BT-Drucksache 15/3050

Für eine Partnerschaft für Frieden und Stabilität im größeren Mittleren Osten und Nordafrika

Vom 4. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3050
15. Wahlperiode 04. 05. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe,
Joachim Hörster, Ruprecht Polenz, Dr. Christoph Bergner, Dr. Wolfgang Bötsch,
Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Michael Glos, Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg, Klaus-Jürgen Hedrich, Siegfried Helias, Peter Hintze, Robert
Hochbaum, Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Dr. Norbert
Lammert, Dr. Gerd Müller, Claudia Nolte, Hans Raidel, Dr. Norbert Röttgen,
Dr. Klaus Rose, Volker Rühe, Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Wolfgang Schäuble,
Bernd Schmidbauer, Christian Schmidt (Fürth), Dr. Andreas Schockenhoff, Bernd
Siebert, Dr. Hans-Peter Uhl, Willy Wimmer (Neuss) und der Fraktion der CDU/CSU

Für eine Partnerschaft für Frieden und Stabilität im größeren Mittleren Osten
und Nordafrika

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Bei dem Treffen der G8-Staaten (8. bis 10. Juni 2004 in Sea Island), beim EU-
USA-Gipfel (25./26. Juni 2004 in Irland) und beim NATO-Gipfel (28./29. Juni
2004 in Istanbul) werden – im Bewusstsein der großen Unterschiede zwischen
den einzelnen Ländern – die Beziehungen zur geopolitischen Großregion des
größeren Mittleren Ostens und Nordafrikas im Mittelpunkt der Beratungen ste-
hen.
Deutschland und Europa haben ein besonderes Interesse, dass in dieser Region
Frieden und Freiheit, Sicherheit und Wohlstand geschaffen werden. Europa und
die Länder dieser Region sind wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich mit-
einander verknüpft. Große arabische Bevölkerungsgruppen leben in Europa,
deren Identität und Anliegen immer mehr auch für unsere eigene politische und
gesellschaftliche Stabilität zu wichtigen Faktoren werden. Ebenso stehen wir
durch politische Zusammenarbeit, durch Handelsströme und Rohstoffimporte
mit diesen Ländern in einer engen Verbindung, die auch in den zahlreichen Ko-
operationsformen wie dem Barcelona-Prozess zwischen der EU und Anrainer-
staaten des südlichen Mittelmeers, der Zusammenarbeit zwischen der EU und
dem Golfkooperationsrat oder dem Mittelmeer-Dialog der NATO zum Aus-
druck kommen. Unmittelbare Auswirkungen auf Europa haben allerdings auch
die in dieser Region wurzelnden akuten Probleme des islamistischen Terroris-
mus und der Massenvernichtungswaffen sowie der von der Region ausgehende
Migrationsdruck.
Die Notwendigkeit der Verbesserung der dortigen Lebensbedingungen und
Beschäftigungsmöglichkeiten stellt die Länder dieser Region vor erhebliche
wirtschaftliche, soziale und politische Veränderungserfordernisse. Das unter-
streichen beispielsweise die jüngsten, von arabischen Fachleuten geschriebenen
UNDP-Berichte (UNDP: United Nations Development Programme) über die

