BT-Drucksache 15/2400

zu 20 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen

Vom 30. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2400
15. Wahlperiode 30. 01. 2004

Dritte Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu 20 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen

A. Problem
Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist die Wahlprüfung Sache
des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahl-
prüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen
des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche zur Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag vom 22. September 2002 zu entscheiden. Insgesamt
waren 520 Wahleinsprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vor-
gelegten Entscheidungen behandeln 20 Einsprüche und einen Antrag auf Kos-
tenerstattung. Weitere Einsprüche stehen nicht zur Beratung an.

B. Lösung
Zurückweisung der Wahleinsprüche ohne mündliche Verhandlung wegen
offensichtlicher Unbegründetheit oder Unzulässigkeit und Abweisung des
Antrages auf Kostenerstattung.
Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche,
a) die einen Sachverhalt vortragen, der einen Fehler bei der Vorbereitung und

Durchführung der Wahl nicht erkennen lässt;
b) die die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behaupten; im Rahmen des

Wahlprüfungsverfahrens im Deutschen Bundestag kann eine derartige Fest-
stellung nicht erfolgen (seit der 1. Wahlperiode ständige Praxis des Deut-
schen Bundestages; diese Kontrolle blieb stets dem Bundesverfassungs-
gericht vorbehalten);

c) die mangels ausreichender Angabe von Tatsachen nicht erkennen lassen, auf
welchen Tatbestand der Einspruch gestützt wird (BVerfGE 40, 11/30);

d) die sich zwar auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung oder Durch-
führung der Wahl stützen, wobei diese Mängel jedoch angesichts des Stim-
menverhältnisses keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können
(BVerfGE 4, 370/372 f.).

Drucksache 15/2400 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. Alternativen
Keine hinsichtlich der Ergebnisse der Entscheidungen.
Der Wahlprüfungsausschuss ist jedoch entsprechend seinem Selbstverständnis
und seiner ständigen Praxis allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen,
auch wenn sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung im 15. Deutschen
Bundestag hatten. Diese Art der Behandlung soll dafür Sorge tragen, dass sich
festgestellte Wahlmängel bei künftigen Wahlen möglichst nicht wiederholen.

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2400

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die aus denAnlagen 1 bis 16 ersichtlichenBeschlussempfehlungen anzunehmen.

Berlin, den 29. Januar 2004

Der Wahlprüfungsausschuss
Erika Simm
Vorsitzende und Berichterstatterin

Hermann Bachmaier
Berichterstatter

Hans-Joachim Hacker
Berichterstatter

Petra-Evelyne Merkel
Berichterstatterin

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Berichterstatter

Manfred Grund
Berichterstatter

Thomas Strobl (Heilbronn)
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Jürgen Koppelin
Berichterstatter

Drucksache 15/2400 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil:

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen

* Der betreffende Wahleinspruch ist mit Plenarbeschluss vom 6. November 2003 (Bundestagsdrucksache 15/1850, Anlage 30) als offensichtlich un-
begründet zugewiesen worden.

Aktenzeichen Betreff Berichterstatter/in Anlage Nr. Seite
WP 259/02 Nichtzulassung Partei Abg. Bachmaier 1 5
WP 50/02 Nichtzulassung Einzelbewerber Abg. Bachmaier 2 11
WP 5/02 Nichtzulassung Einzelbewerber Abg. Bachmaier 3 15
WP 34/02 Grundsatz der Chancengleichheit Abg. Dr. Friedrich (Hof) 4 19
WP 165/02 Grundsatz der Chancengleichheit Abg. Dr. Friedrich (Hof) 5 25
WP 11/02 Eintragung in das Wählerverzeichnis Abg. Grund 6 27
WP 77/02 Elektronische Stimmabgabe Abg. Grund 7 33
WP 217/02 Grundsatz der Chancengleichheit Abg. Hacker 8 35
WP 131/02 Allgemeine Gründe Abg. Koppelin 9 43
WP 73/02 Grundsatz der geheimen Wahl Abg. Merkel 10 45
WP 105/02 Verfassungsmäßigkeit vonWahlrechtsvorschriften Abg. Montag 11 47
WP 26/02 Erreichbarkeit des Bundeswahlleiters Abg. Montag 12 53
WP 19/02 Gestaltung Wahlschein Abg. Montag 13 57
WP 52/02
WP 155/02
WP 156/02
WP 157/02
WP 158/02
WP 159/02

Kandidatenaufstellung für Landesliste Abg. Simm 14 59

WP 66/02 Allgemeine Gründe Abg. Strobl (Heilbronn) 15 65
WP 120/02 Antrag auf Kostenerstattung Abg. Hacker 16* 67

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2400

Anlage 1

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn E. T., 51645 Gummersbach

– Az.: WP 259/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 18. November 2002, das am 22. No-
vember 2002 beim Bundestag eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag eingelegt.
Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch im We-
sentlichen damit, dass der Kreiswahlvorschlag der Partei
„DIE GRAUEN“ im Wahlkreis 100 (Oberbergischer Kreis)
nicht zur Bundestagswahl 2002 zugelassen worden sei.
Darüber hinaus beanstandet der Einspruchsführer,
– dass der Kreiswahlvorschlag der Partei „DIE VIOLET-

TEN“ im Wahlkreis 100 zur Bundestagswahl 2002 nicht
zugelassen worden sei,

– dass den Wählerinnen und Wählern im Wahlkreis 100
gekennzeichnete Stimmzettel ausgehändigt worden
seien, um Rückschlüsse auf deren Wahlverhalten ziehen
zu können,

– dass die Stimmzettel eine „falsche“ Darstellung hinsicht-
lich der Bedeutung der abgegebenen Zweitstimme ent-
halten hätten,

– dass sich die Neueinteilung der Wahlkreise an Wahl-
kreisergebnissen der Bundestagswahl 1998 orientiert
habe, und

– dass sich Amtsträger während des Wahlkampfes im
Wahlkreis für bestimmte Bundestagskandidaten einge-
setzt und dadurch die ihnen obliegende Neutralitäts-
pflicht verletzt hätten.

Der vom Einspruchsführer beanstandeten Nichtzulassung
des Kreiswahlvorschlages der Partei „DIE GRAUEN“ liegt
folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Bundeswahlausschuss hat in seiner Sitzung am 12. Juli
2002 gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 1 Bundeswahlgesetz (BWG)
festgestellt, dass die Partei „DIE GRAUEN“ für die Wahl
zum 15. Deutschen Bundestag als Partei anzuerkennen ist.
Der Einspruchsführer war stellvertretende Vertrauensperson
für den Kreiswahlvorschlag der Partei „DIE GRAUEN“.
Am 23. August 2001 übersandte der Kreiswahlleiter die für
die Aufstellung des Kreiswahlbewerbers erforderlichen Un-
terlagen an den Landesverband der Partei „DIE GRAUEN“

in Nordrhein-Westfalen. Mit Schreiben vom 23. Januar
2002 bat der Kreiswahlleiter den Landesverband der Partei
um Einreichung von Kreiswahlvorschlägen zur Bundestags-
wahl 2002. Die Erste Vertrauensperson und stellvertretende
Landesvorsitzende der Partei „DIE GRAUEN“ bat mit
Schreiben vom 13. Juni 2002 um möglichst kurzfristige
Ausstellung der Formulare für die Unterstützungsunter-
schriften nach § 34 Abs. 4 Bundeswahlordnung (BWO),
wobei sie um persönliche Abholung der Unterlagen durch
den Einspruchsführer bat. Gleichzeitig benannte sie Herrn
H. B. als vorgeschlagenen Bewerber im Wahlkreis 100. Die
angeforderten Formblätter wurden unverzüglich ausgefer-
tigt und am 14. Juni 2002 dem Einspruchsführer übersandt.
Mit Schreiben gleichen Datums wurde die stellvertretende
Landesvorsitzende über die Übermittlung von 300 Form-
blättern an den Einspruchsführer informiert. Der Kreiswahl-
leiter bat mit diesem Schreiben um Vorlage der Originalun-
terlagen des Kreiswahlvorschlages, um diese zu prüfen und
eventuell bestehende Mängel hinsichtlich des Kreiswahl-
vorschlages erkennen und beseitigen zu können. Der Kreis-
wahlvorschlag der Partei „DIE GRAUEN“ ging beim Kreis-
wahlleiter fristgerecht am 16. Juli 2002 ein. Bei der Über-
prüfung auf Vollständigkeit des Kreiswahlvorschlags gemäß
§ 34 Abs. 5 BWO stellte der Kreiswahlleiter fest, dass die
erforderlichen Unterstützungsunterschriften nicht beigefügt
waren. Mit Schreiben vom 16. Juli 2002 bestätigte der
Kreiswahlleiter den Eingang des Kreiswahlvorschlags der
Partei „DIE GRAUEN“ und wies die stellvertretende Lan-
desvorsitzende darauf hin, dass nach den Vorschriften des
§ 20 Abs. 2 BWG i. V. m. § 34 Abs. 4 BWO dem Kreis-
wahlvorschlag 200 Unterstützungsunterschriften beizufü-
gen seien, da die Partei „DIE GRAUEN“ nicht mit mindes-
tens fünf Abgeordneten in einem Landtag oder dem Bun-
destag seit dessen letzter Wahl vertreten gewesen sei. Da
diese Unterschriften dem Kreiswahlvorschlag nicht beige-
fügt seien, werde der Kreiswahlvorschlag durch den Kreis-
wahlausschuss voraussichtlich als ungültig im Sinne des
§ 25 BWG zurückgewiesen, wenn die Unterstützungsunter-
schriften nicht bis zum 18. Juli 2002, 18.00 Uhr, beim
Kreiswahlbüro eingegangen seien. Anlässlich eines am
16. Juli 2002 geführten Telefonats setzte der Kreiswahlleiter
den Einspruchsführer von diesem Mangel in Kenntnis. Aus-
weislich eines Aktenvermerks über dieses Telefonat erklärte
der Einspruchsführer darauf hin, dass diese Unterstützungs-

Drucksache 15/2400 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

unterschriften nicht vorgelegt würden. Er wurde vom Kreis-
wahlleiter darauf aufmerksam gemacht, dass der Kreiswahl-
vorschlag in diesem Falle zurückzuweisen sei. Der Ein-
spruchsführer erklärte, dass man dies anstrebe, um in eine
politische Diskussion über Sinn und Zweck der Vorlage der
Unterstützungsunterschriften einzutreten. Der Kreiswahl-
ausschuss stellte in seiner Sitzung am 26. Juli 2002 fest,
dass die gemäß § 20 Abs. 2 BWG i. V. m. § 34 Abs. 4 BWO
erforderlichen 200 Unterschriften zur Unterstützung des
Kreiswahlvorschlages bis zum 18. Juli 2002, 18.00 Uhr,
nicht eingereicht wurden und beschloss einstimmig, den
Kreiswahlvorschlag aufgrund des festgestellten Mangels
zurückzuweisen. Gegen den Beschluss des Kreiswahlaus-
schusses erhob der Einspruchsführer bei der Landeswahllei-
terin für das Land Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom
26. Juli 2002 Beschwerde. Der Landeswahlausschuss be-
schloss in seiner Sitzung am 1. August 2002 nach öffent-
licher Beratung einstimmig, die Beschwerde zurückzuwei-
sen. An dieser Sitzung nahm auch der Einspruchsführer teil.
Ausweislich der Niederschrift der Sitzung begründete der
Landeswahlausschuss seine Entscheidung wie folgt:
„In seiner gegen die Zurückweisung des Wahlvorschlags
gerichteten Beschwerde vertritt die Vertrauensperson insbe-
sondere die Auffassung, die gesetzlichen Regelungen, nach
denen dem Kreiswahlvorschlag mindestens 200 Unterstüt-
zungsunterschriften beizufügen seien, seien verfassungs-
widrig. Sie macht weiter geltend, das Einreichen von Unter-
stützungsunterschriften für den Kreiswahlvorschlag sei
auch deshalb rechtlich nicht geboten, da die Unterstützung
der Partei DIE GRAUEN – Graue Panther (Graue) bereits
durch die mehr als 2 000 für die Landesliste dieser Partei
bei der Landeswahlleiterin eingereichten Unterstützungsun-
terschriften hinreichend dokumentiert sei. Darüber hinaus
hält es die Vertrauensperson für nicht hinreichend gewähr-
leistet, dass die Gemeindebehörde, der die Unterstützungs-
unterschriften zur Bescheinigung des Wahlrechts vorzule-
gen seien, die vorgelegten Unterlagen ausschließlich zu die-
sem Zweck prüfe. Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass
die zur Kenntnis der Gemeinde gelangenden Daten rechts-
widrig auch zu anderen Zwecken zum Schaden unterstüt-
zungsbereiter Bürger verwandt würden.
Der Landeswahlausschuss stellte fest, dass die am 29. Juli
2002 schriftlich beim Kreiswahlleiter eingelegte Be-
schwerde frist- und formgerecht von der stellvertretenden
Vertrauensperson erhoben worden sei. Die Beschwerde sei
jedoch in der Sache nicht begründet.
Der Kreiswahlausschuss habe den Kreiswahlvorschlag der
Partei DIE GRAUEN – Graue Panther (Graue) zu Recht
nicht zugelassen. Ein gültiger Wahlvorschlag habe gemäß
§ 25 Abs. 2 Nr. 2 BWG nicht vorgelegen, da die gemäß § 20
Abs. 2 Satz 2 BWG erforderlichen mindestens 200 Unter-
stützungsunterschriften nicht eingereicht worden seien.
Nicht angeschlossen hat sich der Landeswahlausschuss der
Auffassung des Beschwerdeführers, die genannten gesetz-
lichenRegelungenseienverfassungswidrig.Hierzu stellteder
Landeswahlausschuss fest, das Bundesverfassungsgericht
habe in ständiger Rechtsprechung (vgl. Schreiber, Handbuch
des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Auflage, § 20
Rn. 8) anerkannt, dass Zulassungsbedingungen zurWahl auf-
gestellt werden können, und dass insbesondere angemessene
Unterschriftenquoren bei der Einreichung vonWahlvorschlä-

genmitdemGrundsatzderformalenWahlrechtsgleichheitund
Wettbewerbschancengleichheit der Parteien vereinbar seien.
Unterschriftenquoren dienten demNachweis der Ernsthaftig-
keit der Bewerbung und sollen gewährleisten, dass nur solche
Wahlvorschläge zugelassen würden, hinter denen eine ernst-
zunehmendepolitischeGruppestehe.EsseinichtAufgabedes
Landeswahlausschusses,dieinsoweiteindeutigenRegelungen
des Bundeswahlgesetzes in Frage zu stellen und einer verfas-
sungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.
Unerheblich sei, dass die Partei DIE GRAUEN – Graue
Panther (Graue) bereits für die Landesliste dieser Partei lan-
desweit mehr als 2000 Unterstützungsunterschriften gesam-
melt und bei der Landeswahlleiterin eingereicht hätte. Für
eine ‚Anrechnung‘ dieser für eine Landesliste eingereichten
Unterschriften auf einen Kreiswahlvorschlag gebe es keine
rechtliche Grundlage. Vielmehr sei das Erfordernis, Unter-
stützungsunterschriften beibringen zu müssen, in § 20
Abs. 2 BWG für Kreiswahlvorschläge und in § 27 Abs. 1
BWG für Landeslisten unabhängig voneinander geregelt.
Der Landeswahlausschuss stellte weiter fest, die in der Be-
schwerdeschrift vertretene Auffassung, ein im Wahlkreis er-
folgreicher Parteibewerber würde nur dann ein Mandat er-
ringen, wenn auch seine Partei gemäß § 6 Abs. 6 BWG
mindestens 5 v. H. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen
Zweitstimmen erhalte, sei unzutreffend. Vielmehr sei ge-
mäß § 5 Satz 2 BWG in jedem Fall derjenige Wahlkreisbe-
werber wirksam gewählt, der im Wahlkreis die meisten
Stimmen auf sich vereinige. Ein weiteres Eingehen auf die
darauf aufbauenden Darlegungen des Beschwerdeführers
sei deshalb entbehrlich.
Auch konnte der Landeswahlausschuss nicht zu der Über-
zeugung gelangen, dem Träger des Wahlvorschlags oder un-
terstützungsbereiten Bürgern sei das Sammeln und die Vor-
lage von Unterstützungsunterschriften rechtlich und tatsäch-
lich nicht zumutbar gewesen, da mit einer zweck- bzw.
rechtswidrigen Verwendung der Unterstützungsunterschrif-
ten durch die Gemeindebehörden zu rechnen gewesen sei.
Die Darlegungen der Vertrauensperson in ihrer Beschwer-
deschrift vom 26. Juli 2002 enthielten in dieser Hinsicht
keinen hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag, der
eine solche Vermutung rechtfertigen könnte. Ebenso wenig
verstießen die Regelungen des Bundeswahlgesetzes oder
der Bundeswahlordnung allgemein gegen den Grundsatz
der Geheimhaltung der Wahl. Vielmehr erfordere eine ord-
nungsgemäße Wahlvorbereitung die Prüfung der Echtheit
der Unterschriften und der Wahlberechtigung der Unter-
zeichner durch die Wahlbehörde (BVerfGE 5, S. 77/82).
Schließlich würden gegen die Regelungen des Bundeswahl-
gesetzes und der Bundeswahlordnung in ihrer konkreten
Ausgestaltung auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken
bestehen (Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deut-
schen Bundestag, 7. Auflage, § 20 Rn. 9).
Der Vertrauensperson wurde Gelegenheit zur Stellung-
nahme gegeben.
Herr T. stellte klar, dass er nicht die Regelungen des Bun-
deswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung für verfas-
sungswidrig halte, sondern nur deren konkrete Auslegung
und Anwendung. Insbesondere halte er es für rechtlich ge-
boten, dass es ausreichend sei, dass für die Landesliste mehr
als 2000 Unterstützungsunterschriften gesammelt und ein-
gereicht worden seien und damit die Ernsthaftigkeit des

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/2400

Wahlvorschlags ausreichend belegt worden sei. Er wies da-
rüber hinaus auf Unregelmäßigkeiten bei der Bescheinigung
des Wahlrechts anlässlich früherer Wahlen hin, die zu Ver-
stößen gegen den Datenschutz geführt hätten.
Die Landeswahlleiterin wies darauf hin, dass Gegenstand
der Beratung und Beschlussfassung des Landeswahlaus-
schusses nicht Vorkommnisse vergangener Wahlen seien,
sondern nur zu entscheiden sei, ob die Voraussetzungen für
die Zulassung des Kreiswahlvorschlags gegeben seien.
Herr B. (Büro des Kreiswahlleiters) gab an, dass ihm aus
der Vergangenheit zwei Fälle aus dem Oberbergischen
Kreis bekannt seien, in denen Kopien von Unterstützungs-
unterschriften gefertigt worden seien, u. a. um Doppelunter-
schriften festzustellen. Diese Fälle seien nach Bekanntwer-
den sofort unterbunden und die Kopien vernichtet worden.
Aus dem Sachvortrag der Vertrauensperson ergäben sich
keine Anhaltspunkte für gegenwärtige Unregelmäßigkeiten
im Rahmen der Vorbereitung zur Wahl des 15. Deutschen
Bundestags.“
Der Einspruchsführer trägt hierzu in der Einspruchsschrift
vor, dass das Erfordernis der Beibringung von 200 Unter-
schriften nach § 20 Abs. 2 BWG nicht für nationale Minder-
heiten gelte. Die Partei „DIE GRAUEN“ sei eine „Senio-
ren-Partei“. Seiner Auffassung nach sind Senioren eine na-
tionale Minderheit unabhängig von der gleichzeitigen Zuge-
hörigkeit zu „ethnischen Minderheiten in Deutschland“, wie
z. B. der „Verarmten in Deutschland“. Somit sei der Kreis-
wahlvorschlag der Partei „DIE GRAUEN“ schon deshalb
zu Unrecht nicht zugelassen worden, da die Beibringung der
200 Unterstützungsunterschriften für die Partei „DIE
GRAUEN“ als Partei einer nationalen Minderheit entbehr-
lich sei.
Er behauptet daneben, dass bei der Erteilung von Wahl-
rechtsbescheinigungen gegen den Datenschutz verstoßen
worden sei. Dabei seien die Bürger, für die eine Wahlrechts-
bescheinigung zur Unterstützung eines Kreiswahlvor-
schlags erteilt worden sei, „behördlich“ registriert und „in
den eigenen Behördenunterlagen“ dokumentiert worden.
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Nordrhein-
Westfalen habe beanstandet, dass in Einzelfällen von diesen
Unterstützungsunterschriften Kopien gefertigt worden seien
und dem Einspruchsführer dieses Ergebnis mit Schreiben
vom 8. Oktober 2002 mitgeteilt.
Der Einspruchsführer beanstandet darüber hinaus, dass sich
der Kreiswahlausschuss „pflichtwidrig“ nicht mit seiner in
der Sitzung „konkret mündlich“ vorgetragenen Begründung
auseinandergesetzt und „ohne jede Überprüfung der sach-
lich und rechtlich zutreffenden Einwendungen“ den Kreis-
wahlvorschlag der Partei „DIE GRAUEN“ zurückgewiesen
habe.
Der Einspruchsführer führt in seiner Einspruchsschrift hin-
sichtlich der Nichtzulassung des Kreiswahlvorschlags der
Partei „DIE VIOLETTEN“ aus, dass der Kreiswahlvor-
schlag der Partei „DIE VIOLETTEN“ ebenso wie der
Kreiswahlvorschlag der Partei „DIE GRAUEN“ „zu Un-
recht und verfassungswidrig verhindert worden“ sei, da die
Unterstützungsunterschriften nicht vorgelegt worden seien.
Die Partei „DIE VIOLETTEN“ sei nach seinen „bisherigen
Informationen“, die von ihm nicht zuverlässig überprüfbar
seien, möglicherweise eine Partei, die die Interessen lesbi-

scher Frauen vertrete. Seiner Auffassung nach sind lesbi-
sche Frauen eine nationale Minderheit. Das Erfordernis der
Vorlage der 200 Unterstützungsunterschriften für die Zulas-
sung des Kreiswahlvorschlags der Partei „DIE VIOLET-
TEN“ verstoße daher gegen die Vorschrift des § 20 Abs. 2
Satz 2 BWG, nach der diese Zulassungsvoraussetzung für
nationale Minderheiten entbehrlich sei.
Der Kreiswahlleiter für den Wahlkreis 100 (Oberbergischer
Kreis) hat hierzu wie folgt Stellung genommen:
Ausweislich der Anforderung der Formblätter für Unterstüt-
zungsunterschriften mit Schreiben der stellvertretenden
Landesvorsitzenden vom 13. Juni 2002 seien die Bedingun-
gen, die das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlord-
nung an die Aufstellung von Wahlbewerbern stelle, durch
die Partei „DIE GRAUEN“ im Vorfeld des Aufstellungsver-
fahrens akzeptiert worden.
Hinsichtlich der Nichtzulassung des Kreiswahlvorschlags
der Partei „DIE VIOLETTEN“ hat der Kreiswahlleiter aus-
geführt, dass der Bundeswahlausschuss in seiner Sitzung
am 12. Juli 2002 gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 1 Bundeswahlge-
setz (BWG) festgestellt habe, dass die Partei „DIE VIO-
LETTEN“ für die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag als
Partei anzuerkennen sei. Für die Vorlage von Unterstüt-
zungsunterschriften der Partei „DIE VIOLETTEN“ könne
auf die bereits gemachten Ausführungen zu den gesetzli-
chen Anforderungen verwiesen werden. Mit Schreiben vom
7. Mai 2002 seien auf Anfrage von Herrn D. die angeforder-
ten Unterstützungsformblätter an dessen Adresse übersandt
worden. Ein Kreiswahlvorschlag sei jedoch nicht einge-
reicht worden.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:
Die Behauptung des Kreiswahlleiters, die stellvertretende
Landesvorsitzende habe durch die Anforderung der Form-
blätter die Bedingungen, die das Bundeswahlgesetz und die
Bundeswahlordnung an die Aufstellung von Wahlbewer-
bern stelle, akzeptiert, werde „ausdrücklich bestritten“. Die
Anforderung der „vorgeschriebenen Formulare“ habe nicht
auf einer „eigenen, freien Willensbekundung und -entschei-
dung der Landespartei, bzw. deren Vertreter“, insbesondere
der stellvertretenden Landesvorsitzenden, beruht. Es seien
lediglich die „verfassungswidrigen Zwangsanordnungen“
befolgt worden. Gegen das gesetzliche Erfordernis einer
Vorlage der Unterstützungsunterschriften sei ein Rechtsmit-
tel ausgeschlossen gewesen. Die Anforderung der Form-
blätter habe die Erfüllung der durch den Kreiswahlleiter
„rechtsbindend erteilten Auflage“ dargestellt, damit sie im
Wege des Wahleinspruchs angefochten werden könne.
Zur Nichtzulassung des Kreiswahlvorschlags der Partei
„DIE VIOLETTEN“ hat sich der Einspruchsführer nicht
mehr geäußert.
Der Einspruchsführer trägt in seiner Einspruchsschrift
weiter vor, dass den Wählerinnen und Wählern im Wahl-
kreis 100 „mit unterschiedlichen Kennzeichnungen verse-
hene“ Stimmzettel ausgehändigt worden seien, um die
Stimmabgabe bestimmten Wählerinnen und Wählern zuord-
nen zu können. Das Ergebnis der „Ermittlung des Wahl-
verhaltens bestimmter Wähler“ sei vom Bundeswahlleiter in
einer sog. „Wahlstatistik“ veröffentlicht worden. Er behaup-
tet, dass die politischen Parteien vom „persönlichen Wahl-

Drucksache 15/2400 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

verhalten“ einzelner oder nach Gruppen bestimmbarer
Wähler „unterrichtet“ worden seien. Dies sei nicht mit dem
Grundsatz der freien Wahl und dem Grundsatz der gehei-
men Wahl vereinbar. Die Wählerinnen und Wähler hätten
nur mit den amtlichen Stimmzetteln, die ihnen tatsächlich
ausgehändigt worden seien, wählen können. Andernfalls
hätten die Wählerinnen und Wähler nur die Möglichkeit ge-
habt, sich durch „Nicht-Wahl“ gegen die „Wahl-Ausfor-
schung“ zu schützen.
Weiter beanstandet er unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Satz 2
BWG, dass die Stimmzettel hinsichtlich der Bedeutung der
abgegebenen Zweitstimme eine „unwahre“ Darstellung ent-
halten hätten. So sei auf den Stimmzetteln darauf hingewie-
sen worden, dass die Zweitstimme die „maßgebende
Stimme für die Verteilung der Sitze insgesamt auf die ein-
zelnen Parteien“ sei. § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG schreibe dem-
gegenüber die Nichtberücksichtigung bestimmter Zweit-
stimmen vor.
Des Weiteren behauptet der Einspruchsführer, dass der Bun-
destag die Neueinteilung der Wahlkreise nach dem Wahler-
gebnis der Bundestagswahl 1998 vorgenommen habe. Da-
bei sei man „gezielt orientiert“ vorgegangen, indem die
Wahlkreise, in denen die Bewerber der PDS Direktmandate
erlangt hätten, „unter sorgfältiger Analyse der Einzelergeb-
nisse“ bewusst neu gestaltet worden seien. Damit habe man
erreichen wollen, dass „eine bestimmte, im Bundestag frak-
tionierte Partei“ beim Wiedereinzug in den Bundestag „be-
hindert oder gar verhindert“ werden solle.
Er beanstandet außerdem, dass im Vorfeld der Wahl neben
Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesinnenminister
Otto Schily, Bundesverteidigungsminister Peter Struck,
Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin und ande-
ren Mitgliedern der Bundesregierung auch der Ministerprä-
sident des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement,
der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau
und die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel
Höhn sowie der Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
Erwin Teufel, der Ministerpräsident von Thüringen, Bern-
hard Vogel, und „viele andere“ für „ausdrücklich nur je-
weils bestimmte“ Wahlbewerber im Wahlkreis geworben
hätten. Daneben hätten an der Wahldurchführung im Wahl-
kreis 100 „unmittelbar beteiligte exekutive Amtsträger“ für
bestimmte Wahlbewerber unter „Verletzung Ihrer Neutrali-
tätspflicht“ stets in der Oberbergischen Volks-Zeitung „ge-
worben“. Auch seien fast alle örtlichen Vereine, Verbände
und die Kirchen an der Wahlwerbung beteiligt gewesen. Die
Wahlwerbung habe zum Ziel gehabt, die vier Wahlbewerber
der „im Bundestag vertretenen Parteien und deren Pro-
gramme vorstellen zu wollen“. Dabei sei jedoch nicht der
Wahlkreisbewerber der PDS, die auch im Bundestag vertre-
ten gewesen sei, berücksichtigt worden.
Zu den Ausführungen des Einspruchsführers zu verschiede-
nen politischen Themen, zum Datenschutz und zu gerichtli-
chen Verfahren in weiteren Zuschriften sowie zu den hierzu
vorgelegten Anlagen wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.
Der Einspruchsführer hatte bereits gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 14. Deutschen Bundestag Einspruch erhoben
(Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 66). In seiner Zu-
schrift vom 12. August 2003 nimmt er außerdem Bezug auf
einen von einem anderen Einspruchsführer erhobenenWahl-

einspruch (Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 78). Mit
diesemWahleinspruch ist u. a. das Formblatt für eine Unter-
stützungsunterschrift eines Kreiswahlvorschlages gemäß
Anlage 14 zu § 34Abs. 4 Bundeswahlordnung (BWO) bean-
standet worden.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Kreiswahl-
vorschlag der Partei „DIE GRAUEN“ im Wahlkreis 100
(Oberbergischer Kreis) ist zu Recht zurückgewiesen wor-
den, weil die nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BWG erforderlichen
200 Unterstützungsunterschriften nicht vorgelegt worden
sind. Der Bundestag und der Wahlprüfungsausschuss schlie-
ßen sich der in der Niederschrift der Sitzung des Landes-
wahlausschusses dargelegten zutreffenden Begründung an.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwie-
sen.
Zu Unrecht wendet der Einspruchsführer hiergegen ein,
dass sich der Kreiswahlausschuss „pflichtwidrig“ nicht mit
seiner in der Sitzung vorgetragenen Begründung auseinan-
dergesetzt habe. Jedenfalls die Begründung der Entschei-
dung des Landeswahlausschusses enthält eine differenzierte
Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Ein-
spruchsführers. Dem Einspruchsführer ist erläutert worden,
dass es für die von ihm gewünschte Anrechnung der 2000
Unterstützungsunterschriften für die Landesliste der Partei
„DIE GRAUEN – Graue Panther (Graue)“ auf den Kreis-
wahlvorschlag keine rechtliche Grundlage gibt.
Darüber hinaus kann seinem in der Einspruchsschrift vorge-
tragenen Einwand nicht gefolgt werden, das Erfordernis von
200 Unterschriften gelte nicht für Kreiswahlvorschläge der
„Grauen“, weil es sich um eine Partei einer nationalen Min-
derheit handele. Die Senioren in Deutschland sind keine
durch Abstammung und Kultur von der Mehrheit des
Staatsvolkes verschiedene geschlossene Volksgruppe und
dementsprechend fehlt es auch an einem entsprechenden
staatlichen Willensakt (vgl. Schreiber, Kommentar zum
Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 6 Rn. 23).
Soweit der Einspruchsführer einen Verstoß gegen den Da-
tenschutz bei der Unterschriftensammlung geltend machen
möchte, fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag.
Sein Hinweis, dass Bürgerinnen und Bürger, für die eine
Wahlrechtsbescheinigung zur Unterstützung eines Kreis-
wahlvorschlags erteilt worden sei, behördlich registriert und
dokumentiert worden seien, entspricht im Grundsatz den
Vorschriften des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahl-
ordnung. § 34 Abs. 6 Satz 2 BWO bestimmt, dass die Ge-
meindebehörde für jeden Wahlberechtigten die Bescheini-
gung des Wahlrechts nur einmal zu einem Kreiswahlvor-
schlag erteilen darf; dabei darf sie nicht festhalten, für wel-
chen Wahlvorschlag die erteilte Bescheinigung bestimmt

