BT-Drucksache 15/2633

Schutz von Ur- und Primärwäldern

Vom 3. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2633
15. Wahlperiode 03. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Birgit
Homburger, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Schutz von Ur- und Primärwäldern

Illegaler Holzeinschlag zerstört in den waldreichen Regionen der Erde wert-
volle Wälder. Nach Schätzungen von WWF-Deutschland erfolgen in Russland
bis zu 60 % des Holzeinschlags illegal und im Amazonasgebiet sogar bis zu
80 %. Die Gründung des FSC (Forest Stewardship Council) hat diese Entwick-
lung bisher nicht wesentlich beeinflussen können. Inzwischen gibt es weltweit
verschiedene Zertifizierungssysteme für Holz, von denen insbesondere der
PEFC (Pan-European Forest Certification) in Deutschland Bedeutung hat, da
mehr als die Hälfte der Waldflächen in Deutschland vom PEFC zertifiziert wur-
den. Die Landesforstverwaltung von Mecklenburg-Vorpommern wurde Ende
des vergangenen Jahres vom PEFC zertifiziert, der AFS (Australian Forest
Standard) hat die Anerkennung durch den PEFC erzielt.
Im Februar fand in Kuala Lumpur, Malaysia, die 7. Vertragsstaatenkonferenz
der Konvention über die Biologische Vielfalt statt. Ein Thema war die Zerstö-
rung der Urwälder insbesondere durch illegalen Holzeinschlag. Mehr als die
Hälfte der an Land lebenden Tier- und Pflanzenarten haben Urwälder als Le-
bensraum.
Derzeit werden von verschiedenen Umweltorganisationen Entwürfe und Reso-
lutionen zum Schutz der noch vorhandenen Urwälder erarbeitet (1) und (2).
Diese Entwürfe richten sich primär gegen den illegalen Holzhandel und setzen
sich für den Schutz von Ur- und Primärwäldern ein. Die fortschreitende Zerstö-
rung der Primärwälder in den Tropen, aber auch in den borealen Regionen, ist
ein Problem für den globalen Klimaschutz und den Arten- und Lebensraum-
schutz. Der Schutz der Ur- und Primärwälder ist dringend geboten.
Die im Greenpeace-Entwurf (1)/(S. 26/27, Artikel 1) angeführte Urwaldkon-
vention stützt sich auf eine international vereinbarte Definition von Urwald.
Greenpeace weitet diese Definition jedoch im Folgenden auch auf „geeignete
Gebiete, die zu Urwäldern entwickelt werden können“ aus. Dies bedeutet, dass
auch Wälder, die heute keine Urwälder mehr sind, zu solchen entwickelt wer-
den sollen. Dies ist jedoch mit der Definition von Artikel 1 der Urwaldkonven-

Drucksache 15/2633 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

tion nicht kompatibel. Es bleibt unklar, wodurch sich diese Gebiete dann aus-
zeichnen sollen.
Der zu Recht kritisierten Praxis der Zerstörung von Primärwäldern und des ille-
galen Holzeinschlags soll mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen begegnet wer-
den. Diese werden jedoch so weit gefasst, dass die ordnungsrechtlichen Maß-
nahmen auch die im Rahmen der deutschen Waldgesetze nachhaltig betriebene
Forstwirtschaft deutlich beeinträchtigen könnten. Es besteht außerdem die Ge-
fahr, dass durch undifferenziert geführte Diskussionen das Image des Holzes,
unseres wichtigsten nachwachsenden Rohstoffs, beeinträchtigt werden könnte.
Bei den Diskussionen über die Tropenwaldzerstörung in den 80er Jahren wur-
den bereits entsprechende Erfahrungen gemacht (Quellennachweis:
1. Greenpeace-Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Holzhan-

dels zum Schutz von Urwäldern und anderen Primärwäldern/Urwaldschutz-
gesetz – UrwSchG, vom 14. Januar 2004

2. Gemeinsame Resolution vom 4. Februar 2004 von: Greenpeace, Deutscher
Naturschutzring/DNR, Naturschutzbund Deutschland/NABU, WWF
Deutschland, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland/BUND, etc.
zur 7. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention über die Biologische
Vielfalt (COP 7 der CBD)).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche wissenschaftlichen Definitionen zu folgenden Waldformen legt die

Bundesregierung ihren Entscheidungen zugrunde:
a) Urwald
b) Altwald
c) Naturwald
d) Primärwald
e) Sekundärwald?