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menschliche Entwicklung in der arabischen Welt oder der Weltbankbericht über
die Verbesserung der Regierungsführung im Nahen Osten und in Nordafrika.
Der Schlüssel für jeden Fortschritt liegt den Studien zufolge in der Schaffung
eines Klimas der Freiheit, in Entwicklung und Ausbau von Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit, in Gleichberechtigung der Frau und ihrer Integration ins
öffentliche Leben, im Aufbau starker Zivilgesellschaften sowie moderner Bil-
dungssysteme und wettbewerbsfähiger Wirtschaft.
Der Deutsche Bundestag schließt sich dem Fazit dieser Berichte an. Er stimmt
ebenso damit überein, dass Reformmaßnahmen und Demokratisierungsbemü-
hungen in der Region als Prozesse gesellschaftlicher und politischer Eigenent-
wicklung begriffenwerdenmüssen. Es existieren auch in der arabischenWelt de-
mokratische Traditionen, an die anzuknüpfen ist. In einzelnen Ländern gibt es
dabei durchaus nennenswerte eigene Reformansätze, die sich unter Beachtung
der universellen Gültigkeit der Menschenrechte zu spezifischen Formen von
Partizipation und Demokratie entwickeln können. Der Westen muss derartige
Unterschiede respektieren. So haben beispielsweise zivilgesellschaftliche Or-
ganisationen des arabischen Raumes auf einer Konferenz im März 2004 in
Alexandria ein Papier mit umfassenden und weitreichenden Reformvorschlägen
verabschiedet: Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, die durch niedrige
Wachstumsraten, einen niedrigen Anteil am Welthandel, hohe Arbeitslosigkeit
bei steigender Zahl Arbeitsuchender und den Anstieg der Armut geprägt ist, sei
eine Liberalisierung der Wirtschaft und die Förderung von wirtschaftlicher Inte-
gration auf regionaler und internationaler Ebene erforderlich. Dieser Prozess
müsse durch institutionelle und strukturelle Reformen im politischen Bereich so-
wie durch gute Regierungsführung, Gewaltenteilung, durch Verbesserung von
Bildung und Ausbildung, durch Stärkung der Zivilgesellschaft, Meinungs- und
Informationsfreiheit und durch kulturelle Veränderungen begleitet werden. Auch
die Arabische Liga beschäftigt sich seitMonatenmit den Fragen vonDemokratie
und Partizipation. Es ist zu erwarten, dass auf ihrem Gipfeltreffen im Mai 2004
entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Das zeigt, dass auch in der Region
Reformen zunehmend nicht nur als technische Modernisierung verstanden wer-
den.
Angesichts des hohen Veränderungsbedarfs in dieser Region spricht sich der
Deutsche Bundestag dafür aus, einen unterstützenden Beitrag zu leisten, damit
die Menschen dort eine selbstbestimmte Perspektive bekommen und ihnen der
Anschluss an die Globalisierung – unter Wahrung ihrer kulturellen und religiö-
sen Identität – gelingt und somit radikalen Ideen, politisch motivierter Gewalt,
islamistischem Extremismus und Terrorismus der Nährboden entzogen wird.
Die Staaten der Europäischen Union, der G8 und der NATO sollten deshalb bei
den bevorstehenden Gipfeltreffen ihre Bereitschaft erklären, durch enge Zusam-
menarbeit zur Entwicklung eines gemeinsamen Raumes des Friedens, der Men-
schenrechte und des Fortschritts beizutragen.
Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass das Angebot für eine solche
enge Zusammenarbeit auf dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ und damit auf der
in der Region vorhandenen Reformbereitschaft aufbauen muss. Im partner-
schaftlichen und vertrauensvollen Dialog von gleich zu gleich sollten solche in-
neren Reformprozesse gezielt unterstützt und angestoßen werden. Dabei sollten
wir unsere eigenen Wertvorstellungen und Interessen offen vertreten, aber auch
deutlich unseren Respekt zum Ausdruck bringen vor der Vielfalt in den Ländern
der Region, die von der reichen Tradition der islamischen Kultur und Religion
sowie von den spezifischen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungs-
erfahrungen geprägt ist. Es darf nicht darum gehen, den Ländern dieses Raumes
fertige Konzepte vorzulegen. Vielmehr sollte es um Beteiligung dort gehen, wo
Zusammenarbeit und Unterstützung gewünscht werden, und diese sollte in en-
ger Kooperation mit den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren vor
Ort entwickelt werden.

