratisierung zu
gewährleisten?

27. Gibt es Statistiken darüber, wie viele von den zivilen und militärischen Auf-
bauhelfern unterstützte Projekte (Brunnen, Straßen etc.) bereits wieder zer-
stört, funktionsunfähig oder in den Händen von Taliban oder ähnlichen
Gruppierungen sind?

28. Ist angesichts der geänderten Sicherheitslage der geplante Kostenrahmen
eingehalten worden?

29. Findet angesichts der Sicherheitslage die Hilfe beim Aufbau wie geplant
statt?

30. Hat die massive Zunahme des Drogenanbaus aus Sicht der Bundesregierung
etwas mit der Stabilisierung der Region durch die Bundeswehr zu tun?

31. Gibt es eine Zusammenarbeit mit der tadschikischen Regierung, um die
afghanisch-tadschikische Grenze besser zu sichern und dem Drogenhandel
diesen Weg zu versperren?

32. Wenn ja, wie sieht diese Kooperation aus?
33. Wenn nein, warum gibt es keine Zusammenarbeit?
34. Gibt es Kooperationen mit anderen Nachbarn Afghanistans, um den Dro-

genhandel zu unterbinden?
35. Wenn ja, wie sieht diese Kooperation aus und mit welchen Ländern wird sie

durchgeführt?
36. Hatte die Bundesregierung vor den verschiedenen Anschlägen Hinweise auf

geplante Anschläge?
37. Wenn ja, wurden die zivilen Aufbaukräfte gewarnt?
38. Wenn keine Hinweise vorlagen, wie will die Bundesregierung die Informa-

tionslage verbessern?
39. Wie schnell werden die Vereinbarungen, die auf demNATO-Gipfel in Istan-

bul bezüglich der Sicherheit und des Wiederaufbaus Afghanistans getroffen
worden sind, umgesetzt?

40. Gibt es darüber hinaus ernsthafte zusätzliche Überlegungen, in welchem
Rahmen andere Länder in Afghanistan in Zukunft tätig werden?

Berlin, den 29. Juni 2004
Markus Löning
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Otto Fricke
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)

Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt
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