BT-Drucksache 15/2888

Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie

Vom 30. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2888
15. Wahlperiode 30. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Christian Schmidt (Fürth), Ulrich Adam,
Ilse Aigner, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Monika Brüning, Dr. Michael
Fuchs, Jürgen Herrmann, Dr. Egon Jüttner, Volker Kauder, Eckart von Klaeden,
Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg), Ursula Lietz, Eduard
Lintner, Dr. Gerd Müller, Bernward Müller (Gera), Hans Raidel, Helmut Rauber,
Christa Reichard (Dresden), Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer (Saalstadt),
Dr. Wolfgang Schäuble, Bernd Siebert, Jens Spahn, Dr. Wolfgang Bötsch, Anke
Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg,
Klaus-Jürgen Hedrich, Joachim Hörster, Claudia Nolte, Ruprecht Polenz,
Dr. Klaus Rose, Volker Rühe, Bernd Schmidbauer, Dr. Andreas Schockenhoff,
Dr. Hans-Peter Uhl, Willy Wimmer (Neuss) und der Fraktion der CDU/CSU

Umsetzung der Europäischen Sicherheitsstrategie

Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben beim Europäischen Rat
am 12./13. Dezember 2003 in Brüssel eine Europäische Sicherheitsstrategie be-
schlossen. Wir begrüßen, dass sich die EU mit dieser Strategie den sicherheits-
politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellt. Ebenso begrüßen
wir, dass die EU damit endlich eine tragfähige Antwort auf die Nationale
Sicherheitsstrategie der amerikanischen Regierung vom September 2002 gege-
ben hat. In ihrer Strategie benennt die Europäische Union drei strategische
Ziele: die Herstellung von „verantwortungsvoller Staatsführung“ und Stabilität
in unmittelbarer Nachbarschaft Europas, wozu auch der Kaukasus, der Nahe
und Mittlere Osten sowie Nordafrika gezählt werden; die Schaffung einer inter-
nationalen Ordnung, die sich auf einen wirksamen Multilateralismus stützt, und
die Bekämpfung alter und neuer Bedrohungen. Die Bedrohungsanalyse geht
von einem erweiterten Sicherheitsbegriff aus, der auch Probleme wie Armut,
Seuchen, Klima und Energieversorgung mit umfasst. Während klassische
Angriffe gegen Mitgliedstaaten unwahrscheinlich geworden seien, müsse Euro-
pa mit den Bedrohungen durch internationalen Terrorismus, Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen, „gescheiterte Staaten“, organisierte Kriminalität
bzw. durch eine sich verstärkende Kombination dieser Bedrohungen rechnen,
die wenn sie nicht rechtzeitig beachtet werden, ihre Gefährlichkeit erhöhen. Die
Analyse weist dabei darauf hin, dass geographische Gegebenheiten angesichts
der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen ihre Bedeutung verlieren.
Als Mittel gegen die neuen Bedrohungen schlägt die Strategie ein gemischtes
Instrumentarium vor, das sowohl politische, wirtschaftliche, humanitäre, poli-
zeiliche und militärische Mittel umfasst. Dazu müsse Europa eine strategische
Kultur entwickeln, die ein frühes, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen
begünstigt. Der Erfolg der Strategie wird davon abhängen, dass die Mitglied-
staaten der Europäischen Union den Willen aufbringen, den Prinzipien der Stra-
tegie zu folgen und auf dieser Grundlage gemeinsam zu handeln. Die Vorgaben

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der Europäischen Sicherheitsstrategie, wie beispielsweise die Stärkung der eu-
ropäischen Handlungsfähigkeit, müssen nun in den einzelnen Mitgliedstaaten
umgesetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
I.

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass bei einem Vergleich der
Europäischen Sicherheitsstrategie mit der Nationalen Sicherheitsstrategie
der amerikanischen Regierung vom September 2002 große Gemeinsam-
keiten festzustellen sind, und wo sieht die Bundesregierung die wichtigsten
Unterschiede zwischen beiden Strategien?

2. Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, auf dieser Grundlage zusammen
mit den transatlantischen Partnern eine gemeinsame Transatlantische
Sicherheitsstrategie zu erarbeiten?
Wenn nein, warum nicht?

3. Welche weiteren Strategien wird die Europäische Union aus der Europäi-
schen Sicherheitsstrategie über die Strategie gegen die Proliferation von
Massenvernichtungswaffen hinaus entwickeln?

4. Welche Maßnahmen wurden zur Verringerung der „Anfälligkeit von ver-
netzten Infrastrukturen“ Europas getroffen und welche Maßnahmen sollten
aus Sicht der Bundesregierung noch ergriffen werden?

5. Inwiefern werden neue Krankheiten zu einer (sicherheitspolitischen) glo-
balen Bedrohung, und welche sicherheitspolitischen Maßnahmen müssen
präventiv zur Verringerung der Bedrohung ergriffen werden?

6. Welche sicherheitspolitischen Herausforderungen stellen sich aus der
Klimaerwärmung?
Welche sicherheitspolitischen Maßnahmen müssen über den Klimaschutz
hinaus als Antwort auf diese Herausforderung ergriffen werden?

7. In welchen Regionen sieht die Bundesregierung den größten Wettstreit um
Naturressourcen, insbesondere Wasser?
Wie können die sicherheitspolitischen Risiken dieses Wettstreites mini-
miert werden?

8. Welche sicherheitspolitische Strategie verfolgt die Bundesregierung zur
Sicherung der Energieversorgung Deutschlands?

9. In welchen Regionen und in welchem Ausmaß sieht die Bundesregierung
eine Gefahr des Wettrüstens mit Massenvernichtungswaffen?

10. Von welchen strategischen Raketen geht aus Sicht der Bundesregierung im
Augenblick und in der näheren Zukunft eine potentielle Gefährdung der
EU bzw. Deutschlands aus?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das klassische Mittel der Ab-
schreckung als Gegenmaßnahme gegen Terroristen, die im Besitz von
Massenvernichtungswaffen sind, versagt?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?
Warum ist eine solche Formulierung bei der Schlussredaktion der Euro-
päischen Sicherheitsstrategie herausgenommen worden?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2888

12. Welche Rolle kommt der Entwicklungspolitik im Rahmen der Euro-
päischen Sicherheitsstrategie für die Bekämpfung der Wurzeln des interna-
tionalen Terrorismus zu?

13. Was muss aus Sicht der Bundesregierung getan werden, damit die interna-
tionale Gemeinschaft rechtzeitiger als bisher zur Stabilisierung scheitern-
der Staaten eingreift?

14. Ist aus Sicht der Bundesregierung in jedem Fall die Rekonstruktion ge-
scheiterter Staaten zwingend notwendig, oder ist die Überführung geschei-
terter Staaten in andere Formen denkbar (Proto-Staaten, Mandatsgebiete)?

15. Beabsichtigt die Bundesregierung bei der Stabilisierung von scheiternden
Staaten und dem Wiederaufbau gescheiterter Staaten regionale Schwer-
punkte zu setzen, und wenn ja, welche?

16. Hat die Bundesregierung eine entwicklungspolitische Strategie zum Wie-
deraufbau gescheiterter Staaten erarbeitet?
Wenn nein, warum nicht?

17. Auf welche Instrumente will die Bundesregierung im Rahmen der EU bei
der Stabilisierung von scheiternden oder gescheiterten Staaten primär
setzen?

18. Wie ist die Koordinierung der Instrumente im Rahmen der EU mit den
sonstigen Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene sicher-
gestellt?

19. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Verbindungen
zwischen organisierter Kriminalität und terroristischen Bewegungen bzw.
zwischen terroristischen Bewegungen, z. B. FARC und Al Qaida, unterein-
ander?

