BT-Drucksache 15/2992

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung -15/2150, 15/2563, 15/2592, 15/2986- Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG)

Vom 28. April 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2992
15. Wahlperiode 28. 04. 2004

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Friedrich Merz, Heinz Seiffert, Klaus-Peter
Flosbach, Georg Fahrenschon, Andreas Storm, Otto Bernhardt, Georg
Brunnhuber, Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Leo Dautzenberg,
Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Michael Fuchs, Peter
Götz, Klaus Hofbauer, Bernd Heynemann, Norbert Königshofen, Manfred Kolbe,
Werner Kuhn (Zingst), Eduard Lintner, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Hans
Michelbach, Klaus Minkel, Stefan Müller (Erlangen), Henry Nitzsche, Günter
Nooke, EduardOswald, Peter Rzepka, Norbert Schindler,Wilhelm Josef Sebastian,
Christian Freiherr von Stetten, Gero Storjohann, Lena Strothmann, Volkmar Uwe
Vogel, Gerhard Wächter, Ingo Wellenreuther, Elke Wülfing, Dr. Angela Merkel,
Michael Glos und der Fraktion der CDU/CSU

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 15/2150, 15/2563, 15/2592, 15/2986 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen
(Alterseinkünftegesetz – AltEinkG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Altersversorgung der Menschen in Deutschland steht auf einem wackligen
Fundament, da die rot-grüne Bundesregierung konzeptionslos an die Bewälti-
gung der durch die demographische Entwicklung erwachsenden Herausforde-
rungen herangeht. Statt ein in sich schlüssiges Konzept vorzulegen und ent-
schlossen zu handeln, mutet die Bundesregierung den Rentnern willkürlich er-
hebliche Einkommenseinbußen zu und bietet der jungen, arbeitenden Genera-
tion keine Zukunftsperspektive für ihre Alterssicherung.
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz, dem 2. und 3. SGB VI-Änderungsge-
setz sowie dem jetzt im Vermittlungsausschuss befindlichen Rentenversiche-
rungsnachhaltigkeitsgesetz kommt es zu erheblichen Belastungskumulationen
für die Rentner. Diese verschärfen sich für eine Vielzahl von Rentenbeziehern
noch durch den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünf-
ten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes und dies, obwohl laut Finanzie-
rungstableau die öffentlichen Haushalte insgesamt nicht unerhebliche Steuer-

Drucksache 15/2992 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

mindereinnahmen hinnehmen müssen. Gleichzeitig sinkt das künftige Niveau
der gesetzlichen Rentenversicherung und die Beitragsbelastungen der arbeiten-
den Generation wachsen weiter an. Damit schwinden deren Möglichkeiten, die
Niveauabsenkungen durch private Vorsorge angemessen zu kompensieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 6. März 2002 den Ge-
setzgeber verpflichtet, die derzeit gleichheitswidrige Besteuerung der Pensio-
nen einerseits und die Besteuerung der Renten andererseits verfassungskon-
form auszugestalten.
Steuersystematisch und ökonomisch ist die nachgelagerte Besteuerung von Al-
terseinkünften der richtige Ansatz, um den Anforderungen des Bundesverfas-
sungsgerichts gerecht zu werden. Nach einem Übergangszeitraum werden alle
Alterseinkünfte in steuerlich gleicher Weise belastet. In der Erwerbsphase sinkt
die Steuerbelastung aufgrund der Steuerfreistellung der Beiträge. Damit wer-
den finanzielle Spielräume geschaffen für eine zusätzliche private Vorsorge.
Die Besteuerung setzt erst in der Auszahlungsphase ein und ist wegen der ge-
ringeren Progression im Regelfall niedriger als in der Ansparphase. Damit
stärkt das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung die Altersvorsorge und ist
nach Auffassung internationaler und nationaler Experten das sachgerechte Be-
steuerungsprinzip, um einen Beitrag zur Bewältigung der demographischen
Herausforderungen zu leisten.
In den Beratungen im Finanzausschuss konnte der Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drängen der Fraktion der CDU/CSU an einigen wichtigen Stellen
deutlich verbessert werden. Hierzu zählen die nunmehr eingearbeitete Friedens-
regelung für Hochbetagte, die Öffnungsklausel zur Vermeidung einer Zweifach-
besteuerung, die Überprüfung der Sonderausgabenhöchstbeträge bis Ende 2014,
die Modifikation der Günstigerprüfung und der zukünftige Übergang zum Quel-
lenabzug. Trotz dieser Verbesserungen weist der Entwurf eines Gesetzes zur
Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsor-
geaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) jedoch weiterhin
erhebliche Mängel auf und ist deshalb in der vorliegenden Form abzulehnen.