2. Werden diese Begriffe international einheitlich verwendet, und wenn nicht,
welche Unterschiede gibt es?

3. Sind die von der Bundesregierung verwendeten Definitionen identisch mit
den von der Expertenkonferenz der FAO erarbeiteten Definitionen, die
im Konferenzbericht (Proceedings – Second expert meeting on harmoni-
zing forest-related definitions for use by various stakeholders; Rome,
11.–13. September 2002, revised edition) genannt werden, und wenn nicht,
welche Unterschiede gibt es?

4. Gibt es noch weitere Differenzierungen dieser Waldformen?
Wenn ja, um welche Unterformen handelt es sich, und wie sind diese defi-
niert?

5. Welche Restbestände an Ur- und Naturwäldern gibt es in der Bundesrepu-
blik Deutschland, welchen Schutzstatus haben sie, wie groß sind sie und in
welchen Bundesländern liegen sie?

6. Existiert eine Definition für den im Greenpeace-Entwurf (1, S. 27 bis 29)
eingeführten, aber nicht näher bestimmten Terminus des „geeigneten Wald-
gebietes, das sich zum Urwald entwickeln kann/soll“?

7. Nach welchen Kriterien beurteilt gegebenenfalls die Bundesregierung die
Eignung eines Waldgebietes zur Urwaldentwicklung und sieht die Bundes-
regierung diese Kriterien für deutsche Naturwaldgebiete erfüllt, und wenn
ja, für welche?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2633

8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Einschränkungen der
Bewirtschaftung von Wäldern mit dem Ziel, eine Wiederherstellung von
Urwäldern zu initiieren, im Privatwald entschädigt werden müssen oder
nur im Rahmen des Vertragsnaturschutzes im Wald durchgeführt werden
können, und wenn nein, warum nicht?

9. Ist die Naturwalddichte in der Bundesrepublik Deutschland ausreichend,
um eine genügend große Gebietsfläche zu schaffen, die für das langfristige
Überleben gesunder Populationen von Pflanzen und Tieren essentiell ist,
damit Genaustausch stattfinden kann und Einzelpopulationen nicht degene-
rieren, oder ist der Verbund mit Wirtschaftswäldern zwingend?

10. Wie plant die Bundesregierung gegen eine weitergehende Zerstörung der
Primärwälder, deren Fläche – besonders im Bereich der Tropen – seit Jah-
ren rückläufig ist, vor allem bedingt durch die Armut in den Drittweltlän-
dern, wirkungsvoll einzutreten?

11. Was unternimmt die Bundesregierung gegen den weltweit ständig an Be-
deutung zunehmenden illegalen Holzeinschlag, der zu der legal geernteten
Hiebmenge – in den offiziellen Statistiken ist ausgewiesen, dass auf der
Waldfläche von weltweit 3,9 Mrd. ha jährlich etwa 3,3 Mrd. m3 Rundholz
geerntet werden – noch hinzukommt, und was unternimmt die Bundes-
regierung gegen die Einfuhr solchen Holzes?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis über illegalen Holzeinschlag in der EU
der 15 Mitgliedstaaten oder in den zehn Beitrittsstaaten bzw. über die Zer-
störung von Ur- und Primärwäldern, und wenn ja, in welchen Ländern, und
welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zum Schutz dieser Wälder
initiiert?

13. In welchem Umfang importiert die Bundesrepublik Deutschland Holz und
Holzprodukte (Menge und Wert), welches sind die wichtigsten Importlän-
der und für welche Verwendungszwecke wird Holz importiert?

14. Welchen Anteil hat der Import von Holz und Holzprodukten an der gesam-
ten Verwendung von Holz und Holzprodukten in Deutschland?

15. In welchem Umfang exportiert die Bundesrepublik Deutschland Holz und
Holzprodukte (Menge und Wert) und welcher Anteil wird gegebenenfalls
nach Verarbeitung reimportiert?

16. Welcher Anteil des Holzimports erfolgt nach Schätzung der Bundesregie-
rung aus illegalem Holzeinschlag?

17. In welchem Umfang könnte nach Einschätzung der Bundesregierung der
Import von Holz aus illegalem Holzeinschlag durch vermehrten Einschlag
aus nachhaltiger Waldwirtschaft in Deutschland vermindert werden?

18. Wie haben sich die Preise für Industrieholz und für Stammholz in den letz-
ten zehn Jahren in Deutschland entwickelt und sind sie nach Einschätzung
der Bundesregierung konkurrenzfähig gegenüber Importen?

19. Welche Bedeutung hat nach Einschätzung der Bundesregierung die roh-
stoffliche und energetische Verwertung von Holz und Holzprodukten in
Deutschland?

Berlin, den 3. März 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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