BT-Drucksache 15/3032

Richterlich geäußerter Verdacht der Förderung der Schleuser-Kriminalität durch die Bundesregierung

Vom 27. April 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3032
15. Wahlperiode 27. 04. 2004

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl, Eckart von Klaeden, Matthias Sehling,
Hartmut Koschyk, Clemens Binninger, Reinhard Grindel, Volker Kauder,
Thomas Strobl (Heilbronn), Ralf Göbel, Erwin Marschewski (Recklinghausen)
und der Fraktion der CDU/CSU

Richterlich geäußerter Verdacht der Förderung der Schleuser-Kriminalität durch
die Bundesregierung

Ein schwerwiegender Verdacht lastet auf der Regierung von Bundeskanzler
Gerhard Schröder: Durch ein neues Erlasssystem zur Regelung der Erteilung
von Visa, organisatorisch verbunden mit einem Reiseschutzpasssystem und
Entscheidungen im Minutentakt, sollen Straftaten des Schleusens von Men-
schen ermöglicht worden sein, die dann in Deutschland oder anderen Schen-
gen-Staaten als Schwarzarbeiter oder (Zwangs-)Prostituierte ihr Dasein friste-
ten. Die Staatsanwaltschaften in Köln und in Berlin führen inzwischen
Ermittlungsverfahren gegen vier Mitarbeiter (darunter ein Ausgeschiedener)
des Auswärtigen Amtes (AA) sowie einen Mitarbeiter des Bundesministeriums
des Innern (BMI).
Unter dem 11. Februar 2004 berichtet die „Frankfurter Rundschau“ über das
Ende eines einjährigen Verfahrens gegen einen Schleuserbandenchef, der zu
fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der Artikel der „Frankfurter Rund-
schau“ lautet:
„Schwere Vorwürfe gegen Ministerien – Staatsanwaltschaft prüft, ob Beamte
des Innen- und Außenressorts Schleuserbanden indirekt unterstützt haben. Die
Kölner Staatsanwaltschaft prüft, ob gegen Beschäftigte des Bundesinnenminis-
teriums und des Auswärtigen Amtes sowie der deutschen Botschaft in Kiew
wegen Beihilfe (durch Unterlassen) zur bandenmäßigen Schleuser-Kriminalität
ermittelt werden muss. Dies wurde am Dienstag bekannt. Richter Ullrich
Höppner hatte am Montag kein Blatt vor den Mund genommen. Er warf in sei-
ner Urteilsbegründung am Ende eines einjährigen Mammutverfahrens gegen
einen Schleuserbandenchef dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnen-
ministerium vor ‚nichts Besseres zu tun‘ gehabt zu haben, ‚als die Ermittlungen
zu stören‘.
Inzwischen sei der Kammer allerdings klar geworden, dass das Auswärtige
Amt deshalb versucht habe das Gericht zu behindern, weil es ‚zutreffend
erkannte, dass es in dieser Angelegenheit drastische Zeichen von fachlicher
Inkompetenz und auch politischem Fehlverhalten gegeben habe‘. Deshalb sei
man wohl zu der Auffassung gelangt, ‚dies vor der Öffentlichkeit zu verber-
gen‘. So hatte das Auswärtige Amt die Erteilung von Aussagegenehmigungen
zunächst mit der Begründung abgelehnt, ihre Mitarbeiter seien in Kiew von der
ukrainischen Mafia bedroht worden. Als die betreffenden Zeugen dann vor der
Kölner Strafkammer erschienen, wussten sie nichts von einer derartigen Bedro-

Drucksache 15/3032 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

hung. Zeugen des Auswärtigen Amtes hatten, so der Richter, ‚glatt gelogen‘
und sollten seiner Meinung nach mit Ermittlungen wegen Falschaussage über-
zogen werden. Deshalb regte er an, gegen sie ein Verfahren wegen Falschaus-
sage einzuleiten.
Höppner bezeichnete es als einen ‚politischen Skandal‘, dass ein ‚unseriöser
Geschäftsmann‘ mit Billigung des Bundesinnenministeriums und des Aus-
wärtigen Amtes bis ins Frühjahr 2003 Reiseschutzpässe für Bürger der GUS-
Staaten ausstellen durfte. Deutsche Botschaften seien angewiesen worden, bei
Vorlage eines solchen Reiseschutzpasses ein Visum zu erteilen. Wie der Pro-
zess gegen den ukrainischen Schleuserbandenchef A. B. vor dem Kölner Land-
gericht ergab, stellte daraufhin die deutsche Botschaft von Kiew tausende Visa
aus. Angebliche Touristen konnten so ungehindert in Schengen-Staaten ein-
reisen. Tatsächlich handelte es sich bei ihnen aber um Schwarzarbeiter auf
Baustellen, Erntehelfer in Spanien und Portugal oder Prostituierte. Unter ihnen
sollen sich auch tschetschenische Terroristen befunden haben, die an der Vor-
bereitung der Geiselnahme des Moskauer Musical-Theaters im Oktober 2003
beteiligt gewesen waren. ‚Das war ein kalter Putsch der politischen Leitung des
Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage‘, so der Kölner Richter.
Höppner fragte sich in dem Zusammenhang, wie Bundesinnen- und Bundes-
außenministerium ihren Segen für ein derart zweifelhaftes Vorgehen und den
Aussteller der Reiseschutzpässe, einen unseriösen Geschäftsmann, erteilen
konnte. ‚Das hat was mit Protektion zu tun, wenn nicht gar mit Korruption‘, so
der Richter. Gegen den in Süddeutschland lebenden Geschäftsmann wird we-
gen gewerbsmäßiger Schleusung ermittelt.
Schon Oberstaatsanwalt Egbert Bülles hatte es in seinem Plädoyer als ‚unfass-
bar‘ moniert, ‚dass quasi unter den Augen und mit Kenntnis der Ministerien
und der deutschen Botschaft in Kiew bandenmäßige Schleusung durchgeführt
wurde‘. Dabei seien die Ministerien seit Anfang 2001 durch Presseberichte,
durch Informationen des Bundeskriminalamtes und des Bundesgrenzschutzes
mehrfach auf derlei Praktiken hingewiesen worden …“.
„DIE WELT“ berichtet dazu unter dem 11. Februar 2004:
„Grundlage für das offenbar lockere Kontrollwesen war, so das Gericht in
seiner mündlichen Urteilsbegründung, der so genannte ‚Volmer-Erlass‘. Der
damalige Staatsminister im Auswärtigen Amt hatte das Einreiserecht höher
gestellt als die Abwehrinteressen an den deutschen Grenzen. Im Zweifelsfall
sei zu Gunsten des Antragstellers zu entscheiden gewesen, nicht gegen ihn (‚in
dubio pro libertate‘, formulierte Höppner). ‚Das war ein kalter Putsch des
Auswärtigen Amtes gegen die bestehende Gesetzeslage‘, so der Richter. Das
Auswärtige Amt versichert hingegen, alles sei nach Recht und Gesetz gegan-
gen. ‚Einzelne Rechtsverstöße‘ müssten aufgeklärt werden.“
Bereits im Jahre 2002 hatte das Landgericht Dresden mehrere Angeklagte we-
gen Schleusungen von Ukrainern verurteilt. Das Gericht beschuldigte in diesem
Zusammenhang die deutsche Botschaft in Kiew, durch fehlende Kontrolle die
Taten erleichtert zu haben.
Soweit ersichtlich, sind die von der Justiz im Zusammenhang mit den Schleu-
serverfahren erhobenen Vorwürfe gegen die Bundesregierung einmalig. Denn
diese Vorwürfe besagen nichts anderes, als dass die Bundesregierung mit ihrem
Verhalten Vergehen und Verbrechen nach dem Ausländergesetz erleichtert
habe.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3032

