BT-Drucksache 15/2684

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/2316, 15/2345, 15/2674, 15/2679 - Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes (TKG)

Vom 10. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2684
15. Wahlperiode 10. 03. 2004

Änderungsantrag
der Abgeordneten Rainer Funke, Rainer Brüderle, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Gudrun Kopp, Gisela Piltz, Daniel Bahr (Münster), Ernst Burgbacher, Jörg van
Essen, Otto Fricke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel,
Eberhard Otto (Godern), Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Volker
Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/2316, 15/2345, 15/2674, 15/2679 –

Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes (TKG)

Der Bundestag wolle beschließen:
1. § 29 Abs. 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Bei der Festlegung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten
Kapitals berücksichtigt die Regulierungsbehörde im Rahmen ihres Ermes-
sensspielraumes und unter Beachtung der Regulierungsziele insbesondere
1. die Kapitalstruktur des regulierten Unternehmens,
2. die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten

und die Bewertung des regulierten Unternehmens auf diesen Märkten,
3. die langfristigen Erfordernisse hinsichtlich der Rendite für das einge-

setzte Eigenkapital, wobei auch die leistungsspezifischen Risiken des
eingesetzten Eigenkapitals zu würdigen sind und

4. die Anwendung anerkannter Verfahren der kapitalmarktorientierten Zins-
ermittlung.“

2. § 64 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Die Regulierungsbehörde nimmt die Aufgaben der Nummerierung

wahr. Ihr obliegt insbesondere die Strukturierung und Ausgestaltung des
Nummernraumes mit dem Ziel, den Anforderungen von Endnutzern, Betrei-
bern von Telekommunikationsnetzen und virtuellen Netzen sowie Anbietern
von Telekommunikationsdiensten zu genügen und hierbei objektive, trans-
parente und nichtdiskriminierende Verfahren für die Zuteilung festzulegen.
Ausgenommen ist die Verwaltung des Deutschland zugeordneten länderspe-
zifischen Domänennamens oberster und nachgeordneter Stufen (.de-Do-
main-Namen). Die Regulierungsbehörde teilt ferner Nummern an Betreiber

Drucksache 15/2684 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

von Telekommunikationsnetzen und virtuellen Netzen, Anbieter von Tele-
kommunikationsdiensten und Endnutzer zu.“

3. Nach § 135 wird folgender neue §135a eingefügt:
㤠135a

Rechtsmittel gegen Beschlusskammerentscheidungen
(1) Abweichend von § 135 ist gegen die Entscheidungen der Beschluss-

kammern die Beschwerde zulässig. Sie kann auch auf neue Tatsachen und
Beweismittel gestützt werden.
(2) Die Beschwerde steht den an dem Verfahren Beteiligten zu.
(3) Die Beschwerde ist auch gegen die Unterlassung einer beantragten

Verfügung der Regulierungsbehörde zulässig, auf deren Vornahme der An-
tragsteller ein Recht zu haben behauptet. Als Unterlassung gilt es auch,
wenn die Kartellbehörde den Antrag auf Vornahme der Verfügung ohne
zureichenden Grund in angemessener Frist nicht beschieden hat. Die Unter-
lassung ist dann einer Ablehnung gleich zu achten.
(4) Über die Beschwerde entscheidet ausschließlich das für den Sitz der

Regulierungsbehörde zuständige Oberlandesgericht. § 36 der Zivilprozess-
ordnung gilt entsprechend.
(5) Gegen die in der Hauptsache erlassenen Beschlüsse der Oberlandes-

gerichte findet die Rechtsbeschwerde an dem Bundesgerichtshof statt, wenn
das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Für diese fin-
den die §§ 74 bis 76 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ent-
sprechende Anwendung.“

