BT-Drucksache 15/3103

Agrarischen Veredlungsstandort Deutschland stärken - Bürokratie abbauen und Rahmenbedingungen verbessern

Vom 5. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3103
15. Wahlperiode 05. 05. 2004

Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Volker Wissing, Gudrun Kopp, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt,
Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Agrarischen Veredlungsstandort Deutschland stärken – Bürokratie abbauen
und Rahmenbedingungen verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Rahmenbedingungen für den Veredlungsstandort Deutschland haben sich
in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Besonders betroffen sind
die Schweine- und Legehennenhaltung. Die Milchviehhaltung droht durch
cross-compliance-Bestimmungen im Rahmen der nationalen Umsetzung der
EU-Agrarreform, die über eine 1:1-Umsetzung hinausgehen, zusätzlich belas-
tet zu werden. Von dieser negativen Entwicklung wird zunehmend der vor- und
nachgelagerte Bereich erfasst. Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze im länd-
lichen Raum gehen verloren.
Entscheidende Ursache für diese Entwicklung ist eine ideologische Agrar- und
Verbraucherpolitik der Bundesregierung, die dem ländlichen Raum insgesamt
eine untergeordnete Bedeutung beimisst. Im Bereich der Agrarwirtschaft haben
die nationalen Alleingänge der Bundesregierung im Verbraucher-, Tier-, Um-
weltschutz sowie bei den hygienischen und baurechtlichen Vorgaben die Wett-
bewerbsfähigkeit der Unternehmen im europäischen und internationalen Ver-
gleich verschlechtert. Durch den energischen Einsatz der FDP konnten weitere
Belastungen und Investitionshemmnisse für den Veredlungsstandort Deutsch-
land durch die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle eines Baugesetzbu-
ches verhindert werden.
Bestehende Umwelt- und Tierschutzprobleme in der Veredlungswirtschaft müs-
sen gelöst werden. Dabei müssen Lösungen gefunden werden, die einen ausge-
wogenen Kompromiss zwischen Tier- und Umweltschutz einerseits sowie ande-
rerseits den wirtschaftlichen Anforderungen der Betriebe darstellt. Dadurch
werden den landwirtschaftlichen Betrieben tragfähige Perspektiven eröffnet.
Dazu ist es erforderlich, dass europäische Vorgaben 1:1 in nationales Recht um-

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gesetzt werden. Nur so lassen sichWettbewerbsnachteile für die heimischen Be-
triebe vermeiden. Leider hat die Bundesregierung mit vielen nationalen Allein-
gängen gegen diese Forderung verstoßen. Das hat wie im Falle der Legehennen-
Verordnung den Veredlungsstandort Deutschland massiv geschwächt. Eine ähn-
liche Entwicklung ist durch die Verordnung der Bundesregierung zur nationalen
Umsetzung der EU-Richtlinie zur Haltung von Nutztieren (Schweinehaltungs-
Verordnung) zu erwarten.
Zur Verbesserung des Tier- und Umweltschutzes ist vorrangig auf eigenverant-
wortliches Handeln der Betroffenen und die Nutzung umweltfreundlicher Tech-
niken zu setzen. Umweltschonende Ausbringungstechniken für organische Dün-
gemittel und innovative Filtertechniken zur Reduzierung von Immissionen aus
der Tierhaltung verringern mögliche Umweltbelastungen. Ordnungsrechtliche
Vorgaben sind mit Markteingriffen zu Lasten der heimischen Landwirte und zu-
sätzlicher Bürokratie verbunden, so dass entsprechende Eingriffe nur in Ausnah-
mesituationen gerechtfertigt sind.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
auf weitere nationale Alleingänge zu verzichten, die den Veredlungsstandort
Deutschland weiter schwächen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im
Bereich der Schweine-, Legehennen- und Milchviehhaltung ist durch einen Ab-
bau von Bürokratie und verbesserten Rahmenbedingungen zu stärken. Dazu ist
erforderlich:
a) den Entwurf einer Verordnung über die Grundsätze der guten fachlichen

Praxis beim Düngen (Düngeverordnung) grundsätzlich zu überarbeiten. Die
vorgesehenen Grenzen für Stickstoff- und Phosphatüberschüsse in Wirt-
schaftsdüngern stellen die Wettbewerbsfähigkeit vieler Veredlungsbetriebe
und Gartenbaubetriebe in Frage. Die geplanten Obergrenzen für N-Über-
schüsse führen zu einer inakzeptablen Bürokratie bei den Landwirten und in
den Verwaltungen. Schließlich steht die beabsichtigte Verschärfung der Do-
kumentationspflichten im Widerspruch zu der von der Bundesregierung an-
gekündigten Entbürokratisierungsoffensive. Die schlagbezogene Dokumen-
tation des Düngebedarfs an Stickstoff, Phosphat und Kali vor jeder ersten
Düngung ist in der Praxis nur mit einem enormen Aufwand zu bewältigen;

b) zur Schaffung von Rechtssicherheit der EU-Richtlinie zur Haltung von Nutz-
tieren (Schweinehaltungs-Verordnung) 1:1 in nationales Recht umzusetzen;

c) im Bereich der Legehennenhaltung die so genannte Kleinvoliere vorurteils-
frei und nach fachlichen Kriterien zu bewerten, um die möglichen Vorteile
der Kleinvoliere wie z. B. geringerer Medikamenteneinsatz und geringere
Mortalitätsraten gegenüber der Freiland- und Bodenhaltung zu nutzen und
den Produzenten ein Mindestmaß an Planungssicherheit und Zukunftspers-
pektive zu eröffnen;

d) die von der Bundesregierung geplante Einführung von Grenzwerten für Kup-
fer und Zink muss unabhängig von ihrer Anwendung erfolgen, um die Scho-
nung der Böden vor nicht abbaubaren Einträgen von Schwermetallen als ein
wichtiges Ziel der nachhaltigen Landbewirtschaftung zu gewährleisten. Die
Festlegung von Grenzwerten in Wirtschaftsdüngern wie z. B. Schweinegülle
muss sich an den Grenzwerten für die Ausbringung von Kupferhydroxid als
Pflanzenschutzmittel im Ökolandbau orientieren. Durch diesen Abwägungs-
prozess wird einerseits eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung sichergestellt
und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des Veredlungsstandortes
Deutschland gewährleistet;

e) das Elfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Interesse
eines verbesserten Tier- und Verbraucherschutzes zu korrigieren. Dazu ist

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insbesondere die in § 56a AMG festgelegte Sieben-Tage-Regelung zu strei-
chen, da sie an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbeigeht;

f) auf weitere Initiativen zur Novellierung des Baugesetzbuches zu verzichten,
mit denen eine unternehmerische Landwirtschaft und die dazu erforderlichen
Investitionen im ländlichen Raum verhindert werden.

Berlin, den 5. Mai 2004
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Dr. Volker Wissing
Gudrun Kopp
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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