20. In welchem Ausmaß stellt die Seeräuberei eine sicherheitspolitische Her-
ausforderung für Europa dar und in welchen Regionen taucht die See-
räuberei verstärkt auf?
Gibt es Verbindungen zwischen Seeräuberei und anderen Formen der orga-
nisierten Kriminalität und dem transnationalen Terrorismus?

21. Wie wird Deutschland zurzeit gegen terroristische Angriffe von See her
geschützt?
Welche Rechtsgrundlagen bestehen hierfür, und reichen diese in Zukunft
aus, um den neuen Bedrohungen entgegentreten zu können?

II.
22. Worin sieht die Bundesregierung die größten Proliferationsrisiken, die

gemäß der Europäischen Sicherheitsstrategie ständig zunehmen?
23. Schließt die Anti-Proliferationsstrategie der EU aus Sicht der Bundes-

regierung auch robuste Maßnahmen gegen Proliferationsrisiken („counter-
proliferation“) ein?
Unter welchen Vorraussetzungen könnten solche Gegenmaßnahmen getrof-
fen werden?
Ist die Bundesregierung mit ihren Sicherheitskräften in der Lage, Gegen-
maßnahmen durchzuführen?

24. Muss auf diesem Feld das Völkerrecht weiterentwickelt werden?

Drucksache 15/2888 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

25. Trifft die Aussage zu, dass die Proliferationsgefahr von Massenvernich-
tungswaffen nur von einer kleinen Zahl von Staaten ausgeht, und um wel-
che Staaten handelt es sich?

26. Mit welchen Schritten wird die Bundesregierung den Nichtverbreitungs-
vertrag und andere einschlägige Abrüstungs- bzw. Rüstungskontroll-
verträge weiterentwickeln, um so den neuen Proliferationsrisiken besser
begegnen zu können?

27. Wieweit sind die europäischen Bemühungen gediehen, eine internationale
Vereinbarung über das Verbot der Produktion von „spaltbarem Material“
für Nuklearwaffen zu erzielen?

28. Wie beabsichtigt die Bundesregierung regionale Sicherheitsvereinbarungen
und regionale Rüstungskontrollprozesse zu stärken?
Welche Regionen hat sie dabei besonders im Auge?

29. Was versteht die Bundesregierung unter der Aussage in der EU-Anti-Proli-
ferationsstrategie: „Die EU wird dafür eintreten, dass Sicherheitsgarantien
näher geprüft werden“?
An welche Konstellationen, Regionen und Staaten denkt sie dabei?

30. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aufforderung der
Europäischen Sicherheitsstrategie, ein stärkeres und aktiveres Interesse für
die Probleme im Südkaukasus aufzubringen?
Gilt dies auch im gleichen Maße für die Staaten Zentralasiens, auf die die
Europäische Sicherheitsstrategie nicht näher eingeht?

31. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, wenn ein terro-
ristischer Angriff aus dem Ausland, eventuell mit Massenvernichtungs-
waffen, erkennbar bevorsteht und langfristig präventive Maßnahmen ver-
sagt haben?

32. In welchen Bereichen, die für die internationale Sicherheit relevant sind,
sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit, das Völkerrecht weiterzu-
entwickeln, bzw. das Recht mit den globalen Entwicklungen in Einklang zu
bringen?

33. Welche offenen Rechtsfragen haben sich aus den in der Europäischen
Sicherheitsstrategie aufgezählten Bedrohungen ergeben?

34. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, diese offenen
Rechtsfragen zu beantworten und das Völkerrecht weiterzuentwickeln?

35. Bietet die Charta der Vereinten Nationen (VN) eine ausreichende Grund-
lage für die sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhun-
derts?
Wenn nein, wie sollte sie angepasst werden?
Welche Initiativen hat die Bundesregierung dazu ergriffen?
Welchen Beitrag wird sie dazu leisten?

36. Wie definiert die Bundesregierung wirksamen Multilateralismus, der die
Grundlage für eine Weltordnung sein soll?
Bedeutet wirksamer Multilateralismus auch, dass die Sicherheitsbedürf-
nisse befreundeter Staaten besser berücksichtigt werden müssen?