Berlin, den 9. März 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Zu Nummer 1
Es ist davon auszugehen, dass die leistungs- bzw. anlagespezifischen Risiken
und somit die angemessenen Risikoprämien im regulierten Bereich deutlich
kleiner ausfallen als im Gesamtunternehmen, so dass die Berücksichtigung
einer Kapitalmarktbewertung des Gesamtunternehmens zu tendenziell über-
höhten Kapitalkostensätzen führt. Folglich ist die Rendite für das eingesetzte
Eigenkapital grundsätzlich leistungsspezifisch zu ermitteln.
Anderenfalls wäre zu befürchten, dass die Wettbewerber über die Zugangsent-
gelte ineffiziente Strukturen des regulierten Unternehmens finanzieren und die
Allokationseffizienz im Telekommunikationsbereich gefährdet wird.
Ferner ist ein Bezug auf die „durchschnittliche kapitalmarktübliche Verzinsung
vergleichbarer Anbieter in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union“, also quasi ein Benchmark nach internationalem Maßstab, bereits im
Ansatz wenig geeignet zu effizienten Ergebnissen zu führen, da hierbei nur auf
den Durchschnitt internationaler Verfahrensergebnisse Bezug genommen wird,
ohne das jeweilige Bewertungsverfahren selbst zu betrachten. Aufgrund der
durchaus unterschiedlichen Kapitalstrukturen der regulierten Unternehmen,
unterschiedlicher Regulierungssysteme sowie ansonsten nicht immer vergleich-
barer ökonomischer Rahmenbedingungen, kann die Anwendung gleicher

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2684

Bewertungsverfahren auf unterschiedlichen Märkten deutlich voneinander ab-
weichende Ergebnisse hinsichtlich der angemessenen Kapitalverzinsung her-
vorbringen.
Dementsprechend sind originäre Bewertungsverfahren nach vorrangig kapital-
marktorientierten Maßstäben mit Bezug auf die heimischen Telekommunika-
tionsmärkte einem internationalen Benchmark vorzuziehen.

Zu Nummer 2
MVNOs (Mobile Virtual Nettwork Operators) mieten Mobilfunkfrequenzen
von Netzbetreibern, um den Kunden ein Vollsortiment anzubieten. Sie treten
folglich gegenüber dem Kunden wie ein eigener Netzbetreiber auf. Virtuelle
Netze sind geeignet, den Wettbewerb zu beleben. Das zeigen auch andere euro-
päische Länder. Da die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
(RegTP) sich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bisher geweigert hat,
MVNOs eigene Nummernblöcke zur Verfügung zu stellen, sind freie Verträge
nicht zu Stande gekommen. Deshalb sollten in § 64 TKG-E die virtuellen Netze
bei der Nummernvergabe benannt werden. Dann kann sich die RegTP nicht
mehr darauf berufen, dass die Bedienung der virtuellen Netze mit eigenen Ruf-
nummern gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Zu Nummer 3
Für Klagen gegen die Entscheidungen der Beschlusskammern ist der Zivil-
rechtsweg vorzusehen. Der neue § 135a entspricht der Regelung des § 63 im
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Der Rechtswegewechsel von den Verwaltungsgerichten zu den Kartellgerichten
stellt die notwendige Kohärenz zwischen allgemeinem Wettbewerbsrecht und
der sektorspezifischen Regulierung her. Er entspricht der Zielvorgabe des TKG,
nämlich den wettbewerblichen Ausnahmebereich langfristig in das allgemeine
Wettbewerbsrecht zu überführen.
Verwaltungsgerichte verfolgen in erster Linie den Schutz privater Rechtsperso-
nen vor den Eingriffen des Staates. Dagegen sind die Kartellgerichte der pass-
genauere Weg, um die Regulierungsbehörde bei der Schaffung und Bewahrung
von Wettbewerb rechtlich zu begleiten. Der Zivilgerichtsweg eröffnet zudem
eine automatische Instanzenverkürzung und ermöglicht trotzdem höchstrichter-
liche Rechtsprechung.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.