Im Ausländergesetz heißt es dazu:
㤠92 Strafvorschriften
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,

wer
1. entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 unerlaubt

a) in das Bundesgebiet einreist oder
b) sich darin aufhält oder

2. unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich
oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaf-
fen, oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechts-
verkehr gebraucht.

§ 92a Einschleusen von Ausländern.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,

wer einen anderen zu einer der in § 92 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 6 oder Abs. 2 be-
zeichneten Handlungen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet und
1. dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
2. wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft,

wer in den Fällen des Absatzes 1
1. gewerbsmäßig oder
2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten

verbunden hat,
handelt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen

gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern
in das europäische Hoheitsgebiet einer der Vertragsstaaten des Schengener
Übereinkommens vom 19. Juni 1990 anzuwenden, wenn
1. sie den in § 92 Abs. 1 Nr. 1 oder 6 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlun-

gen entsprechen und
2. der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit

eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen
Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
besitzt.

§ 92b Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern.
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

in den Fällen des § 92a Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 4, als Mitglied
einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
gewerbsmäßig handelt.“
Tatsächlich wurde durch Runderlass des AA vom 3. März 2000, gerichtet an
alle diplomatischen und berufskonsularischen Auslandsvertretungen, das
Visumverfahren bei den Auslandsvertretungen grundsätzlich neu geregelt. Dies
geschah vor dem Hintergrund, wie es unter A II. des Runderlasses heißt:
„Nach umfassender Überprüfung unserer Visumpraxis hat Bundesminister
Fischer Weisung erteilt, das Verfahren der Visumerteilung zu verbessern und
wesentliche Grundsätze unseres Visumverfahrens zu bekräftigen.“

Drucksache 15/3032 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Es ist zu hören, dass der damalige Staatsminister im AA, Dr. Ludger Volmer
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), in Befolgung dieser Weisung des Bundesmi-
nisters des Auswärtigen, Joseph Fischer, die Herausgabe dieses Runderlasses
betrieben hat.
Nebenbei sei angemerkt: Der Behauptung von Staatsminister a. D. Dr. Ludger
Volmer, am Runderlass sei „keinerlei Kritik geäußert“ worden (Plenarprotokoll
15/96, S. 8571), steht die im März 2000 geäußerte heftige Kritik der Gewerk-
schaft der Polizei entgegen; deren Bundesvorsitzender Konrad Freiberg be-
tonte:
„… die jüngste Anweisung des Ministeriums an alle deutsche Botschaften in
der Welt unterlaufe sämtliche Bemühungen um die Abwehr illegaler und krimi-
neller Einwanderer und biete damit ‚neue Nahrung für ausländerfeindliche Ten-
denzen‘.“ (Osnabrücker Zeitung vom 9. März 2000)
Eine solche Ministerweisung ist verständlich aufgrund des besonderen Interes-
ses des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, an Fragen der Aus-
länder- und der Migrationspolitik, wie aus der Koalitionsvereinbarung zwi-
schen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. Oktober 1998 zu
schließen ist. Dort wird allerdings von der Bekämpfung illegaler Einwanderung
– insbesondere Schleuser-Kriminalität – gesprochen. Dies und angebliche Ein-
zelfälle unbefriedigender Visaentscheidungsverfahren in der Vergangenheit
(Süddeutsche Zeitung vom 14. Juli 2000) beschäftigten wohl Bundesminister
Joseph Fischer. Er hat die inhaltliche Ausrichtung des Runderlasses zu verant-
worten.
Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, den erwähnten Runderlass vom
3. März 2000 – im Folgenden der besseren Verständlichkeit wegen als
„Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von Bundesmi-
nister Joseph Fischer –“ bezeichnet – dem Deutschen Bundestag für eine öf-
fentliche Diskussion zur Verfügung zu stellen, obwohl sie selbst öffentlich
(Fragestunde am 3. März 2004, Plenarprotokoll 15/93, S. 8294; Fragestunde
am 31. März 2004, Plenarprotokoll 15/101, S. 9096) daraus zitiert. Deshalb
muss mit der vom Flüchtlingsrat im Kreis Coesfeld e. V. im Internet veröffent-
lichten Fassung gearbeitet werden (www.fluechtlingsrat.net/erlasse).
In diesem „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von
Bundesminister Joseph Fischer –“ heißt es unter III.:
„Besuchsvisa (Aufenthalte bis zu 3 Monaten ohne Aufnahme einer Erwerbs-
tätigkeit)“ in 2. b) „Nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern
erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rückkehrbereitschaft
rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Wenn sich nach pflichtge-
mäßer Abwägung und Gesamtwürdigung des Einzelfalls die tatsächlichen Um-
stände, die für und gegen eine Erteilung des Besuchsvisums sprechen, die
Waage halten, gilt: in dubio pro libertate – im Zweifel für die Reisefreiheit.“
Dies steht im Gegensatz zu einem wesentlichen Prinzip des Ausländergesetzes:
„§ 70 Mitwirkung des Ausländers.
(1) Dem Ausländer obliegt es, seine Belange und für ihn günstige Umstände,

soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer
Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise
über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen
und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann,
unverzüglich beizubringen […].“
An anderer Stelle weist der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass er-
wähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ auf die Gemeinsame
Konsularische Instruktion der an den Schengen-Acquis gebundenen EU-Part-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/3032

ner hin als rechtlichen Rahmen für die Erteilung von Visa. In dieser Gemeinsa-
men Konsularischen Instruktion heißt es hingegen unter III. 3.:
„Der Antragsteller muss die mit dem Antrag befasste Auslandsvertretung
davon überzeugen, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines
Lebensunterhalts verfügt und die Rückreise in das Herkunftsland gewährleistet
ist.“
Für eine detaillierte Prüfung hatte das AA allerdings keine ausreichende Zeit
vorgesehen. Im „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung
von Bundesminister Joseph Fischer –“ heißt es dazu unter III. 1.:
„Angesichts des Massengeschäfts der Visumerteilung werden von den Beschäf-
tigten der Auslandsvertretungen oft schwierige Prognosen aufgrund von Indi-
zien im Minutentakt verlangt.“
Dies hatte zur Folge, dass z. B. in Kiew im Jahr 2000 insgesamt 211 072 Visa,
im Jahr 2001 bereits 297 391 und im Jahre 2002 234 262 Visa erteilt wurden,
während es 1998 133 420 und 1999 148 628 waren. Die Bundesregierung
schien es nicht zu wundern, dass in einem der ärmsten Länder der Welt mit einem
Pro-Kopf-Einkommen von 770 US-Dollar pro Jahr ein Strom von angeblichen
Touristen und Geschäftsleuten nach Deutschland entstand, obwohl bereits die
Kosten für Visa und erforderliche Versicherungen einen erheblichen Anteil die-
ses Pro-Kopf-Jahreseinkommens ausmachten; ganz zu schweigen von Reise-
und Hotelkosten. Dementsprechend häuften sich die Berichte der deutschen
Sicherheitsbehörden aber auch der anderer Schengen-Staaten über nicht Visa
konforme Einreisen und Aufenthalte. Gleichwohl haben die zuständigen
Bundesminister Joseph Fischer und Otto Schily diese Visa-Politik veranlasst
und geduldet, und damit möglicherweise als vorübergehendes Experiment zum
Nachteil Deutschlands und der anderen Schengen-Staaten, ihrer Sicherheit, ihrer
Sozialsysteme und nicht zuletzt auf dem Rücken der Eingeschleusten gehandelt.
Profitiert haben dürften in großem Ausmaße die Schleuser. BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN spricht allein beim Thema Frauenhandel von Schätzungen,
nach denen im Jahr 2002 rund 500 000 meist aus Mittel- und Osteuropa stam-
mende Mädchen und Frauen in Europa Opfer von Menschenhändlern ge-
worden seien. Die Gewinne von Schleusern und Zuhältern seien in den letzten
10 Jahren um 400 Prozent gestiegen und lägen in Europa bei 7 bis 13 Mrd.
Euro (AP vom 10. März 2004). Am 31. Mai/1. Juni 2001 besuchte die EU-
Ratsarbeitsgruppe „Visa“ die Deutsche Botschaft in Kiew; es soll um Probleme
beim so genannten Reisebüroverfahren gegangen sein (Plenarprotokoll 15/96,
S. 8568 f.). Im Mai 2001 erhielt die Bundesregierung durch einen Bericht des
Bundeskriminalamtes (BKA) Hinweise auf massenhafte Schleusungen und
Missbrauch der Reiseschutzversicherung (vgl. Plenarprotokoll Nr. 15/99,
S. 8839 f.; Plenarprotokoll 15/96, S. 8572).
Am 17. Juni 2002 berichtet die „Bild-Zeitung“:
„Falsche Touristen-Visa für Tausende Osteuropäer.
Tausende Ukrainer, Rumänen und Russen sind nach einem internen Bericht des
Bundesinnenministeriums mit Hilfe von illegal erlangten deutschen Touristen-
Visa in EU-Staaten gereist, um dort zu arbeiten.
Allein von Juni 2001 bis Januar 2002 flogen 16 062 Schummel-Visa auf – die
meisten hatte die deutsche Botschaft in Kiew ausgestellt. Die Schleuser-Mafia
hatte Reisebüros und Handelsagenturen gegründet und die Visa für Touristen-
gruppen oder Mitarbeiter beantragt.“
Einen Tag später, am 18. Juni 2002 berichtet „DIE WELT“:
„Groß angelegter Schwindel mit Touristen-Visa aufgedeckt.

