BT-Drucksache 15/3110

Vereinbarkeit von EU-Fischereipolitik und Arten- sowie Tierschutz von Schweinswalbeständen in der Ostsee

Vom 5. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3110
15. Wahlperiode 05. 05. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Daniel
Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto
(Godern), Cornelia Pieper, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Vereinbarkeit von EU-Fischereipolitik und Arten- sowie Tierschutz
von Schweinswalbeständen in der Ostsee

Der Schweinswal (oder „Kleine Tümmler“) ist die einzige in deutschen Meeren
beheimatete Walart. Mit einer Körpergröße von nur 1,40 bis 1,80 m gehört der
Schweinswal zu den Kleinwalen. Schweinswale galten in der Vergangenheit
sowohl in der deutschen Nord- als auch in der Ostsee bis in die vierziger Jahre
des vergangenen Jahrhunderts hinein als häufig. Die intensive „Schweinsfisch-
jagd“ besonders im Kleinen und Großen Belt der Ostsee ließ die Schweins-
walpopulation bis 1970 stark schrumpfen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden pro
Saison bis zu 2000 Schweinswale in der westlichen Ostsee erlegt, um sie als
Tran- und Fleischlieferanten zu nutzen. Nach 1970 waren die Schweinswale in
Nord- und Ostsee fast völlig verschwunden.
Ab 2008 ist die Treibnetzfischerei in der Ostsee verboten. Dies dient dem
Schutz der Schweinswale, deren Bestand in der Ostsee bedroht ist. Experten
schätzen den Bestand in der Ostsee auf nur noch wenige hundert Tiere. Auf der
Tagung der ASCOBANS-Vertragsstaaten im polnischen Jastrzebia Gora (vom
29. April 2004) zeigten die Regierungen der Vertragsstaaten nach Einschätzung
von Umweltorganisationen nur ungenügend einen politischen Willen, die
Schweinswale der Ostsee zu schützen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Maßnahmen wurden anlässlich der in diesen Tagen im polnischen

Jastrzebia Gora abgehaltenen Walschutz-Tagung für die Nord- und Ostsee
(ASCOBANS) zum nachhaltigen Schutz der Schweinswale, besonders in
der Ostsee beschlossen?

2. Wie viele Schweinswale gibt es zur Zeit in der Ostsee und wie hat sich der
Bestand der Schweinswale in den letzten Jahrzehnten entwickelt?

3. Ist der Schweinswalbestand in der Ostsee völlig isoliert von dem mehrere
hunderttausend Individuen umfassenden Bestand der Schweinswale in der
Nordsee oder findet ein Austausch statt?

4. Gibt es Untersuchungen z. B. durch vergleichende Schädelmessungen beim
Schweinswal, die belegen, dass sich die Ostsee-Schweinswalpopulation
von der der Nordsee abgrenzt?

Drucksache 15/3110 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
5. Liegen der Bundesregierung Angaben darüber vor, ob der Schweinswal-
bestand der Ostsee homogen verteilt ist, oder finden sich unterschiedliche
Populationsdichten in den verschiedenen Ostseeregionen?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, in welcher Weise der ver-
gleichsweise geringe Salzgehalt der Ostsee die Vitalität von Schweins-
walen beeinträchtigt?

7. Gibt es Erkenntnisse darüber, ob die Schweinswale der Ostsee durch einen
erhöhten Schiffsverkehr möglichen Gefährdungen, wie Verlärmung, Gift-
stoffen (z. B. Altöl, Schiffsanstriche etc.) oder Zusammenstößen der Wale
mit Schiffen ausgesetzt sind?

8. Wie groß ist die Anzahl der Totfunde von Schweinswalen, die in den letz-
ten 5 Jahren in der Ostsee registriert wurden,
a) als Beifang,
b) durch Vereisung in der östlichen Ostsee oder
c) durch sonstige anthropogene Einflüsse?

9. Welche Kenntnisse gibt es über die Wirkungen und Nebenwirkungen pas-
siver und aktiver und interaktiver akustischer Vergrämer (so genannter
Pinger)?

10. Gibt es zur Zeit alternative Methoden zu den akustischen Vergrämern (z. B.
reflektive Netze), um den Beifang von Schweinswalen in Nord- und Ostsee
zu reduzieren, und gedenkt die Bundesregierung alternative Methoden ver-
stärkt zu fördern?

11. Welche aktuellen Ergebnisse zur Verhaltensforschung der Schweinswale
durch „Pods“ (Schweinswaldetektoren) in der Ostsee gibt es?

12. Wie viele Fischer und Nebenerwerbsfischer an der deutschen Ostseeküste
betreiben aktiv die zukünftig von der EU verbotene Treibnetzfischerei,
welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Treibnetzfischerei für die Ostsee-
region und welches sind nach Einschätzung der Bundesregierung die alter-
nativen Erwerbsmöglichkeiten für die von dem Verbot betroffenen Fischer
und die Nebenerwerbsfischer?

13. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in die Wege geleitet, um die
wirtschaftliche Situation der deutschen Ostseefischerei zu verbessern, und
in welcher Weise fördert sie die bestehenden Betriebe, um deren Konkur-
renzfähigkeit zu sichern?

14. Beabsichtigt die Bundesregierung die durch § 2 Abs. 2 der Seefischerei-
verordnung des Bundes gegebene Benachteiligung der deutschen Fischerei-
betriebe, die darin besteht, dass deutsche Kutter in der westlichen Ostsee
außerhalb der Drei-Meilen-Zone nicht stärker als mit 221 kW (300 PS) mo-
torisiert sein und nicht mehr als 250 Bruttoregistertonnen messen dürfen,
während die Kutter anderer Länder, die im selben Gebiet fischen dürfen,
keinen Motorleistungs- und Größengrenzen unterworfen sind, aufzuheben,
und wenn ja, in welcher Weise?

Berlin, den 5. Mai 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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