II. Der Deutsche Bundestag wolle deshalb beschließen:
l Das Alterseinkünftegesetz ist nicht eingebettet in ein schlüssiges Gesamt-

konzept der Alterssicherung und Altersvorsorge. Der Gesetzentwurf führt
durch die Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit der neuen Regelungen
nicht zu einer Vereinfachung des Einkommensteuerrechts, sondern erreicht
gerade das Gegenteil.

l Das Alterseinkünftegesetz lässt als begünstigte Altersvorsorgeprodukte nur
eng definierte Vorsorgeprodukte zu. Die Anforderungen für die Altersvor-
sorgeprodukte sind zu restriktiv gefasst. Insbesondere der Ausschluss der
Vererbbarkeit und der Ausschluss der Teilkapitalisierung des angesparten
Kapitals werden dazu führen, dass die Menschen die geförderten Alters-
vorsorgeprodukte nicht in ausreichendem Maße annehmen werden. Damit
bleiben Chancen, über eine verstärkte private Altersvorsorge die demo-
graphischen Herausforderungen abzufedern, ungenutzt. Die Freiheit der
Menschen, die für sie günstigste Altersvorsorge zu wählen, wird ohne Not
eingeschränkt. Die Möglichkeiten der Finanz- und Kapitalmärkte für diffe-
renzierte Lösungen bleiben ungenutzt. Damit trägt die Bundesregierung ent-
gegen ihrer sonstigen Aussagen nicht zur Förderung und Nutzung der Leis-
tungsfähigkeit des Finanzmarktes in Deutschland bei.

l Die Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersversorgung werden ver-
schlechtert, statt sie zu verbessern oder gleichwertig zu erhalten.DieAbschaf-
fung der attraktiven Pauschalbesteuerung nach § 40b EStG wird nicht durch
eine adäquate, dynamisierte und sozialversicherungsbeitragsfreie Anhebung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2992

des Dotierungsrahmens für steuerfreie Beiträge zu betrieblichen Alterssiche-
rungssystemen gemäß § 3 Nr. 63 EStG kompensiert.

l Die Bundesregierung nimmt die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene
Klarstellung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zurück. Damit setzt sie Anreize
zu Frühverrentungen und konterkariert ihre erst vor sechs Wochen verab-
schiedete Rentenreform. Nach diesem Rückzieher bleibt es dabei, dass ein
Arbeitnehmer, der vor Eintritt in den Ruhestand vorher aus dem Betrieb aus-
scheidet, eine höhere Betriebsrente erhalten kann als ein betriebstreuer Ar-
beitnehmer.

l Die geplante Steuerpflicht zum Zeitpunkt der Auszahlung für private, kapi-
talbildende Lebensversicherungen, die ab 2005 abgeschlossen werden,
gewährleistet in der vorgesehenen Form keine hinreichend fairen Wett-
bewerbsbedingungen für eines der wichtigsten Instrumente der privaten
Altersvorsorge in Deutschland im Vergleich zu anderen Altersvorsorge- und
Kapitalanlageprodukten. Zudem ist der Bestandsschutz für laufende Kapi-
tallebensversicherungsverträge nicht in vollem Umfang gewährleistet.

l Die staatlich geförderte sog. Riester-Rente wird nach wie vor von den Men-
schen nicht angenommen. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge bleibt
deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das Alterseinkünftegesetz sieht
zwar einige Verbesserungen vor, um die sog. Riester-Rente zu vereinfachen.
Diese gehen grundsätzlich in die richtige Richtung, reichen jedoch nicht aus,
um die Attraktivität des Produkts zu verbessern. Die notwendige Einbezie-
hung der Selbständigen in die staatliche Förderung, die zudem eine wesent-
liche Vereinfachung des Zulagenverfahrens bedeuten würde, ist im Gesetz-
entwurf nicht enthalten.

l Die Integration des Wohneigentums in die staatlich geförderte Altersvor-
sorge ist bislang nicht gelungen. Das geltende Entnahmemodell bei der sog.
Riester-Rente hat lediglich Alibifunktion. Das Alterseinkünftegesetz bringt
hier keinerlei Verbesserung, obgleich die selbst genutzte Immobilie in der
Praxis in Deutschland eine sehr große Bedeutung für die private Altersvor-
sorge hat. Was fehlt, ist eine Berücksichtigung des Wohneigentums bei der
staatlichen Förderung im Rahmen eines eigenständigen Altersvorsorgesys-
tems, das den Menschen eine Alternative zur staatlich geförderten Geldrente
bietet.

Aufgrund dieser Mängel lehnt der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf in
der vorliegenden Fassung ab.

Berlin, den 28. April 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.