BT-Drucksache 15/2740

zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/2168- Stärkung der Menschenrechte in Afghanistan

Vom 23. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2740
15. Wahlperiode 23. 03. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/2168 –

Stärkung der Menschenrechte in Afghanistan

A. Problem
Der Antrag der Regierungskoalitionen problematisiert die menschenrechtliche
Situation in Afghanistan und verdeutlicht, dass eine Verbesserung der Lage vor
Ort nur erreicht werden kann, wenn Afghanistan umgehend bei der Lösung der
dringlichsten Probleme unterstützt wird. Besonders hervorgehoben werden die
schwierige sicherheitspolitische Lage, die prekäre Situation der afghanischen
Frauen und Mädchen, die mangelnde Ausstattung von Polizei und nationaler
Armee, die nur in Ansätzen funktionierenden staatlichen Strukturen und die
mangelnde Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen der Vergan-
genheit. Thematisiert werden darüber hinaus Schwierigkeiten im Bildungs- und
Gesundheitssektor sowie die katastrophalen Zustände in den afghanischen
Gefängnissen. Beschleunigt werden müsse insbesondere der Justizaufbau und
Programme zu Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Milizio-
nären. Der Antrag unterstützt das Engagement der Bundesregierung in Afgha-
nistan, fordert jedoch eine konzertierte Aktion der Staatengemeinschaft, um die
immensen Herausforderungen in Afghanistan zu meistern. Ansonsten drohe
insbesondere in menschenrechtlicher und humanitärer Hinsicht dem Aufbau-
prozess ein empfindlicher Rückschlag, der unter anderem bewirken könnte,
dass Afghanistan erneut zur Schaltzentrale des internationalen Terrorismus
würde.

B. Lösung
Einstimmige Annahme des Antrags in geänderter Fassung

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 15/2740 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/2168 – mit folgenden Änderungen, im Übrigen
unverändert anzunehmen:
1. Absatz 6 wird wie folgt geändert:

a) Die Sätze 3 und 4 werden durch die nachfolgenden Sätze 3 bis 5 ersetzt:
„Folge des Anti-Terrorkampfes war, dass vielerorts die Macht regionaler
Kriegsfürsten stabilisiert wurde, da sie finanziell und logistisch aufge-
rüstet worden sind. Hinzu kommt, dass diese Kriegsfürsten sich zu einem
nicht unerheblichen Teil durch den Drogenhandel finanzieren; Afghanis-
tan ist das größte Rohopium produzierende Land der Welt. Viele der
Kriegsfürsten bereichern sich auch durch Wegezoll, Erpressung, Schutz-
gelder und Korruption und nehmen auf diese Weise Ressourcen in An-
spruch, die eigentlich in den Wiederaufbau fließen sollten.“

b) Die Sätze 5 bis 12 werden die Sätze 6 bis 13.
2. In Nummer 1 der Forderungen wird das Wort „beispielhaftes“ gestrichen.
3. Nummer 2 der Forderungen wird wie folgt gefasst:

„die bei der Geberkonferenz in Tokio gemachten Zusagen weiterhin umzu-
setzen und in den Anstrengungen für den Wiederaufbau und die Verbesse-
rung der humanitären Lage nicht nachzulassen sowie auch die internationale
Gemeinschaft hierzu zu ermutigen;“.

4. Nummer 5 der Forderungen wird wie folgt gefasst:
„bei der afghanischen Menschenrechtskommission und der afghanischen
Regierung auszuloten, in welcher Weise sie am Standort der ISAF-Insel in
Kundus eine oder mehrere unabhängige Menschenrechtsbeauftragte etablie-
ren könnte;“.

5. Nummer 13 der Forderungen wird wie folgt gefasst:
„trotz der angespannten Sicherheitslage zu versuchen, auch in südlichen und
östlichen Provinzen weiterhin Hilfsprojekte durchzuführen, um den Teufels-
kreis aus mangelnder Sicherheit und ausbleibenden Aufbauerfolgen zu
durchbrechen;“.