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Der Bundesgrenzschutz (BGS) hat einen groß angelegten Schwindel mit deut-
schen Visa aufgedeckt. Demnach sind rund 15 000 Ukrainer mit Hilfe von ille-
gal erlangten deutschen Touristen-Visa in Staaten der Europäischen Union ge-
reist, um dort zu arbeiten. Die meisten Schwindel-Visa habe die deutsche
Botschaft in Kiew ausgestellt, sagte gestern eine Sprecherin von Bundesinnen-
minister Otto Schily (SPD) in Berlin. Sie bestätigte einen Bericht der ‚Bild‘-
Zeitung, wonach die Grenzschutzdirektion des BGS zwischen Anfang Juni
2001 und Mitte Januar 2002 insgesamt rund 16 000 illegal in die Europäische
Union eingereiste Osteuropäer registrierte.
Das Ministerium änderte deshalb ab Oktober 2001 das Erteilungsverfahren für
die Visa. Bei Gruppenreisen müssen jetzt alle Teilnehmer persönlich in der
Kiewer Botschaft vorsprechen und Auskunft über ihre ‚individuelle Bonität‘
geben. Sie müssen nachweisen, dass sie ihre Reise bezahlt haben. ‚Damit hof-
fen wir, den Missstand abzustellen‘, hieß es gestern im Innenministerium.
Osteuropäische Schleuserbanden hatten die Gesetzeslücke ausgenutzt, um die
Visa zu bekommen. Schleuser gründeten Reisebüros oder Handelsagenturen
und beantragten die Visa für angebliche Touristengruppen oder Mitarbeiter. Die
Antragsteller mussten bisher nicht persönlich in der Botschaft erscheinen.“
Der Abgeordnete Dr. Hans-Peter Uhl nahm die Presseberichterstattung zum
Anlass, den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern,
Fritz Rudolf Körper, unter dem 1. Juli 2002 um einen schriftlichen Bericht so-
wie um Informationen über vorgesehene oder ergriffene Maßnahmen, um dem
Missbrauch durch das Ausstellen von Touristenvisa in dieser Größenordnung
vorzubeugen, zu bitten. In einer vom 6. August 2002 datierten, aber erst am
17. Oktober 2002 per Fax übersandten Antwort teilte der Parlamentarische
Staatssekretär Fritz Rudolf Körper dem Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl mit,
nach Abschaffung des so genannten „Reisebüroverfahrens“ im Oktober 2001
seien an den Grenzen keine derartigen Missbrauchsfälle mehr bekannt gewor-
den. Wörtlich stellt der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
fest: „Durch die gute Zusammenarbeit des Auswärtigen Amtes mit dem Bun-
desministerium des Innern wird jede Form einer ‚Visaerschleichung‘ unverzüg-
lich, schnell und wirkungsvoll entgegengetreten.“ Daran bestehen schon auf-
grund der Zahlen über erteilte Visa erhebliche Zweifel.
Im Juli 2002 sei ein Tschetschene mit einem Reiseschutzpass nach Dresden ge-
reist, so berichtet „SPIEGEL-online“ am 31. März 2004 unter der Überschrift
„Attentat auf Moskauer Musical-Theater, Terrorspur führt nach Dresden“, ohne
dass das sächsische Landeskriminalamt über dessen, dem BKA bekannt gewe-
senen terroristischen Hintergrund informiert worden sei. Von Dresden aus habe
dieser, zu einem Kreis islamistischer Terroristen gehörende Tschetschene, den
Anschlag auf das Moskauer Musical-Theater mit vorbereitet. Im Kölner
Schleuser-Prozess sei bekannt geworden, dass der russische Geheimdienst be-
reits im März 2002 das BKA in Wiesbaden über diesen Tschetschenen infor-
miert habe; Konsequenzen habe das nicht gehabt.
Diese Visa-Politik dürfte mit ihren Konsequenzen mindestens zunächst billi-
gend in Kauf genommen worden sein, möglicherweise war sie vorsätzliche
Umsetzung einer unbedingt auf Reisefreiheit zielenden Politik – in Abkehr von
einer mehr auf Sicherheit ausgerichteten Visapraxis der Vorgängerregierung.
Denn rechtliche Probleme scheinen erkannt worden zu sein, gleichwohl beließ
man es beim Text des „Volmer-Erlasses – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte
Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“, nachdem – laut „DER SPIE-
GEL“ vom 20. März 2000 – das Thema „Visumverfahren bei den Auslandsver-
tretungen“ am 15. März 2000 in der Kabinettssitzung als letzter Tagesord-
nungspunkt behandelt worden war. Zuvor hatte das Bundeskanzleramt die
fehlende Ressortabstimmung zum Runderlass gerügt und von einer inhaltlichen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/3032

Diskussion im Bundeskabinett abgeraten („DER SPIEGEL“ vom 20. März
2000).
„Um es im Kabinett nicht zum lautstarken Eklat kommen zu lassen, hatten sich
die beiden Alt-68er, Terroristen-Anwalt Schily und Steinewerfer Fischer, tags
zuvor über die Schadensbegrenzung verständigt. Zwischen den Häusern waren
bereits derbdeutliche Depeschen ausgetauscht worden.“ („DER SPIEGEL“
vom 20. März 2000)
Gleichwohl beantwortete die Staatsministerin im AA, Kerstin Müller, in der
Fragestunde am 24. März 2004 (Plenarprotokoll 15/99, S. 8850 f.) die Frage
des Abgeordneten Stephan Mayer (Altötting) nach einem Eingreifen des Bun-
deskanzleramtes in die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BMI und
dem AA bezüglich des Inhalts und des Zustandekommens des „Volmer-Erlas-
ses – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph
Fischer –“ mit einem klaren Nein. Auch im Übrigen wusste die Staatsministerin
im AA, Kerstin Müller, in dieser Fragestunde (Plenarprotokoll 15/99, S. 8851)
von einer Beteiligung des Bundeskanzleramtes nichts.
Die Bundesregierung hat Behinderungen des Kölner Schleuser-Strafverfahrens
bestritten. Wie im Einzelnen gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht auf Ak-
tenvorlagebegehren und die Stellung von Zeugen reagiert wurde, wird noch zu
klären sein. Die Staatsanwaltschaft Köln hat inzwischen Ermittlungsverfahren
gegen zwei Bedienstete des AA eingeleitet: Es soll um den Verdacht der uneid-
lichen Falschaussage im Schleuser-Prozess gehen. Die Bundesregierung hat am
31. März 2004 (Plenarprotokoll 15/101) auf Befragen mitgeteilt, dass es gegen
einen ehemaligen Bediensteten des AA, der in Kiewmit Visaangelegenheiten zu
tun hatte, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin wegen Vor-
teilsannahme gibt; außerdem gebe es ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt-
schaft Köln gegen einenMitarbeiter des BMI (Plenarprotokoll 15/101, S. 9097);
die „Berliner Zeitung“ vom 24. März 2004 spricht von Bestechlichkeit.
Es soll auch – so die „Süddeutsche Zeitung“ vom 8. März 2004 – ein Ermitt-
lungsverfahren wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Schleusung durch Unter-
lassung (!) geben und zwar gegen einen Bediensteten – die „Berliner Zeitung“
vom 24. März 2004 spricht von einem Abteilungsleiter – des AA.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie vereinbaren sich die Bekenntnisse der Bundesregierung zur Bekämp-