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/2400

ist. Soweit der Einspruchsführer auf eine Mitteilung des
Landesbeauftragten für den Datenschutz Nordrhein-Westfa-
len Bezug nimmt, wonach in der Vergangenheit hiergegen
oder allgemein gegen Vorschriften des Datenschutzes ver-
stoßen worden sein soll, so lässt sich daraus kein konkreter
Verstoß bei der Vorbereitung der Bundestagswahl 2002 ab-
leiten.
Außerdem kommt es auch nicht darauf an, ob der Ein-
spruchsführer die gesetzlichen Bedingungen für die Aufstel-
lung von Wahlbewerbern akzeptiert hat oder nicht. Die
wahlrechtlichen Vorschriften gelten unabhängig davon, ob
sie von Wahlbewerbern und deren Unterstützern akzeptiert
werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Vorschriften von
den Betroffenen für verfassungswidrig gehalten werden.
Soweit der Einspruchsführer vorträgt, der Kreiswahlvor-
schlag der Partei „DIE VIOLETTEN“ sei „zu Unrecht und
verfassungswidrig“ verhindert worden, so kann dahinge-
stellt bleiben, ob der Einspruch insoweit mangels einer ent-
sprechenden Legitimation des Einspruchsführers unzulässig
ist (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 66; Schrei-
ber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 49
Rn. 18). Er ist insoweit jedenfalls unbegründet, weil die
nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BWG erforderlichen 200 Unterstüt-
zungsunterschriften nicht vorgelegt worden sind. Zu seinem
Einwand, es handele sich bei den „VIOLETTEN“ um eine
Partei einer nationalen Minderheit, fehlt es am substantiier-
ten Vortrag von Tatsachen, die dies untermauern könnten.
Vielmehr bezieht der Einspruchsführer sich auf Informatio-
nen, die er für nicht zuverlässig überprüfbar hält.
Ein Wahlfehler liegt auch nicht deshalb vor, weil Wählerin-
nen und Wählern im Wahlkreis 100 mit bestimmten Kenn-
zeichnungen versehene Stimmzettel ausgehändigt worden
sind. Die Durchführung der Wahlstatistik, auf die der Ein-
spruchsführer sich offensichtlich bezieht, verstößt weder ge-
nerell noch im Wahlkreis 100 gegen den Grundsatz der ge-
heimen Wahl oder gegen andere Wahlrechtsgrundsätze. Der
Verdacht, aufgrund der erfolgten Kennzeichnung der
Stimmzettel nach Geschlecht und Altersgruppen könnte das
einzelnen Wählerverhalten ausgeforscht werden, ist unbe-
gründet. Rechtsgrundlage für die allgemeine und die reprä-
sentative Wahlstatistik ist das Wahlstatistikgesetz vom
21. Mai 1999 (BGBl. I S. 1023), geändert durch Gesetz
vom 17. Januar 2002 (BGBl. I S. 412). Der Wahlprüfungs-
ausschuss und der Bundestag sehen sich nach ständiger Pra-
xis nicht berufen, die Verfassungswidrigkeit von Wahl-
rechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden. Unab-
hängig davon bestehen keine Zweifel an der Verfassungs-
mäßigkeit des Wahlstatistikgesetzes. Es verstößt insbeson-
dere nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl.
Nach diesem Gesetz werden je Geschlecht fünf Geburtsjah-
resgruppen gebildet, in denen jeweils sieben Geburtsjahr-
gänge zusammengefasst sind. Außerdem dürfen nur solche
Wahlbezirke in die Erhebung einbezogen werden, die min-
destens 400 Wahlberechtigte haben. Darüber hinaus dürfen
die Ergebnisse der Statistik für einzelne Wahlbezirke nicht
bekannt gegeben werden. Eine nachträgliche Zusammen-
führung der gekennzeichneten Stimmzettel mit den Wähler-
verzeichnissen ist gesetzlich untersagt. Den Mitgliedern der
Wahlvorstände in den für die Durchführung der Wahlstatis-
tik ausgewählten Wahlbezirken ist es aufgrund der sich aus

der Mindestzahl von Wahlberechtigten ergebenden ausrei-
chend großen Zahl von Wählerinnen und Wählern in jeder
Geburtsaltersgruppe nicht möglich, bei der Stimmenauszäh-
lung die Stimmabgabe einzelnen Wählerinnen und Wählern
anhand der Unterscheidungsbezeichnungen zuzuordnen.
Die Vermutung des Einspruchsführers, die politischen Par-
teien seien vom persönlichen Wahlverhalten Einzelner in-
formiert worden, ist mangels einer Substantiierung einer nä-
heren Überprüfung nicht zugänglich.
Soweit der Einspruchsführer unter Hinweis auf die Vor-
schrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG beanstandet, dass auf
dem Stimmzettel die Bedeutung der Zweitstimme falsch
dargestellt werde, ist ein Verstoß gegen wahlrechtliche Vor-
schriften ebenfalls nicht zu erkennen. Der nach dem Muster
eines Stimmzettels in Anlage 26 zur Bundeswahlordnung
vorgesehene Hinweis, maßgebende Stimme für die Vertei-
lung der Sitze insgesamt auf die einzelnen Parteien sei die
Zweitstimme, ist zutreffend. Der Gesetzgeber hat sich für
ein personalisiertes Verhältniswahlsystem entschieden.
Nach § 4 BWG hat jeder Wähler zwei Stimmen, eine Erst-
stimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten, eine
Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste. Hierbei ist die
Zweitstimme die entscheidende Stimme, da sie das zah-
lenmäßige Gesamtwahlergebnis der einzelnen Parteien be-
stimmt (Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
7. Auflage, § 4 Rn. 1). Allerdings wird beispielsweise beim
Entstehen von Überhangmandaten die Sitzverteilung im
Bundestag auch durch die abgegebenen Erststimmen beein-
flusst (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 29). Der
Einspruchsführer weist außerdem zutreffend darauf hin,
dass im Sonderfall des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG die Zweit-
stimmen derjenigen Wähler nicht berücksichtigt werden,
die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen
Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 20 Abs. 3 BWG
oder von einer Partei, für die in dem betreffenden Lande
keine Landesliste zugelassen ist, vorgeschlagen ist. Somit
gibt es Ausnahmefälle, bei denen die Zweitstimme nicht be-
rücksichtigt wird, und solche, bei denen sowohl die Erst- als
auch die Zweitstimme einen Erfolgswert haben. Diese Aus-
nahmen entsprechen dem Wahlsystem und den wahlrechtli-
chen Vorschriften. Die Bedeutung der Zweitstimme als für
die Verteilung der Sitze maßgebende Stimme ist für die al-
lermeisten Fälle auf dem Stimmzettel zutreffend dargestellt.
Es wäre für die Wählerinnen und Wähler verwirrend, wenn
auf dem Stimmzettel alle denkbaren Varianten des Erfolgs-
wertes von Erst- und Zweitstimme dargestellt würden.
Der Einspruch kann auch keinen Erfolg haben, soweit sich
der Einspruchsführer gegen die Art und Weise der Neuein-
teilung der Wahlkreise wendet. Für seine Vermutung, die
Neueinteilung sei gezielt zum Nachteil der Bewerber der
PDS vorgenommen worden, gibt es keinen Beleg. Mit dem
Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetz
vom 15. November 1996 (BGBl. I S. 1712) hat der Gesetz-
geber bestimmt, dass der Deutsche Bundestag ab der
15. Wahlperiode grundsätzlich aus 598 statt bisher 656 Ab-
geordneten bestehen wird. Dementsprechend ist in diesem
Gesetz außerdem vorgesehen, dass sich die Zahl der Wahl-
kreise ab der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag von 328
auf 299 verringert. Der Gesetzgeber ist schließlich dem
ebenfalls aus diesem Gesetz resultierenden Auftrag nachge-
kommen, die Einteilung der 299 Wahlkreise bis zum Ablauf
der 13. Wahlperiode durch Gesetz festzulegen. Dies ist

Drucksache 15/2400 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

durch das Gesetz zur Neueinteilung der Wahlkreise für die
Wahl zum 15. Deutschen Bundestag vom 1. Juli 1998
(BGBl. I S. 1698) geschehen. Im Anschluss daran ergab
sich die Notwendigkeit einer Neuabgrenzung von Wahlkrei-
sen u. a. aus der gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 und 3 BWG, wonach u. a. die Zahl der Wahl-
kreise in den einzelnen Ländern deren Bevölkerungsanteil
soweit wie möglich entsprechen muss. Vor diesem Hinter-
grund entbehren die Mutmaßungen des Einspruchsführer je-
der Grundlage.
Schließlich liegt auch kein Wahlfehler aufgrund einer unzu-
lässigen Wahlbeeinflussung vor. Dies gilt zum einen, soweit
der Einspruchsführer die Unterstützung bestimmter Wahl-
bewerber in Wahlkreisen durch amtierende Bundesminister
und Ministerpräsidenten in Ländern sowie anderen Mitglie-
dern von Landesregierungen rügt. Auch Amtsträger können
sich nämlich am Wahlkampf beteiligen und bestimmte Kan-
didatinnen und Kandidaten unterstützen. Der Einspruchs-
führer hat nicht substantiiert vorgetragen, dass die betreffen-
den Amtsträger bestimmte Wahlkampfaussagen in amtli-
cher Eigenschaft oder unter Hinweis auf ihren Amtscharak-
ter gemacht hätten (vgl. Schreiber, Kommentar zum
Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 15). Soweit der Ein-
spruchsführer sich – wie bereits bei seinem Einspruch gegen
die Bundestagswahl 1998 – gegen die Berichterstattung in
der Oberbergischen Volks-Zeitung während des Wahlkamp-
fes wendet, so verkennt er die Rolle der Presse in einem
freiheitlichen Staat. Die Pressefreiheit umfasst die Freiheit,
die Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflusst zu bestim-
men und zu verwirklichen. Bei der Gestaltung des redaktio-
nellen Teiles ist die von privater Hand betriebene Presse
hinsichtlich der Auswahl der Nachrichten und der Verbrei-
tung von Meinungen grundsätzlich frei (vgl. Schreiber,
Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1
Rn. 23k). Dies gilt auch bei der Darstellung von Amtsträ-
gern im Wahlkreis während des Wahlkampfes. Schließlich
fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag des Ein-
spruchsführers, soweit er sich gegen das Verhalten örtlicher
Vereine, Verbände und Kirchen im Wahlkreis wendet. Die
parteipolitische Unabhängigkeit von Kirchen, Verbänden
und Vereinen verlangt auch während des Wahlkampfes
keine strikte politische Neutralität (vgl. Schreiber, a. a. O.).
Aus dem Vortrag des Einspruchsführers, bei bestimmten
Veranstaltungen sei der Wahlkreisbewerber der PDS nicht
berücksichtigt worden, lässt sich deshalb im Hinblick auf
eine unzulässige Wahlbeeinflussung nichts herleiten.
Die weiteren Ausführungen des Einspruchsführers können
nicht zum Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens ge-
macht werden, da sie keine wahlrechtsrelevanten Tatbe-
stände enthalten.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/2400

Anlage 2

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn D. V., 01169 Dresden

– Az.: WP 50/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2002, das beim Deutschen
Bundestag am 11. Oktober 2002 eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Wahl zum 15. Deut-
schen Bundestag am 22. September 2002 eingelegt. Zur Be-
gründung trägt er – teilweise unter Bezugnahme auf wei-
tere, der Einspruchsschrift beigefügte Schreiben – im We-
sentlichen vor, der von ihm am 18. Juli 2002 eingereichte
Kreiswahlvorschlag sei unzulässigerweise zurückgewiesen
worden und die Wähler – insbesondere diejenigen in Sach-
sen – seien vor der Wahl in ihrer Wahlentscheidung in unzu-
lässiger Weise beeinflusst worden.
Dem Vorbringen des Einspruchsführers bezüglich der Zu-
rückweisung seines Kreiswahlvorschlages liegt folgender
Sachverhalt zugrunde: Der Einspruchsführer reichte am
18. Juli 2002 beim Kreiswahlleiter der Stadt Leipzig einen
Kreiswahlvorschlag unter dem Kennwort „Bürger von Leip-
zig“ ein. Er bezeichnete den Vorschlag als einen sogenann-
ten anderen Kreiswahlvorschlag gemäß § 20 Abs. 3 Bun-
deswahlgesetz (BWG). Der Kreiswahlvorschlag wurde vom
Kreiswahlausschuss am 26. Juli 2002 mit der Begründung
zurückgewiesen, dass sich auf dem Kreiswahlvorschlag le-
diglich die Unterschrift des Beschwerdeführers befunden
habe und die für einen sogenannten anderen Kreiswahlvor-
schlag erforderlichen Unterschriften von 200 Wahlberech-
tigten dem Kreiswahlvorschlag nicht beigefügt gewesen
seien.
Der Einspruchsführer trägt hierzu vor, dass sein Kreiswahl-
vorschlag „Bürger von Leipzig“ auf der Basis von § 20
Abs. 2 Satz 3 BWG abgegeben worden sei. Hiernach gelte
das Erfordernis von 200 Unterschriften nicht für Kreiswahl-
vorschläge von Parteien nationaler Minderheiten. Sein
Kreiswahlvorschlag, der gemäß Artikel 3 und 19 Grund-
gesetz (GG) dem Kreiswahlvorschlag einer Partei gleich-
gestellt sei, sei als ein solcher einer nationalen Minderheit
zu behandeln. Die Bürger von Leipzig seien eine nationale
Minderheit, da sie seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes
bis zur deutschen Wiedervereinigung ihre Grundrechte
nicht hätten wahrnehmen können. Da Leipzig internationa-
ler Messestandort gewesen sei, habe die Stasi die Bürger
von Leipzig ununterbrochen bespitzelt, so dass diese als
Prominente im Sinne des Stasi-Unterlagen-Gesetzes zu be-
handeln seien.

Der Einspruchsführer behauptet, dass die Wähler im Frei-
staat Sachsen in ihrer Wahlentscheidung in unzulässiger
Weise beeinflusst worden seien. So schränke § 41 Abs. 6
des sächsischen Kommunalwahlgesetzes (SächsKomWG)
die freie Wahlentscheidung für einen Großteil der sächsi-
schen Wähler in unzulässiger Weise ein. Diese Vorschrift
verlangt von einem Wahlbewerber für das Amt des Bürger-
meisters eine Erklärung, dass er nicht für das Ministerium
der Staatssicherheit der DDR gearbeitet habe bzw. nicht in
herausgehobener Position in Parteien oder Massenorganisa-
tionen der DDR tätig gewesen sei. Dies treffe jedoch nach
Ansicht des Einspruchsführers auf 90 % der ehemaligen
DDR-Bürger zu.
Auch beeinflusse die Präambel der sächsischen Landesver-
fassung, welche durch die Textstelle „… ausgehend von den
leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommu-
nistischer Gewaltherrschaft …“ die gesellschaftlichen Ver-
hältnisse in der DDR denen des Dritten Reiches gleichstelle,
das Wahlverhalten der sächsischen Wähler in unzulässiger
Weise.
Der Einspruchsführer ist der Ansicht, dass es Fälle unzuläs-
siger amtlicher Wählerbeeinflussung durch Äußerungen
von Bundeskanzler Gerhard Schröder gegeben habe. Dieser
habe bei mehreren Anlässen formuliert: „… Die PDS, her-
vorgegangen aus der SED, ist in der Demokratie nicht ange-
kommen. Deshalb ist eine Zusammenarbeit mit der PDS
ausgeschlossen, anstelle der PDS sollte die SPD gewählt
werden.“
Der Einspruchsführer macht geltend, es habe bei der Wahl
zum 15. Deutschen Bundestag in Sachsen Fälle von Stim-
menkauf gegeben. Dem liegt folgender Sachverhalt zu-
grunde: Wie auch der Landeswahlleiter des Freistaates
Sachsen in seiner Stellungnahme bestätigt, wurde einem In-
haber von Wasserbettengeschäften in Pirna, Dresden und
Radebeul von der Staatsanwaltschaft Dresden vorgeworfen,
in einem Inserat in dem Anzeigenblatt „Stadtspiegel“ vom
15. September 2002 Wählern von CDU und FDP zusätzlich
Rabatt versprochen zu haben. Der Beschuldigte stellte in
seinen Geschäften außerdem ein Schild mit dem Hinweis
auf, dass Wählern aller Parteien dieser Rabatt gewährt
werde. Es konnte von der Staatsanwaltschaft Dresden je-
doch nicht nachgewiesen werden, dass von dem Angebot
Kunden auch wirklich Gebrauch gemacht hätten. Daher ist

Drucksache 15/2400 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten am
2. April 2003 eingestellt worden, was auch dem Einspruchs-
führer zur Kenntnis gebracht worden ist.
Der Einspruchsführer verweist darüber hinaus auf eine Be-
richterstattung der „Bild am Sonntag“, wonach Briefwähler
verdächtigt würden, ihr Stimmrecht zu verkaufen. Er habe
„u. a. auf Grund dieser ungeheuerlichen Verdächtigung“
sein Wahlrecht durch Briefwahl nicht wahrnehmen können.
Anlässlich eines anderen Wahleinspruchs hat der Wahlprü-
fungsausschuss hierzu folgenden Sachverhalt festgestellt:
Laut „Bild am Sonntag“ vom 22. September 2002 forderte
ein Verein „Demokratie International“ in Hamburg unter ge-
fälschtem Briefkopf des Senats durch Postwurfsendung an
150 000 Haushalte dazu auf, Briefwahlunterlagen anzufor-
dern und an Ausländer weiterzugeben.
Der Landeswahlleiter der Freien und Hansestadt Hamburg
hat in diesem Wahlprüfungsverfahren eine Pressemitteilung
übersandt, die unter dem gefälschten Briefkopf der staat-
lichen Pressestelle mit Datum vom 11. September 2002 eine
derartige Aktion vorstellt, befürwortende Aussagen von
Bürgermeister von Beust enthält und berichtet, „in den letz-
ten Tagen“ seien 125 000 Postwurfsendungen verteilt wor-
den. Diese dem Landeswahlamt bereits am 10. September
2002 zugegangene Pressemitteilung habe den Landeswahl-
leiter veranlasst, bereits am selben Tage mit einer Presse-
erklärung auf den Fälschungscharakter und den Straftatbe-
stand des § 107a Strafgesetzbuch hinzuweisen. Es habe kei-
nerlei Anhaltspunkte für eine tatsächliche Verteilung des
Aufrufs als Postwurfsendung und auch keine konkreten
Hinweise auf entsprechende Einzelfälle, in denen es tat-
sächlich zu einer Stimmenweitergabe gekommen wäre, ge-
geben. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
Hamburg wurde am 2. Dezember 2002 eingestellt, da ein
Täter nicht ermittelt werden konnte.
Der Einspruchsführer bringt außerdem vor, dass der
14. Deutsche Bundestag nicht habe entlastet werden dürfen.
Die Abgeordneten hätten in der 14. Wahlperiode den „Auf-
trag der Wähler“ nicht erfüllt. Der Bundestag habe es ver-
säumt, der Bundesregierung einen Auftrag zur Erhaltung
des Weltfriedens zu erteilen und sie darauf hinzuweisen,
dass sich nach dem Grundgesetz und dem Einigungsvertrag
die Bundesrepublik Deutschland nicht an einem Angriffs-
krieg beteiligen dürfe. Durch dieses Versäumnis sei der
Bundestagswahl zum 15. Deutschen Bundestag am 22. Sep-
tember 2002 die besondere Bedeutung zugekommen, dass
sich die Wähler mit der Wahl gleichzeitig über Krieg oder
Frieden zu entscheiden gehabt hätten, so dass dadurch die
Wähler unzulässig beeinflusst worden seien. Auch hätten
die Abgeordneten des 14. Deutschen Bundestages es verab-
säumt, die Rechtseinheit, die zwischen den Bürgern in allen
Teilen Deutschlands bestehe, zu ihrer Arbeitsgrundlage zu
machen.
Zu weiteren Ausführungen des Einspruchsführers wird auf
das Einspruchsschreiben, eine Petition des Einspruchsfüh-
rers an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
vom 16. September 2002 sowie auf weitere Schreiben Be-
zug genommen.
Der Landeswahlleiter des Freistaates Sachsen hat zu den
Ausführungen des Einspruchsführers wie folgt Stellung ge-
nommen:

Der Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers sei mit for-
mellen Mängeln behaftet gewesen. So habe sich auf dem
Kreiswahlvorschlag nur die Unterschrift des Einspruchsfüh-
rers befunden; die Unterschriften von drei Wahlberechtigten
hätten gefehlt. Es hätten zudem die Unterschriften von
200 Wahlberechtigten auf amtlichen Formblättern für Unter-
stützungsunterschriften (Anlage 14 zu § 34 Abs. 4 BWO)
gefehlt. Der Landeswahlleiter führt ergänzend aus, dass der
Argumentation des Einspruchsführers, bei dem eingereich-
ten Kreiswahlvorschlag handele es sich um einen Kreiswahl-
vorschlag einer nationalen Minderheit der Bürger von Leip-
zig, nicht gefolgt werden könne. Nach der systematischen
Stellung im Gesetz beziehe sich die Regelung des § 20
Abs. 2 Satz 3 BWG nur auf Kreiswahlvorschläge von Par-
teien nationaler Minderheiten, und nicht auf sogenannte an-
dere Kreiswahlvorschlage gemäß § 20 Abs. 3 BWG. Dieser
verweise gerade nicht auf eine analoge Anwendung des § 20
Abs. 2 Satz 3 BWG. Abgesehen davon handele es sich, wie
in einem Schreiben des Bundeswahlleiters an den Ein-
spruchsführer ausgeführt, bei den Bürgern von Leipzig nicht
um eine nationale Minderheit im Sinne des Bundeswahl-
gesetzes. Eine nationale Minderheit verbinde in der Bundes-
republik Deutschland deutsche Staatsangehörigkeit mit
fremder Volkszugehörigkeit (Nationalität). Vertreter der
deutschen Volkszugehörigkeit könnten als Glieder der deut-
schen Nation gemäß Artikel 116 GG nicht zu einer nationa-
len Minderheit gehören. In einer Erklärung bei der Zeich-
nung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum
Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 habe
die Bundesrepublik Deutschland festgestellt, dass nationale
Minderheiten in Deutschland die Dänen deutscher Staatszu-
gehörigkeit und die Angehörigen des sorbischen Volkes mit
deutscher Staatsangehörigkeit seien. Sie wende das Rahmen-
übereinkommen darüber hinaus auch auf die Angehörigen
der Volksgruppe der Friesen deutscher Staatsangehörigkeit
und der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit an.
Außerdem legt der Landeswahlleiter dar, dass § 41 Abs. 6
SächsKomWG auf Bewerber um ein Mandat im Deutschen
Bundestag nicht anwendbar sei. Gegen Einschränkungen
des passiven Wahlrechts durch den bei Bundestagswahlen
einschlägigen – nicht inhaltsgleichen – § 15 BWG wende
sich der Einspruchsführer nicht, so dass eine Beeinflussung
der Wahlentscheidung der Wahlberechtigten sowie eine Ein-
schränkung des passiven Wahlrechts bei Bundestagswahlen
nicht gegeben sei.
Hinsichtlich des oben dargestellten Vorwurfs des Stimmen-
kaufs teilt der Landeswahlleiter mit, er habe den Beschul-
digten mit Schreiben vom 18. September 2002 auf mögliche
strafrechtliche Konsequenzen seines Verhaltens hingewie-
sen und eindringlich die Unterlassung derartiger Aktivitäten
gefordert. Aufgrund seines Einschreitens sei jedoch davon
auszugehen, dass dieses Geschehen zu keinen Auswirkun-
gen auf das Wahlergebnis im Freistaat Sachsen geführt habe.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme des Landes-
wahlleiters des Freistaates Sachsen zur Kenntnis gegeben
worden. Er hat sich hierzu und zu der oben erwähnten Mit-
teilung über die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Er-
mittlungsverfahrens zum Vorwurf des Stimmenkaufs nicht
geäußert.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/2400

Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Kreiswahl-
vorschlag des Einspruchsführers vom 18. Juli 2002 wurde
vom Kreiswahlausschuss zu Recht zurückgewiesen, denn er
war mit formellen Fehlern behaftet. Gemäß § 20 Abs. 3
BWG müssen sogenannte andere Kreiswahlvorschläge von
mindestens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises persön-
lich und handschriftlich unterzeichnet sein. Diese Voraus-
setzung hat der Kreiswahlvorschlag des Einspruchsführers
nicht erfüllt. Soweit der Einspruchsführer dazu vorträgt, es
handele sich bei seinem Kreiswahlvorschlag um einen sol-
chen einer nationalen Minderheit, kann dieser Vortrag das
Erfordernis von 200 Unterstützerunterschriften nicht entfal-
len lassen. Auf die dem Einspruchsführer bekannten Aus-
führungen des Landeswahlleiters und des Bundeswahllei-
ters hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen Be-
zug genommen.
Wenn der Einspruchsführer vorbringt, § 41 Abs. 6 Sächs-
KomWG beeinflusse die Wahlentscheidung der sächsischen
Wähler in unzulässiger Weise, so verkennt er, dass diese Re-
gelung lediglich auf die Wahlen zum Bürgermeisteramt in
sächsischen Gemeinden anzuwenden ist. Für die Wahlen
zum Deutschen Bundestag, gegen die sich der Einspruch
des Einspruchsführers wendet, ist die vom Einspruchsführer
angegriffene Norm nicht einschlägig.
Ebensowenig kann der Einspruchsführer geltend machen,
durch die Präambel der sächsischen Verfassung sei die Bun-
destagswahl in unzulässiger Weise beeinflusst worden, in-
dem dort die nationalsozialistische und die kommunistische
Gewaltherrschaft in einem Satz genannt werden.
Soweit der Einspruchsführer Aussagen vom Bundeskanzler
Gerhard Schröder zur PDS anspricht, verkennt er, dass sich
auch Amtsträger aktiv am Wahlkampf beteiligen dürfen, um
sich der (Wieder)Wahl zu stellen, und außerhalb der Aus-
übung ihres Amtes nicht der Neutralitätspflicht unterliegen.
Die Aussagen über eine nicht beabsichtigte Zusammenar-
beit zwischen SPD und PDS nach der Wahl sind erkennbar
nicht in amtlicher Eigenschaft erfolgt; es handelt sich um
eine typische parteipolitische Aussage zur möglichen Koali-
tionsbildung nach der Wahl. Viele Wähler erwarten für ihre
Wahlentscheidung gerade eine Aussage über mögliche Ko-
alitionen nach der Wahl. Im Übrigen hatte auch die PDS
während des Wahlkampfes die Möglichkeit, auf die von
Bundeskanzler Gerhard Schröder gemachten Äußerungen
zu reagieren. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar,
dass diese Aussagen mehr als nur unerheblich auf die Bil-
dung des Wählerwillens eingewirkt haben könnten
(BVerfGE 103, 111/132 f.).
Bezüglich des Verdachts des Stimmenkaufs in Sachsen liegt
eine unzulässige Wählerbeeinflussung nicht vor. Abgesehen
davon, dass die Staatsanwaltschaft Dresden für eine straf-
bare Wählerbeeinflussung keine Hinweise gefunden hat und

daher das Ermittlungsverfahren am 2. April 2003 eingestellt
hat, ist eine unzulässige Wählerbeeinflussung aufgrund des
dargestellten Geschehens nicht erkennbar. Wie sich aus der
Stellungnahme des Landeswahlleiters ergibt, haben Kunden
von dem in Rede stehenden Angebot offenbar nicht oder
allenfalls in nicht nennenswertem Umfang von dem Ange-
bot Gebrauch gemacht; der Landeswahlleiter hat weitere
Aktivitäten in dieser Richtung unterbunden. Eine unzuläs-
sige Einflussnahme Dritter auf die ordnungsgemäße Durch-
führung der Wahl ist aber nur dann anzunehmen, wenn in
ähnlich schwerwiegender Weise wie mit Mitteln des
Zwangs oder Drucks auf die Wählerwillensbildung einge-
wirkt worden wäre, ohne dass eine hinreichende Möglich-
keit der Abwehr bestanden hätte (BVerfGE 103, 111/133).
Im übrigen wäre auch hier, soweit tatsächlich vereinzelt
Kunden von dem Angebot Gebrauch gemacht haben sollten,
der Einfluss auf das Wählerverhalten nicht mehr als nur
unerheblich, wie das Bundesverfassungsgericht für die An-
nahme einer unzulässigen Wahlbeeinflussung voraussetzt
(BVerfGE 103, 111/132).
Ein Wahlfehler lässt sich auch nicht durch die geltend ge-
machte Weitergabe von Briefwahlunterlagen an Dritte fest-
stellen, da es schon keinerlei Anhaltspunkte gibt, dass es in
Hamburg tatsächlich zu einer derartigen Aktion gekommen
ist. Die Größenordnung von behaupteten 125 000 verteilten
Postwurfsendungen hätte es nahegelegt, dass zumindest in
Einzelfällen Empfänger einer Postwurfsendung beim Lan-
deswahlamt oder anderen Stellen rückgefragt oder ihnen ein
Exemplar übermittelt hätten. Auch in der Presse hat es, so-
weit ersichtlich, vor dem Wahltag nur in der Hamburger
„Tageszeitung“ eine Resonanz gegeben. Die Ausgabe vom
12. September 2002 berichtet über den Aufruf, gibt aber zu-
gleich die Hinweise des Hamburger Wahlleiters auf eine
Strafbarkeit wegen Wahlfälschung wider. Ob der Aufruf
auch in anderen Städten verbreitet worden und ob es zur
Weitergabe von Briefwahlunterlagen gekommen ist, lässt
sich mangels näherer, auch vom Einspruchsführer nicht vor-
getragener Anhaltspunkte nicht feststellen. Vor diesem Hin-
tergrund bestand für den Einspruchsführer auch keine Ver-
anlassung, nicht an der Briefwahl teilzunehmen.
Zu Unrecht macht der Einspruchsführer geltend, der
14. Deutsche Bundestag habe nicht entlastet werden dürfen.
Entgegen der Ansicht des Einspruchsführers existiert kein
Verfahren, in welchem der Deutsche Bundestag entlastet
wird. Der Deutsche Bundestag besteht aus gewählten Abge-
ordneten, die gemäß Artikel 38 GG an Aufträge und Wei-
sungen nicht gebunden, sondern nur ihrem Gewissen unter-
worfen sind. Eine Entlastung von einem Auftrag kann daher
nicht erfolgen. Die vom Einspruchsführer behaupteten
„mangelhaften“ Beschlüsse des 14. Deutschen Bundestages
können nicht zur unzulässigen Beeinflussung der Wahlen
zum 15. Deutschen Bundestag führen. Gerade die Wahlen
sind das vorgesehene Instrument, um eine etwaige Unzu-
friedenheit der Wähler mit der geleisteten Arbeit der Abge-
ordneten zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt ebenso für die
Behauptung des Einspruchsführers, die Abgeordneten hät-
ten die für alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland gel-
tende Rechtseinheit nicht zu ihrer Arbeitsgrundlage ge-
macht.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/2400

Anlage 3

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. K., 77815 Bühl

– Az.: WP 5/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 26. September 2002 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag eingelegt. Hierin bezieht er sich
auf ein bereits am 11. September 2002 übermitteltes Schrei-
ben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er als
Einzelbewerber im Wahlkreis 274 (Rastatt) nicht zur Bun-
destagswahl 2002 zugelassen worden und dadurch an seinen
demokratischen Rechten gehindert worden sei. Die Form-
blätter für die Unterstützungsunterschriften hätten gegen
den Datenschutz verstoßen. Bei der Einholung der Unter-
schriften sei er behindert worden.
Der Einspruchsführer trägt vor, dass er in seinem Grund-
recht auf Teilnahme an der Wahl verletzt sei. Er ist der Auf-
fassung, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit“ die Zusammensetzung des Bundestages durch
seine Teilnahme an der Wahl beeinflusst worden wäre. Er
sei nicht zur Bundestagswahl 2002 zugelassen worden, weil
er in der auf Grund des seiner Ansicht nach fehlerhaften
Verhaltens des Kreiswahlleiters verbliebenen kurzen Zeit
die erforderlichen Unterstützungsunterschriften nicht habe
beibringen können. Nach Empfehlung des Kreiswahlleiters
habe er das Kennwort „Ab jetzt – Mündige Bürger für
Deutschland“ gewählt. Unter diesem Kennwort habe er die
Unterstützungsunterschriften gesammelt. Kurz vor Ablauf
der Bewerbungsfrist am 26. Juli 2002 sei ihm das neue
Kennwort „Ab sofort – Mündige Bürger für Deutschland“
„zugeteilt“ worden. Der Kreiswahlleiter habe ihm mitge-
teilt, dass die bisher zugesandten Formblätter „ungültig“
und „geändert“ worden seien und die früheren unterschrie-
benen Formulare mit dem Kennwort „Ab jetzt – Mündige
Bürger für Deutschland“ nicht verwendet werden dürften;
nach der Änderung des Kennworts „Ab sofort – Mündige
Bürger für Deutschland“ seien ausschließlich diese Form-
blätter zu verwenden. Darauf hin habe er die „bereits lau-
fende Aktion“ abgebrochen. Die bereits eingeholte „ausrei-
chende Anzahl von Förderunterschriften mit den bisher zu-
geteilten Formularen“ habe er vernichten müssen und die
Unterschriftensammlung sei wiederholt worden. Hierzu
habe er neben Privatbesuchen und persönlicher Ansprache
von Bürgern auch Informationsstände in Bühl, Baden-Ba-
den und Rastatt aufgebaut, um die erforderliche Anzahl von

Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Es sei ihm je-
doch unmöglich gewesen, in der „verbliebenen kurzen Zeit“
die erforderliche Anzahl der Unterstützungsunterschriften
„ein weiteres Mal zu beschaffen“. Daher sei sein Kreiswahl-
vorschlag nicht zur Bundestagswahl 2002 zugelassen wor-
den. Er ist der Auffassung, dass die Unterschriften aus dem
Teilnahmeantrag mit dem ursprünglichen Kennwort hätten
verwendet werden können.
Zur Frage des Datenschutzes trägt der Einspruchsführer vor,
dass „unterschriftswillige Bürger“ seiner Auffassung nach
zu Recht die Unterschrift verweigert hätten. Dem Formblatt
sei in einem „unleserlichen Formular-Hinweis“ zu entneh-
men, dass man sich „strafbar“ mache, wenn man an ver-
schiedenen Informationsständen die „gleiche und völlig
identische Unterschrift“ leiste. Die „staatlichen“ Formulare
seien seiner Ansicht nach „offensichtlich vom politischen
Gegner entwikkelt“ worden, um die Beibringung von Un-
terschriften unmöglich zu machen bzw. zu erschweren. Dies
sei nicht verfassungskonform. Viele Bürger hätten seiner
Ansicht nach zu Recht vermutet, dass sie sich bei Abgabe
einer Unterschrift „offenbaren“ würden und die Möglichkeit
gegeben sei, ihre politische Meinung „auszukundschaften“.
Diese Unterschriften seien „registriert und angeblich nach
der Wahl wieder entsorgt“ worden, nachdem „man den un-
gehorsamen Personenkreis zur Kenntnis genommen“ habe.
Darüber hinaus behauptet der Einspruchsführer, es sei
„nachweisbar“, dass die Gemeinden Baden-Baden, Bühl
und Rastatt „zahlreiche fanatische Personen“ zu seinen In-
formationsständen geschickt hätten, um ihn zu stören bzw.
ihm die Unterschriftensammlung zu erschweren oder diese
unmöglich zu machen. So seien seine Aktionen „von auf-
gehetzten Jugendlichen“ behindert worden. Sein Informa-
tionsstand sei umgeworfen worden.
Der Kreiswahlausschuss wies am 26. Juli 2002 den Kreis-
wahlvorschlag nach § 26 Abs. 1 Bundeswahlgesetz (BWG)
einstimmig zurück, da bis zum Ablauf der Einreichungsfrist
am 26. Juli 2002 keine Unterstützungsunterschriften vorge-
legt wurden.
Am 26. Juli 2002 legte der Sohn des Einspruchsführers als
stellvertretende Vertrauensperson des Kreiswahlvorschlages
beim Kreiswahlleiter und beim Landeswahlleiter Be-
schwerde gegen die Zurückweisung des Kreiswahlvor-

