BT-Drucksache 15/252

Sicherheit des Schiffverkehrs

Vom 18. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/252
15. Wahlperiode 18. 12. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Birgit Homburger, Dr. Christian Eberl,
Daniel Bahr (Münster), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto
Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Dr. Christel Happach-Kasan,
Christoph Hartmann (Homburg), Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L.
Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina
Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Eberhard Otto (Godern), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Sicherheit des Schiffverkehrs

Im Eindruck der Havarie des Tankers „Prestige“ vor der Küste von Galizien
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred
Stolpe, erklärt, Deutschland und Frankreich hätten sich darauf verständigt, sich
gemeinsam für eine Verschärfung und eine frühzeitigere Umsetzung der
Sicherheitsmaßnahmen im Seeverkehr einzusetzen (Pressemitteilung des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Nr. 479). Die Fol-
gen derartiger Unglücksfälle seien ein weltweites Problem, weshalb darauf
hinzuwirken sei, dass die Verbesserung der Sicherheit der Seeschifffahrt in in-
ternationalen Gremien intensiver vorangebracht wird. Deutschland und Frank-
reich würden im EU-Verkehrsministerrat deshalb ein umfangreiches Maß-
nahmenpaket einbringen, wonach die Mitgliedstaaten der IMO (International
Maritime Organisation) aufgefordert werden sollen, unverzüglich Konsequen-
zen aus der Havarie der „Prestige“ zu ziehen.
Unterdessen berichten die Medien von Umsetzungsdefiziten des „Pariser-Me-
morandums o. U.“. Einige europäische Länder hätten die Konvention, die die
Hafenkontrolle von 25 % aller einlaufenden Schiffe einer Flagge vorsieht, nicht
unterzeichnet, andere Länder vollzögen die Konvention nur unzureichend.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Verhandlungen und bilateralen Gespräche mit der französischen Re-

gierung sind seit dem Untergang der „Prestige“ im Zusammenhang mit der
Sicherheit mit welchen konkreten Ergebnissen geführt worden und wie lau-
ten die weiteren Planungen?

2. Welche regelmäßigen Sonderprüfungen für Schiffe in Abhängigkeit von
Alter und Ladung sind der Bundesregierung bekannt?

3. Wenn es welche gibt, durch wen werden diese durchgeführt, und wenn es
keine gibt, warum nicht?

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4. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung eine weitere Verkürzung der
von der IMO bis 2015 befristeten Ausphasung für Einhüllentanker mög-
lich, und wenn ja, wie will die Bundesregierung diese Verkürzung betrei-
ben?

5. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung von Klassifikationsgesell-
schaften, bei der Hafenstaatkontrolle oder durch andere regelmäßig oder
stichprobenmäßig Festigkeitskontrollen von Schiffen (in Abhängigkeit von
Alter und Ladung) durchgeführt?
Wenn ja, von wem und auf welche Weise, und wenn nein, warum nicht?

6. Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um auf natio-
naler und auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die Mitglied-
staaten verbindliche Absprachen mit der Mineralöl- bzw. Verladungsindus-
trie treffen, wonach insbesondere Öl künftig nicht mehr in älteren
Einhüllentankern transportiert werden soll?

7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Öl-Ein-
und -Ausfuhr aus den deutschen Seehäfen, der mit Nicht-Doppelhüllen-
tankern durchgeführt wird?

8. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Anteil des Öltransports auf
Nicht-Doppelhüllentankern durch gesetzliche Vorgaben und/oder verbind-
liche Absprachen mit der Industrie auf Null zu senken?

9. Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um von natio-
naler und europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass alle Maßnahmen
zur Sicherheit der Schifffahrt auch mit den Beitrittsstaaten und anderen be-
troffenen und beteiligten Ländern abgestimmt werden?

10. Welche Schritte werden unternommen, damit die Beitrittsstaaten bereits
vor der Aufnahme in die EU geeignete Maßnahmen zur Sicherheit der
Schifffahrt ergreifen?

11. Wie ist der Stand der Umsetzung der von der IMO aufgestellten Forderung
für Places of refuge (Notliegeplätze) in Deutschland und in den Mitglied-
staaten der EU, welche Voraussetzungen müssen diesbezüglich geschaffen
werden und bis zu welchem Zeitpunkt ist mit einem Bericht über den Stand
der Vorbereitungen zu rechnen?

12. Wo gibt es in Deutschland Nothäfen, Places of refuge für Seeschiffe und
für welche Schiffsgrößen?

13. Auf welche Weise kann gewährleistet werden, dass die Flaggenstaaten, ins-
besondere die so genannten „offenen Register“, ihre Verpflichtungen aus
internationalen Übereinkommen zur effektiven Kontrolle und Überwa-
chung von Schiffen unter ihrer Flagge erfüllen und wie ist die Haltung der
IMO im Hinblick auf die Einführung eines entsprechenden Audit-Verfah-
rens?