fung des Menschenhandels (vgl. nur Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 21. November 2003 – Bundes-
tagsdrucksache 15/2065) mit ihrer Visumserteilungspolitik und dabei insbe-
sondere mit dem Umstand, dass ihr noch nicht einmal konkrete Zahlen zur
Einreise von Ausländern mittels „erschlichener“ Visa seit Inkrafttreten des
„Volmer-Erlasses – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von Bun-
desminister Joseph Fischer –“ und damit auch nicht zur Einreise von Prosti-
tuierten oder Zwangsprostituierten auf diesem Wege bekannt sind (so die
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Frage 43 des Abgeordneten Reinhard Grindel, Plenarprotokoll Nr. 15/90,
Anlage 14, S. 8002 B)?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung, zukünftig auch im Rahmen ihrer Visums-
politik dafür Sorge zu tragen, dass diese besonders widerliche und absto-
ßende Form des Menschenhandels wirksam eingedämmt werden kann, und
wenn ja, wie?

Drucksache 15/3032 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Trifft der Bericht der „Berliner Zeitung“ vom 24. März 2004 zu, wonach
demnächst „in Frankfurt/Oder, Münster, Herford, Köln und anderen Orten
Prozesse gegen mutmaßliche Menschenhändler“ beginnen, bei denen die
Bundesregierung „mit auf der Anklagebank sitzen“ wird?

4. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels
oder Schleusungsdelikten laufen derzeit insgesamt, deren Gegenstand auch
die Visumspolitik der von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN getragenen Bundesregierung ist, und wo sind diese anhängig?

5. Wie viele Anklageerhebungen sind bislang erfolgt und wie viele Urteile
gibt es?

6. Wann erfuhren die Spitzen des AA und des BMI von den Vorwürfen in
Schleuserprozessen bzw. in der Presse, dass das AA und das BMI den Tä-
tern Schleusungen erleichtert, wenn nicht sogar erst ermöglicht haben soll?

7. Wann hat das AA und das BMI auf diese Vorwürfe reagiert?
8. Hat das BMI die laufenden Schleuserprozesse verfolgt?
9. Wann haben das BMI oder die ihm nachgeordneten Behörden BKA und

Bundesgrenzschutz (BGS) erstmals darauf gedrängt, dass das AA unver-
züglich Konsequenzen aus den massenhaften Schleusungen zieht?

10. Wie viele Bedienstete der Bundesregierung sind mittlerweile im Zusam-
menhang mit Delikten wie Menschenhandel oder Schleusungsdelikten von
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen, und welche Funktionen
haben diese Bediensteten jeweils ausgeübt?

11. Trifft es zu, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln mittlerweile
bereits unmittelbar unterhalb der Leitungsebene des AA angelangt sind,
weil gegen einen Abteilungsleiter des AA wegen „Beihilfe zur Schleu-
sung“ ermittelt wird („Berliner Zeitung“ vom 24. März 2004), und wenn ja,
welche Maßnahmen hat das AA mittlerweile gegen diesen Beamten ergrif-
fen?

12. Wann wurde das BKA durch den russischen Geheimdienst bezüglich des
terroristischen Hintergrundes von A. D., der an dem Terroranschlag auf das
Moskauer Musical-Theater im Oktober 2002 beteiligt gewesen sein soll,
informiert („Dresdner Neueste Nachrichten“ vom 31. März 2004)?

13. Was wurde daraufhin veranlasst?
14. Weshalb wurden die Warnungen des russischen Geheimdienstes nicht in

das Schengener Informationssystem (SIS) eingestellt, und wer hat diese
Entscheidung getroffen?

15. Wurde die Deutsche Botschaft in Moskau, die A. D. ein Besuchervisum für
die Bundesrepublik Deutschland erteilte, zuvor von dem Terrorverdacht
gegen A. D. informiert, und wenn nein, warum nicht?

16. Trifft es zu, dass A. D. seinen, aufgrund dieser Visumserteilung möglichen
Deutschland-Besuch dazu nutzte, den Terroranschlag in Moskau mit vor-
zubereiten?

17. Weshalb hat das BKA nicht die Warnungen des russischen Geheimdienstes
bezüglich des terroristischen Hintergrundes von A. D. an die Sicherheits-
behörden der Länder weitergegeben („Dresdner Neueste Nachrichten“ vom
31. März 2004)?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/3032

18. Trifft die im „SPIEGEL“ vom 14. Mai 2001 getätigte Aussage des damali-
gen Staatsministers im AA, Dr. Ludger Volmer, zu, wonach die über
Visumsanträge entscheidenden Beamten in den deutschen Auslandsver-
tretungen „ganze drei Minuten Zeit“ für die Prüfung eines Visumsantrags
haben?

19. Wie ist es in dieser Zeit möglich, sorgfältig über einen solchen Antrag zu
entscheiden, wenn die Vielzahl der insoweit notwendigen Prüfungsschritte
durch den „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung
von Bundesminister Joseph Fischer –“ angeblich nicht reduziert wurde (so
die Antwort der Staatsministerin im AA, Kerstin Müller, in der Frage-
stunde am 3. März 2003 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Ludger
Volmer zur Frage 8 des Abgeordneten Eckart von Klaeden, Plenarprotokoll
Nr. 15/93, S. 8287 f.)?