Drucksache 15/2400 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schlags ein. Die Beschwerde wurde damit begründet, dass
das Fehlen der Unterstützungsunterschriften nicht vom Ein-
spruchsführer, sondern vom Kreiswahlleiter und „von Kom-
munen“ zu vertreten sei. Der Landeswahlausschuss wies in
seiner Sitzung am 1. August 2002 die Beschwerde gegen
den Beschluss des Kreiswahlausschusses einstimmig zu-
rück.
In der Niederschrift über die Sitzung des Landeswahlaus-
schusses wurde folgender zeitlicher Ablauf festgehalten:
„Am 14. April 2002 teilte Herr K. dem Kreiswahlleiter mit,
dass er als Einzelbewerber an der Bundestagswahl teil-
nehme und bat um Übersendung der Formblätter für die Un-
terstützungsunterschriften. Dies erfolgte am 19. April 2002.
Als Kurzbezeichnung wollte er ‚Wald für die Welt‘ nutzen.
Am 26. April 2002 teilte der Bewerber das Kennwort ‚Ab
jetzt … MÜNDIGE BÜRGER für Deutschland‘ mit. Am
Tag darauf wurde der Kreiswahlvorschlag mit Anlagen und
dem Kennwort ‚Ab jetzt = Mündige Bürger für Deutsch-
land‘ eingereicht. Mit Schreiben vom 6. Mai 2002 über-
sandte der Kreiswahlleiter die neuen Formblätter für die
Unterstützungsunterschriften. Am 10. Mai 2002 erhielt der
Landeswahlleiter eine Mehrfertigung des Kreiswahlvor-
schlags. Am 13. Mai 2002 wurde die Geschäftsstelle des
Kreiswahlleiters fernmündlich auf die Verwechslungsgefahr
des Kennworts mit der bereits eingereichten Landesliste der
Partei ‚Ab jetzt … Bündnis für Deutschland‘ aufmerksam
gemacht. Der Bundeswahlausschuss hat für diese Vereini-
gung die Parteieigenschaft nach § 18 Abs. 4 BWG festge-
stellt. Nach fernmündlichen Unterredungen zwischen dem
Bewerber, der Landeswahlleitung und der Kreiswahlleitung
wurde das Kennwort einvernehmlich in ‚Ab sofort = Mün-
dige Bürger für Deutschland‘ geändert. Der Vorschlag des
Bewerbers, lediglich das Wort ‚jetzt‘ durch ‚sofort‘ zu erset-
zen und das restliche Kennwort bestehen zu lassen, wurde
dabei akzeptiert, da die Partei „Die mündigen Bürger“ seit
dem 27. Februar 1997 nach § 2 Abs. 2 des Parteiengesetzes
aus dem Parteienregister herausgenommen ist.
Der Bewerber bat den Kreiswahlleiter um Zustimmung,
dass die Unterzeichner auf den bereits ausgehändigten For-
mularen das Kennwort eigenhändig handschriftlich abän-
dern können. Der Kreiswahlleiter übersandte mit Schreiben
vom 15. Mai 2002 Formblätter mit dem neuen Kennwort
und bat um die Verwendung.
Am 17. Juli 2002 teilte der Kreiswahlleiter dem Bewerber
fernmündlich mit, dass sowohl die früheren als auch die
neuen Formulare anerkannt werden.“
Zur Begründung der Zurückweisung der Beschwerde wurde
in der Niederschrift Folgendes ausgeführt:
„Es bestand ursprünglich eine Verwechslungsgefahr mit
dem Namen der Partei. Erweckt bei einem anderen Kreis-
wahlvorschlag ein Kennwort den Eindruck, als handele es
sich um den Kreiswahlvorschlag einer Partei, erhält der
Kreiswahlvorschlag den Namen des Bewerbers als Kenn-
wort (§36 Abs. 4 BWO). Die unter einem verwechslungs-
trächtigen Kennwort bereits gesammelten Unterschriften
bleiben in der Regel gültig. Der Kreiswahlleiter hat sich ge-
genüber dem Bewerber auch nicht ausdrücklich auf eine
Ungültigkeit berufen, sondern lediglich gebeten, bei der
Sammlung der Unterschriften nur die Vordrucke mit dem
neuen Kennwort zu verwenden. Spätestens am 17. Juli 2002

und damit noch vor Einreichungsschluss war gegenüber
dem Bewerber klargestellt, dass auch Unterstützungsunter-
schriften mit dem früheren Kennwort eingereicht werden
können.
Auch nach Änderung des Kennworts waren noch über zwei
Monate Zeit zur Sammlung von Unterschriften. Dem Kreis-
wahlvorschlag waren jedoch weder die früheren noch neue
Unterstützungsunterschriften beigefügt.
Soweit sich der Beschwerdeführer durch das Verhalten der
Kommunen von der Sammlung von Unterstützungsunter-
schriften abgehalten sieht und er hier Befürchtungen von
Bürgern geltend macht, dass bei der Erteilung der Wahl-
rechtsbescheinigung durch die Gemeinde Daten registriert
werden könnten, ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinde
festzuhalten hat, wem sie bereits eine Wahlrechtsbescheini-
gung erteilt hat. Dies ist notwendig, da jeder Wahlberech-
tigte nur einen Kreiswahlvorschlag unterzeichnen darf. Die
Gemeinde darf allerdings nicht festhalten, für welchen
Kreiswahlvorschlag die erteilte Bescheinigung bestimmt ist
(§ 34 Abs. 6 BWO).
Soweit der Bewerber noch auf angebliche Benachteiligun-
gen, wie z. B. bei dem Antrag auf einen gebührenfreien In-
fostand hinweist, ist festzustellen, dass dafür gegebenenfalls
der jeweilige Rechtsweg zu beschreiten gewesen wäre.“
Zu dem Wahleinspruch hat die Landeswahlleiterin des Lan-
des Baden-Württemberg Stellung genommen und sich hier-
bei die Darstellung der Niederschrift des Landeswahlaus-
schusses hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs und der Be-
gründung der Zurückweisung der Beschwerde zu Eigen ge-
macht.
Zur Frage des Datenschutzes hat sie hierzu ergänzend Fol-
gendes ausgeführt:
Die Unterschriften seien auf amtlichen, in ihrer Ausgestal-
tung verfassungsrechtlich unbedenklichen Formblättern
nach Anlage 14 zu § 34 Abs. 4 BWO zu erbringen. Die ord-
nungsgemäße Wahlvorbereitung erfordere die Überprüfung
der Echtheit der Unterschriften und der Wahlberechtigung
der Unterzeichner durch die Wahlbehörde. Die Unterzeich-
ner von Wahlvorschlägen seien durch das Wahlgeheimnis
insoweit nicht geschützt, als das Wahlverfahren eine Offen-
legung ihrer Namen notwendig mache. Die Gemeinde habe
festzuhalten, wem sie bereits eine Wahlrechtsbescheinigung
erteilt habe. Dies sei notwendig, da jeder Wahlberechtigte
nur einen Kreiswahlvorschlag unterzeichnen dürfe. Die Ge-
meinde dürfe gemäß § 34 Abs. 6 BWO allerdings nicht fest-
halten, für welchen Kreiswahlvorschlag die erteilte Be-
scheinigung bestimmt sei. Dagegen bestünden keine daten-
schutzrechtlichen Bedenken. Nach den Stellungnahmen der
Gemeinden sei es bei der Durchführung des Verfahrens
nach § 34 Abs. 6 Satz 2 BWO zu keiner Unregelmäßigkeit
gekommen. Auf einem von dem Einspruchsführer vorgeleg-
ten Formblatt habe die Gemeinde Bühlertal keine Wahl-
rechtsbescheinigung erteilen können, da der Wahlberech-
tigte bereits einen anderen Wahlvorschlag unterstützt habe.
Beide Unterschriften seien gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 BWO
ungültig gewesen seien. Dies sei dem Einspruchsführer mit-
geteilt worden.
Zu der vom Einspruchsführer geltend gemachten Behinde-
rung der Unterschriftensammlung ist in der Stellungnahme

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/2400

der Landeswahlleiterin zur Niederschrift des Landeswahl-
ausschusses Folgendes ergänzt worden:
Der Einspruchsführer habe am 13. Juni 2002 von der Stadt
Baden-Baden eine Sondernutzungserlaubnis für einen Infor-
mationsstand am 15. und 22. Juni 2002 in der Fußgänger-
zone erhalten. Er sei sofort darauf hingewiesen worden,
dass der Platz für den 15. Juni 2002 bereits an eine Musik-
schule vergeben worden sei. Der Einspruchsführer habe
mitgeteilt, dass der Informationsstand trotzdem dort aufge-
stellt werden solle. Es sei möglich gewesen, dass in der Zeit
der Musikdarbietungen zwischen 10.00 und 12.00 Uhr ein
erhöhtes Passantenaufkommen in dem Bereich der Fußgän-
gerzone bestanden habe. Der Einspruchsführer habe jedoch
seinen Informationsstand ganztägig betreiben können. Die
Stadt Bühl habe dem Einspruchsführer für den 8. Juni und
6. Juli 2002 zwei gebührenfreie Erlaubnisse für Informa-
tionsstände erteilt. In der Stadt Rastatt habe der Einspruchs-
führer am 23. Juli 2002 ebenfalls eine gebührenfreie Erlaub-
nis für einen Informationsstand auf dem Marktplatz erhal-
ten. Die Gemeinden hätten die Feststellung des Einspruchs-
führers zurückgewiesen, sie hätten durch Absprachen
„fanatische Personen“ zu den Informationsständen getrie-
ben, um die Sammlung der Unterstützungsschriften zu er-
schweren. Polizeiliche Erkenntnisse zu den Informations-
ständen des Einspruchsführers hätten nicht vorgelegen. Be-
hinderungen oder Beeinträchtigungen seien der Polizei
nicht bekannt geworden. Insgesamt gesehen seien keine
Vorfälle mit Auswirkungen auf die Sammlung der Unter-
stützungsunterschriften ersichtlich.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme bekannt ge-
geben worden. Er hat sich hierzu in einem per E-Mail über-
mittelten Schreiben vom 30. November 2002 und in einem
an die Landeswahlleiterin gerichteten Schreiben vom 1. De-
zember 2002, das dem Wahlprüfungsausschuss vom Ein-
spruchsführer ebenfalls per E-Mail übermittelt wurde, wie
folgt geäußert:
Die Behauptung des Kreiswahlleiters, ihm sei erlaubt wor-
den, beide Kennworte zu benutzen, sei falsch. Das Wahl-
recht sehe nicht vor, unterschiedliche oder geänderte Kenn-
wörter zu verwenden. Es sei ihm „ausdrücklich untersagt“
worden, für die Unterstützungsunterschriften die Formblät-
ter beider Kennworte zu nutzen. Die Stellungnahme des
Kreiswahlleiters sei „völlig unrealistisch und nicht der
Wahrheit entsprechend“. Fernmündliche Belehrungen habe
es nie gegeben und seien „eine reine Schutzbehauptung“.
Der Landeswahlleiter verschweige, dass er in eigener Ver-
antwortung noch rechtzeitig „ein Machtwort“ hinsichtlich
der Änderung des Kennwortes habe sprechen können. Der
Vorschlag des Kennwortes „Ab jetzt – Mündige Bürger für
Deutschland“ sei allein vom Kreiswahlleiter ausgegangen.
Der Einspruchsführer habe von seinem ursprünglichen
Kennwort „Wald für die Welt“ nach „Zureden“ des Kreis-
wahlleiters Abstand genommen. Die damit aufgetretenen
Probleme seien deshalb nicht vom Einspruchsführer zu ver-
treten. Er nehme an, dass „keine grobe Fahrlässigkeit“, son-
dern „eindeutig bewusstes sträfliches Fehlhandeln“ vor-
liege.
Das Bürgermeisteramt Rastatt habe verschwiegen, dass
nach langwierigen, zeitraubenden schriftlichen Verhandlun-
gen und erst nachdem der Einspruchsführer die Einlegung
eines Rechtsmittels angekündigt habe, eine gebührenfreie

Erlaubnis erteilt worden sei, die ihn verspätet erreicht habe.
Das Bürgermeisteramt Bühl habe die Erlaubnis zum Betrei-
ben eines Informationsstandes am 8. Juni 2002 und am
6. Juli 2002 sofort erteilt.
Er sei bei seinen Aktionen am Informationsstand von Ju-
gendlichen und Schülern „drangsaliert“ worden. Die Ju-
gendlichen und die Schüler hätten ihn vom Stand abge-
drängt, indem sie den Körperabstand verringert hätten; er
habe sich bedroht gefühlt. So sei er am 8. Juni 2002 in Bühl
von Jugendlichen bedrängt worden, während sich am 6. Juli
2002 dort Jugendliche „formiert“ und damit eindeutige Si-
gnale gegeben hätten. „Anderen Parteien“ sei es ebenso er-
gangen, wobei diese Informationsstände zerstört worden
und die „Wahlkämpfer“ geschlagen worden seien. Die Be-
einträchtigung des von ihm betriebenen Informationsstan-
des sei der Polizei bekannt, weil diese die Auflagen hin-
sichtlich der verbotenen Spendenannahme überwacht habe.
Er bleibe bei seiner Behauptung, dass bei den städtischen
Meldebehörden „die verdächtigen Unterstützungsunter-
schriften“ schon bei Posteingang gesichtet worden seien.
Für ihn habe sich der Verdacht bestätigt, dass Unterschriften
anhand von „Kontrolllisten“ verglichen worden seien.
Der Einspruchsführer hat dem Wahlprüfungsausschuss er-
gänzend zu seinem Wahleinspruch mehrfach Materialien zu
seinem Wahlkampf, zu seinem politischen Engagement
(u. a. Umweltprojekte in Süd- und Mittelamerika) und zu
weiteren Themen übersandt. Darüber hinaus hat er sich in
mehreren weiteren Zuschriften hierzu und zu laufenden Ge-
richtsverfahren geäußert. Diesbezüglich wird auf den Inhalt
der Akten verwiesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Kreiswahl-
vorschlag des Einspruchsführers ist zu Recht zurückgewie-
sen worden, weil er keine Unterstützungsunterschriften vor-
gelegt hat und damit das Unterschriftenquorum von mindes-
tens 200 Wahlberechtigten des Wahlkreises nicht erfüllt hat
(§ 20 Abs. 3 Satz 1 BWG). Der Bundestag und der Wahl-
prüfungsausschuss schließen sich der in der Niederschrift
der Sitzung des Landeswahlausschusses dargelegten zutref-
fenden Begründung und den Ausführungen in der Stellung-
nahme der Landeswahlleiterin an. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird hierauf verwiesen.
Soweit der Einspruchsführer einwendet, ihm sei untersagt
worden, für die Unterstützungsunterschriften die Formblät-
ter beider Kennworte zu benutzen, so führt dies zu keiner
anderen Beurteilung. Selbst wenn man unterstellt, er habe
das Schreiben des Kreiswahlleiters vom 15. Mai 2002 da-
hingehend interpretiert, dass die mit den bisherigen Formu-
laren gesammelten Unterstützungsunterschriften nicht aner-

Drucksache 15/2400 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

kannt würden, so konnte daraus bei vernünftiger Betrach-
tungsweise nicht gefolgert werden, die unter dem bisherigen
Kennwort gesammelten Unterstützungsunterschriften seien
zu vernichten. Die Tatsache, dass der Einspruchsführer we-
der Unterstützungsunterschriften auf den „alten“ Formblät-
tern noch solche auf den „neuen“ Formblättern vorgelegt
hat, lässt darauf schließen, dass etwaige Unklarheiten auf-
grund der Änderung des Kennworts nicht ursächlich für die
Nichterfüllung des Unterschriftenquorums nach § 20 Abs. 3
Satz 1 BWG gewesen sind. Im Übrigen ist von einem Ein-
zelbewerber für eine Bundestagswahl, der mit der Vorlage
der Unterstützungsunterschriften auch die Ernsthaftigkeit
des Kreiswahlvorschlags zu dokumentieren hat, zu erwar-
ten, dass er etwaige Unklarheiten rechtzeitig durch Nach-
frage ausräumt.
Soweit der Einspruchsführer geltend macht, dass das Bür-
germeisteramt Rastatt erst nach Ankündigung eines Rechts-
mittels eine gebührenfreie Erlaubnis für einen Informations-
stand erteilt habe, ist dies ebenfalls kein wahlprüfungsrecht-
lich relevanter Einwand, um eine Beeinträchtigung seines
passiven Wahlrechts zu begründen. Ihm war zuzumuten, die
notwendigen Erlaubnisse für Informationsstände zu bean-
tragen und sich diesbezüglich mit den Behörden zu verstän-
digen. Im Übrigen ist dies dem Einspruchsführer gegenüber
dem Bürgermeisteramt Rastatt nach seinem eigenen Vortrag
auch gelungen.
Soweit der Einspruchsführer Aktionen von Jugendlichen
und Schülern an seinem Informationsstand anspricht, so ist
zunächst festzustellen, dass ein Wahlberechtigter, der Unter-
stützungsunterschriften für seinen Wahlvorschlag sammelt,
nicht vor einer etwaigen Kritik von Bürgerinnen und Bür-
gern an seinen politischen Ansichten geschützt ist. Die Aus-
einandersetzung über unterschiedliche Auffassungen ist ein
Wesensmerkmal des Wahlkampfes, das auch für die Samm-
lung von Unterstützungsunterschriften für Kreiswahlvor-
schläge charakteristisch ist (vgl. auch Schreiber, Kommen-

tar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 15). Sollten
die vom Einspruchsführer behaupteten Beeinträchtigungen
durch Jugendliche und Schüler an seinem Informationsstand
nicht mehr vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit
gedeckt gewesen sein, so wäre es Sache des Einspruchsfüh-
rers gewesen, die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen.
Nur wenn im Einzelfall eine solche Möglichkeit der Ab-
wehr einer Beeinträchtigung nicht gegeben ist, könnte – bei
Vorliegen weiterer Voraussetzungen – eine unzulässige Be-
einträchtigung des passiven Wahlrechts in Erwägung gezo-
gen werden (vgl. auch BVerfGE 103, 111/133). Hierfür fehlt
jedoch ein substantiierter Vortrag des Einspruchsführers.
Dies gilt auch für seine Behauptung, Informationsstände
„anderer Parteien“ seien zerstört worden.
Soweit der Einspruchsführer vermutet, dass bei den Ge-
meinden „verdächtige“ Unterstützungsunterschriften ge-
sichtet und Kontrolllisten geführt worden seien, so kann
dies mangels eines Substantiierung nicht geprüft werden.
Abgesehen davon sind die Gemeinden nach den Bestim-
mungen des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlord-
nung verpflichtet, eine Überprüfung der Unterstützungsun-
terschriften vorzunehmen. Dies stellt keine Verletzung des
Bundesdatenschutzgesetzes dar (vgl. Bundestagsdrucksache
9/316, Anlage 25). Die betreffenden Regelungen zur Vor-
lage von Unterstützungsunterschriften im Bundeswahlge-
setz und in der Bundeswahlordnung widersprechen auch
nicht dem Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl (vgl.
Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage,
§ 20 Rn. 9).
Die weiteren Ausführungen des Einspruchsführers können
nicht zum Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahren ge-
macht werden, da sie keine wahlrechtsrelevanten Tatbe-
stände enthalten.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/2400

Anlage 4

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn G. M., 79256 Buchenbach

– Az.: WP 34/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Der Einspruchsführer hat mit per Telefax übermittelten
Schreiben vom 23. September 2002 und vom 7. Oktober
2002 sowie mit einer weiteren Zuschrift vom 18. Oktober
2002 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag am 22. September 2002 erhoben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die
Bundestagswahl 2002 durch die Parteien SPD und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN sowie Gewerkschaftsmitglieder im
SPD-Vorstand im Zusammenwirken mit der Stadt Freiburg
und der Badischen Zeitung u. a. durch Volksverhetzung,
Aufstachelung zum Rechtsbruch, zur Gewalt und zur Dis-
kriminierung Andersdenkender und durch Untreue im Zu-
sammenhang mit einer unzulässigen Verwendung öffent-
licher Mittel in Südbaden und im Einzugsgebiet der Badi-
schen Zeitung in unzulässiger Weise beeinflusst worden sei.
Weiterhin beantragt der Einspruchsführer, dass die Bildung
einer Bundesregierung so lange ausgesetzt werden solle, bis
über seinen Wahleinspruch vom Bundesverfassungsgericht
bzw. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
entschieden worden sei.
Dem Vorbringen des Einspruchsführers liegt folgender
Sachverhalt zugrunde:
Im September 2000 beschloss der Gemeinderat der Stadt
Freiburg einstimmig eine Resolution „Für eine offene Stadt –
Gegen Fremdenhass und Rassenwahn“,mit der die Bürger zu
einem aktiven Eintreten und Engagement für Toleranz und
Miteinander aufgefordert wurden. Dem Wahlprüfungsaus-
schuss liegt diese Resolution vor. Für die Koordination dieser
Initiative wurde bei der Stadt Freiburg ein Arbeitsbereich ge-
schaffen, dem eine anteilige Personalstelle und ein Etat in
Höhe von 25 000 Euro pro Jahr zugeordnet wurden. In
diesem Rahmen wurden in den Jahren 2001 und 2002 über
100 Projekte, Aktionen und Veranstaltungen in Kooperation
mit unterschiedlichen Partnern durchgeführt; am 14. Septem-
ber 2002 war ein Aktionstag als Teil dieser Veranstaltungs-
reihe vorgesehen. Zur Teilnahme der Stadt an diesem Ak-
tionstag wurde am 23. Juli 2002 ein entsprechender Gemein-
deratsbeschluss gefasst. DemAktionsbündnis gehörten unter
der Federführung des Deutschen Gewerkschaftsbundes
(DGB) über 100 Gruppierungen an.

Am 11. März 2002 hatte der Kreisverband Freiburg der
NPD für den 14. September 2002 eine Demonstration ange-
meldet. Mit Bescheid vom 26. Juli 2002 wurde diese De-
monstration mit Kundgebung nach § 15 Abs. 1 des Ver-
sammlungsgesetzes verboten. Das Verwaltungsgericht Frei-
burg stellte mit Beschluss vom 4. September 2002 die auf-
schiebende Wirkung des am 12. August 2002 eingelegten
Widerspruchs wieder her. Die Stadt Freiburg erteilte der
NPD mit Verfügung vom 11. September 2002 die Genehmi-
gung zur Durchführung der Veranstaltung unter Auflagen
zum Ablauf der Demonstration. Gegen ein Redeverbot für
einen bestimmten Redner sowie verschiedene Auflagen
wurde Widerspruch erhoben und Antrag auf Wiederherstel-
lung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ge-
stellt. Das Verwaltungsgericht Freiburg wies diesen Antrag
mit Beschluss vom 13. September 2002 zurück. Zeitgleich
mit der Demonstration der NPD wurden verschiedene an-
dere Veranstaltungen im Rahmen des o. g. Aktionstages
durchgeführt. Auch diese Veranstaltungen wurden unter
verschiedenen Auflagen genehmigt. Im Anschluss an diese
Veranstaltungen demonstrierten zahlreiche Personen gegen
die Veranstaltung der NPD an deren Veranstaltungsort und
blockierten die Wegstrecke. Dies führte dazu, dass die NPD
lediglich ihre Kundgebung am Bahnhofsplatz in Freiburg
abhalten konnte. Um einen friedlichen und geordneten Ver-
lauf der Veranstaltung sicherzustellen, hatte die Stadtver-
waltung Freiburg im Vorfeld dieses Veranstaltungstages in
einem gemeinsam mit der Polizei herausgegebenen Flug-
blatt öffentlich dazu aufgerufen, das Demonstrationsrecht
der NPD zu respektieren und diese Veranstaltung nicht zu
behindern. Dem Wahlprüfungsausschuss liegt dieses Flug-
blatt vor.
Der Einspruchsführer trägt vor, dass die Parteien SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Gewerkschaftsmitglie-
der im Zusammenwirken mit der Stadt Freiburg und der
Presse, insbesondere der Badischen Zeitung, u. a. durch
„vorsätzliche Rechtsbeugung, Volksverhetzung und Un-
treue“ und „wegen jeder anderen möglichen Straftat“ zur
Wahlbeeinflussung beigetragen hätten. Zur Darstellung sei-
nes Vortrags nimmt der Einspruchsführer Bezug auf meh-
rere beigefügte Presseartikel, die insbesondere in der Badi-
schen Zeitung veröffentlicht worden sind. Diesbezüglich
wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Er vertritt die An-

Drucksache 15/2400 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sicht, dass die Badische Zeitung eine im gesamten süddeut-
schen Raum bis zur Region „Schwabenland“ verbreitete
„Monopolzeitung“ sei. Durch Veröffentlichung der Presse-
artikel der Badischen Zeitung in „maßgebenden Regional-
zeitungen“ ist für den Einspruchsführer eine Verbreitung bis
an den Bodensee erkennbar. Der Einspruchsführer behaup-
tet, dass die Badische Zeitung wiederum im „Medienmono-
pol“ der SPD als wichtige Tagespresse eingebunden sei. Es
sei zu befürchten, dass die Badische Zeitung eine „SPD-
Parteizeitung“ sei, ohne dass die Leser davon Kenntnis hät-
ten. Kritische oder andere Meinungen würden nicht mehr zu
Wort kommen. Dabei gehe es nicht nur um „Aufstachelung
gegen eine andere Meinung“, sondern „ganz eindeutig um
Wahlbeeinflussung“. So seien neben vom Einspruchsführer
verfassten Leserbriefen auch die Briefe anderer Leser nicht
zur Veröffentlichung angenommen worden, während „Ge-
bietsfremde“ die Gelegenheit erhalten hätten, „die eigene
Volksverhetzung und Beleidigungen zu untermauern“. Dies
sei aus einer großen „Artikelkampagne“ der Badischen Zei-
tung zu entnehmen. Der Einspruchsführer wirft den Perso-
nen, die teilweise in den Presseartikeln zitiert worden sind,
und dem Verlag der Badischen Zeitung u. a. „vorsätzliche
Rechtsbeugung, Volksverhetzung und Untreue“ vor. Die
Wirkung der „vorsätzlichen Rechtsbrüche“ sei auch aus Le-
serbriefen zu erkennen.
Ebenfalls hätten die von den Gewerkschaften für Wahlwer-
bung allein zu Gunsten der SPD ausgegebenen Mittel „un-
zulässige und daher verbotene Wahlhilfe“ dargestellt. Nach
Auffassung des Einspruchsführers handelt es sich bei diesen
hohen Beträgen um „veruntreute und zweckentfremdete
Verbandsmittel“. Dies sei als „versuchter Betrug“ strafbar.
Die Gewerkschaften seien nach dem Gesetz und herrschen-
der Rechtsprechung zur „parteipolitischen Neutralität“ ver-
pflichtet und bezögen allein daraus ihre Legitimität. Zur
Darstellung seines Vortrages nimmt der Einspruchsführer
Bezug auf den Artikel „Widerstand mit ,meisterhafter
Logistik‘“ vom 9. August 2002, in dem der DGB-Vorsit-
zende in Freiburg geäußert habe, dass man „die NPD hier
nicht marschieren lassen“ wolle. Damit habe er die „breiten
Pläne“ gegen den für September geplanten NPD-Aufmarsch
formuliert.
Der Einspruchsführer behauptet darüber hinaus, dass die
von ihm dargelegten Vorgänge unter Mitwirkung öffentli-
cher Bediensteter, durch Bereitstellung öffentlicher Mittel
der Stadt Freiburg und durch Nutzung öffentlicher Gebäude
„inszeniert“ worden seien.
Der Einspruchsführer vertritt die Ansicht, dass zumindest
die Wahl im Raum Südbaden ungültig und damit aufzuhe-
ben sei. Bei „unbeeinflusstem Wählerverhalten“ hätte nach
seiner Auffassung ein anderes Wahlergebnis erzielt werden
können. Nach Auffassung des Einspruchsführers würden
sich im Falle einer von ihm geforderten Wiederholung der
Wahl in Südbaden bei unbeeinflusstem Wählerverhalten die
Mehrheitsverhältnisse „so entscheidend“ verändern, dass
die „jetzt behauptete Mehrheit“ im Bundestag nicht mehr
bestünde.
Die Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg hat
zu diesem Wahleinspruch wie folgt Stellung genommen:
Bei der Auswahl der Nachrichten und der Verbreitung von
Meinungen sei die von privater Seite betriebene Presse hin-
sichtlich der Gestaltung des redaktionellen Teils grundsätz-

lich frei. Auch die Ablehnung von Leserbriefen verstoße in
aller Regel nicht gegen den Grundsatz der Freiheit der
Wahl. Die vom Einspruchsführer vorgelegten Presseaus-
schnitte mit Leserzuschriften hätten die Feststellung des
Einspruchsführers widerlegt, in der Badischen Zeitung wür-
den kritische oder andere Meinungen nicht zu Wort kom-
men.
Der Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl nach Artikel 38
Abs. 1 Grundgesetz (GG) bedeute, dass grundsätzlich bei
der Wahlvorbereitung und -durchführung die öffentliche
Meinungsäußerung gewährleistet sein müsse und die Wahl-
vorschlagsträger und ihre Bewerber im Rahmen der Gesetze
die gleichen Chancen im Wettbewerb um die Wählerstim-
men haben müssten. Ein Anspruch auf Wettbewerbs- und
Chancengleichheit ergebe sich auch aus dem Wahlrechts-
grundsatz der gleichen Wahl. Erfasst werde dabei schon das
gesamte Vorfeld der Wahl einschließlich der für die Wahl-
vorbereitung in der Demokratie unerlässlichen Wahlwer-
bung, soweit sie durch Maßnahmen der öffentlichen Hand
beeinflusst werde.
Den Staatsorganen sei es im Hinblick auf das Demokratie-
prinzip und das Recht der politischen Parteien auf Chancen-
gleichheit versagt, sich in amtlicher Funktion bei Wahlen
mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizie-
ren, sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder
zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entschei-
dung der Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen. Es
werde aber nicht verlangt, dass sich Regierungsmitglieder
jeder politischen Stellungnahme in den Medien enthielten.
Diese Verfassungsgrundsätze hätten nicht nur für die staatli-
chen Stellen Gültigkeit, sondern auch für die kommunalen
Organe. Der Einspruchsführer habe nicht vorgetragen, dass
städtische Organisatoren im Rahmen städtischer Wahlveran-
staltungen zur Verhinderung der Demonstration der Natio-
naldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) oder zum
Wahlboykott gegen die NPD aufgerufen hätten. Gewerk-
schaftsmitglieder seien nicht zur strikten politischen Neutra-
lität im Wahlkampf verpflichtet.
Der Vortrag des Einspruchsführers beziehe sich darüber
hinaus neben allgemeinen politischen bzw. strafrechtlichen
Vorwürfen im Vorfeld der Wahl insbesondere auf die Teil-
nahme der Stadt Freiburg an dem Aktionstag am 14. Sep-
tember 2002. Der Aktionstag sei – entgegen der Auffassung
des Einspruchsführers – nicht als Gegenveranstaltung zur
NPD-Kundgebung, sondern als eigenständige, für sich ste-
hende Veranstaltung organisiert gewesen. Dabei habe sich
die Stadtverwaltung bei der Vorbereitung auf Koordina-
tionsaufgaben, die Sicherstellung des organisatorischen
Rahmens und die Öffentlichkeitsarbeit beschränkt. Neben
einem von der Stadt Freiburg finanzierten Flugblatt, das in
Zusammenarbeit mit der Polizei veröffentlicht worden sei,
seien weitere Kosten im Zusammenhang mit der Veranstal-
tung der NPD nicht entstanden.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme zur Kennt-
nis gegeben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:
Die in der Stellungnahme gemachten Ausführungen hätten
dem „Versuch“ der Stadt Freiburg entsprochen, sich von
„allem Missbrauch rechtsstaatlicher Vorschriften zu entlas-
ten“. Selbstverständlich sei eine freie Meinungsäußerung
ein hohes Gut unserer Demokratie, das verteidigt werden
müsse. Dies gelte so lange, wie nicht Rechte Dritter unter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/2400

„solchen Meinungsäußerungen Not zu leiden“ hätten. Wer
die Presse- und Redefreiheit zum Kampf gegen die freiheit-
liche Grundordnung missbrauche, verwirke dieses Grund-
recht.
Das Recht zur Meinungsäußerung müsse zurücktreten,
wenn schutzwürdige Interessen eines Anderen von höherem
Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt
würden. Die in der Badischen Zeitung geäußerten Behaup-
tungen seien nur geeignet, „andere in der Öffentlichkeit
herabzuwürdigen und ohne Nachweis verächtlich zu ma-
chen“. Es sei erkennbar, dass sein Bezug auf seine nicht ver-
öffentlichten Leserbriefe nur als ein Synonym dafür stehe,
„welche Auswirkungen solche Pressekampagnen der vom
Medienimperium der SPD massiv beherrschten Badischen
Zeitung und der Gewerkschaften“ hätten.
Entgegen der Resolution für Toleranz und Miteinander habe
der Einspruchsführer jedoch nicht erkennen können, dass an
diesem Aktionstag Toleranz und Miteinander gezeigt wor-
den seien. Der Aktionstag in Freiburg sei von „Linken“
unter der Federführung von SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und DGB beschlossen worden, um „das Volk ge-
gen die NPD aufzuhetzen“. Die massive Einbindung der
Badischen Zeitung werde deutlich in deren Berichterstat-
tung, die sich gegen alle richte, die an diesem Aktionstag
nicht aktiv teilgenommen hätten. Die Art und Weise der Be-
richterstattung der Badischen Zeitung sei darauf gerichtet
gewesen, dass keine politische Partei kurz vor der Wahl sich
dem Vorwurf der Unterstützung der NPD habe aussetzen
wollen oder können. Es gebe mehrere Artikel in der Badi-
schen Zeitung, die den Hinweis darauf zuließen, dass von
der Badischen Zeitung diesbezüglich Druck ausgeübt wor-
den sei. Dies werde auch in dem Artikel „Eine Strafe für die
CDU“ in der Rubrik „Münstereck“ vom 23. September
2003 deutlich. Diesem Artikel ist zu entnehmen, dass die
CDU kurz vor der Wahl aus dem Aktionsbündnis zum
14. September 2002 „ausgeschert“ sei. Die Nichtteilnahme
der CDU an diesem Aktionstag sei – so der Presseartikel –
ein entscheidender Fehler gewesen, der den politischen
Gegnern der CDU den Wahlsieg leicht gemacht habe. Be-
reits die Wahl zum Oberbürgermeister habe gezeigt, dass es
in Freiburg ein „großes rot-grünes Stimmenpotential“ gebe.
Dies hätten SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfolg-
reich genutzt, da die Erst- und Zweitstimmenkampagne
„aufgegangen“ sei. Weiter – so der Artikel – müsse das
„deutliche Ergebnis“ als Bestätigung für die vom Abgeord-
neten Gernot Erler im Parlament geleistete Arbeit gewertet
werden. Nach Auffassung des Einspruchsführers ist eine
unzulässige Wahlbeeinflussung durch die von der Badi-
schen Zeitung in Auftrag gegebene neunteilige Plakat-Ak-
tion „Gemeinsam für mehr Miteinander“ besonders klar er-
kennbar gewesen.
Darüber hinaus sei es im Hinblick auf die Neutralitätspflicht
staatlicher Stellen im Wahlkampf schon rechtswidrig, dass
die Stadt Freiburg den organisatorischen Rahmen des gegen
die NPD-Veranstaltung gerichteten Aktionstages gestellt
habe. Es sei jedoch aus Presseartikeln und Bildern ersicht-
lich, dass sich die Stadt Freiburg keineswegs auf die Organi-
sation des Rahmens beschränkt habe, sondern dass städti-
sche Bedienstete während der Arbeitszeit eingesetzt worden
seien, um Plakate und Spruchbänder an den Außenwänden
des Rathauses zu befestigen. Damit habe die Stadt Freiburg

in unzulässiger Weise die Wahl beeinflusst. Unrichtig sei
auch, dass nur Gegenveranstaltungen in räumlich und zeit-
lich getrennten Kundgebungen geplant gewesen seien. Es
sei vielmehr die Absicht gewesen, die Veranstaltung der
NPD unmöglich zu machen. Zur Darstellung seines Vortra-
ges verweist der Einspruchsführer auf den am 25. Juli 2002
in der Badischen Zeitung erschienenen Artikel mit der
Überschrift „Räte demonstrieren mit“. Dem Artikel ist zu
entnehmen, dass der Gemeinderat einstimmig beschlossen
hat, am 14. September 2002 geschlossen an der Gegenkund-
gebung zum geplanten NPD-Aufmarsch in Freiburg teilzu-
nehmen. So habe der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg,
der die Schirmherrschaft des Aktionstages übernommen
habe, geäußert, dass er „mehr als 10 000 Menschen auf der
Straße sehen“ wolle. Weiter habe der Oberbürgermeister ge-
äußert, dass die Stadt Freiburg „Mitveranstalter der am
14. September 2002 geplanten Aktionen“ sei. Der Gemein-
derat hat laut Presseartikel die Verwaltung per Beschluss
dazu aufgefordert, die Kundgebung der NPD „mit allen
rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern“.
Der Einspruchsführer weist außerdem auf eine in diesem
Artikel zitierte Äußerung des Sozialbürgermeisters der
Stadt Freiburg hin, dass die Stadt Freiburg an diesem Ak-
tionstag „logistisch und organisatorisch dabei sein“ werde.
Wie dem Artikel „Brugger will in den Ruhestand“ der Badi-
schen Zeitung vom 31. Juli 2002 zu entnehmen sei, habe der
Leiter des städtischen Ordnungsamtes die Veranstaltung der
NPD genehmigt. Der Einspruchsführer ist der Auffassung,
dass der Oberbürgermeister daraufhin den Aktionstag initi-
iert und damit das Ausscheiden des Leiters des Ordnungs-
amtes „provoziert“ habe.
Die für den Aktionstag verwendeten Mittel in Höhe von
25 000 Euro hätten den Zweck gehabt, rechtsstaatliche
Wahlveranstaltungen unmöglich zu machen. Nach Auffas-
sung des Einspruchsführers liegt durch die rechtswidrige
Verwendung der Mittel Untreue vor. Dabei gehe es nicht
allein um diese Summe, sondern auch um die Kosten für
den enormen Polizeieinsatz, die nur deshalb so hoch ausge-
fallen seien, weil von der Stadt Freiburg „Volksverhetzung“
betrieben worden sei.
Nach Auffassung des Einspruchsführers sind Gewerkschaf-
ten Organisationen, um vor allem wirtschaftliche und so-
ziale Interessen durchzusetzen. Die dazu einzusetzenden
Mittel müssten „auf der Grundlage rechtsstaatlicher und
verfassungsrechtlicher Formen politischer Einflussnahme
eingebunden“ sein.
Zum weiteren Vortrag des Einspruchsführers und zu den
beigefügten Presseartikeln wird auf den Inhalt der Akten
verwiesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung aufgrund des Verhal-
tens der Parteien SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