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Die engere Zusammenarbeit mit den Ländern des größerenMittleren Ostens und
Nordafrikas darf weder Ersatz noch Vorbedingung für die Bemühungen um
Fortschritte im Rahmen des Nahost-Friedensprozesses sein. Beides sollte mit
der gleichen Entschlossenheit angestrebt werden. Die Existenz zweier lebens-
fähiger Staaten, Israel und Palästina, verbunden in gemeinsamer Sicherheit, ein-
gebunden in einen regionalen Frieden und garantiert durch die internationale
Gemeinschaft, ist ein zentrales Element auf dem Weg zu einem friedlichen Zu-
sammenleben der Völker dieser Region. Der Deutsche Bundestag ist der Über-
zeugung, dass nur eine zwischen beiden Seiten vereinbarte und die Interessen
beider Seiten berücksichtigende Lösung im Rahmen der „Roadmap“ den Frie-
den und die Sicherheit in der Region garantieren wird. Hilfreich dabei können
der Abdallah-Friedensplan und die „Genfer Initiative“ sein und sollten mit ein-
bezogen werden.
Zur Entwicklung eines gemeinsamen Raumes des Friedens, der Menschenrechte
und des Fortschritts gehört auch, einen souveränen, friedlichen, unabhängigen
und demokratischen Irak, dessen territoriale Integrität gewahrt wird, wieder in
die Völkergemeinschaft einzugliedern. Der Deutsche Bundestag unterstützt die
Bemühungen, zum 30. Juni 2004 im Irak die Verantwortung an eine Interimsre-
gierung zu übergeben und bis spätestens Ende Januar 2005 freie Wahlen durch-
zuführen, damit sich eine echte irakische Souveränität entwickeln kann. Für den
Erfolg dieses Übergangsprozesses sollten die Vereinten Nationen eine stärkere
Rolle wahrnehmen. Außerdem ist es dringend erforderlich, die Nachbarn des
Irak, vor allem die Türkei, Saudi Arabien und den Iran, stärker in den Stabilisie-
rungsprozess einzubinden. Der Deutsche Bundestag verurteilt die terroristischen
Anschläge und Geiselnahmen aufs schärfste. Sie sind Ausdruck einer men-
schenverachtenden Gesinnung gegenüber der irakischen Bevölkerung und den
internationalen Helfern.
Bei der Unterstützung der Staaten der Region, Frieden und Stabilität zu gewin-
nen, fällt den USA als einzig verbliebener Weltmacht eine zentrale Verantwor-
tung zu. Umso wichtiger ist, dass sich insbesondere Europäer und Amerikaner
in der Zielsetzung und in der Strategie für die Zusammenarbeit mit den Ländern
dieser Region einig sind. Europa und die Bundesregierungmüssen in diesen Fra-
gen mit den amerikanischen Partnern enger und substanzieller als bisher zusam-
menwirken, nur dann können sie auch von den USA multilaterale Entscheidun-
gen einfordern.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
sich bei den bevorstehenden Gipfeltreffen dafür einzusetzen, dass die Staaten
der Europäischen Union, der G8 und der NATO in ihren Erklärungen gegenüber
den Ländern des größeren Mittleren Ostens und Nordafrikas die Bereitschaft
bekunden, durch enge Zusammenarbeit zur Entwicklung eines gemeinsamen
Raumes des Friedens, der Menschenrechte und des Fortschritts beizutragen und
dafür konkrete Vorstellungen anbieten:
Ziel sollte eine neue Partnerschaft für Frieden und Stabilität im größeren Mitt-
leren Osten und Nordafrika sein. Dafür sollte im Dialog mit den Ländern dieser
Region geklärt werden, inwieweit die inneren Reformprozesse dieser Staaten
gezielt unterstützt werden können und mit welchen konkreten Maßnahmen die
außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Zusammenarbeit intensiviert
werden kann.
Diese engere Zusammenarbeit sollte auf den bereits bestehenden Kooperations-
strukturen wie dem Barcelona-Prozess, der Zusammenarbeit zwischen der EU
und dem Golfkooperationsrat oder dem Mittelmeer-Dialog der NATO aufbauen
und weiterentwickelt werden; falls erforderlich sind sie um neue Strukturen für
diejenigen Länder zu erweitern, für die es bisher noch keinen institutionalisier-
ten Rahmen gibt. Die Staaten der EU, G8 und NATO sollten ihre Mittel und Pro-