14. Wie ist der gegenwärtige Stand der Umsetzung der europäischen Richtlinie
über die Hafenstaatkontrolle (Richtlinie 2001/106/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2001 zur Änderung der
Richtlinie 95/21/EG des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen
für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Le-
bens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschafts-
häfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Ha-
fenstaatkontrolle)) in Deutschland und sieht die Bundesregierung im
Hinblick auf die Umsetzung dieser Richtlinie im Eindruck der jüngsten
Tankerkatastrophe Regelungsbedarf, der über die Vorgaben der Richtlinie
hinausgeht?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/252

15. Wenn ja, welche diesbezüglichen Überlegungen und konkreten Schritte hat
die Bundesregierung dazu bisher angestellt bzw. ergriffen?

16. Hat die Bundesregierung in den bilateralen Gesprächen mit der franzö-
sischen Regierung nach der Havarie der „Prestige“ die von der EU-Kom-
mission kritisierten Vollzugsdefizite bei der Umsetzung der Hafenstaat-
kontrolle in Frankreichs Häfen angesprochen und welche Auskünfte hat die
französische Seite hierzu erteilt?

17. Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um auf eine
beschleunigte Umsetzung des bereits beschlossenen Konzepts einer ver-
stärkten Hafenstaatkontrolle hinzuwirken?

18. Wie bewertet die Bundesregierung Bestrebungen, Lotsen in das Meldesys-
tem der Hafenstaatkontrolle einzubeziehen?

19. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass auch in Deutschland
durch die See-Berufsgenossenschaft bei den durchgeführten Kontrollen
gemäß der Hafenstaatkontrolle aus Zeit-, Personal- und Kostengründen
selten die Risikoschiffe kontrolliert werden, sondern eher Schiffe, bei
denen weniger Probleme zu erwarten sind?

20. Wer trägt die Kosten, wenn ein Schiff gemäß einer durchgeführten Kon-
trolle als nicht seetauglich eingestuft und am Auslaufen gehindert wird?

21. Wie viele Schiffe wurden in den letzten 5 Jahren gemäß der Hafenstaat-
kontrolle durchschnittlich in deutschen Häfen kontrolliert und wie hoch ist
der Anteil der kontrollierten Schiffe in Abhängigkeit von Anzahl, Schiffs-
größen und Flaggen?

22. Wie oft wurden in den letzten 5 Jahren bei Hafenstaatkontrollen Mängel
festgestellt, wie verteilten sich die Mängel und wie oft ist eine Seeuntaug-
lichkeit festgestellt worden?

23. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Erklärung der
See-Berufsgenossenschaft, dass wegen Personalmangels in Deutschland
nicht die von der EU vorgeschriebene Quote für eine Hafenstaatkontrolle
erfüllt werden kann?

24. Wie viele Beschäftigte der See-Berufsgenossenschaft führen Hafenstaat-
kontrollen durch?

25. Wie entwickelten sich die Beschäftigtenzahlen der in den europäischen
Staaten mit den Hafenstaatkontrollen beauftragten Behörden und Einrich-
tungen seit Inkrafttreten der EU-Richtlinie zur Hafenstaatkontrolle?

26. Durch welche Regelungen wurde die europäische Richtlinie zu Klassifika-
tionsgesellschaften (Richtlinie 97/58/EG der Kommission vom 26. Septem-
ber 1997 zur Änderung der Richtlinie 94/57/EG des Rates über gemeinsame
Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungs-
organisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden) in
Deutschland umgesetzt und sieht die Bundesregierung im Hinblick auf die
Umsetzung dieser Richtlinie im Eindruck der jüngsten Tankerkatastrophe
Regelungsbedarf, der über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht?
Wenn ja, welche diesbezüglichen konkreten Überlegungen und Schritte hat
die Bundesregierung dazu bisher angestellt?

27. Wie ist der gegenwärtige Stand der Umsetzung der europäischen Verord-
nung zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllentankschiffen (Ver-
ordnung (EG) Nr. 417/2002 des europäischen Parlaments und des Rates
vom 18. Februar 2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen
oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltank-

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schiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates) in
Deutschland sowie in den Mitgliedstaaten der EU?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten, eine unbeschränkte
Haftung der Eigner, Reedereien, Charterer und Verlader bzw. Ladungs-
eigentümer einzuführen?

29. Wie weit ist das Verfahren zur Einrichtung einer Europäischen Seesicher-
heitsagentur, zu der am 10. Januar 2002 von der EU-Kommission der ge-
meinsame Standpunkt des Rates an das Europäische Parlament übermittelt
wurde (2000/0325 COD), gediehen und wann ist mit einer Arbeitsauf-
nahme der neuen Agentur zu rechnen?

30. Wie soll das Havariekommando in die europäische Seesicherheitsagentur
integriert werden?

Berlin, den 18. Dezember 2002
Hans-Michael Goldmann
Birgit Homburger
Dr. Christian Eberl
Daniel Bahr (Münster)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann (Homburg)
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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