Drucksache 15/2400 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Badischen Zei-
tung und der Stadt Freiburg im Vorfeld einer Demonstration
der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) am
14. September 2002 und bei der Demonstration selbst liegt
nicht vor. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf eine
Gesamtbetrachtung des Verhaltens aller Beteiligten als auch
auf das Verhalten der einzelnen vom Einspruchsführer ge-
nannten Beteiligten.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung könnte nur dann ange-
nommen werden, wenn durch das Verhalten der Beteiligten
die Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit verletzt
worden wären. Dabei ist anerkannt, dass diese Grundsätze
nicht nur für den Wahlvorgang selbst gelten, sondern auch
schon für die Wahlvorbereitung und die in diesem Zusam-
menhang erfolgende Wahlwerbung (BVerfGE 44, 125/146).
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung
aus dem Jahre 2001 die Voraussetzungen für eine amtliche
und für eine private Wahlbeeinflussung konkretisiert. Hier-
nach liegt eine unzulässige Wahlbeeinflussung dann vor,
wenn staatliche Stellen im Vorfeld einer Wahl in mehr als
nur unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung
des Wählerwillens eingewirkt haben, wenn private Dritte,
einschließlich Parteien und einzelnen Kandidaten, mit Mit-
teln des Zwang oder Drucks die Wahlentscheidung beein-
flusst haben oder wenn in ähnlich schwerwiegender Art und
Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist,
ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, z. B.
mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs,
etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte
(BVerfGE 103, 111/132 f.). Diese Voraussetzungen liegen
hier insgesamt nicht vor.
Soweit der Einspruchsführer das Verhalten der Parteien
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des DGB, einzel-
ner Gewerkschaftsmitglieder sowie der Badischen Zeitung
beanstandet, gelten die o. g. Voraussetzungen einer privaten
Wahlbeeinflussung. Auch wenn der Einspruchsführer die-
sen Beteiligten die Begehung von Straftaten vorhält, so
kann von der Ausübung von Zwang und Druck im Sinne ei-
ner erheblichen Verletzung der Freiheit oder der Gleichheit
der Wahl keine Rede sein. Das Geschehen im Vorfeld der
Demonstration der NPD am 14. September 2002, also kurz
vor der Bundestagswahl am 22. September 2002, stellt sich
vielmehr als eine Ausübung der Meinungs- und Versamm-
lungsfreiheit dar. Dies gilt im Übrigen auch für die NPD,
die ihr Demonstrationsrecht im konkreten Fall gerichtlich
erstritten hatte und deren Kundgebung stattgefunden hat. Es
ist nicht Aufgabe des Bundestages und des Wahlprüfungs-
ausschusses festzustellen, welche Erwägungen für die Poli-
zei im Einzelnen maßgebend waren, gegen die Sitzblockade
zur Verhinderung eines Aufmarsches der NPD nicht bzw.
nicht weitergehend einzuschreiten. Entscheidend ist, dass
die NPD vorliegend sowohl die Hilfe der Gerichte bezüg-
lich der Anmeldung und Genehmigung der Demonstration
als auch die Hilfe der Polizei zum Schutz von Demonstra-
tion und Gegendemonstration in Anspruch nehmen konnte.
Darüber hinaus hatte die NPD die Möglichkeit, im Rahmen
des Wahlwettbewerbs auf das Verhalten ihrer politischen
Gegner aufmerksam zu machen.
Soweit der Einspruchsführer in diesem Zusammenhang
meint, das Recht der freien Meinungsäußerung hätte vorlie-
gend gegenüber „schutzwürdigen Interessen eines Anderen

von höherem Rang“ zurücktreten müssen, so verkennt er die
besondere Bedeutung des Grundsatzes der Wahlfreiheit im
Wahlkampf. Wahlwerbung im Sinne einer Beeinflussung der
Wähler zu einer „gezielten“ Stimmabgabe ist für das Funk-
tionieren einer Wahl unerlässlich. In diesem Sinne war der
Aktionstag am 14. September 2002 nicht gegen die
Entschließungsfreiheit der Wähler gerichtet (vgl. Schreiber,
Kommentar zumBundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 15).
Dies gilt in besonderem Maße für die Parteien. Die Teil-
nahme von Mitgliedern der SPD und von BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN am Aktionstag am 14. September 2002 und
an der Gegendemonstration gegen die NPD sowie die darin
zum Ausdruck kommende Kritik an den politischen Zielen
der NPD muss diese hinnehmen. Der Einspruchsführer hat
im Übrigen nicht substantiiert vorgetragen, dass gerade Mit-
glieder von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die De-
monstration der NPD blockiert hätten. Selbst wenn sich eine
Teilnahme an einer solchen Blockade feststellen ließe, so
fiele dies wahlprüfungsrechtlich nicht wesentlich ins Ge-
wicht, da die NPD bis zum Wahltag die Möglichkeit hatte,
im Rahmen des Wahlwettbewerbs sowohl auf die Gescheh-
nisse am 14. September 2002 als auch auf ihre Zielsetzun-
gen öffentlich aufmerksam zu machen.
Auch das Verhalten des DGB oder einzelner Gewerk-
schaftsmitglieder ist entgegen der Auffassung des Ein-
spruchsführers nicht als unzulässige Wahlbeeinflussung zu
bewerten. Da sich für die Parteien aus Artikel 21 Abs. 1
Satz 1 GG kein Monopol bezüglich der politischen Willens-
bildung des Volkes ergibt, haben auch Verbände, Gruppen
und Vereinigungen im Wahlkampf das Recht, auf den Pro-
zess der Meinungs- und Willensbildung Einfluss zu nehmen
(Bundestagsdrucksache 8/263, Anlage 25; Bundestags-
drucksache IV/1311, S. 33 f.). Die Gewerkschaften können
sich im Wahlkampf zwar nicht auf das Grundrecht der Ko-
alitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 GG berufen (BVerfGE
42, 133/138 f.), jedoch ist deren Wahlwerbung verfassungs-
rechtlich ebenso wie die Wahlwerbung anderer Gruppen
u. a. durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ge-
schützt.
Entgegen der Auffassung des Einspruchführers unterliegt
der Einsatz finanzieller und anderer Mittel der Gewerk-
schaften in der Vorwahlzeit grundsätzlich keiner Kontrolle
im Wahlprüfungsverfahren. Ebenso sind die vom Ein-
spruchsführer nach einem Presseartikel zitierten Äußerun-
gen des DGB-Vorsitzenden in Freiburg, man wolle die NPD
nicht „marschieren lassen“, vom Recht auf freie Meinungs-
äußerung gedeckt. Ein die Freiheit und Gleichheit der Wahl
beeinträchtigender Zwang ist darin nicht zu erkennen.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen die in der Badi-
schen Zeitung veröffentlichten Meinungen im Zusammen-
hang mit der NPD-Demonstration und dem Aktionstag am
14. September 2002 wendet, verkennt er die Rolle der
Presse in einem freiheitlichen Staat. Für einen freiheitlichen
Staat ist eine freie, keiner Zensur unterworfene Presse ein
Wesenselement. Die Pressefreiheit umfasst die Freiheit, die
Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflusst zu bestimmen
und zu verwirklichen. Bei der Gestaltung des redaktionellen
Teiles ist die von privater Hand betriebene Presse hinsicht-
lich der Auswahl der Nachrichten und der Verbreitung von
Meinungen grundsätzlich frei (Schreiber, Kommentar zum
Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 23k). Somit war die

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/2400

Badische Zeitung nicht zu einer offenbar vom Einspruchs-
führer gewünschten Neutralität gegenüber der NPD ver-
pflichtet. Dies gilt auch in Bezug auf die Behauptung des
Einspruchsführers, die Badische Zeitung besitze eine Mo-
nopolstellung im gesamten süddeutschen Raum bis zur Re-
gion „Schwabenland“ und sei außerdem in das „Medienmo-
nopol“ der SPD als wichtige Tagespresse eingebunden. Die
Ausnutzung einer Monopolstellung durch Zeitungsverlage
könnte allenfalls dann wahlprüfungsrechtlich relevant wer-
den, wenn im Anzeigenteil einer Zeitung Anzeigen einzel-
ner Parteien nicht veröffentlicht würden (BVerfGE 48, 271/
278). Der Einspruchsführer trägt keine Tatsachen vor, die
auf eine solche „totale Pressesperre“ hindeuten könnten. Er
hatte auch keinen Anspruch gegenüber dem Verlag der Ba-
dischen Zeitung auf Veröffentlichung von ihm verfasster
Leserbriefe (Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
7. Auflage, § 1 Rn. 23k). Unabhängig davon hatte die NPD
auch im Raum Südbaden die Möglichkeit, im Wahlwettbe-
werb ihre Auffassungen – z. B. durch Plakat- oder Flug-
blattaktionen – darzustellen. Darüber hinaus stand es der
Badischen Zeitung frei, eine Plakataktion „Gemeinsam für
mehr Miteinander“ in der Vorwahlzeit durchzuführen.
Das Verhalten der Stadt Freiburg in der Vorwahlzeit unter-
liegt den strengeren Maßstäben der amtlichen Wahlbeein-
flussung. Eine solche liegt – wie bereits dargelegt – dann vor,
wenn staatliche Stellen imVorfeld einerWahl in mehr als nur
unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des
Wählerwillens eingewirkt haben. Den Staatsorganen ist es
zum Schutz des Prinzips einer staatsfreien Willensbildung
des Volkes von Verfassungs wegen untersagt, bestimmte
Wahlvorschlagsträger, z. B. politische Parteien und deren
Wahlbewerber, unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstüt-
zen oder sie zu bekämpfen, um so die Entscheidung der
Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen. Wenn öffentliche
Organe als solche unter Einsatz öffentlicher Mittel undMög-
lichkeiten parteiergreifend zu Gunsten oder zu Lasten einer
politischen Partei oder vonWahlbewerbern in denWahlwett-
bewerb eingreifen und dadurch in mehr als nur unerheb-
lichem Maße auf die Bildung des Wählerwillens einwirken,
verletzen sie das Demokratieprinzip des Artikels 20 Abs. 1
GG, den Grundsatz der Wahlfreiheit und insbesondere das
Recht der politischen Parteien und sonstiger Wahlvor-
schlagsträger auf Wettbewerbs- und Chancengleichheit bei
Wahlen (Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz,
7. Auflage, § 1 Rn. 17, 23w; BVerfGE 44, 125/141ff.;
BVerfGE 103, 111/132).
Nach diesen Maßstäben ist die am 23. Juli 2002 vom Ge-
meinderat beschlossene Teilnahme der Stadt Freiburg an
dem Aktionstag am 14. September 2002 und die nach Pres-
seberichten erfolgte Übernahme der Schirmherrschaft des
Freiburger Oberbürgermeisters zu dieser Veranstaltung
nicht ganz unproblematisch. Eine Gemeinde ist zwar nach
dem Kommunalrecht im Rahmen der Erfüllung freiwilliger
Aufgaben grundsätzlich berechtigt, sich an Aktionsbündnis-

sen der vorliegenden Art zu beteiligen. Im Sinne der den
Gemeinden im Vorfeld einer Wahl obliegenden Neutralitäts-
pflicht ist jedoch eine besondere Zurückhaltung bei der
Ausübung einer Beteiligung an einem solchen Aktions-
bündnis im Wahlkampf geboten. Im konkreten Fall ist je-
doch ein Wahlfehler auf Grund des Gemeinderatsbeschlus-
ses vom 23. Juli 2002 und der übernommenen Schirmherr-
schaft zu verneinen, weil die Einwirkung auf die Wähler-
willensbildung nicht mehr als nur unerheblich ins Gewicht
fiel. Maßgeblich hierfür ist, dass dem Aktionsbündnis unter
der Federführung des DGB über 100 Gruppierungen ange-
hörten. Darüber hinaus hat die Stadt Freiburg ihre Teil-
nahme an dem Aktionstag grundsätzlich auf den organisato-
rischen und logistischen Rahmen beschränkt. Schließlich
hat die Stadtverwaltung Freiburg im Vorfeld des Veranstal-
tungstages am 14. September 2002 in einem gemeinsam mit
der Polizei herausgegebenen Flugblatt öffentlich dazu auf-
gerufen, das Demonstrationsrecht der NPD zu respektieren
und diese Veranstaltung nicht zu behindern. Vor diesem
Hintergrund fällt die Beteiligung der Stadt Freiburg an dem
Aktionstag im Hinblick auf eine Beeinflussung der Wähler-
willensbildung nicht maßgeblich ins Gewicht.
Das von der Stadt Freiburg mit Bescheid vom 26. Juli 2002
verhängte Demonstrationsverbot kommt als unzulässige
Wahlbeeinflussung nicht in Betracht, weil es gerichtlich
überprüft wurde und die Demonstration schließlich mit Auf-
lagen genehmigt wurde. Soweit der Einspruchsführer eine
Verwendung von Mitteln in Höhe von 25 000 Euro durch
die Stadt Freiburg kritisiert, so ist dieser Betrag im Sinne ei-
ner Wahlbeeinflussung nicht relevant. Wie bereits dargelegt,
ist die grundsätzliche Beteiligung der Stadt Freiburg an der
Initiative „für eine offene Stadt – gegen Fremdenhass und
Rassenwahn“ unter dem Gesichtspunkt einer Wahlbeein-
flussung nicht zu beanstanden. Dies gilt ebenso für die dies-
bezügliche Schaffung eines Arbeitsbereichs mit einer antei-
ligen Personalstelle, dem ein Etat in Höhe von 25 000 Euro
pro Jahr zugeordnet wurde. Der Einspruchsführer hat nicht
substantiiert dargelegt, dass die Summe von 25 000 Euro
allein für die Teilnahme an dem Aktionstag am 14. Septem-
ber 2002 aufgewendet worden wäre. Auch soweit einzelne
Gemeinderatsmitglieder als Bürger an der Gegendemonstra-
tion am 14. September 2002 teilgenommen haben sollten,
ist dies auch im Vorfeld einer Bundestagswahl nicht zu be-
anstanden. Dies gilt auch für einzelne in der Presse in die-
sem Zusammenhang zitierte Äußerungen des Oberbürger-
meisters oder anderer Funktionsträger der Stadt Freiburg
während des Wahlkampfes. Auch Amtspersonen ist es im
Wahlkampf grundsätzlich nicht verwehrt, sich als Bürger
parteipolitisch im Rahmen ihrer grundgesetzlich garantier-
ten Meinungsfreiheit zu äußern (Schreiber, Kommentar zum
Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 15).
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/2400

Anlage 5

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. S., 70182 Stuttgart

– Az.: WP 165/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem bei der Stadt Stuttgart vorgelegten Schreiben
vom 21. November 2002 hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen
Bundestag eingelegt. Dieses Schreiben ist an den Deutschen
Bundestag per Telefax weitergeleitet worden und ist dort am
22. November 2002 eingegangen.
Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass Äuße-
rungen von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zur
„Bonusmeilen-Affäre“ und eine Pressemitteilung der
Staatsanwaltschaft Berlin vom 18. September 2002, in der
zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen
von Straftaten in diesem Zusammenhang verneint wurden,
eine unzulässige Beeinflussung der Wahl dargestellt hätten.
Er ist der Ansicht, dass die „knappe Mehrheit“ nur durch die
„Rekrutierung potentieller Krimineller“ habe erreicht wer-
den können.
Im Juli 2002 sei in der Öffentlichkeit bekannt geworden,
dass einzelne Abgeordnete des Bundestages Gutschriften
für so genannte Bonusmeilen für dienstlich veranlasste
Flugreisen erhalten hätten. Diese dabei erworbenen so ge-
nannten Bonusmeilen hätten einige Abgeordnete jedoch für
Privatreisen verwendet, obwohl sie sich dazu verpflichtet
hätten, diese „Bonusmeilen“ nur für dienstliche Zwecke zu
verwenden. Kurz darauf seien bei der Staatsanwaltschaft
Berlin etwa 40 Strafanzeigen eingegangen, die u. a. Vor-
würfe hinsichtlich des Betrugs und der Untreue zum Inhalt
gehabt hätten. Der Bundestagspräsident habe diese Vor-
würfe mit der Begründung zurückgewiesen, dass man Ab-
geordneten nicht Handlungen vorwerfen könne, die, wenn
sie in derselben Art von Nichtabgeordneten begangen wür-
den, zu Straffreiheit führen würden. Damit habe der Bun-
destagspräsident konkludent gesagt, dass die erwähnten
Handlungen der „Bonusmeilensünder“ straffrei seien, weil
auch Handlungen der gleichen Art, die von anderen Bürgern
begangen würden, straffrei seien und auch in Zukunft straf-
frei bleiben müssten. Diese Äußerungen hätten nach Auf-
fassung des Einspruchsführers viele Wählerinnen und Wäh-
ler, die „auf der Suche nach Gelegenheiten“ seien, durch
„Straftaten“ ihr Einkommen aufzubessern, als „Angebot“
aufgefasst. Sie hätten sich davon versprochen, dass sie „die-
selben Straftaten auch in Zukunft ungesühnt verüben“ könn-
ten, wenn durch ihre Stimmabgabe die Regierungskoalition

von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Mehrheit
erreichen würde. Er ist der Auffassung, dass diese Mehrheit
nur mit Hilfe dieser Wählerinnen und Wähler „knapp er-
reicht“ worden sei.
Die Staatsanwaltschaft Berlin habe zu Unrecht die Eröff-
nung strafrechtlicher Ermittlungen abgelehnt. Der Ein-
spruchsführer bezieht sich auf eine Pressemitteilung der
Staatsanwaltschaft Berlin vom 18. September 2002 und auf
ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin an den Ein-
spruchsführer, der ebenfalls Strafanzeige erstattet hatte.
Beide Unterlagen liegen dem Wahlprüfungsausschuss vor.
In der Pressemitteilung vom 18. September 2002 erklärte
die Staatsanwaltschaft Berlin, dass sie keine Ermittlungen
wegen Betrugs oder Untreue durchführen werde. Die Nut-
zung der so genannten Bonusmeilen für private Flüge sei
auf ihre strafrechtliche Relevanz hin überprüft worden. Da-
bei hätten sich die komplexen rechtlichen Erwägungen ins-
besondere auf die Tatbestände der Untreue gemäß § 266
Strafgesetzbuch, des Betrugs gemäß § 263 Strafgesetzbuch
und der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abgabenordnung
bezogen. Die Prüfung habe jedoch keine zureichenden tat-
sächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten
und damit keinen Anlass für den Eintritt in Ermittlungen er-
geben. Der Einspruchsführer vertritt entgegen der Auffas-
sung der Staatsanwaltschaft Berlin die Ansicht, dass die
Strafbarkeit der Abgeordneten hinsichtlich der Untreue und
des Betrugs gegeben sei und legt seine strafrechtliche Wür-
digung des Sachverhalts in der Einspruchsschrift umfassend
dar. Zur Darstellung seines Vorbringens verweist er u. a. auf
drei der Einspruchsschrift beigefügte Presseartikel. Hierzu
und zum weiteren Vortrag des Einspruchsführers wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.

Drucksache 15/2400 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Weder die vom
Einspruchsführer zitierten Äußerungen des Bundestagsprä-
sidenten noch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft
Berlin vom 18. September 2002 begründen eine unzulässige
Beeinflussung der Wahl. Eine solche liegt dann vor, wenn
staatliche Stellen im Vorfeld einer Wahl in mehr als nur in
unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des
Wählerwillens eingewirkt haben, wenn private Dritte, ein-
schließlich Parteien und einzelnen Kandidaten mit Mitteln
des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflusst
haben oder wenn in ähnlich schwerwiegender Art und
Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist,
ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, z. B.
mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs,
etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte
(BVerfGE 103, 111/132f.).
Die vom Einspruchsführer zitierte Äußerung von Bundes-
tagspräsident Wolfgang Thierse zur sog. Bonusmeilen-Af-
färe hat keinen erkennbaren Bezug zum Bundestagswahl-
kampf, zumal es um Abgeordnete verschiedener Fraktionen
ging. Selbst wenn man einen solchen Bezug unterstellen
wollte, so wäre ein relevanter Zusammenhang zwischen der
Äußerung und dem Wahlwettbewerb nicht gegeben. Soweit
der Einspruchsführer versucht, die Frage der Strafbarkeit
der Inanspruchnahme von sog. Bonusmeilen mit bestimm-
ten Denk- und Verhaltensmustern und auf dieser Grundlage
mit bestimmten Parteien in Verbindung zu bringen, so lässt
sich hieraus eine rationale, stichhaltige und schlüssige Ar-
gumentation nicht ableiten.
Auch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin
vom 18. September 2002 hat keinen Bezug zum Wahl-
kampf. Es handelt sich zwar um eine Äußerung, die in
einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Bundestagswahl-
kampf steht. Allein daraus lässt sich jedoch keine Beeinflus-
sung des Wahlwettbewerbs ableiten, zumal die darin erör-
terte Frage der Strafbarkeit bzw. Straffreiheit Abgeordnete
verschiedener Fraktionen betrifft. Anlässlich des Wahlprü-
fungsverfahrens besteht kein Anlass, sich mit den Über-
legungen des Einspruchsführers zur Frage der Strafbarkeit
einer Inanspruchnahme von sog. Bonusmeilen auseinander
zu setzen. Für die Frage, ob eine Wahlbeeinflussung vor-
liegt, sind diese Überlegungen irrrelevant.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/2400

Anlage 6

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn T M.-F., 76646 Bruchsal

– Az.: WP 11/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 24. September 2002, das am 26. Sep-
tember 2002 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist,
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 15. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor,
– dass die Eintragung in das Wählerverzeichnis der Stadt

Bruchsal fehlerhaft gewesen sei,
– dass weder in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart

noch in der JVA Bruchsal bewegliche Wahlvorstände ge-
bildet worden seien,

– dass bei seiner Teilnahme an der Briefwahl seine Stimm-
abgabe durch die JVA Stuttgart überwacht worden sei,

– dass in Stuttgart ein ausländischer Staatsbürger an der
Wahl teilgenommen habe,

– dass in Stuttgart ein Wahllokal entgegen den gesetzli-
chen Regelungen nicht um 8.00 Uhr geöffnet gewesen
sei,

– dass das ZDF vor Schließung der Wahllokale Wahlpro-
gnosen und Wählerumfragen veröffentlicht habe,

– dass sich in Augsburg in Wahlurnen bereits vor Beginn
der Wahl ausgefüllte Stimmzettel befunden hätten.

Der Einspruchsführer hatte gegen die Bundestagswahlen
1994 und 1998 sowie gegen die Europawahl 1999 – teil-
weise mit einer vergleichbaren Begründung – Einspruch er-
hoben.
Dem Vortrag des Einspruchsführers hinsichtlich der Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis liegt folgender Sachverhalt
zu Grunde:
Der Einspruchsführer ist seit dem 3. September 1998 unter
der Anschrift der JVA Bruchsal gemeldet. Nach seiner Ver-
legung in die JVA Stuttgart am 4. Juli 2002 beantragte der
Einspruchsführer am 25. August 2002 bei der Stadt Bruch-
sal Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl. Als Ver-
sandanschrift gab er die JVA Stuttgart an. Die Stadt forderte
ihn daraufhin zur Abmeldung auf. Auf seine Mitteilung hin,
dass er sich „nur vorübergehend“ in Stuttgart aufhalte und
wieder nach Bruchsal verlegt werde, wurde von einer Ab-
meldung von Amts wegen abgesehen. Gegen diese angebli-

che Abmeldung erhob der Einspruchsführer am 14. Septem-
ber 2002 Widerspruch. Dem Einspruchsführer wurde da-
raufhin am 17. September 2002 mitgeteilt, dass er nicht
abgemeldet worden sei. Da der Einspruchsführer zum Stich-
tag gemäß § 16 Abs. 1 Bundeswahlordnung (BWO), dem
18. August 2002, in Bruchsal gemeldet war, wurde er in das
dortige Wählerverzeichnis aufgenommen.
Die Briefwahlunterlagen wurden dem Einspruchsführer am
27. August 2002 von der Stadt Bruchsal nach Stuttgart über-
sandt. Am 9. September 2002 beantragte der Einspruchsfüh-
rer die erneute Zusendung der Briefwahlunterlagen, da die
Unterlagen nicht vollständig übermittelt worden seien. Den
roten Wahlbriefumschlag sandte er nach seinen eigenen An-
gaben an die Stadt Bruchsal zurück. Im Einvernehmen mit
dem Einspruchsführer wurde der bisher übersandte Wahl-
schein in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 8
und 10 BWO für ungültig erklärt. Die daraufhin neu erteil-
ten Briefwahlunterlagen wurden am 16. September 2002
erneut übersandt, um dem Einspruchsführer die Teilnahme
an der Bundestagswahl zu ermöglichen.
Am 16. August 2002 hatte der Einspruchsführer die Eintra-
gung in das Wählerverzeichnis der Stadt Stuttgart beantragt.
Dieser Antrag wurde von der Stadt Stuttgart abgelehnt. Ge-
gen diesen Bescheid erhob der Einspruchsführer am 31. Au-
gust 2002 Beschwerde, die vom Kreiswahlleiter des Wahl-
kreises Stuttgart am 6. September 2002 zurückgewiesen
wurde. Zur Begründung wurde dem Einspruchsführer mit-
geteilt, dass er in Bruchsal dem Einwohnermelderecht ent-
sprechend gemeldet und in das Wählerverzeichnis eingetra-
gen gewesen sei und einen Wahlschein erhalten habe. An
der Bundestagswahl nahm der Einspruchsführer mit den
von der Stadt Bruchsal übersandten Wahlunterlagen im
Wahlkreis Karlsruhe (Wahlkreis 279) per Briefwahl teil.
Der Einspruchsführer ist der Auffassung, dass er sein Wahl-
recht nicht in Bruchsal, sondern in Stuttgart hätte ausüben
müssen, da der Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt kei-
nen Wohnsitz begründe, wie der ständigen Rechtsprechung
und der Literatur zum Melderecht zu entnehmen sei. Zum
Stichtag der Eintragung in das Wählerverzeichnis (18. Au-
gust 2002) habe er sich tatsächlich in der JVA Stuttgart be-
funden und hätte somit dort in das Wählerverzeichnis aufge-
nommen werden müssen. Die Eintragung in das Wählerver-

Drucksache 15/2400 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zeichnis der Stadt Bruchsal sei demnach rechtsfehlerhaft ge-
wesen.
Er beanstandet darüber hinaus, dass weder in der JVA Stutt-
gart-Stammheim noch in der JVA Bruchsal bewegliche
Wahlvorstände gebildet worden seien. Dies verstoße gegen
das Recht der inhaftierten Wählerinnen und Wähler, ihre
Stimme ohne Überwachung Dritter abzugeben. Angesichts
der hohen Anzahl von Wahlberechtigten in den beiden Jus-
tizvollzugsanstalten seien die Stadt Bruchsal und die Stadt
Stuttgart verpflichtet gewesen, in den Haftanstalten beweg-
liche Wahlvorstände zu bilden. Der Einspruchsführer ver-
tritt die Auffassung, dass die Briefwahl nur „nachrangig“
durchzuführen sei. Da seiner Meinung nach inhaftierte
Wahlberechtigte als „Menschen Dritter Klasse“ angesehen
würden, sei aus „Bequemlichkeit“ auf die Teilnahme an der
Wahl durch die Briefwahl verwiesen worden. Dies verstoße
gegen Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und das Verfas-
sungsgebot der Resozialisierung. Den Inhaftierten werde so
verdeutlicht, dass ihr Recht auf Teilnahme an der Wahl des
Parlaments durch die Stadt Bruchsal und die Stadt Stuttgart
nicht geachtet worden sei.
Der Einspruchsführer macht geltend, dass bei seiner Teil-
nahme an der Wahl gegen den Grundsatz der geheimen
Wahl verstoßen worden sei. Nach einer Sicherungsverfü-
gung des Leiters der JVA Stuttgart werde alle eingehende
und ausgehende Post überwacht. Da für Wahlbriefe keine
Ausnahme von dieser Sicherungsverfügung vorgesehen ge-
wesen sei, sei davon auszugehen, dass auch seine Stimm-
abgabe mittels Briefwahl inhaltlich überwacht worden sei.
Des Weiteren führt der Einspruchsführer an, dass in Stutt-
gart ein ausländischer Staatsbürger an der Wahl teilgenom-
men habe. Dies sei rechtswidrig, da nach dem deutschen
Wahlrecht nur deutsche Staatsangehörige zur Teilnahme an
der Bundestagswahl berechtigt seien. Es liege der Schluss
nahe, dass weitere ähnliche „Vorfälle“ die Gültigkeit der
Wahl beeinträchtigen könnten. Zur Darstellung seines
Vortrags hat der Einspruchsführer seiner Einspruchsschrift
einen Zeitungsartikel aus der Stuttgarter Zeitung vom
24. September 2002 beigefügt.
Der Einspruchsführer trägt weiter vor, dass entgegen den
gesetzlichen Regelungen ein Wahllokal in Stuttgart nicht
pünktlich um 8.00 Uhr geöffnet worden sei. Wie dem der
Einspruchsschrift beigefügten Zeitungsartikel der Stuttgar-
ter Zeitung vom 24. September 2002 zu entnehmen sei, hät-
ten dadurch Wählerinnen und Wähler nicht an der Wahl teil-
nehmen können. Er vertritt die Auffassung, dass dies „staat-
lich verursachte Wahlbehinderung“ darstelle, da „staatliche
Institutionen“ Wählerinnen und Wähler „aktiv daran gehin-
dert“ hätten, an der Wahl teilzunehmen.
Schließlich beanstandet er, dass das Zweite Deutsche Fern-
sehen (ZDF) am Wahltag in einer „Wahlsondersendung“ ab
17.00 Uhr Prognosen bzw. Wählerumfragen – wie dies auch
bereits in einem früheren Wahleinspruch des Einspruchs-
führers beanstandet worden sei – veröffentlicht habe. Un-
mittelbar vor der Schließung der Wahllokale hätten nach
Ansicht des Einspruchsführers diese Prognosen bzw. Um-
frageergebnisse nicht veröffentlicht werden dürfen, da sich
ein „gebührenfinanzierter öffentlicher Sender“ jeder Art
von „Wahlpropaganda“ zu enthalten habe. Es sei „bemer-
kenswert“, dass keine Umfrageergebnisse zu den Leistun-
gen der DKP, jedoch mehrfach die Ergebnisse von CDU/

CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP veröf-
fentlicht worden seien.
In einer weiteren Zuschrift vom 16. Oktober 2002 ergänzt
der Einspruchsführer die Begründung zu seinem Wahl-
einspruch. Er trägt vor, dass es im Wahlkreis Augsburg zu
„offensichtlichen Manipulationen“ gekommen sei. Dabei
seien in Wahlurnen, die verschlossen in Wahllokalen auf-
gestellt worden seien, „40 bereits ausgefüllte Stimmzettel“
gefunden worden. Er habe den Eindruck, dass dadurch das
Wahlergebnis in „entscheidungserheblicher Weise“ beein-
flusst worden sei, um der CSU die Mehrheit zu „sichern“.
Zum Vortrag des Einspruchsführers hinsichtlich von Wahl-
unregelmäßigkeiten im Wahlkreis Augsburg ist der Kreis-
wahlleiter des Wahlkreises Augsburg im Zusammenhang
mit einem weiteren Wahleinspruch um Stellungnahme ge-
beten worden. Diese Stellungnahme ist dem Einspruchsfüh-
rer bekannt gegeben worden. Aus der Stellungnahme des
Kreiswahlleiters des Wahlkreises Augsburg vom 6. Novem-
ber 2002 einschließlich zweier beigefügter Vermerke, einer
ergänzenden Auskunft sowie aus der gemäß § 5 Wahlprü-
fungsgesetz (WPrüfG) beigezogenen Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft Augsburg ergibt sich, dass insgesamt
45 Stimmzettel bei Erst- und Zweitstimme für unterschied-
liche Parteien als vorgekennzeichnet festgestellt worden
sind. Diese Stimmzettel sind laut staatsanwaltschaftlichem
Ermittlungsergebnis vor dem Wahltag von einem Mitarbei-
ter der Stadtverwaltung in die Urnen gegeben worden. Die
Urnen seien mit Stimmzetteln und sonstigen Unterlagen be-
stückt und zu den Wahllokalen transportiert worden. Am
Morgen des Wahltages sind die Urnen nach übereinstim-
mender Aussage der jeweiligen Wahlvorstände entleert und
wieder verschlossen worden. Die Vorkennzeichnung sei
entweder bereits beim Entleeren der Urne oder später auf
Hinweis eines Wählers, dem ein gekennzeichneter Stimm-
zettel ausgehändigt worden war, oder bei der einem derarti-
gen Hinweis eines Wählers oder eines anderen Wahlvor-
standes folgenden Durchsicht der noch unbenutzten Stimm-
zettel festgestellt worden. Ob es bei Wählern, die mögli-
cherweise ihren Stimmzettel nicht ganz aufgeklappt hatten,
zu unentdecktem doppelten Ankreuzen wegen der am unte-
ren Rand des Stimmzettels befindlichen Kreise für PDS
bzw. NPD gekommen sein könnte, wurde bei der Durch-
sicht der ungültigen Stimmen kontrolliert und unter dem
Kriterium unterschiedlicher Stifte verneint. Auch eine er-
neute Durchsicht unter der Vorgabe – Erstimme PDS,
Zweitstimme NPD + weitere Stimmen – hat nach einem
Vermerk des Kreiswahlleiters ergeben, dass bei einem
Stimmzettel – mit rotem Holzstift markiert – die Erststimme
der PDS und je eine Zweitstimme den Republikanern und
der NPD gegeben worden ist. Weitere Auffälligkeiten seien
bei der Überprüfung nicht festzustellen gewesen.
Das Ermittlungsverfahren gegen den Mitarbeiter der Stadt
Augsburg ist im Ergebnis wegen Absehens von einer Ver-
folgung gemäß § 45 Abs. 1 i. V. m. § 109 Abs. 2 Jugend-
gerichtsgesetz eingestellt worden. Zur Begründung wurde
dabei unter anderem angeführt, dass die Art der Tatbege-
hung einen Erfolgseintritt praktisch ausgeschlossen habe.
Der Einspruchsführer hat sich zu dieser Stellungnahme
nicht mehr geäußert.
Zum weiteren Vortrag des Einspruchsführers hat die Lan-
deswahlleiterin des Landes Baden-Württemberg unter Be-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/2400

zugnahme auf Stellungnahmen des Justizministeriums Ba-
den-Württemberg und der Stadtverwaltungen Bruchsal und
Stuttgart wie folgt Stellung genommen:
Da der Einspruchsführer am Stichtag, dem 18. August 2002,
in der JVA Bruchsal – seinem Wunsch entsprechend – ge-
meldet gewesen sei, sei er von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis der Stadt Bruchsal einzutragen gewesen. In das
Wählerverzeichnis der Stadt Stuttgart hätte er von Amts we-
gen nur für den Fall der Meldung für die JVA Stuttgart ein-
getragen werden können. Dass der Einspruchsführer im
Wahlkreis Stuttgart (Wahlkreis 260) nicht habe wählen kön-
nen, entspreche den wahlrechtlichen Vorgaben. Auf seinen
Antrag hätte er in das Wählerverzeichnis der Stadt Stuttgart
nur eingetragen werden können, wenn er nicht einen ande-
ren gemeldeten Wohnsitz gehabt hätte. Die Frage, ob der
Einspruchsführer versucht haben könnte, in zwei Wahlbe-
zirken Wahlunterlagen zu erhalten, werde nicht erörtert.
Bezüglich der nicht gebildeten beweglichen Wahlvorstände
habe die Stadt Bruchsal am 15. Juli 2002 der JVA die nähe-
ren Einzelheiten zur Bundestagswahl mitgeteilt. Dabei sei
auch die Frage der Notwendigkeit eines beweglichen Wahl-
vorstandes erörtert worden. Im Benehmen mit der JVA habe
die Stadt Bruchsal unter Berücksichtigung der personellen
und organisatorischen Gegebenheiten kein Bedürfnis zur
Bildung eines beweglichen Wahlvorstandes gesehen. In der
JVA Bruchsal seien von Amts wegen 40 Personen in das
Wählerverzeichnis eingetragen gewesen. Davon hätten
14 Wahlberechtigte Briefwahlunterlagen beantragt. Weitere
36 Personen hätten nach Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis ebenfalls Briefwahlunterlagen erhalten.
Durch Aushang an mehreren Stellen sei eröffnet worden,
dass für die Strafgefangenen, die Briefwahlunterlagen er-
halten hätten, die Möglichkeit zur Teilnahme an der Wahl
am 16. September 2002 im Keller des Ersten Flügels be-
stehe. Die Stadt Bruchsal habe jedem Wahlberechtigten in
der JVA Bruchsal – und damit auch dem Einspruchsführer –
die Möglichkeit zur Teilnahme an der Wahl gegeben. Die
Städte Bruchsal und Stuttgart seien zur Bildung eines be-
weglichen Wahlvorstandes nicht verpflichtet gewesen; viel-
mehr werde hier ein weiter Entscheidungsspielraum einge-
räumt. Der Einspruchsführer habe auf die Bildung eines
beweglichen Wahlvorstandes keinen Anspruch. Er sei in
seinen Rechten nicht verletzt worden, indem er auf die
Stimmabgabe per Briefwahl angewiesen gewesen sei. In der
Rechtsprechung und der herrschenden Literaturmeinung sei
die Briefwahl als verfassungskonform, insbesondere nicht
gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Unmittelbar-
keit der Wahl, der Wahlfreiheit oder gegen das Wahlgeheim-
nis verstoßend und mit dem Grundgesetz und den wahl-
rechtlichen Bestimmungen vereinbar beurteilt worden.
Soweit der Einspruchsführer geltend mache, in der JVA
Stuttgart sei das Wahlgeheimnis nicht gewährleistet worden,
treffe sein Vortrag, bei den gegen ihn verfügten Sicherungs-
maßnahmen sei zur Frage der Wahlbriefe keine Regelung
getroffen worden, zwar zu. In dem Erlass des Justizministe-
riums Baden-Württemberg vom 23. Juli 2002 zur Durchfüh-
rung der Bundestagswahl seien die Leiterinnen und Leiter
der Justizvollzugsanstalten jedoch darauf hingewiesen wor-
den, dass eine Briefzensur bei der Teilnahme an der Brief-
wahl für Straf- bzw. Untersuchungsgefangene nicht erfolge.
Auch der JVA Bruchsal und der JVA Stuttgart sei der Erlass

bekannt gewesen. Es sei gewährleistet worden, dass die von
den inhaftierten Personen – und somit auch vom Ein-
spruchsführer – verschlossenen Briefwahlumschläge nicht
mehr geöffnet worden seien.
Die vom Einspruchsführer vorgetragene Teilnahme eines
ausländischen Staatsbürgers an der Wahl habe von der Stadt
Stuttgart mangels näherer Angaben nicht näher überprüft
werden können. Jedoch sei grundsätzlich ausgeschlossen,
dass im Wählerverzeichnis Personen eingetragen worden
seien, die nicht die materiellen Wahlrechtsvoraussetzungen
erfüllt hätten. Falls sich der Vorfall – wie vom Einspruchs-
führer geschildert – zugetragen haben sollte, so habe dies
angesichts des Wahlergebnisses keine Mandatsrelevanz. Die
Vermutung des Einspruchsführers, dass es sich hierbei nicht
um einen Einzelfall handeln könnte, könne mangels hinrei-
chender Anhaltspunkte nicht näher geprüft werden.
Im Wahlkreis Stuttgart habe in einem Wahllokal mit der
Wahlhandlung erst gegen 9.10 Uhr begonnen werden kön-
nen, nachdem der verschlossene Zugangsbereich und wei-
tere Türen des Gebäudes, in dem sich das Wahllokal befun-
den habe, geöffnet worden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt
hätten bis zu zwölf Wählerinnen und Wähler zunächst nicht
an der Wahl teilnehmen können, wobei ein Wähler ohne
Teilnahme an der Wahl weggegangen sei. Die Verspätung
der Öffnung des Wahllokals sei von der Stadt Stuttgart zu
vertreten gewesen. Da von der verspäteten Öffnung des
Wahllokals eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Wahl-
berechtigten betroffen gewesen sei, liege ein mandatsrele-
vanter Wahlfehler nicht vor.
Es treffe zu, dass nach den wahlrechtlichen Bestimmungen
die Veröffentlichung von Ergebnissen der Wählerbefragun-
gen unzulässig sei, wobei die vom Einspruchsführer bean-
standete Sendung des ZDF nicht näher bekannt sei. Seitens
der Landeswahlleiterin könne hierzu nicht Stellung genom-
men werden; jedoch habe der Bundeswahlleiter gegenüber
dem ZDF am 22. Oktober 2002 auf der Homepage des Fern-
sehsenders zur Veröffentlichung von Wahlprognosen Stel-
lung genommen. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich, dass
eine Wahlprognose aufgrund technischer Probleme auf der
Internetseite des ZDF um 17.57 Uhr versehentlich für etwa
15 Sekunden abrufbar war. Der Bundeswahlleiter hat diesen
Vorgang beanstandet und den Fernsehsender darauf hinge-
wiesen, hinsichtlich der Veröffentlichung von Wahlprogno-
sen die einschlägigen wahlrechtlichen Vorschriften zu be-
achten und insbesondere Ergebnisse von Wählerbefragun-
gen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlent-
scheidung nicht vor Ablauf der Wahlzeit zu veröffentlichen.
Dem Einspruchsführer ist die Stellungnahme der Landes-
wahlleiterin des Landes Baden-Württemberg bekannt gege-
ben worden. Er hat sich hierzu mit Schreiben vom 28. No-
vember 2002 wie folgt geäußert:
Die Landeswahlleiterin habe in ihrer Stellungnahme auf
Stellungnahmen des Justizministeriums des Landes Baden-
Württemberg sowie der Stadtverwaltungen Bruchsal und
Stuttgart Bezug genommen. Da er lediglich die Stellung-
nahme der Landeswahlleiterin zur Kenntnis erhalten habe,
bitte er um Überlassung dieser Stellungnahmen, um hierzu
ausführlich Stellung nehmen zu können. Dem Einspruchs-
führer ist daraufhin mit Schreiben vom 9. Januar 2003 mit-
geteilt worden, dass ausschließlich die Landeswahlleiterin
um Stellungnahme in dieser Angelegenheit gebeten worden

Drucksache 15/2400 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sei. Nach nochmaliger Prüfung aufgrund seines Schreibens
werde davon abgesehen, die Landeswahlleiterin um Vorlage
der – auch dem Ausschuss nicht vorliegenden – Stellung-
nahmen zu bitten, da die Stellungnahme der Landeswahllei-
terin aus sich heraus verständlich sei und keiner Ergänzung
bedürfe.
In einer weiteren Zuschrift vom 31. Januar 2003 hat der
Einspruchsführer geäußert, dass ihm der Zugang zu den
Stellungnahmen verweigert worden sei. Die Wahl des Parla-
ments sei konstitutiv für eine Demokratie. Es widerspreche
dem Rechtsstaatsprinzip, den Prüfungsvorgang hinsichtlich
eines Wahleinspruchs in „eine Art Geheimverfahren umzu-
wandeln“. Es sei irrelevant, ob die Stellungnahme der Lan-
deswahlleiterin aus sich heraus verständlich sei; ihm müsse
die Möglichkeit gegeben werden, auf die von der Landes-
wahlleiterin eingeholten Stellungnahmen zu erwidern. Er
könne nur anhand der Stellungnahmen prüfen, ob die Lan-
deswahlleiterin diese zutreffend wiedergegeben oder „mög-
licherweise verfälschend dargestellt“ habe, wobei er dies
zwar nicht unterstelle, jedoch selber anhand der Unterlagen
die Äußerungen in den Stellungnahmen überprüfen wolle.
Im Übrigen habe er diesbezüglich Prozesskostenhilfe für ein
beabsichtigtes Klageverfahren beim Verwaltungsgericht
Berlin beantragt.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 hat der Einspruchsfüh-
rer für eine beabsichtigte Klage auf Akteneinsicht gegen
den Deutschen Bundestag Antrag auf Prozesskostenhilfe
beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt (VG 2 A 10.03).
Der Antrag ist mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ber-
lin vom 6. Mai 2003 abgelehnt worden. Zur Begründung
des Beschlusses wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.
Der Einspruchsführer ist mit Schreiben vom 10. Februar
2003 darauf hingewiesen worden, dass das Wahlprüfungs-
verfahren fortgeführt werde und er somit weiterhin Gele-
genheit habe, sich zu den bekannt gegebenen Stellungnah-
men der Landeswahlleiterin des Landes Baden-Württem-
berg und des Kreiswahlleiters des Wahlkreises Augsburg zu
äußern. Der Einspruchsführer hat sich in einem weiteren
Schreiben vom 14. Februar 2003 gegen die Fortführung des
Wahlprüfungsverfahrens gewandt. Es widerspreche dem
Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, das Wahlprüfungs-
verfahren fortzuführen, während ein Verwaltungsgerichts-
verfahren anhängig sei, mit dem er Akteneinsicht erstreiten
wolle, um „überhaupt sachgerecht“ Stellung nehmen zu
können.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2003 hat der Einspruchsfüh-
rer einen weiteren Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein be-
absichtigtes vorläufiges Rechtsschutzverfahren gestellt, um
zu erreichen, dass der Wahlprüfungsausschuss nicht über
seinen Wahleinspruch entscheide, bis das Verwaltungsge-
richt über einen weiteren Prozesskostenhilfeantrag entschie-
den habe. Der Antrag ist mit Beschluss des Verwaltungs-
gerichts Berlin (Az: VG 2 A 23.03) vom 20. Februar 2003
abgelehnt worden. Gegen diesen Beschluss hat der Ein-
spruchsführer Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht
eingelegt (Az: OVG 2 M 8.03). Die Beschwerde ist mit Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 9. April
2003 zurückgewiesen worden. Zur Begründung wurde aus-
geführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung unzulässig
wäre. Nach Artikel 41 GG sei die Wahlprüfung Sache des

Bundestages, gegen dessen Entscheidung die Beschwerde
an das Bundesverfassungsgericht zulässig sei. Das Wahlprü-
fungsverfahren sei ein eigenständiges, besonderen Regeln
unterworfenes Verfahren, in dem dem Bundestag eine Art
richterliche Funktion zugewiesen sei. Allein in diesem Ver-
fahren und – aufgrund einer Wahlprüfungsbeschwerde –
ggf. vom Bundesverfassungsgericht sei auch über Rügen zu
befinden, die sich auf die verfahrensrechtliche Abwicklung
des Wahleinspruchs bezögen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Die vom Einspruchsführer gestellten Verfahrensanträge im
Wahlprüfungsverfahren sind zurückzuweisen.
Er macht zu Unrecht geltend, es hätten ihm Stellungnahmen
des Justizministeriums Baden-Württemberg und der Stadt-
verwaltungen Bruchsal und Stuttgart zur Verfügung gestellt
werden müssen, auf denen die ihm bekannt gegebene Stel-
lungnahme der Landeswahlleiterin des Landes Baden-
Württemberg basierte. Der Wahlprüfungsausschuss hat kei-
nen Anlass gesehen, diese als Arbeitsgrundlage für die Lan-
deswahlleiterin dienenden Stellungnahmen beizuziehen, da
der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und zudem die Stel-
lungnahme der Landeswahlleiterin aus sich heraus verständ-
lich ist. Vor diesem Hintergrund gebietet es der Grundsatz
des rechtlichen Gehörs nicht, einer solchen Anregung des
Einspruchsführers bezüglich der Sachaufklärung zu folgen.
Nach dem Anfechtungsprinzip des § 2 Abs. 1 und 3
WPrüfG trägt der Einspruchsführer die Einspruchsgründe
vor und bestimmt damit den „Streitgegenstand“ des Verfah-
rens. Der Sachverhalt wird daraufhin vom Wahlprüfungs-
ausschuss von Amts wegen aufgeklärt. Hierbei bestimmt er
im Rahmen seiner Verfahrensherrschaft, in welchem Um-
fang eine Sachaufklärung notwendig ist.
Darüber hinaus war der Wahlprüfungsausschuss nicht ge-
halten, das Wahlprüfungsverfahren so lange auszusetzen,
bis die vom Einspruchsführer betriebenen verwaltungsge-
richtlichen Verfahren abgeschlossen waren. Eine Ausset-
zung des Verfahrens liegt im Ermessen des Wahlprüfungs-
ausschusses. Er hat sich vorliegend vom öffentlichen Inte-
resse an einer alsbaldigen verbindlichen Feststellung der
ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments leiten
lassen. Dem stand lediglich das private Interesse des Ein-
spruchsführers an der Klärung von Verfahrensfragen im
Wahlprüfungsverfahren durch die Verwaltungsgerichtsbar-
keit, zu der der Rechtsweg hierfür ohnehin nicht offen steht,
gegenüber. Vor diesem Hintergrund ist eine Aussetzung des
Verfahrens nicht in Betracht gekommen. Davon abgesehen,
sind die verwaltungsgerichtlichen Verfahren – soweit er-
sichtlich – zwischenzeitlich abgeschlossen.
In der Sache kann der Wahleinspruch trotz Feststellung ei-
nes Wahlfehlers keinen Erfolg haben, weil der festgestellte
Fehler keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung im Bun-
destag hat.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/2400

Soweit der Einspruchsführer geltend macht, er sei zu
Unrecht in das Wählerverzeichnis der Stadt Bruchsal ein-
getragen worden, so liegt ein Wahlfehler nicht vor. Hierbei
kommt es auf die vom Einspruchsführer aufgeworfene
Frage, ob der Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt mel-
derechtlich einen Wohnsitz begründet, nicht an. Wahl-
berechtigt sind gemäß § 12 Abs. 1 Bundeswahlgesetz
(BWG) alle deutschen Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr
vollendet haben, seit mindestens drei Monaten in der Bun-
desrepublik Deutschland eine Wohnung inne haben oder
sich sonst gewöhnlich aufhalten und nicht nach § 13 BWG
vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Für Wahlberechtigte
im Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehung gilt
als Wohnung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 BWG gemäß
§ 12 Abs. 4 Nr. 3 BWG die Anstalt oder die entsprechende
Einrichtung. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 Bundeswahlordnung
(BWO) sind von Amts wegen alle Wahlberechtigten ein-
zutragen, die am 35. Tag vor der Wahl (Stichtag) bei der
Meldebehörde für eine Justizvollzugsanstalt gemeldet sind.
Da der Einspruchsführer am 18. August 2002 (Stichtag) in
der JVA Bruchsal gemeldet war, ist er zu Recht in das
Wählerverzeichnis der Stadt Bruchsal eingetragen worden.
Im Wahlprüfungsverfahren ist nicht der Frage nachzugehen,
ob die Stadt Bruchsal nach den landesrechtlichen Melde-
rechtsvorschriften gehalten war, die Angabe des Ein-
spruchsführers, er werde demnächst in die JVA Bruchsal
zurückverlegt, auf ihren Wahrheitsgehalt hin hätte überprü-
fen müssen.
Der Einspruchsführer hat sein Wahlrecht durch Briefwahl
im Wahlkreis 279 (Karlsruhe) mit den von der Stadt Bruch-
sal übersandten Wahlunterlagen wahrgenommen. Auch vor
diesem Hintergrund ist die Ablehnung des Antrages auf
Eintragung in das Wählerverzeichnis der Stadt Stuttgart zu
Recht erfolgt. Insoweit wurde auch sichergestellt, dass der
Einspruchsführer sein Wahlrecht nur einmal ausüben konnte
(§ 14 Abs. 4 BWG).
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften liegt nicht
deshalb vor, weil in der JVA Stuttgart-Stammheim und in
der JVA Bruchsal bewegliche Wahlvorstände nicht gebildet
worden sind. Nach § 64 Abs. 1 i. V. m. § 8 BWO soll die
Gemeindebehörde in Justizvollzugsanstalten bei entspre-
chendem Bedürfnis und soweit möglich Gelegenheit geben,
dass die in der Anstalt anwesenden Wahlberechtigten, die
einen für den Wahlkreis gültigen Wahlschein besitzen, in
der Anstalt vor einem beweglichen Wahlvorstand wählen.
Nach diesen Vorschriften ist den Gemeindebehörden ein
weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Bildung
von beweglichen Wahlvorständen eingeräumt. Der Ein-
spruchführer, der mit derselben Begründung bereits die
Europawahl 1999 angefochten hatte (Bundestagsdrucksache
14/2761, Anlage 15), hat keine Gesichtspunkte vorgetragen,
die auf eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Stadt
Stuttgart oder die Stadt Bruchsal hindeuten könnten. Es ist
unerheblich, ob die Wahlbeteiligung in diesen Anstalten
durch die Möglichkeit, vor einem beweglichen Wahlvor-
stand seine Stimme abzugeben, erheblich gesteigert worden
wäre. Der Einspruchsführer hat keine konkreten Tatsachen
vorgetragen, die diese Behauptung untermauern könnten.
Darüber hinaus ergibt sich aus der Stellungnahme der Lan-
deswahlleiterin, dass es bei der Teilnahme an der Briefwahl
keine Schwierigkeiten gegeben hat.

Die Vermutung des Einspruchführers, die Briefwahl sei in
der JVA Stuttgart-Stammheim überwacht worden, begrün-
det ebenfalls keinen Wahlfehler. Ebenso wenig wie bei
seinem Wahleinspruch gegen die Bundestagswahl 1998
(Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 25) hat er hierzu
konkrete Tatsachen vorgetragen, die seinen Einspruch un-
termauern würden. Die Tatsache, dass in der Sicherungsver-
fügung keine Ausnahme für Wahlbriefe vorgesehen ist, lässt
nicht die Schlussfolgerung zu, alle Wahlbriefe würden über-
wacht. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte und mangels
eines substantiierten Vortrags des Einspruchsführers ist viel-
mehr davon auszugehen, dass der Erlass des Justizministe-
riums Baden-Württemberg vom 22. Juli 2002 an die Leite-
rinnen und Leiter der Justizvollzugsanstalten zur Durch-
führung der Bundestagswahl eingehalten worden ist. Darin
wurde auch darauf hingewiesen, dass bei Verwendung des
amtlichen roten, mit dem Aufdruck der Anschrift des Kreis-
wahlleiters oder einer Gemeinde versehenen Wahlbriefum-
schlages eine Briefzensur weder bei Straf- noch bei Unter-
suchungsgefangenen erfolgt. Es bestehen keine Anhalts-
punkte dafür, dass die Vorschrift des § 66 Abs. 4 BWO, die
den Grundsatz der geheimen Wahl in Justizvollzugsanstal-
ten konkretisiert, verletzt worden sein könnte.
Soweit der Einspruchsführer meint, in Stuttgart habe ein
ausländischer Staatsbürger zu Unrecht an der Wahl teilge-
nommen, so kann er damit seinen Einspruch nicht mit Er-
folg begründen. Der Zeitungsartikel, auf den er sich stützt,
stellt die Angelegenheit in anonymer Form dar. Eine nähere
Überprüfung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Selbst
wenn sich der Vorfall so zugetragen haben sollte, hätte dies
keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung. Auch soweit der
Einspruchsführer ähnliche Vorgänge anspricht, können
diese mangels eines substantiierten Vortrags nicht überprüft
werden.
Aufgrund der verspäteten Öffnung des Wahllokals im Wahl-
bezirk 002/12 in Stuttgart liegt ein Wahlfehler vor. Gemäß
§ 47 Abs. 1 BWO dauert die Wahl am Wahltag von 8.00
Uhr bis 18.00 Uhr. In dem betreffenden Wahllokal konnte
jedoch die Wahlhandlung erst gegen 9.10 Uhr beginnen. Die
verspätete Öffnung des Wahlraumes beruht auf einem orga-
nisatorischen Fehler der Wahlbehörden. Zu Recht wird in
der Stellungnahme der Landeswahlleiterin darauf hingewie-
sen, dass nicht jede verspätete Öffnung eines Wahllokals
ohne weiteres zur Feststellung eines Wahlfehlers führt. So-
fern die verspätete Öffnung sich in zeitlich engem Rahmen
hält und die Wähler dadurch noch hinreichend Möglichkeit
haben, ihre Stimmen abzugeben, hat dies wahlrechtlich
keine Relevanz (Schreiber, Kommentar zum Bundeswahl-
gesetz, 7. Auflage, § 16 Rn. 1). Im konkreten Fall konnte
die Wahlhandlung erst über eine Stunde nach der vorgese-
henen Öffnungszeit beginnen. Im Hinblick darauf, dass die
Bürgerinnen und Bürger sich auf die vorgesehenen Öff-
nungszeiten einrichten, stellt dies eine unzumutbare Er-
schwerung ihrer Teilnahme an der Wahl dar. Dies gilt auch
dann, wenn der Andrang der Wählerinnen und Wähler zu
der betreffenden Zeit – wie hier – verhältnismäßig gering
ist. Es kann offen bleiben, ob in Fällen höherer Gewalt an-
dere Maßstäbe anzulegen sind.
Der Einspruch kann trotz dieses Wahlfehlers keinen Erfolg
haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der

Drucksache 15/2400 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bundestag stets angeschlossen haben, können nämlich nur
solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begrün-
den, die auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder
hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße
von vorn herein als unerheblich aus, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370/372
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die
Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann uner-
heblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses kei-
nen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können. Da
lediglich ein Wähler wieder ging und offenbar auf die Aus-
übung seines Wahlrechts verzichtete, hat der Wahlfehler
keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung.
Soweit der Einspruchsführer eine Wahlsondersendung des
ZDF am 22. September 2002 beanstandet, ist sein Wahlein-
spruch ebenfalls unbegründet. Die Tatsache, dass das ZDF
ein öffentlich-rechtlicher Sender ist, macht es nicht zum
amtlichen Wahlorgan oder zu einer Wahlbehörde. Insoweit
wird auf die Ausführungen zum Wahleinspruch des Ein-
spruchsführers zur Europawahl 1999 Bezug genommen
(Bundestagsdrucksache 14/2761, Anlage 15). Davon abge-
sehen, hat sich die Behauptung des Einspruchsführers, bei
der Wahlsondersendung des ZDF seien Prognosen bzw.
Wählerumfragen vor Schließung der Wahllokale (18.00
Uhr) veröffentlicht worden, nicht bestätigt. Sollte sich der
Einspruchsführer auf die Einblendung einer Wahlprognose
auf der Internetseite des ZDF um 17.57 Uhr mit einer Dauer
von 15 Sekunden beziehen wollen, so kann dies ebenfalls
keinen Wahlfehler begründen. Zwar mag insoweit ein Ver-
stoß gegen die Vorschrift des § 32 Abs. 2 BWG vorliegen,
wonach die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wähler-
befragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der
Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig ist.
Ein Verstoß gegen diese Vorschrift begründete einen Wahl-
mangel jedoch nur dann, wenn er sich zugleich als unzuläs-

sige Wählerbeeinflussung darstellen würde. Das Bundes-
verfassungsgericht hat im Jahre 2001 entschieden, dass eine
Handlung im Zusammenhang mit einer Wahl, die nicht von
staatlichen Stellen ausgeht, und in mehr als nur unerheb-
lichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des Wähler-
willens einwirkt, nur dann im Wahlprüfungsverfahren bean-
standet werden kann, wenn private Dritte mit Mitteln des
Zwangs oder Drucks auf die Wahlentscheidung Einfluss ge-
nommen haben oder wenn in ähnlich schwerwiegender Art
und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden
ist (vgl. BVerfGE 103, 111/132 f.). Die Abrufbarkeit einer
Wahlprognose im Internet drei Minuten vor Schließung der
Wahllokale mit einer Dauer von 15 Sekunden ist unerheb-
lich und erfüllt die Voraussetzungen einer privaten Wahlbe-
einflussung nicht.
Ebenso wenig führen die Vorgänge in Augsburg zur Be-
gründetheit des Wahleinspruchs. Das Verhalten eines Mit-
arbeiters der Stadtverwaltung gefährdete zwar die ord-
nungsgemäße Durchführung der Wahlen und muss den für
die Wahldurchführung zuständigen Stellen zugerechnet
werden. Wie sich aus den dem Wahlprüfungsausschuss vor-
liegenden Unterlagen und Auskünften ergibt, ist nicht da-
von auszugehen, dass sich vorab gekennzeichnete Stimm-
zettel, die das Ergebnis hätten verfälschen können, nach
Verschließen der Wahlurnen am Morgen des Wahltags in
den Urnen befunden haben. Ebenso wenig lässt sich fest-
stellen, dass – abgesehen von der Frage der Relevanz für
das Wahlergebnis – abgegebene Stimmen dadurch ungültig
geworden sein könnten, dass ein Wähler bei seiner Stimm-
abgabe eine bereits vorhandene Kennzeichnung übersehen
und durch seine (zusätzlichen) Stimmen im Ergebnis ungül-
tig gewählt hat.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/2400

Anlage 7

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn J.-E. M., 51145 Köln

– Az.: WP 77/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2002, das am 5. November
2002 beim Deutschen Bundestag eingegangen ist, hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 15. Deutschen Bundestag eingelegt. Zur Begründung
trägt er u. a. vor, dass Manipulationen bei der elektroni-
schen Stimmabgabe zu „Wahlbetrug“ geführt hätten.
Der Einspruchsführer wurde – wie er auch selbst in seiner
Einspruchsschrift mitteilt – durch Beschluss des Amtsge-
richts Köln vom 12. April 2000 (Az.: 51 XVII M117/00)
unter Betreuung gestellt. Der Aufgabenkreis des Betreuers
umfasst die Aufenthaltsbestimmung, die Sorge für die Ge-
sundheit, die Vertretung bei Behörden, die Entscheidung
über Empfang und Öffnen der Post sowie die Vermögens-
sorge. Für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge wurde
mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 12. Februar 2001
(Az.: 51 XVII M117/00) ein Einwilligungsvorbehalt ange-
ordnet. Diese Beschlüsse liegen dem Wahlprüfungsaus-
schuss vor.
Der Einspruchsführer vertritt die Auffassung, dass die Wäh-
lerinnen und Wähler bei der elektronischen Stimmabgabe
durch die im Display der Wahlgeräte dargestellten Eingabe-
hilfen „manipuliert“ worden seien. Dabei sei auf dem Moni-
tor in roter Schrift folgender Text eingeblendet gewesen:
„Sie haben falsch gewählt, drücken Sie Korrektur, Sie ha-
ben zwei Stimmen“. Auch seien „Verwaltungspannen“ bei
der Datenübermittlung eine „zusätzliche Bestätigung“ für
Wahlbetrug. Weiter trägt er vor, dass die Einrichtung einer
Betreuung ihn in seinen Menschenrechten verletze. Auch
handele es sich bei seiner Eintragung in das Wählerver-
zeichnis und der Zusendung einer Wahlbenachrichtigungs-
karte zur Teilnahme an der Bundestagswahl umWahlbetrug.
In einem ergänzenden Schreiben vom 25. November 2002,
das am 27. November 2002 beim Deutschen Bundestag ein-
gegangen ist, trägt der Einspruchsführer vor, dass ihm eine
Wahlbenachrichtigungskarte erst nach persönlicher Vorspra-
che bei der Stadtverwaltung Köln zugesandt worden sei.
Auf seine Nachfrage anlässlich dieser Vorsprache sei erklärt
worden, dass Ausschlussgründe für seine Wahlberechtigung
nicht vorgelegen hätten. Mit Schreiben vom 12. Dezember
2002 hat der Einspruchsführer eine Kopie der Verhand-

lungsniederschrift zum Beschluss vom 12. Februar 2001
vorgelegt.
Zu diesem Wahleinspruch hat der Kreiswahlleiter wie folgt
Stellung genommen:
Der Einspruchsführer sei für die Bundestagswahl 2002 als
Wahlberechtigter in Köln in das Wählerverzeichnis einge-
tragen worden; er sei nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen
gewesen.
Hinsichtlich des Vortrags zu Manipulationen durch die elek-
tronische Stimmabgabe teilt der Kreiswahlleiter mit, dass es
sich bei den verschiedenen Anzeigen im Display der Wahl-
maschinen um Eingabehilfen gehandelt habe. Diese hätten
je nach Bedienung durch den jeweiligen Wähler eine Kurz-
anweisung zur Behebung von Fehleingaben gegeben und
seien als reine Bedienungsanleitung zu verstehen. Je nach
Art der Eingabe durch den Wähler hätte dies zu der Mel-
dung „Drücken Sie die Korrektur-Taste“ geführt. Damit sei
lediglich das Drücken der Korrektur-Taste gemeint, es sei
aber nicht – wie vom Einspruchsführer angenommen – als
„Wahlentscheidungsanleitung“ zu verstehen. Eine vom Ein-
spruchsführer vorgetragene Meldung mit dem Text „Sie ha-
ben falsch gewählt“, sei auf den verwendeten Wahlgeräten
nicht eingeblendet gewesen. Den Wählerinnen und Wählern
sei mit der Wahlbenachrichtigungskarte eine Kurzanleitung
zur korrekten Bedienung der Wahlmaschinen zugesandt
worden. Darüber hinaus hätten die Wahlvorstände im Wahl-
kreis eine Bedienungsanleitung zur Wahl mit Wahlgeräten
im Wahllokal zur Verfügung gehabt. Diese Anleitungen lie-
gen dem Wahlprüfungsausschuss vor.
Der Einspruchsführer hat sich im Anschluss an diese Stel-
lungnahme wie folgt geäußert:
In Zuschriften vom 12. Mai 2003 und vom 15. Mai 2003 hat
er mitgeteilt, dass er erst jetzt in der Lage sei, den „vorsätz-
lich herbeigeführten Wahlfehler“ zu analysieren. Mit
Schreiben vom 20. Juni 2003 vertritt der Einspruchsführer
der Sache nach die Ansicht, dass er durch die von ihm bean-
standete Einrichtung einer Betreuung eigentlich gemäß § 13
Bundeswahlgesetz (BWG) vom Wahlrecht ausgeschlossen
gewesen sei. Wenn er sich unter dieser Voraussetzung den-
noch an der Wahl beteiligt habe, sei die gesamte Wahl un-
gültig. Zum weiteren Vortrag des Einspruchsführers wird
auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Drucksache 15/2400 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegrün-
det.
Der Einspruch ist zulässig, weil er form- und fristgerecht
beim Deutschen Bundestag eingegangen ist und der Ein-
spruchsführer zudem einspruchsberechtigt im Sinne des § 2
Abs. 2 WPrüfG ist. Der Einspruchsführer war – wie noch
darzulegen ist – entgegen seiner eigenen Zweifel im Hin-
blick auf die bestehende Betreuung für die Bundestagswahl
2002 wahlberechtigt.
Der Einspruch ist offensichtlich unbegründet, weil eine Ver-
letzung wahlrechtlicher Vorschriften aus dem vorgetragenen
Sachverhalt nicht ersichtlich ist. Dies gilt sowohl für den
vom Einspruchsführer geäußerten Manipulationsverdacht
bei der elektronischen Stimmabgabe als auch für seine Fol-
gerungen aus den seine Betreuung anordnenden Beschlüs-
sen des Amtsgerichts Köln.
Die Behauptung des Einspruchsführers, die Wählerinnen
und Wähler seien bei der elektronischen Stimmabgabe
durch die im Display der Wahlgeräte dargestellten Eingabe-
hilfen manipuliert worden, ist abwegig und trifft offenkun-
dig nicht zu. Insbesondere wurde bei der Bundestagswahl
2002 – wie sich aus der Stellungnahme des Kreiswahlleiters
ergibt – der Text „Sie haben falsch gewählt“ nicht verwen-
det. Bei den Anzeigen im Display der Wahlmaschinen han-
delte es sich um Kurzanweisungen zur Behebung von Fehl-
eingaben; dies sind reine Bedienungsanleitungen. Der Ein-
spruchsführer hat der Stellungnahme des Kreiswahlleiters,
die ihm bekannt gegeben wurde, in diesem Punkt auch nicht

widersprochen. Seine gegenteilige Behauptung in der Ein-
spruchsschrift ist nicht nachvollziehbar und entspricht of-
fenkundig nicht den Tatsachen.
Soweit der Einspruchsführer sich dagegen wendet, dass er
unter Betreuung steht, so kann dies nicht Gegenstand des
Wahlprüfungsverfahrens sein. Nach § 49 BWG können
nämlich nur solche Entscheidungen und Maßnahmen im
Wahlprüfungsverfahren angefochten werden, die sich un-
mittelbar auf das Wahlverfahren beziehen. Die Anordnung
der Betreuung steht in keinem Zusammenhang mit der Vor-
bereitung oder Durchführung der Wahl.
Soweit der Einspruchsführer schließlich einen Wahlfehler
daraus ableiten möchte, dass er aufgrund der bestehenden
Betreuung konsequenterweise auch nicht hätte zur Wahl zu-
gelassen werden dürfen, so kann dies seinemWahleinspruch
ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Nach § 13 Nr. 2,
1. Halbsatz BWG ist vom Wahlrecht derjenige ausgeschlos-
sen, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein
Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt
ist. Wie sich aus den einschlägigen Beschlüssen des Amts-
gerichts Köln ergibt, ist für den Einspruchsführer ein Be-
treuer nur für bestimmte Aufgabenkreise, nicht jedoch zur
Besorgung aller seiner Angelegenheiten bestellt worden.
Der Einspruchsführer ist somit zu Recht gemäß § 14 Abs. 1
BWG in das Wählerverzeichnis eingetragen worden und
konnte somit sein Wahlrecht ausüben. Demzufolge war
auch die Zusendung einer Wahlbenachrichtigung an den
Einspruchsführer korrekt. Ob dies – wie der Einspruchs-
führer meint – erst auf seine Intervention hin geschehen ist
oder – was viel wahrscheinlicher ist und zudem der Vor-
schrift des § 19 Bundeswahlordnung entspricht – unabhän-
gig hiervon aufgrund seiner Eintragung in das Wählerver-
zeichnis, ist nicht entscheidungserheblich.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/2400