20. In welchem Zeitraum mussten vom Visaantragsteller welche Unterlagen
den deutschen Auslandsvertretungen vorgelegt werden, und wie wurden
diese überprüft?

21. Welche Änderungen gab es hier im Verfahren und warum?
22. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorwurf, sie habe nichts unternom-

men gegen die faktische Abschaffung der Prüfung von Reisezweck und
Rückkehrbereitschaft, nachdem ihr bekannt war, dass „im 3-Minutentakt“
(so Dr. Ludger Volmer) Visa erteilt werden und in dieser Kürze keine in-
haltliche Prüfung mehr stattfinden kann?

23. War der Bundesregierung bekannt, dass der damalige stellvertretende Vor-
sitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, in der „Neuen Os-
nabrückerZeitung“vom9.März2000den„Volmer-Erlass – auf ausdrücklich
im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ scharf
kritisierte, indem er demAAvorwarf, der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich
im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ unter-
laufe sämtliche Bemühungen um die Abwehr illegaler und krimineller Ein-
wanderer und biete damit neue Nahrung für ausländerfeindliche Tendenzen,
dadurch drohten neue Einfallstore für die internationale Kriminalität und die
Erleichterung bei der Visavergabe sei nicht nur im Hinblick auf die zu be-
fürchtende erhöhte Kriminalitätsbelastung ziemlich blauäugig, und wenn ja,
welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung hieraus gezogen?

24. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung heute im Hinblick
auf den „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung
von Bundesminister Joseph Fischer –“, und teilt sie die Auffassung, dass
die Prognosen von Konrad Freiberg im Wesentlichen eingetreten sind?

25. Weshalb war die Expertenmeinung von Konrad Freiberg für Bundesminis-
ter Otto Schily nicht Anlass, sich mit seinen ursprünglichen Bedenken ge-
gen den „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung
von Bundesminister Joseph Fischer –“ gegenüber dem AA und innerhalb
der Bundesregierung durchzusetzen?

26. Hat die Bundesregierung die Äußerungen von Konrad Freiberg überhaupt
als Kritik verstanden, nachdem der Abgeordnete Dr. Ludger Volmer in der
Fragestunde am 10. März 2004 behauptet hatte, gegenüber dem Erlass sei
trotz breiter Berichterstattung in den deutschen Medien „keinerlei Kritik
geäußert“ worden und in dieser Aussage von Staatsministerin im AA,
Kerstin Müller, im Wesentlichen bestätigt wurde (Plenarprotokoll Nr. 15/96,
S. 8570 f.).

Drucksache 15/3032 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

27. Trifft es zu, dass der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte
Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ Gegenstand einer Sitzung
des Bundeskabinetts war („DER SPIEGEL“ vom 20. März 2000), und
wenn ja, wann war dies der Fall?

28. Was war das Ergebnis dieser Behandlung im Bundeskabinett und hatte
Bundeskanzler Gerhard Schröder den Vorsitz?

29. Trifft es zu, dass das Bundeskanzleramt in die Auseinandersetzungen zwi-
schen Bundesminister Otto Schily und Bundesminister Joseph Fischer um
den „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von
Bundesminister Joseph Fischer –“ dadurch eingegriffen hat, dass in einem
Vermerk oder in Vermerken des Bundeskanzleramtes die beiden Minister
angewiesen wurden, im Kabinett nicht „inhaltlich“ über den Erlass zu dis-
kutieren und die fehlende Abstimmung zwischen BMI und AA hinsichtlich
dieses Erlasses gerügt wurde („DER SPIEGEL“ vom 20. März 2000)?

30. Weshalb hat die Staatsministerin im AA, Kerstin Müller, in der Frage-
stunde des Deutschen Bundestages am 24. März 2004 zumindest indirekt
bestritten, dass das Bundeskanzleramt in die Auseinandersetzungen zwi-
schen Bundesminister Otto Schily und Bundesminister Joseph Fischer um
den „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von
Bundesminister Joseph Fischer –“ eingegriffen hat (Antwort auf die Frage
101 des Abgeordneten Stephan Mayer (Altötting), Plenarprotokoll 15/99,
S. 8851)?

31. Trifft es zu, dass sich der Bundesminister des Innern, Otto Schily, und der
Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, am Tag vor der Kabinetts-
sitzung über eine „Schadensbegrenzung“ verständigt hatten („DER SPIE-
GEL“ vom 20. März 2000), und wenn ja, wie sah diese aus?

32. Trifft es zu, dass zwischen AA und BMI bezüglich des „Volmer-Erlasses –
auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph
Fischer –“ „derb-deutliche Depeschen“ ausgetauscht wurden („DER SPIE-
GEL“ vom 20. März 2000), und wenn ja, was war Inhalt dieses Schrift-
wechsels?

33. Trifft es zu, dass Bundesminister Otto Schily der Auffassung war, dass der
„Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung von Bun-
desminister Joseph Fischer –“ „gegen das Ausländergesetz und den Vertrag
von Schengen, der die Einwanderung einheitlich regelt“ verstoße („DER
SPIEGEL“ vom 20. März 2000), und wenn ja, weshalb hat er dann keine
Änderungen an dem Erlass durchgesetzt, die diesen rechtskonform gestal-
tet hätten?

34. Trifft es zu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder diese „Befürchtungen“
von Bundesminister Otto Schily teilte („DER SPIEGEL“ vom 20. März
2000), und wenn ja, weshalb hat der Bundeskanzler diesbezüglich nicht
von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, sondern gleichwohl
Bundesminister Joseph Fischer mit seinen Vorstellungen gewähren lassen?

35. In welchem Zusammenhang stand der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich
im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ zu dem
Parteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der „zwei Wochen“ nach der
Herausgabe dieses Erlasses stattfand („DER SPIEGEL“ vom 20. März
2000)?

