BT-Drucksache 15/3080

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung -15/2573, 15/2948, 15/3077- Entwurf eines Gesetzs zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung

Vom 5. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3080
15. Wahlperiode 05. 05. 2004

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig
Thiele, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich
Nolting, Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Max Stadler, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 15/2573, 15/2948, 15/3077 –

Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit
und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, Schwarz-
arbeit insbesondere in banden- und gewerbsmäßig organisierter Form zu be-
kämpfen. Allerdings ist der Gesetzentwurf nicht geeignet, zur Umsetzung dieses
Ziels entscheidend beizutragen. Die Hauptursachen für die weiterhin anstei-
gende Schwarzarbeit liegen weniger im Bereich des Vollzugs und der Kontrolle
geltenden Rechts, sondern in der viel zu hohen Belastung von Arbeit mit Steuern
und Abgaben einerseits sowie in der Überregulierung von Wirtschafts-, Ar-
beits-, Sozial- und Steuerrecht andererseits. DemweichenMillionen Bürger aus,
indem sie schwarzarbeiten oder Schwarzarbeit in Auftrag geben.
Die lähmenden wirtschaftlichen Folgen der Bürokratie hat das Info-Institut er-
mittelt: Die Hälfte aller Unternehmen benennt in einer Umfrage neben der
Steuer- und Abgabenlast die Bürokratie als größtes Hindernis für den betrieb-
lichen Erfolg. Leidtragende des Bürokratie- und Regulierungsdschungels sind
neben den Unternehmen auch die Bürger. Aufgrund des bürokratiebedingten
Entfremdungseffektes wenden sich immer mehr Bürger von ihrem Staat ab. Sie
können sein Rechtssystem nicht mehr durchschauen. Überregulierung schränkt
ihre Freiheit ein. Die Konsequenz ist eine massive Ausweitung der Schattenwirt-

Drucksache 15/3080 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schaft. Es ist ein Alarmsignal, wenn die Schwarzarbeit – der einzig boomende
Wirtschaftsbereich in Deutschland – mittlerweile ein Volumen von 350 Mrd.
Euro bzw. 16,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht.
Der Staat kann mit schärferen Kontrollen und neuen Befugnissen für die Zollbe-
hörden zur Bekämpfung der Schwarzarbeit kein neues Unrechtsbewusstsein bei
den Bürgern schaffen. Diese Zielsetzung des Gesetzentwurfs wird nicht eintre-
ten, solange es bei zu hohen Steuern und Abgaben und dem überbürokratisierten
System bleibt. Es gilt, effektive Anreize für den Aufbau regulärer Beschäftigung
zu schaffen. Allein die Kriminalisierung der Schwarzarbeit wird nicht dazu füh-
ren, dass sie in legale Beschäftigung umgewandelt wird.
Der Gesetzentwurf ist an vielen Stellen fragwürdig und wenig plausibel. Das gilt
z. B. für die bußgeldbewehrte Rechnungsaufbewahrungspflicht für private
Haushalte und Grundstückseigentümer, das unbestimmte Betretungsrecht der
Zollbehörden auch für private Wohnungen, die nicht übersehbaren Folgen der
Änderung von § 266a des Strafgesetzbuches und möglicher Doppelzuständig-
keiten von Zoll-, Finanz-, Arbeits- und Sozialbehörden. Auch gegen die Einfüh-
rung einer zentralen Datenbank und die erneute Verschärfung der staatlichen
Überwachungsmöglichkeiten sind im Vorfeld erhebliche Bedenken geäußert
worden. Die in Artikel 7 des Entwurfs vorgesehene Regressregelung zugunsten
der gesetzlichen Unfallversicherung bei Schwarzarbeit ist grundsätzlich richtig.
Unverständlich ist jedoch, warum in die Haftung die wissentlich und vorsätzlich
Schwarzarbeit leistenden Personen nicht etwa im Rahmen einer gesamtschuld-
nerischen Haftung einbezogen werden. Es ist zudem mit Rechtsstaatsprinzip
schwerlich zu vereinbaren, die vorgesehenen einschneidenden Änderungen be-
reits im Monat nach Verkündigung des Gesetzes in Kraft treten zu lassen.

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag lehnt den Gesetzentwurf zur Intensivierung der
Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinter-
ziehung ab.
2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, ein umfassendes
Konzept vorzulegen, das die Schwarzarbeit effektiv und nachhaltig bekämpft.
Ziele müssen sein die Senkung der Arbeitskosten durch eine nachhaltige Reform
der sozialen Sicherungssysteme, eine umfassende Reform der Arbeitsmarktbe-
dingungen und die Senkung der Steuerbelastung durch ein völlig neues Steuer-
regime sowie die Entbürokratisierung und Vereinfachung von Wirtschafts-,
Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht. Die Bundesregierungwird verpflichtet, hierbei
folgende Konzeptionen der Fraktion der FDP einzubeziehen: „Entwurf eines
Gesetzes zur Einführung einer neuen Einkommensteuer und zur Abschaffung der
Gewerbesteuer“ (Bundestagsdrucksache 15/2349), „Entschließungsantrag zum
RV-Nachhaltigkeitsgesetz“ (Bundestagsdrucksache 15/2691), „Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe zu einem beschäftigungsfördernden kommunalen Sozialgeld
zusammenführen“ (Bundestagsdrucksache 15/1531), „Zukunft gestalten statt
Krankheit verwalten“ (Bundestagsdrucksache 15/1526), „Neuordnung der
Bundesanstalt für Arbeit“ (Bundestagsdrucksache 15/1576), „Reform des Tarif-
vertragsrechts zur Sicherung betrieblicher Bündnisse für Arbeit“ (Bundestags-
drucksache 15/2861), „Neuordnung der Bundesagentur für Arbeit durch Auf-
lösung“ (Bundestagsdrucksache 15/2421), „Anreize zumBürokratieabbau setzen
– Bürokratische Pflichtdienste bezahlen“ (Bundestagsdrucksache 15/1811),
„Reform der Arbeitsstättenverordnung muss zu einem echten Bürokratieabbau
für Unternehmen in Deutschland führen“ (Bundestagsdrucksache 15/1699),
„Entlastung kleiner und mittlerer Betriebe durch Abbau bürokratischer
Regelungen im Sozialrecht“ (Bundestagsdrucksache 15/1484), „Normenflut
wirksambegrenzen –ÜberflüssigeNormen abschaffen“ (Bundestagsdrucksache
15/1233), „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung betrieblicher Bündnisse für

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3080

Arbeit“ (Bundestagsdrucksache 15/1225), „Modellregionen für Deregulierung
und Bürokratieabbau“ (Bundestagsdrucksache 15/1134), „Anreize zum Büro-
kratieabbau setzen – Bürokratiekosten-TÜV einrichten“ (Bundestagsdrucksache
15/1006), „Statistiken reduzieren–Unternehmenentlasten–Bürokratie abbauen“
(Bundestagsdrucksache 15/752), „Rahmenbedingungen für einen funktionsfähi-
gen Arbeitsmarkt schaffen“ (Bundestagsdrucksache 15/590), „Reform des Kün-
digungsschutzgesetzes zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen – Vorschlag des
Sachverständigenrates jetzt aufgreifen“ (Bundestagsdrucksache 15/430), „Keine
Erhöhung der Mehrwertsteuer“ (Bundestagsdrucksache 15/123).

Berlin, den 5. Mai 2004
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Andreas Pinkwart
Carl-Ludwig Thiele
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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