BT-Drucksache 15/2671

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger, Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/2389- Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela unterstützen - Freiheit der Medien und wirtschaftliche Prosperität wiederherstellen

Vom 10. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2671
15. Wahlperiode 10. 03. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger,
Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/2389 –

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela unterstützen –
Freiheit der Medien und wirtschaftliche Prosperität wiederherstellen

A. Problem
Seit Beginn der Auseinandersetzung zwischen dem demokratischen Teil der
Opposition und der Regierung von Präsident Hugo Chavez in Venezuela hat
das Land eine dramatische Entwicklung durchlaufen, die die bereits bestehende
schwerwiegende soziale und wirtschaftliche Kluft und die politischen Ero-
sionsprozesse des Landes weiter vertieft hat. Unter dem Deckmantel einer
„bolivarischen Revolution“ hat Präsident Hugo Chavez die Freiheit der Medien
massiv beschnitten, begonnen, die demokratischen Institutionen des Landes zu
untergraben oder Parallel-Organisationen ins Leben zu rufen, und durch Devi-
senbewirtschaftung und andere restriktive Maßnahmen die Wirtschaft des Lan-
des stark geschwächt.
Der Präsident hat das Recht der Regierung auf Mitteilung bei Notfällen miss-
braucht und zwischen dem Regierungsantritt des gegenwärtigen Präsidenten im
Februar 1999 und dem 5. November 2003 dafür gesorgt, dass es insgesamt 517
Stunden Regierungsprogramm auf allen Kanälen gab. Die wirtschaftliche Lage
in Venezuela ist besorgniserregend, es wird etliche Jahre kräftigen Wachstums
bedürfen, bis das Wirtschaftsniveau von 1998 wieder erreicht sein wird. Trotz
positiver Wachstumsrate besteht wenig Aussicht auf eine allgemeine Besserung
der Wirtschaft, eher auf eine weitere Verarmung der venezolanischen Bevölke-
rung im Namen der bolivarischen Revolution.
Mit Besorgnis ist festzustellen, dass Präsident Hugo Chavez im Verlauf seiner
Amtszeit neben den regulären Streitkräften ihm ergebene bewaffnete
Kampfeinheiten geschaffen hat, die für gewalttätige Übergriffe auf frei ge-
wählte Parlamentarier, Teile der Opposition und die Medien verantwortlich
sind. Von September bis Oktober 2003 wurden zudem über 10 000 Kubaner
nach Venezuela geschickt, von denen zu vermuten ist, dass es sich hierbei nicht
nur um Ärzte handelt, sondern auch um ein Kontingent von Geheimdienst-Mit-
arbeitern und militärischen Ausbildern.
Nach langen Auseinandersetzungen hatten sich Regierung und Opposition in
Venezuela im Verlauf des Jahres 2003 unter der Vermittlung der Organisation

Drucksache 15/2671 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Amerikanischer Staaten (OAS) darauf geeinigt, als Ausweg aus der tiefen
Staatskrise Volksbegehren gegen Mandatsinhaber, die zur Mitte jeder Amtszeit
nach der neuen Verfassung möglich sind, anzustreben. Zum ersten Mal in der
Geschichte Venezuelas wird hier der Versuch unternommen, per Referendum
einen Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. Trotz Behinderungen konnte die
Unterschriftensammlung der Opposition vom 28. November bis 1. Dezember
2003 friedlich durchgeführt werden. Die notwendige Zahl an Unterschriften für
die Einsetzung des Abberufungsreferendums gegen Präsident Hugo Chavez
wurde um gut ein Drittel übertroffen. Die Unterschriftensammlung der Opposi-
tion muss noch vom Nationalen Wahlrat bestätigt werden.
Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern,
1. der venezolanischen Regierung zu bedeuten, dass sie die Freiheit der

Medien respektiert;
2. die venezolanische Regierung zu bewegen, zu einer friedlichen Wirt-

schaftsordnung zurückzukehren;
3. die venezolanische Regierung zu ermahnen, demokratische Institutionen

des Landes nicht durch Schaffung von Parallel-Organisationen zu unter-
graben und die parlamentarischen Rechte der Opposition zu respektieren;

4. gegenüber der venezolanischen Regierung darauf zu drängen, die Unab-
hängigkeit der Gerichtsbarkeit zu respektieren;

5. der venezolanischen Regierung zu verdeutlichen, dass die von Präsident
Hugo Chavez gegebene Zusage, die Entscheidungen des Nationalen Wahl-
rats zu unterstützen, Maßstab ihrer Beurteilung ist;