Anlage 8

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn D. F. I., 73728 Esslingen

– Az.: WP 217/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Telefax vom 22. November 2002 hat der Einspruchs-
führer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen
Bundestag am 22. September 2002 Einspruch eingelegt.
Der Einspruchsführer war bei der Bundestagswahl 2002
Wahlkreiskandidat der Partei „DIE GRAUEN“ im Wahl-
kreis 262 (Esslingen). Mit seinem Wahleinspruch wendet er
sich schwerpunktmäßig gegen seiner Ansicht nach im
Wahlkampf vorgekommene Unregelmäßigkeiten in den
Wahlkreisen Esslingen und Ludwigsburg sowie gegen die
illegale Finanzierung eines „Flyers“ der nordrhein-westfäli-
schen FDP im Bundestagswahlkampf. Hintergrund seines
Einspruchs sind zwei Wahlanfechtungen der Oberbürger-
meisterwahl in Esslingen in den Jahren 1997 und 1998, die
auf seinen Einspruch hin jeweils Erfolg hatten. Der Ein-
spruchsführer nimmt auf diese Wahlanfechtungen sowie auf
personalrechtliche Auseinandersetzungen mit der Stadt Ess-
lingen, deren Bediensteter er ist, mehrfach Bezug.
Vor diesem Hintergrund trägt der Einspruchsführer im Ein-
zelnen folgende Gründe für seinen Wahleinspruch vor:
Die FDP habe einen im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen
eingesetzten „Flyer“ mit „Schwarzgeldern“ finanziert und
damit gegen das Parteiengesetz verstoßen. Nicht nur der In-
halt dieses „Flyers“ sei „unsauber“ gewesen, sondern auch
dessen Finanzierung. Die FDP habe in Nordrhein-Westfalen
offenbar um einige Prozentpunkte besser abgeschnitten als
im Bundesdurchschnitt. Dies sei „nach vernünftigem Abwä-
gen“ nicht unwesentlich auf diese „rechts- und sittenwid-
rige“ Wahlkampfkampagne zurückzuführen. Die FDP in
Nordrhein-Westfalen habe damit mehr Mandate erreicht, als
ihr nach den Zweitstimmen tatsächlich zustünden.
Grundlage des Einspruchs sind insoweit ein Faltblatt
(„Flyer“) mit einem in den Medien als anti-israelisch bewer-
teten Inhalt, das im Auftrag des damaligen Landesvorsitzen-
den der nordrhein-westfälischen FDP in der Woche vor der
Bundestagswahl an fünf Millionen Haushalte in Nordrhein-
Westfalen verteilt wurde, und dessen Finanzierung. Kurz
vor der Bundestagswahl distanzierten sich der Bundesvor-
sitzende der FDP, Dr. Guido Westerwelle, und andere füh-
rende Politikerinnen und Politiker der FDP öffentlich von
der Verteilung des Faltblattes. Die FDP erreichte bei der

Bundestagswahl 7,4 % der Zweitstimmen; in Nordrhein-
Westfalen betrug ihr Zweitstimmenanteil 9,3 %.
Nach Presseberichten betrugen die Versandkosten für das
Faltblatt 840 000 Euro. Zur Finanzierung des Faltblattes
wurde am 20. September 2002 ein Wahlkampfsonderkonto
eingerichtet, auf das in 145 Einzelbeträgen zwischen 1 000
und 8 500 Euro der Betrag von ca. 840 000 Euro eingezahlt
worden sein soll. Der mögliche Verstoß gegen das Parteien-
gesetz, insbesondere durch eine Verschleierung der Her-
kunft der Spenden sowie durch eine Stückelung zur Umge-
hung der Vorschriften über die Rechenschaftslegung, führte
zu mehreren verschiedenartigen Verfahren. So forderte der
Bundestagspräsident die FDP in Folge der ungeklärten Her-
kunft der Spenden zur Zahlung von 839 000 Euro auf, die
von der FDP gezahlt wurden. Die Staatsanwaltschaft Düs-
seldorf leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den inzwi-
schen verstorbenen Abgeordneten Jürgen W. Möllemann
wegen des Verstoßes gegen das Parteiengesetz ein. Bei der
Staatsanwaltschaft Münster wurde in diesem Zusammen-
hang wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermit-
telt.
Darüber hinaus trägt der Einspruchsführer unter Bezug-
nahme auf einen Artikel in der Esslinger Zeitung vor, dass
die Gemeinderatsparteien „Fraktionsgelder für Wahl-
kämpfe“ beiseite gelegt hätten. Auch nach den Feststellun-
gen des Landesrechnungshofes bestehe offenbar kein
„strenges Bewusstsein“ beim Umgang mit derartigen Gel-
dern. Er bitte um Aufklärung, ob seine Gegenkandidaten im
Wahlkampf tatsächlich aus Fraktionsgeldern unterstützt
worden seien.
In diesem Zusammenhang beanstandet der Einspruchsfüh-
rer, dass die Wahlkreiskandidatin von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN im Wahlkreis Esslingen in der Wahlkampfzeit in
einem Beschäftigungsverhältnis bei der Landestagsfraktion
gestanden habe. Da andere Bewerber normalerweise keine
dienstlichen Freistellungen hätten, sei eine derartige zu un-
terstellende Freistellung für den Wahlkampf als direkte
Wahlkampffinanzierung seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE Grünen anzusehen. Er bitte um Aufklärung, ob wesent-
liche Zeiten des Wahlkampfes dieser Kandidatin aus Frak-
tionsgeldern „unzulässig subventioniert“ worden seien. Je-
denfalls in der „Summe derartiger Einzelverstöße“ sei eine

Drucksache 15/2400 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

konkrete Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit
zu sehen.
Der Grundsatz der Chancengleichheit sei auch deshalb be-
einträchtigt worden, weil die Stadt Esslingen eine Kaution
von 500 Euro für einen Wahlplakatständer verlangt habe.
Dieser Betrag sei doppelt so hoch wie der ihm von der Bun-
despartei der „GRAUEN“ gewährte Zuschuss.
Für die Mitteilungsblätter in den Stadtteilen von Esslingen
würden unterschiedliche Regelungen gelten. Dies habe da-
zugeführt, dass er im Wahlkampf Mitteilungen teilweise
habe veröffentlichen können und teilweise nicht. Da es sich
um einen „Monopol-Verlag“ handele, sei eine Regelung des
Landeswahlleiters notwendig, die den Grundsatz der Chan-
cengleichheit im Wahlkampf sichere.
Außerdem trägt der Einspruchsführer vor, er sei als Direkt-
bewerber im Wahlkampf durch die Presse, insbesondere
durch die „Stuttgarter Nachrichten“ benachteiligt worden.
So sei er neben den fünf Direktbewerbern der „etablierten“
Parteien CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP
und PDS als derjenige vorgestellt worden, der 1998 „den
Amtsantritt des Oberbürgermeisters Dr. Zieger (und damit
den ‚Aufbruch‘) verzögerte“, wobei sein Passbild weggelas-
sen worden sei. Am 20. September 2002 sei eine „Halbzeit-
bilanz“ des Oberbürgermeisters in den Stuttgarter Nachrich-
ten erschienen, die auch als Verletzung des amtlichen Gebo-
tes der Zurückhaltung und Neutralität in Wahlkämpfen
durch den amtierenden Oberbürgermeister zu werten sei.
Die tatsächliche „Halbzeit“ des Oberbürgermeisters sei erst
am 25. Oktober 2002, also einen Monat später, gewesen.
Darüber hinaus beanstandet der Einspruchsführer eine sei-
ner Ansicht nach gegebene unzulässige Wahlbeeinflussung
durch öffentliche Auftritte von baden-württembergischen
Landesministern, von Ministerpräsident Dr. Erwin Teufel
sowie des damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU
im Bundestag, Dr. Friedrich Merz, im Vorfeld der Bundes-
tagswahl 2002. So sei zum sog. Esslinger „Schwörtag“
Ende Juli 2002 die ehemalige Bundestagspräsidentin Prof.
Dr. Rita Süssmuth, MdB, zum Thema Zuwanderung als
Gastrednerin eingeladen worden. Zudem habe der Wahl-
kreiskandidat der CDU im Wahlkreis Esslingen als CDU-
Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat die festliche Jahres-
vereidigung des Gemeinderates vorgenommen. Dies sei
auch als Verletzung der Neutralitätspflicht durch die Stadt
Esslingen anzusehen. In diesem Zusammenhang weist der
Einspruchsführer auf einen Auftritt des baden-württember-
gischen Ministerpräsidenten in der Plochinger Stadthalle für
den Wahlkreiskandidaten der CDU im Wahlkreis Esslingen
hin.
Der Wahlkreisbewerber der CDU im Wahlkreis Esslingen,
der als Notar des Landes tätig sei, sei u. a. vom Landrat und
Kreiswahlleiter im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit be-
vorzugt behandelt worden. Dies betreffe öffentliche Tages-
veranstaltungen des Landkreises, bei denen sich der CDU-
Wahlkreisbewerber im Wahlkampfkalender „offiziell“ mit
eingetragen habe. Außerdem sei aufgrund der vielen Wahl-
kampfauftritte des Wahlkreisbewerbers der CDU davon
auszugehen, dass er die Termine nicht in seiner Freizeit,
sondern vielfach innerhalb seiner 40-stündigen Dienstzeit
wahrgenommen habe. Insoweit sei unter dem Gesichtspunkt
der Chancengleichheit eine Klärung geboten.

Der Einspruchsführer trägt außerdem vor, dass im Wahl-
kreis 266 (Ludwigsburg) überholte Stimmzettel benutzt
worden seien. Nachdem der Bewerber Cem Özdemir kurz
nach Fristablauf als Kandidat zurückgetreten sei, sei zu klä-
ren, ob „rein formal“ der Stimmzettel noch hätte korrigiert
werden müssen. Den Wählerinnen und Wählern könne nicht
zugemutet werden, einen Kandidaten, der nicht kandidiere,
sogar noch wählen zu können. Es sei davon auszugehen,
dass ansonsten alle Erststimmen, die für Cem Özdemir ab-
gegeben worden seien, der SPD zugute gekommen wären.
Darüber hinaus sei im Wahlkreis Ludwigsburg das Wahlge-
heimnis dadurch strukturell verletzt worden, dass nach Be-
richten der Stuttgarter Zeitung ein Wahlhelfer in seinem
Wahllokal in Kornwestheim von etwa 40 Wählern den
Stimmvermerk auf den durchsichtigen Stimmzetteln habe
sehen können. Die Wähler hätten zudem vorgefaltete
Stimmzettel mit der Kennzeichnung nach außen erhalten.
Im Zuge der Aufarbeitung von Wahlmängeln bitte er darum,
die amtlichen Wahlumschläge wieder einzuführen oder an-
derweitig für Abhilfe zu sorgen.
Des Weiteren wendet sich der Einspruchsführer gegen ein
Wahltipp-Gewinnspiel, das vom Wahlkreiskandidaten der
CDU imWahlkreis 266 veranstaltet worden sei. Dieser habe
die Wähler zu seinen letzten drei Wahlveranstaltungen mit
einer „Tombola“ eingeladen. Hierbei sei das Wahlergebnis
zu tippen gewesen, wobei eine Berlin-Reise, Freikarten für
den Europapark oder ein Freiflug über den Wahlkreis zu ge-
winnen gewesen seien. Hierbei handele es sich um eine un-
zulässige Wahlbeeinflussung.
Der Einspruchsführer beanstandet darüber hinaus einen
„Wahlaufruf“ durch den baden-württembergischen Minis-
terpräsidenten im Internet. Auf der Homepage des Staatsmi-
nisteriums Baden-Württemberg habe der Ministerpräsident
in einer Pressemitteilung kurz vor der Wahl die damalige
Bundesjustizministerin und Bundestagskandidatin wegen
ihrer Äußerungen über den amerikanischen Präsidenten
George W. Bush „massiv“ zum Rücktritt aufgefordert. Da-
mit habe er in der Hochphase der Bundestagswahl „aus dem
Amt heraus“ in die außenpolitischen Vorgänge gegenüber
den USA eingewirkt.
Der Einspruchsführer macht geltend, dass die von ihm be-
anstandeten Vorgänge nicht nur einzeln für sich genommen
betrachtet werden dürften, sondern im Sinne einer Gesamt-
schau zu prüfen sei, ob die Verstöße Auswirkungen auf das
Wahlergebnis haben. Hierbei sei das denkbar knappe Wahl-
ergebnis zu berücksichtigen.
Die Landeswahlleiterin hat zu dem Einspruch auf der
Grundlage von Stellungnahmen des Staatsministeriums Ba-
den-Württemberg, des Justizministeriums Baden-Württem-
berg, eines Landestagsabgeordneten, der Kreiswahlleiter
der Wahlkreise Esslingen und Ludwigsburg sowie der
Stadtverwaltungen Esslingen am Neckar und Kornwestheim
wie folgt Stellung genommen:
Aus dem Anfechtungs- und dem Untersuchungsprinzip der
Wahlprüfung werde gefordert, dass Voraussetzung für den
Wahleinspruch ein konkreter, unmissverständlicher und hin-
reichend substantiierter Sachvertrag sei, aus dem sich
schlüssig entnehmen lasse, worin ein Verstoß gegen Wahl-
rechtsvorschriften liegen solle, und der die Nachprüfung
rechtserheblicher Tatsachen zulasse. Dies sei bei dem um-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/2400

fangreichen Einspruch nicht durchgängig gegeben. Auf all-
gemeine Behauptungen bzw. politische Feststellungen des
Einspruchs sowie auf bloße Änderungsvorschläge werde
daher in der Stellungnahme nicht eingegangen. Ebenso
werde zur gültigen und abgeschlossenen Bundestagswahl
1998 nicht Stellung genommen. Hier habe der damalige
Landeswahlleiter auf das Anliegen des Einspruchsführers,
die Bundestagswahl in den damaligen Wahlkreisen 161
und 165 zurückzustellen, am 23. Juli 1998 Auskunft über
die Rechtslage erteilt. Schließlich blieben neben anderen
Themen die frühere Anfechtung der Oberbürgermeisterwahl
und ein beamtenrechtliches Verfahren des Einspruchsfüh-
rers außer Betracht.
Zum Vorbringen des Einspruchsführers zum Wahlkreis Ess-
lingen bezüglich des Einsatzes von Fraktionsgeldern wird
ausgeführt, dass die Mitglieder des Gemeinderats der Stadt
Esslingen am Neckar nach der Gemeindeordnung für Ba-
den-Württemberg in Verbindung mit der städtischen Sat-
zung über die Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit
vom 18. Juni 2001 für die Ausübung ihres Amtes persönlich
eine monatliche Aufwandsentschädigung in pauschalierter
Form sowie ein zeitlich gestaffeltes Sitzungsgeld für die
Anwesenheit bei Sitzungen des Gemeinderats und seiner
Ausschüsse erhielten. Die Fraktionen des Gemeinderats er-
hielten keine städtischen Geldbeträge. Davon sei im Übri-
gen in dem betreffenden Presseartikel vom 29. August 2002
auch nicht die Rede. Es werde lediglich ausgesagt, dass die
Stadträte für ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Entschädi-
gung erhielten und in vielen Fraktionen ein Großteil des
Geldes in eine Kasse für den nächsten Wahlkampf wandere.
Dies sei jedoch keine Verwendung von städtischen Frak-
tionsgeldern für Wahlkämpfe.
Bezüglich der vom Einspruchsführer angesprochenen Frei-
stellung für den Wahlkampf wird ausgeführt, der Ein-
spruchsführer habe sich am 20. Juni 2002 bei der Stadt Ess-
lingen am Nekkar nach der Möglichkeit einer Gewährung
von Sonderurlaub zu Wahlzwecken erkundigt. Am 24. Juni
2002 sei ihmmitgeteilt worden, dass er auf Antrag den erfor-
derlichen Urlaub unter Wegfall der Bezüge erhalte. Ein An-
trag sei jedoch nicht gestellt worden. Soweit der Einspruchs-
führer bei Mitbewerbern von bezahlten Freistellungen für
den Wahlkampf ausgehe, sei darauf hinzuweisen, dass nach
§ 3 des Abgeordnetengesetzes einem Bewerber um einen
Sitz im Bundestag zur Vorbereitung seiner Wahl innerhalb
der letzten zwei Monate vor demWahltag auf Antrag Urlaub
von bis zu zwei Monaten zu gewähren sei. Ein Anspruch auf
Fortzahlung seiner Bezüge bestehe für die Dauer der Be-
urlaubung nicht. Der Wahlkreisbewerber der CDU imWahl-
kreis Esslingen sei im Juli und August 2002 entgegen der
Vermutung des Einspruchsführers mit der Hälfte der regel-
mäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt gewesen. Die Bewer-
berin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei im Rahmen
einer 70-%-Stelle vom 1. Juni bis 30. September 2002 als
persönliche Mitarbeiterin nach § 6 Abs. 4 des Abgeordne-
tengesetzes des Landes im Abgeordnetenbüro eines Land-
tagsabgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tätig
gewesen. Wahlvorbereitungsurlaub sei von ihr nicht in An-
spruch genommen worden. Die diesbezüglichen Annahmen
des Einspruchsführers träfen daher nicht zu.
Beim Aufstellen von Plakatständern habe die Stadt Esslin-
gen am Neckar von allen Interessenten eine Kaution von

500 Euro verlangt. Diese Sicherheitsleistung sei im Zusam-
menhang mit Auflagen für das Abräumen der Wahlwerbung
durch Hinterlegung eines Verrechnungsschecks zu erbrin-
gen gewesen. Abgesehen davon, dass alle Bewerber gleich
behandelt worden seien, sei eine Einschränkung des Wahl-
kampfs des Einspruchsführers nicht ersichtlich.
Das amtliche Bekanntmachungsorgan der Stadt Esslingen
sei die Esslinger Zeitung. Die in zwei Stadtteilen erschei-
nenden Mitteilungsblätter hätten diesen Status nicht. Für
den redaktionellen Teil seien die Ortsverwaltungen zustän-
dig. Für die Wahl hätten Annoncen von Parteien und Wahl-
bewerbern beim betreffenden Verlag direkt eingereicht wer-
den können.
Soweit der Einspruchsführer bei Wahlbekanntmachungen
auf eine unterschiedliche Praxis bei den Mitteilungsblättern
in den Stadtteilen von Esslingen hinweise bzw. eine verein-
heitlichende Regelung der Landeswahlleiterin dazu ver-
misse, sei darauf hinzuweisen, dass die Gemeinden eigene
Amtsblätter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung
zur Durchführung der Gemeindeordnung herausgeben
könnten. Die von den Kommunen herausgegebenen Amts-
blätter seien keine öffentlichen Einrichtungen, deren Nut-
zung den Einwohnern gemäß der Gemeindeordnung nach
gleichen Grundsätzen offen stehe. Es handele sich bei einem
Amtsblatt um eine Verwaltungseinrichtung, auf deren Inan-
spruchnahme Dritte grundsätzlich keinen Rechtsanspruch
hätten. Über die Einrichtung und die Ausgestaltung eines
Amtsblatts entschieden die Kommunen im Rahmen ihres
Selbstverwaltungsrechts in eigener Verantwortung. Sie
könnten darüber entscheiden, ob sie ihr Amtsblatt als reines
Verkündungsorgan, das auf amtliche Bekanntmachungen
bzw. amtliche Mitteilungen beschränkt bleibe, herausgäben
oder ob sie dem amtlichen Teil des Amtsblatts einen nicht-
amtlichen Teil für weitere Informationen und einen Anzei-
genanteil anfügten. Den Kommunen sei es auch im Zeit-
raum von Wahlen nicht verwehrt, Berichte und Anzeigen
von politischen Gruppierungen in den nichtamtlichen Teil
des Amtsblatts aufzunehmen. In diesem Fall hätten sie aber
die verfassungsrechtlich gewährleistete Wettbewerbs- und
Chancengleichheit der zur Wahl antretenden Parteien zu be-
achten. Die Einzelheiten der Veröffentlichungen richteten
sich nach dem vom Gemeinderat zu beschließenden Redak-
tionsstatut. Darauf habe die Wahlorganisation nicht einzu-
wirken.
Soweit der Einspruchsführer sich gegen die Pressebericht-
erstattung wende, sei darauf hinzuweisen, dass bei der Aus-
wahl der Nachrichten und der Verbreitung von Meinungen
die von privater Seite betriebene Presse, was die Gestaltung
des redaktionellen Teils betreffe, grundsätzlich frei sei. Sie
sei nicht zur Neutralität im Wahlwettbewerb der Wahlvor-
schlagsträger und ihrer Kandidaten verpflichtet.
Bezüglich der Beanstandungen des Einspruchsführers zum
sog. Esslinger „Schwörtag“ wird ausgeführt, dass bei dieser
Veranstaltung die Vereidigung des Gemeinderats in einem
feststehenden Turnus von den Fraktionsvorsitzenden vorge-
nommen werde. Beim „Schwörtag“ am 5. Juli 2002 habe
turnusgemäß der Vorsitzende der CDU-Fraktion die Ver-
pflichtung vorgenommen. Zum „Schwörtag“ würden im
Wechsel Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Politik
als Redner eingeladen. Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth, die
Vorsitzende der Kommission für Zuwanderung, habe bereits

Drucksache 15/2400 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

im Jahre 2001 zugesagt, beim „Schwörtag 2002“ zum
Thema „Zuwanderung nach Deutschland – Chancen und Ri-
siken“ zu sprechen. Für die Stadt sei das Thema angesichts
eines Ausländeranteils von rund 21 % von aktueller Bedeu-
tung gewesen. Eine die Freiheit der Wahl beeinträchtigende
Beeinflussung der Wähler liege nicht vor.
Soweit der Einspruchsführer die Amtsführung des Kreis-
wahlleiters des Wahlkreises Esslingen beanstande, sei da-
rauf hinzuweisen, dass der Landrat als Kreiswahlleiter mit
dem Bewerber der CDU in seinen Funktionen als Regional-
rat, Kreisrat und Stadtrat auch während der Dauer des Wahl-
kampfes dienstliche Kontakte gehabt habe. Es seien keine
Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kreiswahlleiter seine
Verpflichtung zur unparteiischen Wahrnehmung seines Am-
tes nicht beachtet habe. Eine öffentliche Kandidatenvorstel-
lung durch den Kreiswahlleiter habe nicht stattgefunden.
Soweit der Einspruchsführer eine Bevorzugung des Wahl-
kreisbewerbers der CDU in Bezug auf öffentliche Tagesver-
anstaltungen des Landkreises geltend mache, so gehe es ihm
offenbar um eine Radtour am 29. August 2002, zu der die
Mitglieder des Kreistages, die Presse und Bürgermeister
eingeladen worden seien. Der Wahlkreisbewerber der CDU,
der auch Kreisrat sei, habe sich ebenfalls angemeldet. In der
Esslinger Zeitung habe der Bundestagskandidat zu der Rad-
tour eingeladen und auf Themen hingewiesen, über die habe
informiert werden sollen. Der Kreiswahlleiter habe darauf
hingewiesen, dass die Veranstaltung nicht in der Eigen-
schaft als Wahlbewerber angeboten werden dürfe. Es sei zu-
gesagt worden, dass die Terminankündigung widerrufen
werde; der Bewerber habe an der Fahrt nicht teilgenommen.
Zum Vorbringen bezüglich des Bewerbers Cem Özdemir im
Wahlkreis 266 (Ludwigsburg) wird ausgeführt, dass der Be-
werber auf dem Kreiswahlvorschlag der Partei BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN kandidiert habe. Er sei auch an sechster
Stelle Bewerber auf der Landesliste der Partei gewesen. Am
26. Juli 2002 seien die Wahlvorschläge sowohl vom Kreis-
wahlausschuss als auch vom Landeswahlausschuss zugelas-
sen worden (§§ 26 und 28 Bundeswahlgesetz – BWG).
Nach der Zulassung habe der Bewerber über die Presse die
Erklärung abgegeben, für den kommenden Bundestag nicht
zur Verfügung zu stehen. Diese Erklärung habe wahlrecht-
lich keine Bedeutung, da die Zustimmungserklärung des
Bewerbers zur Kandidatur gemäß § 20 Abs. 1 BWG unwi-
derruflich sei. Kreiswahlvorschläge und Landeslisten könn-
ten nach Ablauf der Einreichungsfrist (18. Juli 2002) nur
durch gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrauens-
personen und nur dann geändert werden, wenn der Bewer-
ber sterbe oder die Wählbarkeit verliere. Nach der Zulas-
sung sei gemäß § 24 und § 27 Abs. 5 BWG jede Änderung
ausgeschlossen. Damit sei der Bewerber auch auf den amtli-
chen Stimmzettel für den Wahlkreis aufzunehmen gewesen
(§ 30 Abs. 2 Nr. 1 BWG). Der Bewerber sei über die Lan-
desliste gewählt worden, habe aber die Annahme des Man-
dats gemäß § 42 Abs. 3 BWG abgelehnt. Für ihn sei gemäß
§ 48 Abs. 1 BWG der betreffende Listennachfolger berufen
worden. Die Erklärung des Bewerbers sei Gegenstand der
Wahlkampfaktivitäten im Wahlkreis gewesen. Dies sei aber
nicht zu bewerten; ein Wahlfehler der Wahlorganisation
liege nicht vor.
Bezüglich der vom Einspruchsführer geltend gemachten
Verletzung des Wahlgeheimnisses wird in der Stellung-

nahme darauf hingewiesen, dass durch die im Rahmen des
Fünfzehnten Gesetzes des Bundeswahlgesetzes vom
27. April 2001 (BGBl. I S. 698) vorgenommene Änderung
des § 34 BWG der Wahlumschlag bei der persönlichen
Stimmabgabe im Wahllokal abgeschafft worden sei. Dafür
seien Wünsche der Wahlpraxis nach Vereinfachung der
Stimmabgabe, Einsparung von Kosten bzw. Materialredu-
zierung und Zeitersparnis bei der Stimmenauszählung maß-
gebend. Damit sei auch eine Anpassung an die zahlreichen
Länder erfolgt, die auf den Wahlumschlag bei Landtags-
oder Kommunalwahlen bereits verzichtet hätten. Wahlum-
schläge seien nicht zwingend zur Gewährleistung einer ge-
heimen Stimmabgabe erforderlich, sofern den Anforderun-
gen genüge getan sei, die sich aus dem Verfassungsgrund-
satz der geheimen Wahl ergäben.
Bei der Stimmabgabe mit Stimmzetteln habe der Wähler
den Stimmzettel in der Weise zu falten, dass seine Stimm-
abgabe nicht erkennbar sei und ihn in die Wahlurne zu wer-
fen (§ 34 Abs. 2 Satz 2 BWG). Durch die Siebte Verord-
nung zur Änderung der Bundeswahlordnung vom 12. Fe-
bruar 2002 (BGBl. I S. 620) sei als Folgeänderung in § 45
Abs. 1 Satz 2 Bundeswahlordnung (BWO) festgelegt wor-
den, dass das Papier des Stimmzettels so beschaffen sein
müsse, dass nach Kennzeichnung und Faltung durch den
Wähler andere Personen nicht erkennen könnten, wie er ge-
wählt habe. In § 56 Abs. 2 BWO werde bestimmt, dass der
Wähler den Stimmzettel in der Wahlzelle in der Weise zu
falten habe, dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar sei.
Der Wahlvorstand habe gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 5 BWO
einen Wähler zurückzuweisen, der seinen Stimmzettel so
gefaltet habe, dass seine Stimmabgabe erkennbar sei. Die
genaue Art der Faltung sei gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Diese Bestimmungen genügten dem Gebot der geheimen
Wahl, weil jeder Wähler sein Wahlrecht so ausüben könne,
dass andere Personen keine Kenntnis von seiner Wahlein-
scheidung erhielten. Der Gesetzgeber dürfe es nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von Ver-
fassungs wegen dem Wahlberechtigten überlassen, in sei-
nem Bereich selbst für Wahrung des Wahlgeheimnisses und
der Wahlfreiheit Sorge zu tragen, wenn und soweit ihm dies
ohne Schwierigkeiten möglich und zuzumuten sei.
In einer Besprechung des Bundeswahlleiters mit den Lan-
deswahlleitern und dem Bundesministerium des Innern am
28. Februar 2002 habe Übereinstimmung bestanden, dass
eine gewisse Papierstärke zur Gewährleistung des Wahlge-
heimnisses erforderlich sei. Entsprechend der Praxis im
Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sei vom Bundes-
wahlleiter folgende Papierqualität empfohlen worden: weiß,
holzfrei, Offset, 80 g/qm, 1,3faches Volumen. Diese Emp-
fehlung sei in Ziffer 3.9 der Gemeinsamen Verwaltungsvor-
schrift des Landeswahlleiters und des Innenministeriums
Baden-Württemberg über die Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Bundestagswahl 2002 vom 23. Mai 2002 (GABl.,
S. 431) übernommen worden. Der Bundeswahlleiter habe
am 30. Juli 2002 entsprechend der Praxis in Rheinland-
Pfalz noch folgende Papierqualität empfohlen: Offset, aus
100 % Altpapier, matt, matiniert, weiß, 80 g/qm.
Der Kreiswahlleiter des Wahlkreises habe die Stimmzettel
der erstgenannten Empfehlung beschafft (§ 88 Abs. 1 Nr. 8
BWO), wobei dem Wahlprüfungsausschuss ein Muster vor-
liegt. Die Wahlhelfer der Stadt Kornwestheim seien über die