37. Welche Handlungsoptionen bestehen aus Sicht der Bundesregierung, wenn
der VN-Sicherheitsrat seiner „Hauptverantwortung für die Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ nicht gerecht wird?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2888

38. Unter welchen Handlungsoptionen können aus Sicht der Bundesregierung
die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten wählen, wenn es gilt, Ver-
stöße gegen die Regeln internationaler Organisationen und gegen Verträge
zu ahnden?

39. Wie definiert die Bundesregierung „Konditionalität zur Förderung besserer
Staatsführung“ in anderen Ländern?
Wie soll dieses Instrument aus Sicht der Bundesregierung gestärkt werden?
Inwieweit setzt die Bundesregierung dieses Instrument bereits ein?

40. Welche konkreten Maßnahmen unternehmen die Europäische Union und
die Bundesregierung zur Förderung von verantwortungsvoller Staatsfüh-
rung im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte?

III.
41. Was versteht die Bundesregierung im Einzelnen unter dem in der Europäi-

schen Sicherheitsstrategie gewählten Begriff der „Strategie-Kultur“, „die
ein frühzeitiges, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen“ fördern soll?

42. Wie will die Bundesregierung die Entwicklung dieser „Strategie-Kultur“ in
der EU und in Deutschland fördern, und welche konkreten Beiträge wird
sie dazu innerhalb der Europäischen Union und für die deutsche Diskus-
sion leisten?

43. Inwiefern kann aus Sicht der Bundesregierung durch eine solche „Strate-
gie-Kultur“ ein frühzeitiges, rasches und robustes Eingreifen gefördert
werden?

44. Wie definiert die Bundesregierung im Einzelnen den Begriff des „frühzei-
tigen Eingreifens“, und welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der
Bundesregierung für ein solches „frühzeitiges Eingreifen“ gegeben sein?

45. Versteht die Bundesregierung das Eingreifen der Alliierten im Irak März
2003 als einen solchen Fall des „frühzeitigen Eingreifens“?
Wenn nein, warum nicht?
War das Eingreifen der Alliierten völkerrechtswidrig?
Wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?

46. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Formulierung „frühzei-
tiges Eingreifen“ ein präemptives Eingreifen mit einschließt, und wenn
nein, warum nicht?

47. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass militärische Präemption
unter bestimmten Voraussetzungen völkerrechtlich zulässig ist, und wenn
ja, unter welchen Voraussetzungen?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung?

48. Sieht die Bundesregierung angesichts der neuen Bedrohungen, wie sie in
der Europäischen Sicherheitsstrategie angesprochen werden, eine Notwen-
digkeit, die völkerrechtlichen Voraussetzungen für ein präemptives militä-
risches Eingreifen weiterzuentwickeln, und wenn ja, wie sollte aus Sicht
der Bundesregierung diese Weiterentwicklung aussehen?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung?

49. Innerhalb welcher Frist sollen welche militärischen und nicht-militärischen
Einheiten für ein „rasches Eingreifen“ einsatzbereit sein?
Wie ist der Stand beim Aufbau der sog. Europäischen Eingreiftruppe und
wann ist diese einsatzbereit?

Drucksache 15/2888 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

50. Welche Änderungen sind aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich der
Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der
Bundeswehr notwendig, um ein „rasches Eingreifen“ zu gewährleisten?

51. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff des „robusten Eingreifens“?
52. Unter welchen völkerrechtlichen Voraussetzungen ist ein „robustes Ein-

greifen“ der EU möglich?
53. In welchem geografisch umrissenen Raum soll die EU „den neuen, ständig

wechselnden Bedrohungen“ durch ein „frühzeitiges, rasches und wenn
nötig robustes Eingreifen“ entgegenwirken?
Sollte sich die EU aus Sicht der Bundesregierung auf bestimmte Regionen
konzentrieren?