Berlin, den 3. März 2004

Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Christa Nickels
Vorsitzende

Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Hermann Gröhe
Berichterstatter

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2740

Bericht der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Hermann Gröhe,
Josef Philip Winkler und Rainer Funke

I. Überweisung
Der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Drucksache 15/2168 wurde in der 82. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 11. Dezember 2003 dem
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zur
federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Aus-
schuss, dem Innenausschuss, dem Verteidigungsausschuss,
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung zur Mitberatung überwiesen.
II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Der Antrag befasst sich eingehend mit der menschenrecht-
lichen Situation in Afghanistan. Als besorgniserregend wird
die schwierige sicherheitspolitische Lage und der regionale
Einfluss einzelner Kriegsfürsten bezeichnet. Insbesondere
mangele es an einem arbeitsfähigen Justizwesen und einer
einsatzfähigen und angemessen ausgestatteten Polizei. Mit
Sorge wird die prekäre Situation der afghanischen Frauen
und Mädchen betrachtet, die vielerorts häuslicher Gewalt
und sexuellen Übergriffen schutzlos ausgesetzt seien und oft
gar keinen oder einen nur sehr eingeschränkten Zugang zur
Gesundheitsvorsorge hätten. Bedenklich sei auch die Anzahl
der Frauen beim ohnehin schleppenden Registrierungsver-
fahren für die im Sommer 2004 geplanten Wahlen. Bemän-
gelt werden zudem fehlende staatliche Strukturen und die
unzureichende Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsver-
letzungen der Vergangenheit. Thematisiert werden darüber
hinaus Schwierigkeiten im Bildungs- und Gesundheitssektor
sowie die katastrophalen Zustände in den afghanischen Ge-
fängnissen.
Der Antrag würdigt das Engagement der Bundesregierung
beim Wiederaufbau Afghanistans und hebt die deutsche
Rolle beimMinenräumen sowie bei Aufbau und Ausbildung
afghanischer Polizeikräfte hervor. Die Bundesregierungwird
aufgefordert, Frauen bei der Wahrnehmung ihrer politischen
Rechte zu unterstützen und auf ihre beschleunigte Registrie-
rung in Wählerlisten hinzuwirken. Mit gezielten Förder-
programmen sollen die Bildungschancen von Frauen und
Mädchen verbessert werden. Der Antrag plädiert für eine
Verbesserung der Haftbedingungen in den Gefängnissen so-
wie für eine angemessene Ausbildung und Ausstattung von
Polizei und Gefängnispersonal. Beschleunigt werden müsse
dringend der Aufbau des Justizsystems und Programme zu
Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Mili-
zionären. Begrüßt würde, wenn die afghanische Menschen-
rechtskommissionMenschenrechtsbeauftragte an den Stand-
ort der ISAF-Insel in Kundus entsenden würde. Schließlich
wird eine unabhängige Untersuchung und rückhaltlose Auf-
klärung der Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit
gefordert und die Schaffung eines wirksamen Zeugenschutz-
programms angeregt.
III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse
Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner
31. Sitzung am 28. Januar 2004 beraten. Er hat empfohlen,