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/2400

Neuregelung informiert worden. Der in dem Presseartikel
genannte Stadtrat sei Wahlvorsteher des Wahlvorstandes im
Wahlbezirk 9 gewesen. In der öffentlichen Sitzung des Ver-
waltungs- und Finanzausschusses der Stadt Kornwestheim
am 26. September 2002 habe er sich dafür ausgesprochen,
bei der nächsten Bundestagswahl wieder Wahlumschläge
einzuführen oder zumindest dickeres Papier für die Stimm-
zettel und eine andere Falzung zu verwenden. Die Stadt
Kornwestheim habe darauf hingewiesen, dass auch in ande-
ren Wahllokalen Dicke und Falzung der Stimmzettel be-
mängelt worden seien, ohne dass es zu Problemen gekom-
men sei. Ob der Wahlvorsteher nach dem Presseartikel vom
28. September 2002 tatsächlich habe erkennen können, wie
Wähler abgestimmt hätten, lasse sich nicht mehr einschät-
zen. Ob in dem fraglichen Wahlbezirk der Wahlvorstand
einzelne Wähler hätte zurückweisen müssen, könne dahin-
stehen. Ein mandatsrelevanter Wahlfehler liege nicht vor.
Nach den Erfahrungsberichten der Gemeinden in Baden-
Württemberg sei die Resonanz auf den Wegfall der Wahl-
umschläge sowohl bei den Gemeinden als auch bei den
Wählern grundlegend positiv gewesen. Nach § 45 Satz 1
BWO habe ein Stimmzettel aus weißem oder weißlichem
Papier zu sein. Ein grauer Stimmzettel bzw. ein höhere An-
teil an Recyclingpapier wäre nach Ansicht der Landeswahl-
leiterin von Vorteil.
Soweit das Wahltipp-Gewinnspiel im Landkreis Ludwigs-
burg angesprochen werde, sei darauf hinzuweisen, dass
nach dem Wahlprospekt Interessierte aufgefordert worden
seien, den Wahlsieger der Bundestagswahl zu tippen, um
eventuell bei einem richtigen Tipp einen Preis zu erhalten.
Eine Einflussnahme, nicht oder in einem bestimmten Sinne
zu wählen, sei damit erkennbar nicht verbunden gewesen.
Eine Wählerbestechung bzw. ein die Wahlfreiheit berühren-
der Wahlfehler liege nicht vor.
Zu der vom Einspruchsführer beanstandeten Pressemittei-
lung des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg im
Internet teilt die Landeswahlleiterin mit, die Pressestelle der
Landesregierung habe am 20. September 2002 folgende
Pressemitteilung zu den Äußerungen der ehemaligen Bun-
desjustizministerin unter der Überschrift „Teufel fordert
Rücktritt von Däubler-Gmelin“ abgegeben:
„ ,Erst isoliert die Bundesregierung Deutschland internatio-
nal durch ihre Wahlkampfmanöver in Sachen Irak, jetzt be-
leidigt die Bundesjustizministerin den amerikanischen Prä-
sidenten aufs Übelste. Wenn diese Bundesregierung außer
an eigene Profilierungssucht nur noch einen Funken an die
Interessen Deutschlands denkt, ist der Rücktritt der Justiz-
ministerin und eine förmliche Entschuldigung des Bundes-
kanzlers bei Präsident Bush der einzige Weg, weiteren
ernsthaften außenpolitischen Flurschaden zu vermeiden. Ich
fordere daher Frau Däubler-Gmelin auf, noch heute ihren
Rücktritt selbst einzureichen. Es ist nämlich zu bezweifeln,
dass der Bundeskanzler die Kraft zu ihrer Entlassung hat‘‚
sagt Erwin Teufel.
Dass Frau Däubler-Gmelin jetzt auch noch versuche, den
schwarzen Peter Journalisten des Schwäbischen Tagblattes
zuzuschieben, indem sie diese der Lüge bezichtige, sei nicht
nur strafrechtlich relevant, sondern mache sie schlichtweg
untragbar für ein öffentliches Amt. ‚Ich kann gut verstehen,
dass der Chefredakteur des Tagblattes keinen anderen Aus-
weg sieht, als die Äußerungen der Ministerin öffentlich und

unter Nennung von Zeugen zu korrigieren, um Schaden von
seinen Mitarbeitern und seinem Blatt abzuwenden‘, sagte
der Ministerpräsident.“
Das Staatsministerium begründe diese Äußerungen des Mi-
nisterpräsidenten mit den für ihn in Artikel 48 der Landes-
verfassung festgelegten Pflichten. Nach seinem Amtseid
habe der Ministerpräsident die Pflicht, Schaden von Baden-
Württemberg und seiner Bevölkerung abzuwenden. Dazu
gehöre auch die Abwendung von Schaden für in Baden-
Württemberg beheimatete Wirtschaftsunternehmen. Kern-
branchen der baden-württembergischen Wirtschaft seien zu
einem entscheidenden Teil exportabhängig; eines der
Hauptexportländer seien die Vereinigten Staaten von Ame-
rika. Angesichts des größer werdenden internationalen
Standortwettbewerbs seien möglichst gute Beziehungen zu
Wirtschaftspartnern entscheidend. Nach Auffassung des
Staatsministeriums Baden-Württemberg sei es nicht auszu-
schließen, dass die Äußerungen der damaligen Bundesjus-
tizministerin die Beziehungen zur Regierung und zu Wirt-
schaftsunternehmen in den USA belasteten und zu negati-
ven ökonomischen Folgen führten. Hierzu werde auf den
Artikel „Zerwürfnis mit Amerika belastet die Unterneh-
men“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Fe-
bruar 2002 und auf eine Meldung in Spiegel-Online mit
dem Titel „Deutschland hat Kriegswahrscheinlichkeit er-
höht“ vom 6. Februar 2002 verwiesen.
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg habe den
Wahlkampfauftritt beim Kreisverband der CDU Esslingen
am 13. September 2002 um 20.00 Uhr in der Stadthalle in
Plochingen in seiner Eigenschaft als Landesvorsitzender der
CDU Baden-Württemberg wahrgenommen. Ein Zusam-
menhang mit Amtsgeschäften in der Funktion des Minister-
präsidenten sei nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts werde nicht verlangt, dass
sich Regierungsmitglieder jeder politischen Stellungnahme
in den Medien enthielten. Sie könnten außerhalb ihrer amtli-
chen Funktion für eine Partei durch Auftritte oder über die
Medien in den Wahlkampf eingreifen. Eine die Freiheit der
Wahl beeinträchtigende Beeinflussung der Wähler sei nicht
dargetan.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme bekannt ge-
geben worden. Er hat sich hierzu wie folgt geäußert:
Es sei dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg
anzulasten, dass er kurz vor der Bundestagswahl die dama-
lige Bundesjustizministerin zum Rücktritt aufgefordert
habe. Nach der in der Stellungnahme der Landeswahlleite-
rin wiedergegebenen Auffassung des Staatsministeriums
werde die Frage aufgeworfen, ob die Äußerungen der Bun-
desjustizministerin ein Nachteil für das Ansehen Deutsch-
lands gewesen seien oder nicht. Dies spiele jedoch keine
Rolle. Der Ministerpräsident sei für einen solchen „öffentli-
chen außenpolitisch brisanten Einwand“ nicht zuständig.
Aufgrund dieser unzulässigen Einwirkung in den Wahl-
kampf müsse deshalb das Wahlergebnis zu Lasten der CDU
korrigiert werden.
Das Wahltipp-Gewinnspiel im Wahlkreis Ludwigsburg sei
bei objektiver Betrachtung als eine erfolgreiche aktive Wäh-
lerbestechung anzusehen, die von der Landeswahlleitung
längst hätte beanstandet werden müssen. Der Wahlkreiskan-
didat habe sich zu Unrecht mit Leistungen des Bundestages

Drucksache 15/2400 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

bezüglich seiner Einladungen im Zusammenhang mit dem
Gewinnspiel gebrüstet.
In Kornwestheim seien offenbar sämtliche Stimmzettel
falsch vorgefaltet gewesen. Bei Erkennen des Stimmver-
merkes seien die Wahlvorsteher verpflichtet gewesen, den
Stimmzettel im Einzelfall zurückzuweisen und eine erneute
Stimmabgabe unter Wahrung des Wahlgeheimnisses zu er-
möglichen. Der Sachverhalt sei in der Stellungnahme der
Landeswahlleiterin bezüglich seines Umfanges im Wahl-
kreis Ludwigsburg nicht konkret beschrieben worden.
Wegen des weiteren Vortrags des Einspruchsführers in der
Gegenäußerung, in der Einspruchsschrift, in weiteren
Schreiben sowie in den zum Wahleinspruch vorgelegten
Unterlagen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet. Eine Verletzung wahlrechtlicher Vor-
schriften ist aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht er-
sichtlich. Dies gilt sowohl hinsichtlich der einzelnen vom
Einspruchsführer geltend gemachten Gründe sowie hin-
sichtlich einer Gesamtbetrachtung der von ihm behaupteten
Unregelmäßigkeiten.
Soweit der Einspruchsführer die möglicherweise illegale Fi-
nanzierung des von der FDP in Nordrhein-Westfalen ver-
wendeten „Flyers“ beanstandet, so stellt dies keine unzuläs-
sige Wahlbeeinflussung unter Verletzung der Grundsätze
der Freiheit und der Gleichheit der Wahl dar. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine
unzulässige private Wahlbeeinflussung dann vor, wenn pri-
vate Dritte, einschließlich Parteien und einzelnen Kandida-
ten, mit Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahlentschei-
dung beeinflusst haben oder wenn in ähnlich schwer wie-
gender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung einge-
wirkt worden ist, ohne dass eine hinreichende Möglichkeit
der Abwehr, z. B. mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei,
oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwettbe-
werbs, bestanden hätte. Außerhalb dieses Bereichs erhebli-
cher Verletzungen der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl
stellt ein Einwirken von Parteien, einzelnen Wahlbewer-
bern, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen Dritten auf
die Bildung des Wählerwillens kein Verhalten dar, das einen
Wahlfehlertatbestand erfüllte, selbst wenn es als unlauter zu
werten sein oder gegen gesetzliche Bestimmungen versto-
ßen sollte (BVerfGE 103, 111/132 f.).
Das Faltblatt als solches war Bestandteil der Wahlpropa-
ganda und stellt für sich genommen keine unzulässige
Wahlbeeinflussung dar. Es hat – auch unter Berücksichti-
gung seines umstrittenen Inhalts – zulässigerweise auf die
Wählerwillensbildung eingewirkt (vgl. Schreiber, Kommen-
tar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 15). Auch
die Tatsache, dass das Faltblatt möglicherweise illegal
finanziert wurde und vielleicht auch nur deshalb erscheinen
konnte, weil illegale Geldmittel vorhanden waren, führt im

Ergebnis nicht zu einer Verletzung der Grundsätze der
Freiheit und Gleichheit der Wahl. Der möglicherweise er-
folgte Einfluss auf die Willensbildung der Wählerinnen und
Wähler ist nämlich mit Mitteln des Wahlwettbewerbs aus-
geglichen worden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die
Wählerinnen und Wähler in aller Regel in der Lage sind,
Wahlkampfinformationen und Wahlkampfpropaganda von
Parteien richtig einzuschätzen und zu bewerten. Die Wahl-
entscheidung der einzelnen Wählerinnen und Wähler hing
im vorliegenden Fall letztlich nicht davon ab, ob das Falt-
blatt legal oder illegal finanziert war. Entscheidend ist, dass
sowohl Kandidaten anderer Parteien als auch führende Poli-
tiker und Politikerinnen der FDP die Möglichkeit hatten und
auch wahrgenommen haben, öffentlich zum Inhalt des Falt-
blattes Stellung zu nehmen. Das Faltblatt und dessen Inhalt
standen in der Endphase des Wahlkampfes zusammen mit
anderen Themen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses,
so dass diesbezüglich das Für und Wider besonders intensiv
in den Medien erörtert wurde. Soweit die Wählerwillensbil-
dung durch die möglicherweise illegale Finanzierung des
Faltblattes beeinflusst worden sein sollte, so ist sie durch
diesen Wahlwettbewerb in vollem Umfang ausgeglichen
worden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die
Wahlprüfung nicht in erster Linie einer Sanktion von
Rechtsverstößen auf verschiedenen Rechtsgebieten wie
etwa der Parteienfinanzierung dient, sondern der Gewähr-
leistung einer ordnungsgemäßen Zusammensetzung des
Parlaments. Verstöße gegen das Parteiengesetz und gegen
andere Vorschriften werden durch die dort vorgesehenen
Rechtsfolgen in aller Regel hinreichend sanktioniert. Diese
Sanktionen sind auch in dem vom Einspruchsführer vor-
getragenen Fall zur Anwendung gekommen oder werden
geprüft. Würde im Übrigen bereits die illegale Finanzierung
einer Wahlkampfaktion für sich genommen als Wahlfehler
gewertet, so könnte dies zur Folge haben, dass derartige
Wahlmanöver gerade zu dem Zweck durchgeführt würden,
einen späteren Anfechtungsgrund gegen eine Wahl zu
schaffen.
Die vom Einspruchsführer aufgeworfene und in der Wahl-
analyse strittige Frage, ob sich das Faltblatt insgesamt eher
zu Gunsten der FDP oder eher zu ihren Lasten ausgewirkt
hat, kann offen bleiben. Die Frage der Mandatserheblichkeit
wäre nämlich erst zu klären, wenn überhaupt ein Wahlfehler
festgestellt werden könnte.
Die Pressemitteilung des Ministerpräsidenten von Baden-
Württemberg zu den Äußerungen der damaligen Bundesjus-
tizministerin begründet im Ergebnis ebenfalls keine unzu-
lässige Wahlbeeinflussung. Zwar ist die Pressemitteilung
zwei Tage vor der Bundestagswahl in amtlicher Eigenschaft
herausgegeben worden. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass hierdurch nicht mehr als nur unerheblich auf die Bil-
dung des Wählerwillens eingewirkt worden ist.
Den Staatsorganen ist es zum Schutz des Prinzips einer
staatsfreien Willensbildung des Volkes von Verfassungs we-
gen untersagt, bestimmte Wahlvorschlagsträger, z. B. politi-
sche Parteien und deren Wahlbewerber, unter Einsatz staat-
licher Mittel zu unterstützen oder sie zu bekämpfen, um so
die Entscheidung der Wähler zu beeinflussen. Wenn öffent-
liche Organe als solche unter Einsatz öffentlicher Mittel und
Möglichkeiten parteiergreifend zu Gunsten oder zu Lasten
einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/2400

Wahlwettbewerb eingreifen und dadurch in mehr als nur un-
erheblichem Maße auf die Bildung des Wählerwillens ein-
wirken, verletzen sie das Demokratieprinzip, den Grundsatz
der Wahlfreiheit und insbesondere das Recht der politischen
Parteien und sonstiger Wahlvorschlagsträger auf Wettbe-
werbs- und Chancengleichheit bei Wahlen (vgl. Schreiber,
Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 17,
23w; BVerfGE 44, 125/141 ff.; BVerfGE 103, 111/132).
Dieses strikte Neutralitätsgebot hat auch im konkreten Fall
für den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gegol-
ten. Der geleistete Amtseid kann einen Amtsträger nicht
dazu ermächtigen, diesen so zu interpretieren, dass er unter
Verstoß gegen die Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahl-
gleichheit in den Wahlwettbewerb eingreifen dürfte. Die in
amtlicher Eigenschaft erhobene Rücktrittsforderung des
baden-württembergischen Ministerpräsidenten hat sich je-
doch – wenn überhaupt – nur ganz geringfügig auf den
Wahlwettbewerb ausgewirkt. Hierbei ist maßgeblich, dass
über die Angelegenheit eine breite öffentliche Diskussion
gerade auch im Hinblick auf die bevorstehende Bundestags-
wahl stattgefunden hat. Vor diesem Hintergrund ist die
Rücktrittsforderung durch den Umstand, dass sie in amtli-
cher Eigenschaft erfolgt ist, kaum stärker wahrgenommen
worden, als dies der Fall gewesen wäre, wenn sie – in zuläs-
siger Weise – in der Funktion als Vorsitzender der baden-
württembergischen CDU erhoben worden wäre.
Ein Wahlfehler liegt auch nicht vor, soweit der Einspruchs-
führer den angeblichen Einsatz von Mitteln der Fraktionen
des Gemeinderats, die Freistellung von Wahlbewerbern im
Wahlkampf, das Verlangen einer Kaution für einen Wahl-
plakatständer sowie eine unterschiedliche Praxis bei Wahl-
bekanntmachungen in den Mitteilungsblättern der Wahl-
kreisgemeinden beanstandet. Insoweit wird auf die Ausfüh-
rungen in der Stellungnahme der Landeswahlleiterin Bezug
genommen, denen vom Einspruchsführer in diesen Punkten
nicht widersprochen worden ist. Für eine Verletzung des
Grundsatzes der Chancengleichheit gegenüber dem Ein-
spruchsführer als Wahlbewerber bestehen keine Anhalts-
punkte.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung liegt auch nicht auf-
grund der Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten im
Wahlkampf vor. Hierbei mag es zutreffen, dass der Ein-
spruchsführer negativ dargestellt worden ist, indem auf die
Veröffentlichung seines Passbildes verzichtet worden ist
und auf dessen erfolgreiche Wahlanfechtung der Oberbür-
germeisterwahl in Esslingen kritisch hingewiesen worden
ist. Dies ist jedoch durch die Pressefreiheit gerade auch im
Wahlkampf gedeckt. Die Pressefreiheit umfasst die Freiheit,
die Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflusst zu bestim-
men und zu verwirklichen. Bei der Gestaltung des redaktio-
nellen Teiles ist die von privater Hand betriebene Presse
hinsichtlich der Auswahl der Nachrichten und der Verbrei-
tung von Meinungen grundsätzlich frei (Schreiber, Kom-
mentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 1 Rn. 23k).
Der Wahlkampfauftritt des Ministerpräsidenten von Baden-
Württemberg beim Kreisverband der CDU Esslingen, wei-
tere Wahlkampfauftritte von Landesministern, der Auftritt
des damaligen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich
Merz sowie der vom Einspruchsführer angeführte sog. Ess-
linger „Schwörtag“ stellen ebenfalls keine unzulässige
Wahlbeeinflussung dar. Der Einspruchsführer geht zu Un-

recht davon aus, dass es Amtsträgern generell nicht erlaubt
sei, am Wahlkampf teilzunehmen und hierbei Kreiswahlbe-
werber zu unterstützen. Von Regierungsmitgliedern und an-
deren Amtsträgern wird jedoch nicht verlangt, dass sie sich
jeder politischen Stellungnahme in den Medien enthalten.
Sie können außerhalb ihrer amtlichen Funktion für eine Par-
tei durch Auftritte oder über die Medien in den Wahlkampf
eingreifen (vgl. Schreiber, Kommentar zum Bundeswahlge-
setz, 7. Auflage, § 1 Rn. 23w). Bei den vom Einspruchsfüh-
rer angeführten Sachverhalten sind keine konkreten An-
haltspunkte für eine unzulässige Wahlbeeinflussung zu er-
kennen. Dies gilt auch für die Tradition des „Esslinger
Schwörtages“. Wenn der Vorsitzende der CDU-Gemeinde-
ratsfraktion, der zugleich Wahlkreisbewerber war, über zwei
Monate vor dem Wahltermin turnusgemäß die diesbezügli-
che „Vereidigung“ der Gemeinderatsmitglieder vorgenom-
men hat, so ist eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit
anderer Wahlkreisbewerber nicht zu erkennen.
Soweit der Einspruchsführer u. a. dem Kreiswahlleiter un-
zulässige Eingriffe in den Wahlkampf zu Gunsten des Wahl-
kreisbewerbers der CDU vorwirft und sich gegen eine
angebliche Teilnahme des CDU-Wahlkreisbewerbers an
Tagesveranstaltungen wendet, so bestehen keine Anhalts-
punkte für einen Wahlfehler. Insoweit wird auf die den
Sachverhalt aufklärenden Ausführungen in der Stellung-
nahme der Landeswahlleiterin verwiesen, denen der Ein-
spruchsführer nicht widersprochen hat.
Des Weiteren ist das vom CDU-Wahlkreisbewerber in Lud-
wigsburg durchgeführte Gewinnspiel aus wahlprüfungs-
rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, da dieses als Wahl-
werbung zulässig gewesen ist. Eine unzulässige Beeinträch-
tigung des Wahlwettbewerbs oder gar – wie der Einspruchs-
führer meint – eine „Wählerbestechung“ ist in dem
Gewinnspiel nicht zu sehen.
Eine Verletzung von Wahlrechtsvorschriften liegt auch nicht
deshalb vor, weil der Bewerber Cem Özdemir im Wahlkreis
Ludwigsburg auf dem Kreiswahlvorschlag von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie als Landeslistenbewerber auf allen
Stimmzetteln des Landes stand. Auf die zutreffenden Aus-
führungen in der Stellungnahme der Landeswahlleiterin
wird verwiesen.
Schließlich liegt auch kein Wahlfehler vor, soweit der Ein-
spruchsführer den Verzicht auf amtliche Wahlumschläge
durch den Gesetzgeber und eine Verletzung des Wahlge-
heimnisses in einem Wahllokal in Kornwestheim beanstan-
det. Soweit der Einspruchsführer in dem Verzicht auf amt-
liche Wahlumschläge durch den Gesetzgeber einen Verstoß
gegen die Grundsätze der geheimen und freienWahl sieht, ist
auf die ständige Praxis des Bundestages und des Wahlprü-
fungsausschusses zu verweisen, wonach diese sich nicht be-
rufen sehen, die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvor-
schriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden. Unabhängig davon
bestehen jedoch keine Zweifel daran, dass der Verzicht auf
amtlicheWahlumschläge bei der Urnenwahl sich imRahmen
des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bewegt und so-
mit verfassungsgemäß ist. Hierbei ist die Erwägungmaßgeb-
lich, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen denWahl-
berechtigten zur Wahrung des Wahlgeheimnisses eine ge-
wisse Mitwirkung auferlegen darf, wenn und soweit ihnen
das ohne Schwierigkeiten möglich und zumutbar ist

Drucksache 15/2400 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

(BVerfGE 59, 116/126; BVerwG, 8 B 147/96, Buchholz 160
Wahlrecht Nr. 62).
Bei der Durchführung der Wahl ist in dem vom Einspruchs-
führer angeführten Wahllokal in Kornwestheim nicht gegen
wahlrechtlicheVorschriften verstoßen worden, die dasWahl-
geheimnis und die Wahlfreiheit in Bezug auf die Stimm-
abgabe bei der Urnenwahl schützen. Nach Überzeugung des
Bundestages und desWahlprüfungsausschusses war die vom
Bundeswahlleiter empfohlene und verwendete Papierqualität
jedenfalls bei doppelter Faltung des Stimmzettels auch in hel-
len Räumen grundsätzlich ausreichend, um die Wahrung des
Wahlgeheimnisses und der Wahlfreiheit zu gewährleisten.
Auch der in Kornwestheim verwendete Stimmzettel ent-
spricht den Vorgaben des § 45 Abs. 1 Satz 2 BWO, wonach
das Papier so beschaffen sein muss, dass nach Kennzeich-
nung und Faltung durch den Wähler andere Personen nicht
erkennen können, wie er gewählt hat. Hierfür spricht auch die
weitgehende Akzeptanz des Verzichts auf Wahlumschläge
bei den Wählerinnen und Wählern. Angesichts der großen
Zahl von Stimmzetteln in einem Wahllokal ist auch die Ge-
fahr nicht gegeben, Mitglieder des Wahlvorstandes könnten
sich besonders stark gefaltete Stimmzettel merken und später
diese Stimmzettel den betreffenden Wählern zuordnen. Die
Tatsache, dass die Stimmzettel in Kornwestheim möglicher-
weise so vorgefaltet waren, dass der Text darauf erkennbar
war, begründet ebenfalls keine Verletzung des Wahlgeheim-
nisses. Es war den Wählerinnen und Wählern ohne Weiteres
zumutbar, den Stimmzettel so zu falten, dass dieBeschriftung
nicht mehr erkennbar war.
Sollte es im Einzelfall einmal nicht gelungen sein, das
Stimmverhalten vor einer möglichen Kenntniserlangung
durch den Wahlvorstand zu bewahren, führt dies nicht zur
Ungültigkeit der Bundestagswahl. Da nicht mehr feststell-
bar ist, ob und ggf. in wie vielen Fällen Derartiges gesche-
hen sein könnte, kann nicht von einer Auswirkung auf das
Ergebnis der Bundestagswahl ausgegangen werden. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
der sich der Wahlprüfungsausschuss und der Bundestag
stets angeschlossen haben, können nämlich nur solche
Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen, die

auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten
sein können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von
vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlung des
Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370/372
ständige Rechtsprechung). Selbst solche Wahlfehler, die die
Ermittlung des Wahlergebnisses betreffen, sind dann uner-
heblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses kei-
nen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können.
Es lässt sich auch nicht mehr feststellen, ob im Einzelfall
die Zurückweisungsvorschrift des § 56 Abs. 6 Nr. 5 BWO
in Verbindung mit § 56 Abs. 8 BWO – wie vom Einspruchs-
führer vermutet – falsch angewandt worden ist. Nachdem
eine Zurückweisung nicht erfolgt ist und eine Verletzung
des Wahlgeheimnisses in konkreten Einzelfällen nicht fest-
zustellen ist, sind die abgegeben Stimmen als gültig anzu-
sehen.
Soweit sich der Einspruchsführer für eine Wiedereinfüh-
rung der amtlichen Wahlumschläge ausspricht, so ist eine
solche Änderung nicht Gegenstand dieses Wahlprüfungs-
verfahrens. Allerdings sieht es der Wahlprüfungsausschuss
entsprechend seiner ständigen Praxis als seine Aufgabe an,
auf der Grundlage der vorliegenden Wahleinsprüche die
dem Bundesgesetzgeber obliegende Beobachtungs- und
ggf. Nachbesserungspflicht (BVerfGE 59, 119/127) auch in
Bezug auf die Sicherung des Wahlgeheimnisses zu unter-
stützen. Erwartet wird daher, dass bei der Herstellung von
Stimmzetteln eine Papierqualität gewählt wird, die die Mar-
kierungen auf den Stimmzetteln abdeckt.
Schließlich führt auch die vom Einspruchsführer geltend ge-
machte Gesamtbetrachtung der von ihm angeführten Unre-
gelmäßigkeiten nicht zur Ungültigkeit der Bundestagswahl.
Die angeführten Einspruchsgründe lassen nicht darauf
schließen, dass die Wahlvorbereitung oder die Wahldurch-
führung in den Wahlkreisen Ludwigsburg und Esslingen so-
wie im Bundesgebiet insgesamt irrregulär verlaufen wären.
Allein die Tatsache, dass das Wahlergebnis knapp war, lässt
eine solche Schlussfolgerung nicht zu.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/2400

Anlage 9

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn J. T., 46459 Rees

– Az.: WP 131/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 11. November 2002, das am 19. November 2002 im
Büro des Bundeswahlleiters eingegangen ist, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag eingelegt. Dieses Schreiben ist an
den Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und ist dort
am 22. November 2002 eingegangen.
Der Einspruchsführer nahm als Einzelkandidat im Wahl-
kreis 127 (Borken) an der Bundestagswahl 2002 teil und
verfolgte hierbei das Ziel, ein „besseres Müllkonzept“
durchzusetzen. Er trat im Wahlkampf unter einer eigenen
Systemmarke für sein Müllkonzept auf und sieht sich so-
wohl wirtschaftlich als auch politisch in Konkurrenz zum
„Dualen System Deutschland“ (DSD).
Zur Begründung seines Wahleinspruchs führt er an, dass
durch „Ungesetzlichkeiten“ der im Bundestag vertretenen
Parteien und deren Mandatsträger die Wahl zum Bundestag
beeinträchtigt gewesen sei. So hätten sich die „genannten
Akteure“ durch strafbare Handlungen bei der Herbeifüh-
rung von Gesetzen und Verordnungen zur Vermeidung von
Verpackungsabfällen dauerhaft seit 1993 rechtswidrige Ver-
mögensvorteile verschafft. Mit diesen Vermögensvorteilen
hätten sie die politische Willensbildung und damit den
Wahlwettbewerb beeinflusst. Durch diese „strafbaren und
ordnungswidrigen Handlungen“ hätten die „politischen
Wettbewerber“ des Einspruchsführers „über sittenwidrig
unerschöpfliche Geldquellen“ verfügt und damit den Wahl-
kampf in erheblichem Maße beeinflusst. Die „politischen
Gegner hätten damit ihr „Parteienfinanzierungssystem“ so
stark stabilisiert, dass der Einspruchsführer als Einzelkandi-
dat im Wahlkreis 127 nicht die Möglichkeit gehabt habe, als
Direktkandidat gewählt zu werden.
Die Betreiber des „Dualen Systems Deutschland“ (DSD)
hätten „gegen Zahlung von Parteispenden“ unrichtige
„DSD-Geschäftsbilanzen“ als Bemessungsgrundlage für die
Berechnung von Recycling- und Mehrwegquoten verwen-
det. So sei als Abfallmenge lediglich 180 Milliarden Stück
anstatt der tatsächlichen einen Billion Stück angegeben
worden. Dadurch hätten die „DSD-beherrschenden Han-
delsfilialisten“ einen finanziellen Vorteil in Höhe von
75 Milliarden Euro erwirtschaftet. Mit Hilfe einfacher Bi-

lanzierungstricks seien die Abfallbilanzen im „DSD-Gebüh-
renwert“ in Höhe von 20 Milliarden Euro „verschwindelt“
worden, um auf diese Weise einen „schwunghaften Handel
mit DSD-Lizenzen“ betreiben zu können. Dabei seien von
den Politikern kommunale Abfallwirtschafts- und Straßen-
reinigungsbetriebe als „Geldwaschanlage für die illegale
Verwendung des Zeichens Grüner Punkt“ dauerhaft zur Ver-
fügung gestellt worden. Die Politiker im Deutschen Bun-
destag hätten sich im „DSD-Kuratorium“ zusammenge-
schlossen, um die „DSD-Handelsfilialisten“ beim Eintritt in
internationale Handelsmärkte „provisionsgerecht“ zu unter-
stützen. Zur Darstellung seines Vortrags verweist er auf die
der Einspruchsschrift beigefügten Presseartikel.
Mit weiteren Zuschriften, die am 25. November 2002, am
4. Dezember 2002, am 16. Januar 2003 und am 27. Januar
2003 beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen sind, hat
der Einspruchsführer zur Darstellung seines Vortrags wei-
tere Presseartikel und umfangreiche Dokumentationen von
Gerichtsverfahren und von Schriftwechseln, die er mit dem
Bundesumweltministerium und anderen Stellen geführt hat,
vorgelegt. Hierzu wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.
Wegen Wahlbeeinträchtigung hat der Einspruchsführer am
10. November 2002 beim Verwaltungsgericht Münster
Klage erhoben (Az: 1 K 3437/02). Das Klageverfahren ist
mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom
28. November 2002 eingestellt worden, weil der Ein-
spruchsführer seine Klage zurückgenommen hat.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist fristgerecht beim Deutschen Bundestag
eingegangen. Er ist unzulässig, weil er keine gemäß § 2
Abs. 3 WPrüfG erforderliche Begründung enthält.
Der Wahlprüfungsausschuss sieht sich mangels eines hinrei-
chend bestimmten Anfechtungsgegenstandes an einer nähe-
ren Prüfung gehindert. Denn die Wahlprüfung findet weder

Drucksache 15/2400 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Gestalt einer
Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr erfolgt nach
§ 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Ein-
spruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss min-
destens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tat-
sachen enthalten (BVerfGE 40, 11/30).
Der Einspruch enthält keinen substantiierten Vortrag, der ei-
nen wahlrechtlich relevanten Bezug erkennen ließe. Zwar
möchte der Einspruchsführer geltend machen, dass die Bun-
destagswahl 2002 in unzulässiger Weise beeinflusst worden
sei. Insoweit reicht es jedoch nicht aus, in allgemeiner Form
einen Verstoß gegen die Grundsätze der Wahlfreiheit und
der Wahlgleichheit geltend zu machen. Vielmehr ist ein
konkreter, unmissverständlicher und hinreichend substanti-
ierter Tatsachenvortrag notwendig, aus dem sich schlüssig
entnehmen lässt, worin ein Verstoß gegen Wahlrechtsvor-
schriften oder Wahlrechtsgrundsätze liegen soll, und der die
Nachprüfung rechtserheblicher Tatsachen zulässt (Schrei-
ber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 49
Rn. 17).
Der Einspruchsführer wendet sich lediglich in allgemeiner
Form gegen Parteien und Mandatsträger, denen er die Bege-
hung nicht näher konkretisierter Straftaten sowie die Betei-
ligung am Erlass von Gesetzen und Verordnungen im Zu-
sammenhang mit der Abfallentsorgung vorhält. Sein Hin-
weis auf eine angebliche daraus resultierende Stabilisierung
des Parteienfinanzierungssystems ist zu unkonkret, um eine
Überprüfung auf einen bestimmten Wahlfehler hin zu er-
möglichen.
Auch soweit sich der Einspruchsführer gegen Praktiken des
Dualen Systems Deutschland wendet, fehlt es an der schlüs-
sigen Darlegung eines Wahlfehlers, weil ein nachvollzieh-
barer Zusammenhang mit dem Ergebnis der Bundestags-
wahl nicht erkennbar ist. Schließlich ist auch die Zielset-
zung des Einspruchsführers, ein besseres Müllkonzept
durchzusetzen, nicht geeignet, einen Wahlfehler schlüssig
zu begründen.
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/2400

Anlage 10

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn T. F., 63654 Büdingen

– Az.: WP 73/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Telefax vom 22. November 2002 hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
15. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, dass es zu „erheblichen Unre-
gelmäßigkeiten“ bei der Bundestagswahl im Wahllokal sei-
nes Wahlbezirks Büdingen (Wahlkreis 178 – Wetteraukreis)
gekommen sei. Er beanstandet, dass
– sich in unmittelbarer Nähe zum Wahllokal ein Wahlpla-

kat befunden habe,
– im Wahllokal Identitätskontrollen nicht durchgeführt

worden seien,
– durch die Art der Platzierung der Wahlkabinen im Wahl-

lokal der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt worden
sei und

– die Wahlurne eine nicht versiegelte Mülltonne gewesen
sei.