36. Musste Bundesminister Joseph Fischer dort einen „Erfolg“ grüner Auslän-
derpolitik vorweisen und wurde der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im
Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ als ein
solcher „Erfolg“ angesehen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/3032

37. Hat das AA nach der Regierungsübernahme durch die von den Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getragene Bundesregierung bereits
im Vorfeld des „Volmer-Erlasses – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte
Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“ Änderungen in der Visa-
erteilungspolitik oder -praxis der deutschen Auslandsvertretungen durch
Erlasse, Weisungen oder in sonstiger Weise herbeigeführt, und wenn ja,
jeweils wann?

38. Auf welcher Ebene im AA wurden derartige Erlasse, Weisungen oder sons-
tige Maßnahmen jeweils herausgegeben, und was war deren Gegenstand?

39. Hat es Bedenken der Fachebene im AA (Ressort, Fachkräfte vor Ort, etc.)
hiergegen gegeben, und was wurde ggf. von Seiten des AA in Reaktion auf
derartige Bedenken veranlasst?

40. War der „Volmer-Erlass – auf ausdrücklich im Erlass erwähnte Weisung
von Bundesminister Joseph Fischer –“ ggf. eine Reaktion auf die Bedenken
gegenüber dieser veränderten Visaerteilungspolitik oder -praxis?

41. Weshalb bedurfte es des Hinweises in dem „Volmer-Erlass – auf ausdrück-
lich im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“,
dass „Bundesminister Fischer Weisung erteilt“ habe, das Verfahren der
Visumserteilung zu „verbessern“?

42. Ist eine solche Bezugnahme auf den Minister in den Erlassen des AA
üblich?

43. In wie vielen Erlassen des AA seit der Bundestagswahl 1998 wurde der
Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, namentlich erwähnt?

44. Was ist mit dem Hinweis unter III. 2 des „Volmer-Erlasses – auf ausdrück-
lich im Erlass erwähnte Weisung von Bundesminister Joseph Fischer –“
auf „die Erleichterungen bei Vorlage eines carnet de touriste“ gemeint?

45. Hat es bezüglich dieses carnet de touriste nach der Regierungsübernahme
durch die von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
tragene Bundesregierung Regelungen des AA gegeben, die zu einer groß-
zügigen Visaerteilung geführt haben, und wenn ja, was war Gegenstand
dieser Regelungen und wann sind sie jeweils erfolgt?

46. Fanden im Vorfeld der Gleichstellung des carnet de touriste mit dem Reise-
schutzpass der RS Reise-Schutz AG, die im Jahre 2001 erfolgte, Gespräche
mit dem BMI und dem ADAC statt, und wenn ja, wann und wo?

47. Was war das Ergebnis dieser Gespräche?
48. Hat das AA die deutschen Auslandsvertretungen und das BMI über das Er-

gebnis dieser Gespräche inhaltsgleich informiert, und wenn nein, warum
nicht?

49. Welche Erkenntnisse wurden der Bundesregierung im Zusammenhang mit
Schleusungskriminalität in der Ukraine zugänglich gemacht?

50. Wann geschah dies jeweils und von wem kamen die Hinweise?
51. Wiesen diese Informationen auf Verbindungen zu Visumserteilungen durch

die Deutsche Botschaft in der Ukraine hin?
52. Wurden in diesen Hinweisen Zahlen hinsichtlich der befürchteten Schleu-

sungsdelikte genannt?
53. Was hat die Bundesregierung wann infolge dieser Hinweise unternommen?
54. Trifft es zu, dass die EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ am 31. Mai und 1. Juni

2001 eine Informelle Sitzung in Kiew durchgeführt hat?
55. Was war Anlass für diese Sitzung?

Drucksache 15/3032 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

56. Wurden bei dieser Sitzung Beschwerden von Schengen-Partnern hinsicht-
lich der Visumserteilungspraxis der Bundesrepublik Deutschland geäußert,
und wenn ja, von wem?

57. Was war ggf. der Inhalt dieser Beschwerden?
58. In welcher Weise hat ggf. die Bundesrepublik Deutschland auf diese Be-

schwerden reagiert?
59. Gab es in diesem zeitlichen Umfeld weitere Beschwerden über die Visums-

erteilungspraxis der Bundesrepublik Deutschland, und wenn ja, von wem?
60. Wie wurden diese Beschwerden an die Bundesregierung herangetragen,

und was hat die Bundesregierung daraufhin veranlasst?
61. Warum hat die Bundesregierung trotz Kenntnis des staatsanwaltschaftli-

chen Ermittlungsverfahrens wegen Beihilfe zu Schleusungen gegen den In-
haber der RS Reise-Schutz AG, H. K., noch weitere neun Monate dieses
zur massenhaften Schleusung missbrauchte Reiseschutzpass-Verfahren ge-
duldet?

62. Warum wurde in der Fragestunde am 24. März 2004 die diesbezügliche
Frage 100 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl nach dem Grund für die
Fortsetzung der Zusammenarbeit des AA und des BMI trotz nochmaliger
Nachfrage nicht beantwortet (siehe Plenarprotokoll Nr. 15/99, S. 8850)?

63. Gab es aus anderen Auslandsvertretungen als der Botschaft in Kiew im
Zeitraum zwischen Juli 2002 und März 2003 Bedenken gegenüber einer
Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der RS Reise-Schutz AG des H. K.,
und falls ja, von welchen Auslandsvertretungen und wann?

64. Gab es Bedenken über die Seriosität der örtlichen Vertriebspartner der RS
Reise-Schutz AG, und wenn ja, bei welchen Auslandsvertretungen?

65. Hat der Geschäftsleiter der RS Reise-Schutz Versicherungs AG, H. K., im
Rahmen des Zulassungsverfahrens für diese Versicherung die laut der Ant-
wort des BMF vom 22. März 2004 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten
Clemens Binninger zu der Frage 42 des Abgeordneten Matthias Sehling in
der Fragestunde am 10. März 2004 erforderliche Erklärung, dass gegen ihn
kein Strafverfahren wegen eines Verbrechens oder Vergehens schwebt, ab-
gegeben?