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jekte für diese Zusammenarbeit aufeinander abstimmen, damit sie sich mit ihren
spezifischen Stärken ergänzen.
Als Möglichkeiten der Unterstützung von Reformen und für eine intensivierte
Zusammenarbeit könnten angeboten werden:
– Bildung, den Aufbau funktionsfähiger freiheitlicher staatlicher Strukturen,

Partizipation sowie wirtschaftliche und ländliche Entwicklung verstärkt zu
fördern;

– Ansätze für gute Regierungsführung intensiver zu unterstützen. Hierzu könn-
ten die Programme zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, die sich bisher vor
allem auf die nationale Ebene konzentrieren, ausgebaut und bis auf die ört-
liche Ebene erweitert werden. Außerdem könnten Initiativen zur Schaffung
sozialer Gerechtigkeit gefördert und Hilfestellung beim Kampf gegen Kor-
ruption und bei der breiteren Einbindung der Zivilgesellschaften in gesell-
schaftliche Entscheidungsprozesse geleistet werden sowie der Aufbau von
Parteien beispielsweise durch politische Stiftungen unterstützt werden. Wei-
terhin könnten Programme für die Aus- und Fortbildung von Polizeikräften
und Maßnahmen zur Bekämpfung von Folter sowie zur Terrorbekämpfung
mit rechtsstaatlichen Mitteln unterstützt werden;

– das Bemühen um eine schnelle deutliche Reduzierung des Analphabetentums
– insbesondere von Frauen und Mädchen – zu unterstützen, beispielsweise
durch Ergänzung des entsprechenden Programms der Vereinten Nationen,
um den Anteil an Lehrerinnen deutlich zu erhöhen;

– die Hochschul- und Wissenschaftskooperation mit der Region zu intensivie-
ren und neben dem Ausbau der bestehenden Austausch- und Stipendienpro-
gramme analog zur Deutschen Universität in Kairo weitere Gründungen von
Universitäten zu fördern;

– Wirtschaft, Handel, Investitionen und Beschäftigung zu fördern. Hierzu zählt
die Unterstützung einheimischer Klein- und Mittelunternehmen z. B. mit
Mikrokreditprogrammen genauso wie die Verbesserung der Rahmenbedin-
gungen für ausländische Direktinvestitionen und die Einführung bzw. Ver-
besserung des beruflichen Bildungssystems. Denn nur mit der Schaffung
vieler neuer Arbeitsplätze und einem angemessenen Wirtschaftswachstum
kann der problematischen Kombination aus hoher Arbeitslosigkeit, hohem
Bevölkerungswachstum und stagnierender Wirtschaft begegnet werden;

– für die Ausweitung der bislang nur gering ausgebildeten intraregionalen wirt-
schaftlichen Zusammenarbeit und Märkte Unterstützung anzubieten wie Be-
ratung und Hilfe bei der Verbesserung administrativer und juristischer Rah-
menbedingungen (z. B. effizienterer Umgang mit Investoren, Importeuren,
Exporteuren, in Fragen von Steuern, Zöllen, Lizenzen), beim Ausbau der
Transportinfrastruktur (z. B. Hafenmanagement, Grenzinfrastruktur, Flug-
häfen, Schnellstraßen, Brücken, Eisenbahn, Nahverkehr, Transrapid), für
Trainingsprogramme für Arbeitskräfte und Manager, um sie im Umgang mit
ausländischen Firmen und internationalen Märkten zu stärken;

