BT-Drucksache 15/3240

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen

Vom 27. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3240
15. Wahlperiode 27. 05. 2004

Antrag
der Abgeordneten Rainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Daniel Bahr
(Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt,
Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Eberhard Otto (Godern), Gisela
Piltz, Dr. HermannOtto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit
computerimplementierter Erfindungen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit Schreiben vom22. Februar 2002 hat dieKommission demEuropäischenPar-
lament gemäß Artikel 251 Abs. 2 und Artikel 95 des EG-Vertrags den Vorschlag
für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Paten-
tierbarkeit computerimplementierter Erfindungen“ (KOM(2002)92 – 2002/0047
(COD)) unterbreitet. Dieser Entwurf wies gravierendeMängel auf, denn er hätte
imWesentlichen die rechtlich fragwürdige Praxis des Europäischen Patentamtes
kodifiziert, auf deren Grundlage in den letzten Jahren zahlreiche triviale und
breite Patente auf Algorithmen und Geschäftsmethoden erteilt worden sind.
Software soll laut Artikel 10 des “Agreement on Trade-Related Aspects of Intel-
lectual Property Rights” (TRIPs) nach den Regeln des Urheberrechts geschützt
werden. Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen wird durch
die Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz
von Computerprogrammen (ABl. Nr. L 122, S. 42 ff.) gewährleistet, deren Vor-
gaben in Deutschland durch die §§ 69a ff. des Urheberrechtsgesetzes umgesetzt
worden sind. Ein patentrechtlicher Ideenschutz ist mit dem durch das Urheber-
rechtsgesetz gewährten Formenschutz schwer vereinbar. Computerprogramme
sind dementsprechend nach den geltenden Bestimmungen des Europäischen Pa-
tentübereinkommens (EPÜ) „als solche“ (ebenso wie Geschäftsmodelle) von
der Patentierbarkeit ausgenommen. Das deutsche Recht enthält in Übereinstim-
mung mit dem EPÜ eine entsprechende Bestimmung in § 1 Abs. 2 und 3 des Pa-
tentgesetzes (PatG). An diesen Grundsätzen ist unbedingt festzuhalten.
Das Europäische Parlament hat nach intensiven und kontroversen Beratungen
im September 2003 einen Richtlinienentwurf in erster Lesung gebilligt, der auf-
grund zahlreicher Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der
Kommission einen sachgerechten Kompromiss darstellt. Die Änderungsanträge
des Europäischen Parlaments betreffen insbesondere die Bekräftigung der Pu-

Drucksache 15/3240 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
blikationsfreiheit, die Absicherung der Interoperationsfreiheit, die Definition
der von Artikel 27 TRIPs vorgegebenen Schlüsselbegriffe „Technik“ und „In-
dustrie“, sowie die Klarstellung, dass die Datenverarbeitung kein „Gebiet der
Technik“ im Sinne von Artikel 27 TRIPs ist. Außerdem ist in der Richtlinie nach
dem Willen des Europäischen Parlaments zu definieren, dass mit dem Begriff
„computerimplementierte Erfindung“ Erfindungen im Sinne des Patentrechts
gemeint sind, bei denen der Computer nur ein Mittel zur Implementierung ist
und die eigentliche Leistung auf dem Gebiet der Technik (d. h. der angewandten
Naturwissenschaft) liegt.
Die Arbeitsgruppe des Rates hat im Januar 2004 unter der Bezeichnung „Kom-
promissvorschlag der Präsidentschaft“ einen eigenen Entwurf vorgelegt, der das
Votum des Europäischen Parlaments zurückweist und auf die genannten not-
wendigen Elemente verzichtet. Im Gegensatz zur Version des Europäischen Par-
laments erlaubt die Version des Rates deshalb eine unbegrenzte Patentierbarkeit
und Patentdurchsetzbarkeit in Bezug auf Software. Der Entwurf des Rates fällt
damit weit hinter den vom Parlament gebilligten Kompromiss zurück und wird
den Anforderungen, die an den Regelungsgehalt der Richtlinie zu stellen sind,
deshalb nicht gerecht.
Die Bundesregierung hat sich in der Sitzung des Ministerrates am 18. Mai 2004
entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigungen gegen den Entwurf des Euro-
päischen Parlaments ausgesprochen und den Vorschlag der Ratspräsidentschaft
unterstützt. Dieser Meinungswechsel hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der
Vorschlag der Ratspräsidentschaft im Ministerrat beschlossen wurde. Das Vo-
tum der Bundesregierung stellt eine wettbewerbs- und wirtschaftspolitische
Fehlentscheidung dar, die der Deutsche Bundestag missbilligt.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
im weiteren Verfahren zur Verabschiedung der „Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter
Erfindungen“ ihre Entscheidung vom 18. Mai 2004 für den Vorschlag der Rats-
präsidentschaft zu revidieren und in der Frage der Grenzen der Patentierbarkeit
von Computerprogrammen stattdessen die Position des Europäischen Parla-
ments, wie sie sich aus dessen Abstimmungsergebnis vom 24. September 2003
ergibt, vollinhaltlich zu unterstützen.

Berlin, den 26. Mai 2004
Rainer Funke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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