54. Was ist konkret mit der Aussage in der Europäischen Sicherheitsstrategie
gemeint, die EU sollte „mehrere Operationen gleichzeitig durchführen kön-
nen“?
Wie viele und welche Art von Operationen sollen gleichzeitig durchgeführt
werden können, und welche Führungsstrukturen, Fähigkeiten und Kapazi-
täten müssen der EU dafür im Einzelnen im militärischen (bezogen auf die
einzelnen Teilstreitkräfte) und im nicht-militärischen Bereich zur Verfü-
gung stehen und welche stehen ihr dafür bereits zur Verfügung?
Welche militärischen Fähigkeiten muss die EU dafür insbesondere im
Bereich von Transport, Aufklärung und Kommunikation haben?

55. Welchen konkreten Anteil soll Deutschland dabei jeweils im Einzelnen
übernehmen?

56. Durch welche konkreten Maßnahmen sollen die Streitkräfte der EU-Mit-
gliedstaaten „zu flexibleren, mobilen Einsatzkräften umgestaltet“ werden?
Und welchen Beitrag soll/wird Deutschland dabei leisten?

57. Wie soll eine Überlastung der bei den Eingreiftruppen der NATO und der
EU eingesetzten deutschen Truppenteile verhindert werden, wenn nach
dem Prinzip des single set of forces immer mehr Aufträge aus NATO und
EU an die betroffenen Truppenteile erteilt werden?

58. Welche Aufgaben sollen die von Deutschland, Großbritannien und Frank-
reich entwickelten sog. battle-groups erhalten und wo wird das schwer-
punktmäßige Einsatzgebiet sein?
Ist es zutreffend, dass die battle-groups schwerpunktmäßig in Afrika einge-
setzt werden sollen?
Und wie soll eine Konkurrenz zur NATO-Eingreiftruppe vermieden wer-
den?

59. In welchem Umfang müssen aus Sicht der EU-Mitgliedstaaten „die Mittel
für die Verteidigung aufgestockt werden“, um „unsere Streitkräfte zu
flexibleren, mobilen Einsatzkräften umgestalten und sie in die Lage verset-
zen (zu) können, sich den neuen Bedrohungen zu stellen“?

60. Welchen konkreten Beitrag zur Aufstockung der Mittel für die Verteidi-
gung wird die Bundesregierung im laufenden und in den kommenden Jah-
ren leisten?

61. Welche konkreten Maßnahmen sind von den EU-Mitgliedstaaten für eine
effektivere Nutzung der Mittel für die Verteidigung vorgesehen?

62. Was versteht die Bundesregierung konkret unter einer „effektiveren“ Nut-
zung der Mittel für die Verteidigung; was muss aus ihrer Sicht im Vergleich

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/2888

zum derzeitigen Zustand verändert bzw. verbessert werden, und welche
konkreten Beiträge soll/wird Deutschland dabei leisten?

63. Was versteht die Bundesregierung unter einem „systematischen Rückgriff“
auf zusammengelegte und gemeinsam genutzte Mittel, durch die Duplizie-
rungen verringert, Gemeinkosten gesenkt und mittelfristig die Fähigkeiten
ausgebaut werden können, wie es in der Europäischen Sicherheitsstrategie
heißt?

64. Wie ist der Sachstand beim Aufbau der Europäischen Rüstungsagentur?
65. In welchen Bereichen der in den EU-Mitgliedstaaten insgesamt vorhande-

nen Streitkräfte bestehen Duplizierungen, die aus Sicht der Bundesregie-
rung verringert werden können?

66. Welchen Beitrag kann Deutschland zur Verringerung von bestehenden
Duplizierungen leisten?
Welche Überlegungen zur Umsetzung dieses Ziels existieren in den ande-
ren EU-Mitgliedstaaten?
Und welche Maßnahmen werden dort bereits zur Verringerung von Dupli-
zierungen ergriffen?

67. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, zur Verringerung von
Duplizierungen im Sinne der Arbeitsteilung die konventionellen U-Boote
Deutschlands, Norwegens und der Niederlande in einem gemeinsamen
Kommando innerhalb eines gemeinsamen Hauptquartiers zusammenzu-
fassen, und ist die Bundesregierung bereit, diesen Vorschlag in die EU-
Beratungen zur Verringerung von Duplizierungen einzuführen?
Wenn nein, warum nicht?

68. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, dass anstelle eines je-
weils nationalen Schutzes des europäischen Luftraumes künftig wenige
Staaten das gesamte europäische Bündnisgebiet gemeinsam überwachen
sollten?
Und ist die Bundesregierung bereit, diesen Vorschlag in die EU-Beratun-
gen zur Verringerung bestehender Duplizierungen einzuführen?
Wenn nein, warum nicht?

69. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass als Konsequenz aus einer
Zusammenlegung und gemeinsamen Nutzung von für die gemeinsame Ver-
teidigung vorgesehenen Mitteln die EU-Mitgliedstaaten künftig ihre Vertei-
digungshaushalte darauf abstimmen müssen, welche Finanzmittel für die
Erfüllung der gemeinsamen europäischen Aufgaben und erforderlichen
Fähigkeiten insgesamt gebraucht werden und welche nationalen Beiträge
dafür zu leisten sind?
Wenn ja, wie soll das aus Sicht der Bundesregierung organisiert werden?
Wenn nein, welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dage-
gen?

70. Was versteht die Bundesregierung konkret unter der Aussage der Europäi-
schen Sicherheitsstrategie: „Wir brauchen eine verstärkte Fähigkeit, damit
alle notwendigen zivilen Mittel in und nach Krisen zum Tragen kommen“?
Um welche Fähigkeiten, Mittel und Potentiale der EU-Mitgliedstaaten han-
delt es sich dabei in welcher Größenordnung, und welche Entscheidungs-,
Führungs- und Organisationsstrukturen sind dabei aus Sicht der Bundes-
regierung auf EU-Ebene bzw. auf nationaler Ebene erforderlich?

Drucksache 15/2888 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

71. Sind bisher schon für gemeinsame Maßnahmen im Rahmen der Europäi-
schen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (wie beispielsweise für den
Einsatz europäischer Streitkräfte in der ARTEMIS-Mission) gemeinsame
Bedrohungsanalysen erstellt worden?

72. Sollen die gemeinsamen Bedrohungsanalysen zu den in der Europäischen
Sicherheitsstrategie genannten „Hauptbedrohungen“ erstellt werden oder
auch darüber hinaus?

73. Welche Einrichtungen der Europäischen Union sollen für die Erstellung ge-
meinsamer Bedrohungsanalysen zuständig sein, und welche Beteiligung ist
von deutscher Seite vorgesehen?

74. Wie soll ein „besserer Austausch von Erkenntnissen zwischen den Mit-
gliedstaaten und mit den Partnerländern“ im Einzelnen organisiert werden,
und welche konkreten Beiträge wird die Bundesregierung dafür leisten?

75. Inwieweit sollen diese gemeinsamen Bedrohungsanalysen für die Öffent-
lichkeit verfügbar gemacht werden?

76. In welcher Form sollen die Mitglieder des Bundestages über diese gemein-
samen Bedrohungsanalysen unterrichtet werden?

77. Was ist aus Sicht der Bundesregierung konkret mit der Aussage der Euro-
päischen Sicherheitsstrategie gemeint, dass an „Missionen“ zur „Unterstüt-
zung von Drittländern bei der Terrorismusbekämpfung“ gedacht werden
sollte?
Und welche politischen, polizeilichen, geheimdienstlichen, militärischen
und wirtschaftlichen Maßnahmen sollten aus Sicht der Bundesregierung
dafür auf europäischer Ebene bzw. als deutscher Beitrag vorgesehen wer-
den?
Welche Entscheidungs-, Führungs- und Organisationsstrukturen bestehen
zur Durchführung derartiger Missionen auf europäischer Ebene bzw. müs-
sen dafür geschaffen werden?