– die Integration der Länder der Region in dieWeltwirtschaft intensiver als bis-
her im Hinblick auf die notwendige Erfüllung rechtlicher und technischer
Anforderungen für den Eintritt in Industrieländermärkte zu fördern;

– die EU-Märkte weiter zu öffnen, um die Handelsmöglichkeiten dieser Länder
zu verbessern;

– den Beitrag für einen schonenderen, effizienteren Umgang mit der in der
Region besonders knappen Ressource Wasser in den Bereichen Siedlungs-
wesen, Industrie und Gewerbe und Landwirtschaft zu verstärken. Schlüssel-
themen sollten in diesem Zusammenhang neben der Wechselwirkung der

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Wasserthematik mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Re-
gion auch die Vermeidung internationaler Konflikte im Bereich grenzüber-
schreitender Gewässer und der Schutz von Gewässern sein. Zudem sollten
die Länder der Region bei ihrem Bestreben ermutigt und unterstützt werden,
alle natürlichen Ressourcen möglichst schonend zu nutzen und das weitere
Voranschreiten der Wüsten einzudämmen;

– Projekte der Familienplanung und demokratischen Bevölkerungspolitik zu
fördern mit dem Ziel, das dramatische Bevölkerungswachstum einzudäm-
men. Bevölkerungspolitik durch Aufklärung ist ein Schlüssel für erfolgreiche
Entwicklungspolitik;

– auf eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen undMännern am Entwick-
lungsprozess hinzuwirken, um der weiblichen Bevölkerung die Ausfüllung
der vielen Rollen zu ermöglichen, die sie nicht nur im gesellschaftlichen, son-
dern auch imWirtschaftsleben als Produzentinnen vonWaren und Dienstleis-
tungen in traditionellen und modernen Sektoren ausfüllen kann;

– die kulturelle Zusammenarbeit mit der Region durch den Ausbau bestehender
deutscher Schulen und von Häusern deutscher Kulturmittler zu verstärken.
Goethe-Institute, deutsche Schulen, deutscher Sprachunterricht und vor
allem auch die Übersetzung von Büchern, auch Kinder- und Jugendbüchern,
sind von enormer Bedeutung, weil sie zum besseren Verständnis voneinander
und zum Abbau von Vorurteilen und Feindbildern beitragen. Weiterhin
könnte die angestrebte Entwicklung digitaler Zeitungen, Magazine und
Bücher sowie die Einrichtung unabhängiger Fernsehsender, Ausbildungs-
und Austauschprogramme für Journalisten und die Übersetzung von Litera-
tur aus demArabischen in andere Sprachen und umgekehrt gefördert werden,
woran in den Staaten der Region ein wachsendes Interesse besteht. Diese Bei-
spiele machen nachdrücklich deutlich, wie kontraproduktiv die ständigen
Kürzungen der Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik sind. Auf der ganzen
arabischen Halbinsel gibt es kein einziges Goethe-Institut;

– Städtepartnerschaften zu entwickeln und zu fördern. So wie nach dem Zwei-
ten Weltkrieg Städtepartnerschaften in Europa zur Vertrauensbildung bei-
getragen haben, könnten nun auch Partnerschaften zwischen europäischen
Kommunen sowie Gemeinden dieser Region eine ähnliche Brückenfunktion
wahrnehmen. Ebenso könnten verstärkt gemeinsame Sportveranstaltungen
durchgeführt werden und Projekte wie die in Katar unter maßgeblicher
deutscher Beteiligung entstandene internationale Fußballakademie Schule
machen.