6. der venezolanischen Regierung zu bedeuten, dass sie nicht unzulässig in
den weiteren Gang des Wahlverfahrens eingreift;

7. darauf hinzuwirken, dass der obersten Wahlbehörde ausreichende Mittel
und technische Beratung zur Verfügung gestellt wird;

8. darauf hinzuwirken, dass bei der Durchführung des Abberufungsreferen-
dums internationale Wahlbeobachtung stattfindet;

9. zusammen mit den europäischen und internationalen Partnern beide Seiten
der innervenezolanischen politischen Auseinandersetzung zur Einhaltung
von demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen zu drängen;

10. auf beiden Seiten darauf hinzuwirken, dass diese sich verpflichten, den
Ausgang der Volksbegehren anzuerkennen;

11. beide Seiten, insbesondere die Regierung, an ihre Pflicht zur friedlichen
Konfliktlösung und zur Einhaltung des am 29. Mai 2003 unterzeichneten
Abkommens zu erinnern;

12. die venezolanische Regierung aufzufordern, ihre Politik der Konfliktver-
schärfung und Ausgrenzung einzustellen und zu einer Politik der Vermitt-
lung und der internationalen Solidarität zurückzukehren;

13. nach einer Lösung der Staatskrise Initiativen zu unterstützen, die der natio-
nalen Versöhnung und der Konsolidierung einer Demokratie dienen;

14. die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), das Carter-Zentrum, die
„Gruppe der Freunde Venezuelas“ bei der Beobachtung des weiteren innen-
politischen Prozesses in Venezuela zu unterstützen;

15. auf eine einheitliche Position der EU und der internationalen Gemeinschaft
hinsichtlich der politischen Ereignisse in Venezuela hinzuarbeiten.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2671

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 15/2671 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 15/2389 abzulehnen.

Berlin, den 10. März 2004

Der Auswärtige Ausschuss
Volker Rühe
Vorsitzender

Lothar Mark
Berichterstatter

Klaus-Jürgen Hedrich
Berichterstatter

Dr. Ludger Volmer
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2671

Bericht der Abgeordneten Lothar Mark, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Ludger Volmer
und Harald Leibrecht

I.
Der Deutsche Bundestag hat den vorliegenden Antrag auf
Drucksache 15/2389 in seiner 91. Sitzung am 12. Februar
2004 beraten.
Der Antrag wurde an den Auswärtigen Ausschuss federfüh-
rend, an den Verteidigungsausschuss, an den Ausschuss für
Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sowie an den Aus-
schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung zur Mitberatung überwiesen.

II.
Der Verteidigungsausschuss hat den Antrag in seiner
32. Sitzung am 10. März 2004 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP die Ablehnung.
Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe hat den Antrag in seiner 34. Sitzung am 10. März
2004 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Ablehnung.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 33. Sitzung am
10. März 2004 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme.

III.
Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner
34. Sitzung am 10. März 2004 beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der
CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP die Ablehnung.
Die Fraktion der CDU/CSU macht darauf aufmerksam, dass
insbesondere die Abgeordneten des Parlaments in Venezu-
ela die Unterstützung und die Solidarität aller demokra-
tischen Parlamentarier in der internationalen Gemeinschaft
brauchen. Durch die Pläne der Regierung von Präsident
Hugo Chavez, die Geschäftsordnung der venezolanischen
Nationalversammlung eindeutig zu Lasten der Rechte der
parlamentarischen Opposition zu ändern, seien in Venezuela
tragende Prinzipien der Demokratie und der Gewaltentei-
lung in Gefahr. Mit der Parlamentsreform wolle die Regie-
rung die Voraussetzungen dafür schaffen, zahlreiche ge-
plante politisch und verfassungsrechtlich fragwürdige Ge-
setzesvorhaben durchsetzen zu können, ohne den wirksamen
Widerstand der parlamentarischen Opposition fürchten zu
müssen. Die Revision der parlamentarischen Geschäftsord-
nung sei nach den jüngsten Einschränkungen der Freiheit
der Medien ein weiterer besorgniserregender Schritt der Re-
gierung Hugo Chavez, der gegen die demokratische und
verfassungsmäßige Ordnung des Landes gerichtet sei. Vene-
zuela stehe gegenwärtig an der Schwelle zur Diktatur.

Berlin, den 10. März 2004
Lothar Mark
Berichterstatter

Klaus-Jürgen Hedrich
Berichterstatter

Dr. Ludger Volmer
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

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