66. Sind insoweit auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren von Belang, und
wenn nein, warum nicht?

67. Hat H. K. gegenüber der BaFin auf das gegen ihn anhängige strafrechtliche
Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Köln hingewiesen?

68. Welches Ressort der Bundesregierung war für die Bonitätsprüfung der RS
Reise-Schutz AG im Hinblick auf die Zusammenarbeit der Bundesregie-
rung mit diesem Unternehmen zuständig?

69. Welches Ressort der Bundesregierung war für die Prüfung der Vertriebs-
wege der Produkte der RS Reise-Schutz AG im Hinblick auf die Zusam-
menarbeit der Bundesregierung mit diesem Unternehmen zuständig?

70. Hat H. K. Genehmigungen/Erlaubnisse, etc. für seine RS Reise-Schutz AG
beantragt, und wenn ja, wann?

71. Wie wurde über diese entschieden?
72. Welches Ressort war für die über die Bonitätsprüfung hinausgehende Zu-

verlässigkeitsprüfung der RS Reise-Schutz AG im Sinne des VAG bzw. des
KWG zuständig?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/3032

73. Waren bei den im Rahmen der Reiseschutzpässe der RS Reise-Schutz AG
angebotenen Versicherungen Selbstbehalte der Visumsantragsteller (Versi-
cherungsnehmer) enthalten, und wenn ja, in welcher Höhe?

74. Waren die visumserteilenden Auslandsvertretungen von Seiten des AA an-
gewiesen, zu prüfen, ob die Visumsantragsteller diese Selbstbehalte erbrin-
gen konnten, und wenn nein, warum nicht?

75. Bleibt die Bundesregierung nachdem das Bundesministerium der Finanzen
nunmehr eingeräumt hat, dass die RS Reise-Schutz AG mit den im Rah-
men der Reiseschutzpässe angebotenen und abgegebenen Erklärungen
nach §§ 82, 84 AuslG Versicherungen, bzw. Garantieerklärungen vertrie-
ben hat, für die sie nicht über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz
bzw. dem Gesetz über das Kreditwesen erforderlichen Erlaubnisse verfügte
(Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium
der Finanzen, Karl Diller, in der Fragestunde am 31. März 2004 auf die
Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl, Plenarprotokoll
Nr. 15/101, S. 9094 f.), bei ihrer bisherigen Darstellung, dass bei der Ak-
zeptanz des Reiseschutzpasses der RS Reise-Schutz AG durch BMI und
AA ordnungsgemäß verfahren wurde (vgl. nur Antwort des Parlamentari-
schen Staatssekretärs im BMI, Fritz Rudolf Körper, in der Fragestunde am
10. März 2004 auf die dritte und vierte Zusatzfrage des Abgeordneten Ralf
Göbel – Plenarprotokoll 15/96, S. 8576 – sowie die Antwort der Staats-
ministerin im AA, Kerstin Müller, vom 27. Februar 2004 auf die Frage 25
des Abgeordneten Dr. Hermann Kues – Bundestagsdrucksache 15/2635,
S. 13), und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung?

76. Weshalb wurde weder vom BMI, noch vom AA geprüft, ob die RS Reise-
Schutz AG über die aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Erlaubnisse nach
dem Versicherungsaufsichtsgesetz bzw. dem Gesetz über das Kreditwesen
verfügte?

77. Wurden die Bundesminister Otto Schily und Joseph Fischer über die Ak-
zeptanz des Reiseschutzpasses der RS Reise-Schutz AG als Ersatz für die
Bonitätsprüfung durch BMI und AA informiert, und wenn ja, wann?

78. Wer hat im BMI und im AA hierüber entschieden?
79. Bis zu welcher Ebene wurde im BMI und im AA über diesen Sachverhalt

informiert?
80. Wie vereinbart sich die Aussage des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt,

Jürgen Chrobog, in der Antwort der Bundesregierung vom 16. März 2004
auf die Frage 13 des Abgeordneten Matthias Sehling (siehe Bundestags-
drucksache 15/2728), dass es sich bei dem so genannten Reiseschutzpass
um eine Reiseschutzversicherung handle, mit der Antwort der Parlamen-
tarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks in der Fragestunde am
10. März 2004 auf die Frage 38 des Abgeordneten Stefan Müller (Erlan-
gen) (Plenarprotokoll 15/96, S. 8579), wonach die so genannten Reise-
schutzpässe keine Versicherungsprodukte seien?

81. Haben weitere Anbieter neben dem ADAC und der RS Reise-Schutz AG
Reiseschutzversicherungen, die eine Haftungsübernahmeerklärung nach
den §§ 82, 84 AuslG enthalten, angeboten, und wenn ja, welche?

82. Wann haben diese weiteren Anbieter ggf. jeweils die Zustimmung für ihre
Produkte vom AA bzw. BMI erhalten?

83. In welchem Zeitraum haben diese weiteren Anbieter ggf. ihre Versiche-
rungsprodukte jeweils angeboten?

84. Wurden diese Produkte ggf. ebenfalls von der Bundesdruckerei gedruckt,
und wenn ja, in welcher Anzahl?

Drucksache 15/3032 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

85. Falls diese Produkte nicht von der Bundesdruckerei gedruckt wurden, wel-
che Firmen haben diese Reiseschutzversicherungen ggf. gedruckt, und wie
wurde die Fälschungssicherheit gewährleistet?

86. Vertritt die Bundesregierung auch heute noch die in ihrem Schreiben an
den Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl, datiert 6. August 2002, per Telefax
übersandt am 17. Oktober 2002, niedergelegte Ansicht, dass „durch die
gute Zusammenarbeit des Auswärtigen Amtes mit dem Bundesministerium
des Innern […] jeder Form einer ‚Visaerschleichung‘ unverzüglich, schnell
und wirkungsvoll entgegengetreten“ wurde?

Berlin, den 27. April 2004
Dr. Hans-Peter Uhl
Eckart von Klaeden
Matthias Sehling
Hartmut Koschyk
Clemens Binninger
Reinhard Grindel
Volker Kauder
Thomas Strobl (Heilbronn)
Ralf Göbel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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