Die Beziehungen zwischen den Ländern der Europäischen Union, der G8 und
der NATO und den Staaten des größeren Mittleren Ostens und Nordafrikas soll-
ten durch Vertiefung der Zusammenarbeit zu einer Sicherheitspartnerschaft aus-
gebaut werden.
Dafür sollte der politische und sicherheitspolitische Dialog deutlich erweitert
und intensiviert werden mit dem Ziel, gemeinsame Grundlagen in Sicherheits-
fragen zu ermitteln sowie partnerschaftliche Maßnahmen insbesondere zur
Förderung regelmäßiger Konsultationen und eines regelmäßigen Informations-
austausches zu vereinbaren. Darauf aufbauend könnte eine Zusammenarbeit in
Bezug auf mögliche Regelungen für Konfliktverhütung, Krisenmanagement
und Konfliktnachsorge entwickelt bzw. vertieft werden; auch sollte den Staaten
der Region die Möglichkeit gegeben werden, an Maßnahmen der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik und der Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik teilzunehmen. Zur Unterbindung der Weiterverbreitung von Mas-
senvernichtungswaffen sollte die Unterzeichnung, Ratifizierung und Anwen-
dung sämtlicher Nichtverbreitungsübereinkommen in den Ländern der Region

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gefördert werden, wozu auch die Unterstützung der Einrichtung effizienter Sys-
teme nationaler Exportkontrollen gehören sollte.
Einen Schwerpunkt einer solchen Sicherheitspartnerschaft sollte die gemein-
same Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der organisierten Krimina-
lität und des Drogenhandels bilden, von denen der Westen wie auch die Staaten
der Region gleichermaßen bedroht sind. Hierfür sollten die bisherigen Koopera-
tionen durch gemeinsame Programme und praktischeMaßnahmen erweitert und
zu einer ständigen Zusammenarbeit vertieft werden.
Zu einer wirksamen Sicherheitspartnerschaft sollte die Zusammenarbeit zwi-
schen der NATO und Staaten des größerenMittleren Ostens und Nordafrikas ge-
hören. Dies könnte nach dem Muster der Partnerschaftsbeziehungen mit osteu-
ropäischen Ländern und Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die ein wertvolles
Netzwerk der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit geschaffen haben, entwi-
ckelt werden. Wie diese Kooperation im Einzelnen und auf den jeweiligen Part-
ner zugeschnitten ausgestaltet werden sollte, ist im partnerschaftlichenDialog zu
definieren. Insbesondere sollte auf Ideen, die aus der Region kommen, eingegan-
gen werden. Ein Beispiel dafür ist die auf Initiative der katarischen Regierung in
Zusammenarbeit mit der RAND Corporation am 19./20. April 2004 in Katar
durchgeführte Konferenz zu Möglichkeiten einer engeren sicherheitspolitischen
Zusammenarbeit zwischen Ländern des größeren Nahen und Mittleren Ostens
und der NATO. Dialogprogramme für ein besseres gegenseitiges Verständnis
und zur Vertrauensbildung, der Besuch von NATO-Schulen, die Teilnahme an
Manövern, Zusammenarbeit bei der Grenzsicherung, eine Kooperation ver-
gleichbar zum NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ oder eine Be-
teiligung an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Rahmen der
NATO-Mission „Active Endeavour“ im Mittelmeer könnten Maßnahmen der
Zusammenarbeit sein.

Berlin, den 4. Mai 2004
Dr. Friedbert Pflüger Dr. Norbert Lammert
Dr. Christian Ruck Dr. Gerd Müller
Hermann Gröhe Claudia Nolte
Joachim Hörster Hans Raidel
Ruprecht Polenz Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christoph Bergner Dr. Klaus Rose
Dr. Wolfgang Bötsch Volker Rühe
Anke Eymer (Lübeck) Anita Schäfer (Saalstadt)
Erich G. Fritz Dr. Wolfgang Schäuble
Karl-Theodor Freiherr Bernd Schmidbauer
von und zu Guttenberg Christian Schmidt (Fürth)

Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Andreas Schockenhoff
Siegfried Helias Bernd Siebert
Peter Hintze Dr. Hans-Peter Uhl
Robert Hochbaum Willy Wimmer (Neuss)
Thomas Kossendey Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

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