BT-Drucksache 15/3246

Kennzeichnungspflicht bei Fermentationsprodukten von gentechnisch veränderten Mikroorganismen

Vom 26. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3246
15. Wahlperiode 26. 05. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Rainer Funke, Klaus Haupt,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel,
Eberhard Otto (Godern), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Kennzeichnungspflicht bei Fermentationsprodukten von gentechnisch
veränderten Mikroorganismen

Seit dem 18. April 2004 müssen in der EU Lebensmittel als genetisch verän-
dert gekennzeichnet werden, die nach dem 18. April produziert wurden und
aus genetisch veränderten Organismen (GVO) hergestellt oder Zutaten ent-
halten, die aus GVO hergestellt wurden. Für zufällige Beimengungen besteht
ein Schwellenwert von 0,9 %. Das Gentechnikdurchführungsgesetz bestimmt
den Strafrahmen, mit dem Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht geahn-
det werden. Dieser Strafrahmen ist mit der Androhung von bis zu 5 Jahren
Freiheitsstrafe und 50 000 Euro Strafgeld gegenüber dem des Lebensmittel-
und Bedarfsgegenständegesetzes, das die Kennzeichnungspflicht bei den
übrigen Lebensmitteln regelt, wie z. B. Angaben über den Gehalt des Sucht-
mittels Alkohol, deutlich verschärft. Auch Fahrlässigkeit ist strafbar.
Die Verordnung (EG) Nr. 1829 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futter-
mittel bestimmt im Abwägungspunkt 16: ,Diese Verordnung sollte Lebensmit-
tel und Futtermittel abdecken, die „aus“ einem GVO, jedoch nicht solche, die
„mit“ einem GVO hergestellt sind. Entscheidend dabei ist, ob das Lebensmittel
oder Futtermittel einen aus dem genetisch veränderten Ausgangsmaterial her-
gestellten Stoff enthält. …‘ Es ist in der EU und in Deutschland sehr umstritten,
wie dieser Sachverhalt zu bewerten ist. Dies bedeutet für die Unternehmen in
Deutschland eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Fest steht dagegen, dass
tierische Produkte nicht gekennzeichnet werden müssen. Der Abwägungspunkt
16 stellt heraus, dass „Produkte, welche aus Tieren gewonnen worden sind, die
mit genetisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden oder mit genetisch
veränderten Arzneimitteln behandelt wurden“, nicht gekennzeichnet werden
müssen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welchem Umfang und seit wann werden in Deutschland Zusatzstoffe wie

Vitamine, Aromastoffe, Enzyme, etc., die mit genetisch veränderten Mikro-
organismen hergestellt wurden, in der Lebens- und Futtermittelproduktion
verwendet?

Drucksache 15/3246 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
2. Gibt es Zusatzstoffe, die inzwischen überwiegend mit genetisch veränder-
ten Mikroorganismen hergestellt werden, und wenn ja, welche?

3. Welche genetisch veränderten Mikroorganismen sind für die Produktion
von Zusatzstoffen für die Lebens- und Futtermittelproduktion zugelassen?

4. Gibt es bei den Zusatzstoffen Unterschiede zwischen denen, die mit gene-
tisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden, und denen, die mit
den herkömmlichen Methoden hergestellt wurden, und wenn ja, welche?

5. In welchem Umfang wird in der EU/in Deutschland bei der Käseproduk-
tion Chymosin, das mit genetisch veränderten Mikroorganismen produziert
wurde, als Alternative zum herkömmlich produzierten Labferment ver-
wendet?

6. Mit welchem herkömmlichen Verfahren wird Labferment produziert und
welche Hygiene- und Gesundheitsrisiken bestehen?

7. Trifft es zu, dass durch das Verbot der Verfütterung von Tiermehlen an
Schweine und Geflügel, für deren artgerechte Fütterung tierisches Eiweiß
erforderlich ist, der vermehrte Zusatz von Vitaminen zum Tierfutter erfor-
derlich wurde, und wenn ja, welche Vitamine müssen ergänzt werden?

8. In welcher Weise müssen Arzneimittel, die fermentativ mit genetisch ver-
änderten Mikroorganismen hergestellt wurden, gekennzeichnet werden?

9. Trifft es zu, dass die Bundesregierung die Kennzeichnung von Zutaten als
genetisch verändert einfordert, die fermentativ „mit“ einem GVO herge-
stellt wurden, obwohl dies dem Abwägungspunkt 16 der Verordnung (EG)
Nr. 1829/2003 widerspricht, und wenn ja, mit welcher Begründung?

10. Wie wird der Abwägungsgrund 16 der oben genannten Verordnung von der
EU-Kommission interpretiert?

11. Wird die Bundesregierung sich gegebenenfalls der Meinung der EU-Kom-
mission anschließen oder beharrt sie auf ihrer Rechtsmeinung?

12. Verlangt die Bundesregierung bei Importen von Lebens- und Futtermitteln,
die Zutaten enthalten, die mit genetisch veränderten Mikroorganismen,
hergestellt wurden, ebenfalls eine Kennzeichnung sowie die Zulassung der
bei der Produktion verwendeten Mikroorganismen, und wenn ja, wie soll
dies durchgesetzt werden?

13. Warum sollten Zusatzstoffe als genetisch verändert gekennzeichnet wer-
den, obwohl nur der Mikroorganismus, mit dem der Zusatzstoff hergestellt
wurde und der im Produkt selbst nicht erhalten ist, genetisch verändert ist?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass dies eine Irreführung ist?

Berlin, den 26. Mai 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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