78. Durch welche konkreten Maßnahmen soll aus Sicht der Bundesregierung
bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität
eine „bessere Abstimmung zwischen dem außenpolitischen Handeln und
der Justiz- und Innenpolitik“ innerhalb der Europäischen Union im Einzel-
nen erreicht werden?

79. Aus welchem Grund wird in der Europäischen Sicherheitsstrategie „mehr
Kohärenz“ angemahnt, und worin lagen die Schwächen des bisherigen
Handelns?

80. Was ist aus Sicht der Bundesregierung mit der Aussage in der Europäi-
schen Sicherheitsstrategie gemeint, dass es „einer stärkeren Kohärenz …
auch in Bezug auf das außenpolitische Handeln der einzelnen Mitgliedstaa-
ten“ bedürfe?

81. Wie beurteilt die Bundesregierung die französische Nuklearstrategie, ein-
schließlich ihrer Option, notfalls präemptiv zu handeln, sowie die Verein-
barkeit der Strategie mit der Europäischen Sicherheitsstrategie und der Ent-
wicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik?

82. Bezieht sich der Begriff des außenpolitischen Handelns auch auf die ent-
wicklungspolitische Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedstaaten?

83. Inwieweit soll der im Entwurf zur Europäischen Verfassung vorgesehene
Europäische Auswärtige Dienst einer stärkeren Kohärenz des außenpoli-
tischen Handelns der EU-Mitgliedstaaten dienen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/2888

Wie soll sich Deutschland nach Vorstellung der Bundesregierung dabei ein-
bringen?
In welchem Verhältnis wird der Europäische Auswärtige Dienst zum deut-
schen Auswärtigen Dienst stehen?
Wie definiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die zukünf-
tige Rolle des deutschen Auswärtigen Dienstes?

84. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage, dass es
„einer stärkeren Kohärenz … auch in Bezug auf das außenpolitische Han-
deln der einzelnen Mitgliedstaaten“ bedürfe, sowohl für ihre Politik als
auch für die Kompetenzverteilung sowie die Entscheidungs- und Organisa-
tionsstrukturen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden?

85. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Sinne „einer stärkeren
Kohärenz … auch in Bezug auf das außenpolitische Handeln der einzelnen
Mitgliedstaaten“ ein Gesamtverteidigungskonzept erforderlich ist, in dem
die Kräfte für äußere und innere Sicherheit eng miteinander verschränkt
werden und die zivil-militärische Zusammenarbeit zwischen Bund, Län-
dern und Gemeinden gestärkt wird, weil die bisherige strikte Trennung der
Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden den neuen Bedrohun-
gen nicht gerecht wird und unter Kompetenzkonflikten leidet?

86. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für eine stärkere Kohärenz
die Einrichtung eines „Nationalen Sicherheitsrates“ unter angemessener
Beteiligung der Bundesländer sinnvoll ist, um eine umfassende, ressort-
übergreifende Analyse neuer Bedrohungen für die äußere und innere
Sicherheit, die Einleitung geeigneter Abwehrmaßnahmen und Notfallpla-
nungen, die Koordination aller Abwehrkräfte sowie die einheitliche Füh-
rung im Krisenmanagement sicherstellen zu können?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung
im Einzelnen?

Berlin, den 30. März 2004
Dr. Friedbert Pflüger
Christian Schmidt (Fürth)
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Monika Brüning
Dr. Michael Fuchs
Jürgen Herrmann
Dr. Egon Jüttner
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Thomas Kossendey
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Gera)
Hans Raidel
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)

Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer (Saalstadt)
Dr. Wolfgang Schäuble
Bernd Siebert
Jens Spahn
Dr. Wolfgang Bötsch
Anke Eymer (Lübeck)
Erich G. Fritz
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Klaus-Jürgen Hedrich
Joachim Hörster
Claudia Nolte
Ruprecht Polenz
Dr. Klaus Rose
Volker Rühe
Bernd Schmidbauer
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Hans-Peter Uhl
Willy Wimmer (Neuss)
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