BT-Drucksache 15/248

Pläne der Bundesregierung zur Änderung von § 5 Urheberrechtsgesetz (UrhG)

Vom 18. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/248
15. Wahlperiode 18. 12. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Daniel Bahr
(Münster), Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst
Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion der FDP

Pläne der Bundesregierung zur Änderung von § 5 Urheberrechtsgesetz (UrhG)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung des Urhe-
berrechts in der Informationsgesellschaft vom 6. November 2002 (Bundestags-
drucksache 15/38) sieht vor, § 5 UrhG um einen Absatz 3 zu ergänzen (§ 5
Abs. 3 UrhGE). Danach soll das Urheberrecht an privaten Normwerken
(z. B. DIN-Normen) durch § 5 Abs. 1 und 2 UrhG nicht berührt werden, wenn
Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder amtliche Bekanntmachungen auf sie ver-
weisen, ohne ihren Wortlaut wiederzugeben. Diese geplante Änderung geht
nicht auf eine Vorgabe der EU-Richtlinie zurück und war im Referentenentwurf
vom 18. März 2002 auch noch nicht enthalten.
Diese geplante Änderung erscheint in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenk-
lich: Der dem Gesetz unterworfene Bürger soll sich über die ihn bindenden Vor-
schriften aller Art frei unterrichten können (BVerfG 1 BvR 1143/90). Auch für
Verwaltungsvorschriften, die ein Gesetz in für die Verwaltung verbindlicher
Form mit Bindungswirkung für den Bürger ergänzen, hat das Bundesverfas-
sungsgericht deshalb die Publikation gefordert, damit gewährleistet ist, dass die
getroffene Regelung jedem, den es angeht, bekannt werden kann (BVerfGE 40,
237, 252 f.). Diesem verfassungsrechtlichen Gebot trägt die Gemeinfreiheit von
Gesetzen und anderen amtlichen Werken gemäß § 5 UrhG Rechnung.
Infolge des gemäß § 5 Abs. 3 UrhGE erweiterten Urheberschutzes wären je-
doch künftig auch allgemein verbindliche private Normwerke mit rechtssatz-
ähnlichem bzw. -ergänzendem Charakter lizenzpflichtig, und die von Verfas-
sungs wegen gebotene freie Zugänglichkeit derartiger Normwerke würde durch
die ausschließliche Verfügungsbefugnis der Rechteinhaber eingeschränkt. Ne-
ben der verfassungsrechtlichen Problematik stellt sich hier zudem die Frage, ob
die Bundesregierung die aus dem erweiterten urheberrechtlichen Schutz sich er-
gebenden ökonomischen Folgen – erhebliche Lizenzerwerbskosten insbeson-
dere für mittelständisch geprägte Branchen – richtig einschätzt und wie eine
solche Abwälzung staatlicher Normsetzungskosten auf die privaten Normadres-
saten zu beurteilen ist.

Drucksache 15/248 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was hat die Bundesregierung veranlasst, im Rahmen des Entwurfs eines

„Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“
auch § 5 UrhG in dem oben bezeichneten Sinne zu ergänzen?

2. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass die geplante Änderung des
§ 5 UrhG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichtes zur Frage der freien Zugänglichkeit verbindlicher Regel-
werke rechtsstaatlichen Bedenken begegnet?

3. Wenn nein, aus welchen Gründen?
4. Hat die Bundesregierung diejenigen Kreise, die von einer solchen Änderung

des § 5 UrhG besonders betroffen wären (z. B. Architekten und andere
Gruppen aus der Bauwirtschaft) vor ihrer Entscheidung zu einer Änderung
des § 5 UrhG gehört?

5. Wenn nein, weswegen hat die Bundesregierung diesbezüglich eine Anhö-
rung nicht für erforderlich gehalten?

6. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass § 5 Abs. 3 UrhGE den pri-
vaten Normadressaten, insbesondere in mittelständisch geprägten Wirt-
schaftsbereichen (Bauwirtschaft etc.), ungerechtfertigte zusätzliche Kosten
aufbürden würde?

7. Wenn nein, aus welchen Gründen?
8. Falls ja, was veranlasst die Bundesregierung, gleichwohl diese Änderung

von § 5 UrhG zu befürworten, und mit welcher Begründung hält die Bundes-
regierung eine solche Privatisierung von Normsetzungskosten für verfas-
sungsrechtlich unbedenklich?

Berlin, den 18. Dezember 2002
Rainer Funke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Daniel Bahr (Münster)
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.