den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen der FDP und CDU/CSU anzunehmen.
Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner 31. Sitzung am
3. März 2004 beraten. Er hat empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 15/2168 mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENund FDP bei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU anzunehmen. Der Änderungs-
antrag der Fraktion der CDU/CSU, der auch im Ausschuss
fürMenschenrechte undHumanitäreHilfe zu Ziffer 8 gestellt
wurde, ist mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU abgelehnt worden.
Der Verteidigungsausschuss hat den Antrag in seiner
29. Sitzung am 28. Januar 2004 beraten. Er hat mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktionen der FDP und CDU/CSU
empfohlen, den Antrag anzunehmen.
DerAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Antrag in seiner 26. Sitzung am 28. Januar 2004
beraten. Er hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der CDU/CSU und Abwesenheit der Fraktion der
FDP empfohlen, den Antrag anzunehmen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 30. Sitzung am 28. Ja-
nuar 2004 beraten. Er hat mit den Stimmen der Fraktionen
SPDundBÜNDNIS 90/DIEGRÜNENbei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU und Abwesenheit der Fraktion
der FDP empfohlen, den Antrag anzunehmen.
IV. Beratung im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe hat die Vorlage in seiner 33. Sitzung am 3. März 2004
beraten.
Die Fraktion der CDU/CSU schlug eine Reihe von Ände-
rungen zum Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/2168 vor, vergleiche
Nummer 1 bis 5 der in der Beschlussempfehlung wiederge-
gebenen Änderungen. Sie beantragte darüber hinaus Num-
mer 8 der Forderungen des Koalitionsantrages wie folgt zu
fassen: „darauf hinzuwirken, dass eineRückführung afghani-
scher Flüchtlinge gemäß den Beschlüssen der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am
14./15. Mai 2003 in Erfurt (TOP 10) und am 21. November
2003 in Jena (TOP 7) so erfolgt, dass ihre sichere Aufnahme
in Afghanistan gewährleistet ist;“.
Die Fraktion der CDU/CSU betont, dass die von ihr vor-
gelegten Änderungsanträge der Präzisierung und Klarstel-
lung des Antrages dienten. Der Änderungsvorschlag zu For-
derung 8 resultiere aus der Auswertung mehrmaliger Unter-
richtungen des Ausschusses durch das Bundesinnenministe-
rium.

Drucksache 15/2740 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Fraktion der SPD betonte die Erfolge Afghanistans
beim Wiederaufbau- und Verfassungsprozess. Alle im An-
trag genanntenAspekte seien u. a. Gesprächsgegenstand ver-
schiedener Delegationsreisen des Ausschusses nach Afgha-
nistan gewesen. Den Nummern 1 bis 5 der Änderungsvor-
schläge der Fraktion der CDU/CSU könne zugestimmt wer-
den. Dies gelte aber nicht für die beantragte Änderung der
Forderung 8 des Koalitionsantrages. Der Koalitionsantrag
stehe nicht im Widerspruch zur Beschlussniederschrift der
Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der
Länder am 14./15. Mai 2003 sowie am 21. November 2003.
EinVerweis darauf imBeschlusstext sei also entbehrlich. Die
Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schles-
wig-Holstein hätten zudem erklärt, dass sie angesichts der
politischen Entwicklung in Afghanistan jedwede Ankündi-
gung einer Rückführung für verfrüht halten.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmte den
Änderungsvorschlägen 1 bis 5 der Fraktion der CDU/CSU
zum Koalitionsantrag gleichfalls zu, lehnte jedoch die Zu-
stimmung zu der von der Fraktion der CDU/CSUbeantragten
Änderung zu Forderung 8 desKoalitionsantrages ab. Die ent-
sprechende Formulierung in der Fassung des Koalitions-

antrages sei ausreichend und es sei auch nicht üblich, Be-
schlüsse der Konferenz der Innenminister und -senatoren der
Länder in Parlamentsbeschlüsse aufzunehmen.
Die Fraktion der FDPwar der Auffassung, dass das im An-
trag der Koalition mehrfach hervorgehobene „beispielhafte“
Engagement der Bundesregierung in Kundus die Zustim-
mung erschwerte. Sie wies auch darauf hin, dass ohne eine
Aufarbeitung der Drogenproblematik weder eine Verbesse-
rung der humanitären noch der menschenrechtlichen Situa-
tion zu erreichen sei. Der Grundtenor des Antrags würde je-
doch für richtig gehalten.
In der Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion
der CDU/CSU wurden die Nummern 1 bis 5 – vergleiche die
Beschlussempfehlung – einstimmig angenommen. Der Än-
derungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Forderung 8
des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Drucksache 15/2168 wurde mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.
Mit den so beschlossenen Änderungen wurde der Antrag auf
Drucksache 15/2168 einstimmig angenommen.

Berlin, den 3. März 2004
Angelika Graf (Rosenheim)
Berichterstatterin

Hermann Gröhe
Berichterstatter

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

Rainer Funke
Berichterstatter

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