Der Einspruchsführer trägt vor, dass durch die Aufstellung
eines Wahlplakates der SPD mit einem Bild von Bundes-
kanzler Gerhard Schröder in unmittelbarer Nähe des Ein-
gangs „auf den unmittelbaren Zugang“ zum Wahllokal eine
unbeeinflusste Stimmabgabe nicht möglich gewesen und
dadurch der freie Wählerwille beeinträchtigt worden sei.
Er beanstandet, dass neben der Vorlage der Wahlbenach-
richtigungskarten keine weiteren Identitätskontrollen statt-
gefunden hätten. So sei kein Wahlberechtigter um Vorlage
des Personalausweises gebeten worden. Hätte sich ein
Wahlberechtigter im Besitz verschiedener Wahlbenachrich-
tigungskarten befunden, so hätte er möglicherweise mehr-
mals an der Wahl teilnehmen können.
Der Einspruchsführer bemängelt weiterhin, dass die Wahl-
kabinen auf einem Tisch nebeneinander platziert und nicht
auf mehreren Tischen einzeln aufgestellt worden seien. Zur
Stimmabgabe hätten die Wahlberechtigten „immer hinter
den Stimmabgebenden entlanggehen“ müssen und dadurch
das Wahlverhalten anderer Wählerinnen und Wähler in den
Wahlkabinen wahrnehmen können. Der Grundsatz der ge-
heimen Wahl sei somit verletzt.
Zu diesem Wahleinspruch hat der Kreiswahlleiter fol-
gende Stellungnahme unter Bezugnahme auf eine vom

Magistrat der Stadt Büdingen eingeholte Stellungnahme
abgegeben:
Zum Vortrag des Einspruchsführers hinsichtlich der aufge-
stellten Wahlplakate seien die Mitglieder des Wahlvorstan-
des des betreffenden Wahllokals befragt worden. Die Befra-
gung habe ergeben, dass weder im unmittelbaren Eingangs-
bereich noch im Umkreis von 20 Metern um den Eingang
des Gebäudes, in dem das Wahllokal eingerichtet gewesen
sei, Wahlplakate aufgestellt worden seien oder ähnliche
Wahlwerbung vorhanden gewesen sei. Der Stellungnahme
ist eine Planskizze beigefügt.
Zum Vortrag bezüglich der nicht durchgeführten Identitäts-
kontrollen wird ausgeführt, dass auf die Kontrolle der Aus-
weise bei den Wählern verzichtet worden sei, bei denen
keine Zweifel über deren Identität bestanden habe. Da die
Mitglieder des Wahlvorstandes überwiegend aus dem Wahl-
bezirk herangezogen worden seien, seien ihnen die meisten
Wahlberechtigten in diesem Wahllokal „zumindest vom Se-
hen her“ bekannt gewesen. Im Übrigen habe der Landes-
wahlleiter den Einspruchsführer anlässlich eines per E-Mail
geführten Schriftwechsels darauf hingewiesen, dass eine
über die Vorlage der Wahlbenachrichtigungskarte hinausge-
hende Identitätskontrolle lediglich aufgrund einer Kann-
Vorschrift der Bundeswahlordnung erfolge. Diese Vorschrift
sehe vor, dass sich der Wahlvorstand einen Ausweis vorle-
gen lassen könne, wenn Zweifel an der Identität des Wahl-
berechtigten bestünden.
In Bezug auf die Anordnung der Wahlkabinen treffe es nicht
zu, dass die Wahlkabinen auf einem einzigen Tisch aufge-
stellt gewesen seien. Es habe sich hierbei um mehrere in
einer Reihe aufgestellte Tische mit je einer Wahlkabine
gehandelt. Bei der Breite der Wahlkabinen von jeweils
60 Zentimetern könne ausgeschlossen werden, dass im Vor-
beigehen ein Wahlberechtigter das Wahlverhalten eines an-
deren Wählers habe wahrnehmen können. Auch sei der Ein-
blick von einer Wahlkabine in eine benachbarte Wahlkabine
nicht möglich gewesen, da die Wahlkabinen in einem Ab-
stand von je 80 Zentimetern aufgestellt gewesen seien. Der
Stellungnahme ist eine Skizze über den Aufbau der Wahl-
kabinen im Wahllokal beigefügt.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme zur Kennt-
nis gegeben worden. Er hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

Drucksache 15/2400 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu der Beanstandung der Wahlurnen durch den Einspruchs-
führer ist keine Stellungnahme eingeholt worden.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Soweit der Ein-
spruchsführer geltend macht, aufgrund eines in unmittelba-
rer Nähe des Wahllokals befindlichen Wahlplakates sei eine
unbeeinflusste Stimmabgabe nicht möglich gewesen, liegt
ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Bundes-
wahlgesetz (BWG) nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind
während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich
der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang
zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch
Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriften-
sammlung verboten. Der Einspruchsführer mag sich auf
dem Weg zum Wahllokal durch ein Wahlplakat gestört ge-
fühlt haben. Von einer unzulässigen Beeinflussung im Sinne
des § 32 Abs. 1 BWG ist nach den Darlegungen in der Stel-
lungnahme des Kreiswahlleiters, denen der Einspruchsfüh-
rer nicht widersprochen hat, nicht auszugehen. Daraus geht
hervor, dass sich im Umkreis von 20 Metern um den Ein-
gang des Gebäudes keine Wahlplakate befanden. Somit ist
ein „nicht antastbarer Sperrbereich“ um den Zugang des
Wahllokals auf jeden Fall eingehalten worden (vgl. Schrei-
ber, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 32
Rn. 1). Aufgrund des Vortrags des Einspruchsführers sind
auch keine besonderen Umstände erkennbar, die auf eine
Beeinflussung der Wähler im Umfeld des Wahllokals in Bü-
dingen schließen lassen könnten.
Soweit sich der Einspruchsführer dagegen wendet, dass in
dem Wahllokal die Wählerinnen und Wähler weder um Vor-
lage des Personalausweises noch des Reisepasses gebeten
worden seien, so handelt es sich hierbei nicht um einen
Wahlfehler. Vielmehr entspricht diese Verfahrensweise –
wie dies dem Einspruchsführer vom hessischen Landes-
wahlleiter bereits mitgeteilt worden ist – dem geltenden
Recht. Nach § 56 Abs. 3 Bundeswahlordnung (BWO) gibt
der Wähler am Tisch des Wahlvorstands seine Wahlbenach-
richtigung ab. Auf Verlangen, insbesondere wenn er seine
Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt, hat es sich über seine
Person auszuweisen. Ist der Name des Wählers im Wähler-
verzeichnis aufgeführt und die Wahlberechtigung festge-
stellt und besteht außerdem kein Anlass zur Zurückweisung
des Wählers, gibt der Wahlvorsteher die Wahlurne frei (§ 56
Abs. 4 Satz 1 BWO). In der Regel ist somit die Vorlage der
Wahlbenachrichtigung zur Feststellung der Identität des
Wahlberechtigten ausreichend. Es liegt im Ermessen des
Wahlvorstands, sich einen Ausweis oder ein sonstiges amt-

liches Dokument vorlegen zu lassen. Dies geschieht regel-
mäßig dann, wenn die Wahlbenachrichtigungskarte nicht
vorgelegt werden kann. Es bestehen keine Zweifel daran,
dass diese Regelung mit dem Bundeswahlgesetz und mit
dem Grundgesetz vereinbar ist.
Schließlich ist ein Wahlfehler auch nicht aufgrund der Art
der Platzierung der Wahlkabinen im Wahllokal und auf-
grund der Beschaffenheit der Wahlurnen festzustellen.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BWG sind Vorkehrungen dafür zu
treffen, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet
kennzeichnen und falten kann. In § 50 Abs. 1 BWO wird
dies dahingehend konkretisiert, dass die Gemeindebehörde
in jedem Wahlraum eine Wahlzelle oder mehrere Wahlzel-
len mit Tischen einrichtet, in denen der Wähler seinen
Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten kann.
Die Wahlzellen müssen vom Tisch des Wahlvorstands aus
überblickt werden können. In der Stellungnahme ist über-
zeugend dargelegt worden, dass die Wahlzellen in Büdin-
gen bei einer Breite von 60 cm hinreichend geeignet waren,
um das Wahlgeheimnis zu gewährleisten. Eine Einsicht-
nahme von hinten über den Körper des Wählers an der
Wahlkabine hinweg erscheint als ausgeschlossen. Sollte es
dennoch im Einzelfall zu einem Blick auf den Stimmzettel
eines Wählers gekommen sein, so hätte eine solche Verlet-
zung des Wahlgeheimnisses jedenfalls keinen Einfluss auf
das Wahlergebnis. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Bundestag stets angeschlossen haben, kön-
nen nämlich nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch er-
folgreich begründen, die auf die Mandatsverteilung von
Einfluss sind oder hätten sein können. Infolgedessen schei-
den alle Verstöße von vornherein als unerheblich aus, die
die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berühren (seit
BVerfGE 4, 370/372 ständige Rechtsprechung). Selbst sol-
che Wahlfehler, die die Ermittlung des Wahlergebnisses
betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts des
Stimmenverhältnisses keinen Einfluss auf die Mandatsver-
teilung haben können.
Die Behauptung des Einspruchsführers, bei der Wahlurne
habe es sich um eine nicht versiegelte Mülltonne gehandelt,
ist nicht hinreichend substantiiert, um mit Erfolg eine Ver-
letzung des Wahlgeheimnisses zu begründen. Nach § 33
Abs. 1 Satz 2 BWG sind für die Aufnahme der Stimmzettel
Wahlurnen zu verwenden, die die Wahrung des Wahlge-
heimnisses sicherstellen. Nach § 51 Abs. 1 BWO sorgt die
Gemeindebehörde für die erforderlichen Wahlurnen. Nach
§ 51 Abs. 2 BWO muss die Wahlurne mit einem Deckel
versehen sein. Ihre innere Höhe soll in der Regel 90 cm, der
Abstand jeder Wand von der gegenüberliegenden mindes-
tens 45 cm betragen. Im Deckel muss die Wahlurne einen
Spalt haben, der nicht weiter als 2 cm sein darf. Sie muss
verschließbar sein. Mangels eines konkreten Vortrags, wo-
rin die Mängel der Wahlurnen in Büdingen bestanden haben
sollen, kann der diesbezügliche Einwand des Einspruchs-
führers nicht näher geprüft werden.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/2400

Anlage 11

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn K. P., 65193 Wiesbaden

– Az.: WP 105/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 17. November 2002, das am 20. No-
vember 2002 eingegangen ist, hat der Einspruchsführer ge-
gen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag
am 22. September 2002 Einspruch eingelegt.
Zur Begründung führt er an, dass maßgebliche Vorschriften,
auf denen das gegenwärtige Wahlsystem beruht, verfas-
sungswidrig seien. Er legt hierzu Berechnungsbeispiele und
Alternativvorschläge vor, um zu demonstrieren, dass die
von ihm gerügten Regelungen nicht erforderlich seien. Die
Wahlprüfung könne nicht auf die Frage beschränkt werden,
ob die gegebenen Wahlvorschriften richtig angewandt wor-
den seien. Voraussetzung einer ordnungs- und gesetzmäßi-
gen Durchführung einer Wahl sei vielmehr, dass auch die
für diese geltenden gesetzlichen Bestimmungen verfas-
sungsgemäß seien.
Der Einspruchsführer reichte beim Deutschen Bundestag
eine Petition mit ähnlichem Inhalt ein (Pet 1-14-06-111-
044642). Der Deutsche Bundestag beschloss am 3. Juli
2003 auf Empfehlung des Petitionsausschusses, das Peti-
tionsverfahren abzuschließen.
In seinem Wahleinspruch macht der Einspruchsführer im
Einzelnen folgende Einwendungen geltend:
Ungleicher Erfolgswert der Wählerstimmen
Die Ausgestaltung des „Zwei-Stimmen-Verfahrens“ gemäß
§ 6 Bundeswahlgesetz (BWG) verletze in Verbindung mit
dem Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl inso-
weit den Grundsatz der gleichen Wahl (Artikel 38 Abs. 1
Satz 1 Grundgesetz), als doppeltes Stimmgewicht nicht stets
ausgeschlossen sei. Anhand der Darstellung verschiedener
Fallgruppen argumentiert der Einspruchsführer im Kern wie
folgt:
– Ein erfolgreicher Wahlkreisbewerber, der nicht auf der

entsprechenden Landesliste seiner Partei kandidiere,
müsse durch die Erststimmen derjenigen Wähler, die für
die Landesliste dieser Partei votiert haben, legitimiert
sein, damit er ohne Verletzung des Grundsatzes der un-
mittelbaren Abgeordnetenwahl dieser Wählergruppe zu-
rechenbar sei.

– Diejenigen Wähler, die vom Stimmensplitting Gebrauch
gemacht und mit der Erststimme einen erfolgreichen
Wahlkreisbewerber gewählt haben, hätten doppeltes
Stimmgewicht, sofern sie mit ihrer Zweitstimme Lan-
deslistenbewerbern der von ihnen gewählten Partei zum
Einzug in den Bundestag verholfen haben.

In den Wahlkreisen 78, 80, 84 und 168 seien die erfolg-
reichen Bewerber nicht auf der entsprechenden Landesliste
nominiert gewesen. Im Ergebnis bedeute dies, dass den
Wählern der entsprechenden Landeslisten Abgeordnete zu-
gerechnet würden, die weder durch die Zweit- noch durch
die Erststimmen dieser Wähler legitimiert seien.
Bei der Bundestagswahl 2002 liege in 19 Wahlkreisen je-
weils die Partei, die den erfolgreichen Wahlkreisbewerber
nominiert gehabt habe, nach Zweitstimmen lediglich an
zweiter Stelle. Generell hätten in diesen Wahlkreisen dieje-
nigen Wähler doppelten Einfluss ausgeübt, deren gesplittete
Erststimmen jeweils für den Erfolg des Wahlkreisbewerbers
entscheidend gewesen seien. Einerseits hätten sie mit der
Zweitstimme Landeslistenbewerber der einen Partei legiti-
miert; andererseits hätten sie mit ihren gesplitteten Erststim-
men die personelle Zusammensetzung der Abgeordneten
der Partei des erfolgreichen Wahlkreisbewerbers, also einer
zweiten Partei, geändert.
Zur Erreichung des Zweckes, die Verhältniswahl zu perso-
nalisieren, sei die Differenzierung des Erfolgswertes der
Wählerstimmen, wie sie nach dem gegenwärtigen Wahl-
recht geschehe, nicht zwingend erforderlich. Es gebe andere
Systeme der personalisierten Verhältniswahl, die den
Grundsatz der gleichen Wahl nicht verletzten. Als Beispiele
führt der Einspruchsführer die Verfahren der Kommunal-
wahl in einigen Bundesländern, wie z. B. in Hessen oder in
Baden-Württemberg, an.
In diesem Zusammenhang rügt der Einspruchsführer die
Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG in verfassungsrechtli-
cher Hinsicht, da die Chancengleichheit von Einzelbewer-
bern nicht gewahrt sei. Im Gegensatz zu Einzelbewerbern
liefen Wahlkreisbewerber mit zugeordneter Landesliste
nicht Gefahr, dass potentielle Wähler mit dem Hinweis ab-
geschreckt würden, dass im Erfolgsfall die „maßgebende“
Zweitstimme dieser Wähler nicht zähle.

Drucksache 15/2400 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

In den Berliner Wahlkreisen 86 und 87, wo zwei Bewerbe-
rinnen der PDS Direktmandate gewonnen haben, empfiehlt
der Einspruchsführer eine Nachwahl, nachdem zuvor das
Bundeswahlgesetz entsprechend ergänzt worden sei. Das
Bundesverfassungsgericht sehe in dieser Konstellation ei-
nen doppelten Stimmerfolg. Hierbei nimmt der Einspruchs-
führer auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1988 Bezug
(BVerfGE 79, 161/169). Es sei problematisch, die Rege-
lungslücke rückwirkend zu schließen.
Verbindung von Landeslisten gemäß § 7 BWG
Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl verlange, dass
für den Wähler die Wirkungen seiner Stimmabgabe erkenn-
bar seien. Jede Stimme müsse bestimmten oder bestimmba-
ren Wahlbewerbern zugerechnet werden. Dies müsse für
den Wähler vor der Wahl hinreichend erkennbar sein. Daran
fehle es jedoch, wenn der Wähler mit der Stimmabgabe für
eine bestimmte Landesliste ggf. einem Bewerber einer Lan-
desliste in einem nicht vorher bestimmbaren Bundesland zu
einem Mandat verhelfen könne. Aufgrund der derzeitigen
Regelung der Listenverbindung gemäß § 7 BWG sei es
nicht einmal möglich, vor der Wahl fiktive Bundeslisten zu-
sammenzustellen, aus denen erkennbar wäre, wie die Sitze
den Bewerbern zugeteilt würden. Zudem unterstelle das In-
stitut der Listenverbindung implizit, dass die Bundestags-
wahl eine Parteienwahl sei. Eine bloße Parteienwahl sei je-
doch durch das Grundgesetz ausgeschlossen. Es verlange
stets, dass die Abgeordneten – und nicht lediglich die Par-
teien – gewählt würden.
Verfahren zur bundesweiten Ermittlung des Proporzes
gemäß § 6 BWG (sog. Oberverteilung)
Das Verfahren zur bundesweiten Ermittlung des Proporzes
gemäß § 6 BWG (sog. Oberverteilung) verletze in Verbin-
dung mit dem Prinzip der Landeslisten den Grundsatz der
unmittelbaren Abgeordnetenwahl. Für den Wähler sei vor
der Wahl nicht hinreichend transparent, wie die Wirkungen
seiner Stimmabgabe seien. Der Stimmzettel erwecke bei
den Wählerinnen und Wählern den Eindruck, dass es bei ih-
rer Wahlentscheidung mit der Zweitstimme darum gehe, al-
lein auf Landesebene zu bestimmen, welche Kandidaten der
in ihrem jeweiligen Bundesland zugelassenen Landeslisten
im Bundestag einen Sitz erhalten sollen. Tatsächlich erfolge
jedoch zunächst eine bundesweite Auswertung (Obervertei-
lung). Nach Auffassung des Einspruchsführers wäre es ver-
fassungsgemäß, in jedem Bundesland ebenso viele Listen-
mandate wie es Wahlkreise in dem betreffenden Land gebe,
direkt auf die Landeslisten zu verteilen. Hierdurch würde
zudem eine „massive Benachteiligung“ der ostdeutschen
Bundesländer bei der Sitzverteilung vermieden. Obwohl auf
die ostdeutschen Bundesländer bei der Bundestagswahl
2002 vier Überhangmandate entfielen, kämen aus diesen
Bundesländern insgesamt 19 Abgeordnete weniger als es ih-
rem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspreche.
Ausgestaltung des Zwei-Stimmen-Wahlverfahrens;
Auswirkungen der Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG
Generell sei die Ausgestaltung des „Zwei-Stimmen-Verfah-
rens“ insoweit mit dem Demokratieprinzip sowie mit den
Wahlgrundsätzen unvereinbar, als hiernach die sich im
Wahlakt vollziehende Willensbildung der Staatsbürger und
damit die Verwirklichung des Demokratieprinzips durch

verfahrensbedingte Eigenheiten des Wahlrechts unterlaufen
würden.
Der Gesetzgeber sei verpflichtet, den Wahlakt als Grundakt
demokratischer Legitimation so zu gestalten, dass eine ra-
tionale Willensbildung ermöglicht werde und sich auch im
Wahlergebnis widerspiegeln könne. Ziel des Wählervotums
mit der Zweitstimme sei es eigentlich, Bewerber einer Lan-
desliste als Abgeordnete demokratisch zu legitimieren. Bei
der Bundestagswahl 2002 habe es jedoch zehn Landeslisten
gegeben, auf die zusammen rund 51/2 Millionen Stimmenentfallen seien, ohne dass dadurch auch nur ein einziger Be-
werber legitimiert worden sei. Die Tatsache, dass dieses
Phänomen eine Folge des Anrechnungsverfahrens gemäß
§ 6 Abs. 4 Satz 1 BWG, also eine Folge der Systement-
scheidung des Gesetzgebers sei, bedeute nicht, dass dieses
Verfahren mit allen seinen Konsequenzen von vornherein
verfassungsgemäß sei. Die Auswirkungen der Ausgestal-
tung des Wahlrechts müssten mit den einschlägigen Verfas-
sungsnormen vereinbar sein. Aufgrund der derzeitigen Re-
gelung sei eine gleiche Teilhabe an der politischen Willens-
bildung nicht gegeben. Diese „Verengungen der Entschlie-
ßungsfreiheit des Wählers“ seien vermeidbar und schon
deshalb mit dem Grundsatz der freien Wahl nicht vereinbar.
Beispielsweise könne Abhilfe dadurch geschaffen werden,
dass die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG verallgemei-
nert werde. Dies würde bedeuten, dass die Zweitstimmen
der Wählerinnen und Wähler jedes erfolgreichen Wahlkreis-
bewerbers nicht gewertet würden. Im Gegenzug würden die
in den Wahlkreisen errungenen Sitze nicht verrechnet. Dies
hätte – so der Einspruchsführer – zur Folge, dass die Zweit-
stimme nur dann wirksam sei, wenn die Erststimme nicht
oder nicht für einen erfolgreichen Wahlkreisbewerber abge-
geben worden sei.
Verteilung der Sitze nach Bruchteilen gemäß
§ 6 Abs. 2 Satz 4 BWG (Hare/Niemeyer-Verfahren)
Das Verfahren der Sitzverteilung gemäß § 6 Abs. 2 BWG
verletze den Grundsatz der gleichen Wahl in der Regel
dann, wenn einer Liste, auf die kein „ganzer“ oder nur ein
„ganzer“ Sitz entfalle, ein „Bruchteilsitz“ zugeteilt werde.
Es sei mit dem Grundsatz der gleichen Wahl nicht verein-
bar, wenn es in demselben „Legitimationsgebiet“ Listenbe-
werber gebe, die – bei einer Verhältniswahl – zu ihrer Legi-
timation nur rund halb bis zweidrittel so viele Wählerstim-
men benötigten, wie auf die anderen erfolgreichen Listenbe-
werber durchschnittlich entfielen. Hierdurch würden
sowohl die Rechte der Wählerinnen und Wähler als auch die
Rechte der Bewerber verletzt. Sobald eine Sitzverteilung
ohne eine Sperrklausel (z. B. Fünf-Prozent-Klausel) vorge-
nommen werde, gewährleiste das Verfahren nach Hare/Nie-
meyer nicht mehr die Wahlrechtsgleichheit.
Der Bundeswahlleiter hat zu dem Einspruch wie folgt Stel-
lung genommen:
Die vom Einspruchsführer vorgelegten Berechnungsbei-
spiele und -modelle seien in sich schlüssig und weitestge-
hend rechnerisch korrekt. Wegen der Einzelheiten hierzu
wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen den ungleichen Er-
folgswert der Wählerstimmen wende, verkenne er den Ge-
halt der Regelungen des Bundeswahlgesetzes über die per-
sonalisierte Verhältniswahl und das Sitzverteilungsverfah-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/2400

ren (§§ 1, 2 und 4 bis 7 BWG). Eine Verletzung der Grund-
sätze der unmittelbaren und gleichen Wahl sei nicht
erkennbar.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen die Verbindung von
Landeslisten gemäß § 7 BWG ausspreche, so sei ein Wahl-
fehler nicht erkennbar. Es sei nach dem Sitzverteilungsver-
fahren des Bundestagswahlrechts folgerichtig, dass bei-
spielsweise die Landesliste der SPD in Brandenburg einen
Sitz weniger erhalte, wenn sich die Gesamtzahl der auf die
Landeslisten zu verteilenden Sitze der SPD um eins verrin-
gere. Die Verteilung der nach (gemäß § 7 Abs. 1 BWG ver-
bundenen) Landeslisten zu besetzenden Sitze gemäß § 6
BWG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein
Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Wahl liege
nicht vor, da die abgegebenen Stimmen ohne weitere Zwi-
schenschritte zur Sitzverteilung herangezogen würden. Für
jeden Wähler sei vor der Wahl hinreichend erkennbar gewe-
sen, dass seine Zweitstimme den Bewerbern der von ihm
gekennzeichneten Landesliste zugerechnet werde.
Auch das Verfahren zur bundesweiten Ermittlung des Pro-
porzes gemäß § 6 BWG (Oberverteilung) sei verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Einspruchsführer
zutreffend dargestellte „Unterrepräsentanz“ der fünf neuen
Bundesländer und Berlins beruhe auf dem geltenden Wahl-
recht. Ein Anspruch der 16 Bundesländer auf eine „idealty-
pische regionale“ Verteilung der Sitze existiere nicht. Bei
der Bundestagswahl 2002 habe sich die „Unterrepräsen-
tanz“ zum einen aus der in den neuen Ländern niedrigeren
Wahlbeteiligung und zum anderen aus dem Umstand erge-
ben, dass die PDS sowohl an der Sperrklausel als auch an
der Grundmandatsklausel des § 6 Abs. 6 BWG gescheitert
sei.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen die Auswirkungen
der Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG wende, so be-
stünden keine verfassungsrechtlichen Zweifel hieran. Diese
Regelung diene gerade dazu, dem System der Verhältnis-
wahl – entsprechend der Systementscheidung des Gesetz-
gebers – eine mehrheitswahlrechtliche Komponente hinzu-
zufügen.
Die vom Einspruchsführer gerügte Verteilung der Sitze nach
Bruchteilen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 BWG (Hare/Nie-
meyer-Verfahren) sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht
zu beanstanden. Die Entscheidung des Gesetzgebers für
eine Berechnung nach dem Verfahren der mathematischen
Proportionen nach Hare/Niemeyer genüge den verfassungs-
rechtlichen Anforderungen an ein für die Verhältniswahl un-
abdingbares Sitzverteilungssystem. Das gewählte Verfahren
trage dem in Artikel 38 Abs. 1 GG niedergelegten Grund-
satz der Gleichheit der Wahl Rechnung, obwohl mathema-
tisch eine absolute Gleichheit des Erfolgswertes der Stim-
men auch mit dieser Berechnungsart nicht erreicht werde.
Dem Einspruchsführer ist diese Stellungnahme zur Kennt-
nis gegeben worden. In seiner Gegenäußerung hierzu hat er
seinen Vortrag erläutert und teilweise konkretisiert. Hierbei
hat er u. a. folgende Punkte klargestellt:
– Soweit der Bundeswahlleiter zu den Auswirkungen der

Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG Stellung nehme,
müsse klargestellt werden, dass dies nicht speziell der
Gegenstand seiner Rüge sei. Vielmehr gehe es ihm um
die generelle Ausgestaltung des „Zwei-Stimmen-Verfah-

rens“. Die Wahl der Wahlkreisabgeordneten und die
Wahl der Listenabgeordneten seien „jeweils eigenstän-
dige Legitimationsvorgänge“. Im Gegensatz dazu trage
das Bundeswahlgesetz bei der Ermittlung des Parteien-
proporzes der Entscheidung des Wählers nicht hinrei-
chend Rechnung. Bei der Ermittlung des Parteienpropor-
zes werde nicht berücksichtigt, dass ein Wähler
Bewerber verschiedener Parteien mit seinen Stimmen
bedacht habe.

– Soweit der Bundeswahlleiter zur Verteilung der Sitze
nach Bruchteilen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 BWG (Hare/
Niemeyer-Verfahren) Stellung nehme, so gehe es als
Maßstab für den Gleichheitsgrundsatz nicht darum, eine
absolute Gleichheit des Erfolgswertes der Stimmen im
mathematischen Sinne zu erreichen. Im Hinblick darauf,
dass es um Individualrechte der Wählerinnen und Wäh-
ler gehe, reiche es nicht aus, wenn die an ein Auszäh-
lungsverfahren zu stellenden Anforderungen im Durch-
schnitt erfüllt seien. Das Hare/Niemeyer-Verfahren
gewährleiste keine Gleichheit des Erfolgswertes der
Stimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Einspruchs-
führers wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Ein Wahlfehler ist aufgrund des Vortrags des Einspruchs-
führers nicht feststellbar. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass der Einspruchsführer keine konkreten Mängel bei der
Wahlvorbereitung und der Wahldurchführung beanstandet,
sondern die Verfassungswidrigkeit wahlrechtlicher Vor-
schriften und des Wahlsystems geltend macht. Der Bundes-
tag und der Wahlprüfungsausschuss sehen sich nach ihrer
ständigen Praxis aber nicht berufen, die Verfassungswidrig-
keit von Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kon-
trolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden. Davon abgesehen bestehen gegen die angegriffe-
nen Regelungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Soweit der Einspruchsführer den seiner Ansicht nach un-
gleichen Erfolgswert der Wählerstimmen rügt, so sind die
einschlägigen Vorschriften zur Verteilung der Sitze auf-
grund der abgegebenen Wählerstimmen verfassungsrecht-
lich nicht zu beanstanden. Die vom Einspruchsführer darge-
stellten Auswirkungen des gegenwärtigen Wahlrechts hal-
ten sich im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten
breiten Gestaltungsspielraums (vgl. BVerfGE 95, 335/354).
Dies gilt auch für die vom Einspruchsführer angeführten
Fallkonstellationen. Bezüglich der Ergebnisse in den Wahl-
kreisen 78, 80, 84 und 168 stellt der Einspruchsführer über-
zogene Anforderungen an den Grundsatz der unmittelbaren
Abgeordnetenwahl, wenn er zur Vermeidung eines doppel-
ten Stimmgewichts fordert, dass die erfolgreichen Wahl-
kreisbewerber zusätzlich durch die Zweitstimmen für ihre

Drucksache 15/2400 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

jeweilige Landesliste legitimiert sein sollen. Es entspricht
den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen
Verhältniswahl, wenn ein Wahlkreisbewerber allein auf-
grund der Erststimmen gewählt wird. Soweit der Ein-
spruchsführer 19 Wahlkreise bei der Bundestagswahl 2002
anführt, bei denen jeweils die Partei, die den erfolgreichen
Wahlkreisbewerber nominiert hatte, nach Zweitstimmen le-
diglich an zweiter Stelle lag, so liegt kein Verstoß gegen die
Wahlrechtsgleichheit vor. Die Möglichkeit der Vergabe von
Erst- und Zweitstimme beinhaltet die Möglichkeit eines
sog. Stimmensplittings. Die Tatsache, dass ein Wähler mit
seiner Erst- und Zweitstimme jeweils seinen Einfluss gel-
tend macht, liegt im Wahlsystem begründet und ist somit
systemimmanent. Der Einspruchsführer legt verfassungs-
rechtlich einen zu strengen Maßstab an, wenn er darauf ab-
stellt, ob eine Regelung zwingend erforderlich sei, um eine
Verhältniswahl zu personalisieren. Das Aufzeigen anderer
Wahlsysteme macht die geltende Regelung nicht verfas-
sungswidrig.
Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG ist verfas-
sungskonform. Der Gesetzgeber hat sich in dieser Vorschrift
dafür entschieden, Zweitstimmen dann nicht zu berücksich-
tigen, wenn zwangsläufig Stimmen gesplittet werden, weil
für den betreffenden Wahlkreisbewerber keine Landesliste
vorhanden ist. Diese Regelung ist sachlich gerechtfertigt
und enthält somit keine gleichheitswidrige Benachteiligung
der von ihr betroffenen Einzelbewerber. Lediglich in dieser
Konstellation wird ein zwangsläufiger doppelter Erfolgs-
wert von Erst- und Zweitstimme vermieden. In allen ande-
ren Fällen ist ein doppelter Erfolgswert von Erst- und
Zweitstimme bei einem Stimmensplitting zwar möglich,
tritt aber nicht zwangsläufig aufgrund eines Stimmensplit-
tings ein (Schreiber, Wahlrecht, 7. Auflage, § 6 Rn. 4). Dies
gilt auch für die Zweitstimmen derjenigen Wählerinnen und
Wähler, die mit ihrer Erststimme den beiden Direktkandida-
tinnen der PDS in den Berliner Wahlkreisen 86 und 87 zum
Erfolg verholfen haben. Soweit der Einspruchsführer in die-
sem Zusammenhang eine Nachwahl nach entsprechender
Änderung des Bundeswahlgesetzes für diese beiden Wahl-
kreise empfiehlt, besteht hierfür keine Rechtsgrundlage. Die
in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1988 (BVerfGE
79, 161/169) enthält lediglich einen Auftrag an den Gesetz-
geber, eine Änderung zu erwägen.
Soweit sich der Einspruchsführer gegen die Verbindung von
Landeslisten gemäß § 7 BWG wendet, ist ein Verfassungs-
verstoß ebenfalls nicht ersichtlich. Er stellt insoweit überzo-
gene Anforderungen an den Grundsatz der Unmittelbarkeit
der Wahl. Wie der Bundeswahlleiter in seiner Stellung-
nahme dargelegt hat, erfordert dieser Grundsatz, dass die
abgegebenen Stimmen ohne weitere Zwischenschritte zur
Sitzverteilung herangezogen werden. Hierbei ist es un-
schädlich, wenn in § 7 BWG angeordnet wird, dass die Lan-
deslisten derselben Partei als verbunden gelten und verbun-
dene Listen bei der Sitzverteilung im Verhältnis zu den übri-
gen Listen als eine Liste gelten. Entgegen der Auffassung
des Einspruchsführers ist es von Verfassungs wegen nicht
geboten, das Wahlsystem so zu gestalten, dass vorab fiktive
Bundeslisten zusammengestellt werden können. Die Listen-
verbindung hat zur Folge, dass sonst unter Umständen er-
folglos bleibende Zweitstimmen („Reststimmen“) „aufge-
fangen“ werden, d. h. wirksam werden. Dies hat – wie vom

Einspruchsführer richtig gesehen – zur Folge, dass die in ei-
nem Land für eine Partei abgegebenen Stimmen im End-
ergebnis auch den anderen Landeslisten der selben Partei zu
Gute kommen (Schreiber, Wahlrecht, 7. Auflage, § 7 Rn. 1).
Dieser Effekt ist von den Wählerinnen und Wählern durch-
aus voraussehbar und entspricht zudem ihrem Wähler-
votum. Die Wahl wird aufgrund des beschriebenen Effektes
– entgegen der Auffassung des Einspruchsführers – nicht zu
einer reinen Parteienwahl.
Auch das Verfahren zur bundesweiten Ermittlung des Pro-
porzes gemäß § 6 BWG (sog. Oberverteilung) verletzt nicht
den Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl. Für
die Wählerinnen und Wähler sind die Wirkungen ihrer
Stimmabgabe in den wesentlichen Grundzügen vorherseh-
bar. Der Stimmzettel enthält die zutreffende Information,
dass die Zweitstimme für eine Landesliste (Partei) die
„maßgebende Stimme für die Verteilung der Sitze insgesamt
auf die einzelnen Parteien“ ist (Anlage 26 zur BWO).
Soweit der Einspruchsführer in diesem Zusammenhang als
aus seiner Sicht verfassungsgemäße Alternative geltend
macht, dass in jedem Bundesland ebenso viele Listenman-
date, wie es Wahlkreise in dem betreffenden Land gibt, di-
rekt auf die Landeslisten verteilt werden sollen, so ändert
dies nichts an der Verfassungsmäßigkeit des geltenden
Rechts. Aus der Verfassung lässt sich kein Anspruch auf die
Wahrung des Proporzes der Mandate der Bundesländer un-
tereinander ableiten. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt,
als Bezugsgröße für die Gleichheit des aktiven Wahlrechts
in erster Linie die parteipolitische Zusammensetzung des
Bundestages heranzuziehen (vgl. zum baden-württembergi-
schen Landtagswahlrecht: Staatsgerichtshof für das Land
Baden-Württemberg, Urteil vom 24. März 2003 – GR 3/01).
Soweit der Einspruchsführer die Ausgestaltung des Zwei-
Stimmen-Wahlverfahrens als unvereinbar mit dem Demo-
kratieprinzip und mit den Wahlgrundsätzen ansieht, so be-
stehen auch insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmä-
ßigkeit des geltenden Rechts. Der Bundeswahlleiter weist in
seiner Stellungnahme hierzu zu Recht darauf hin, dass die
Auswirkungen der Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG
vom Gesetzgeber gewollt und auch verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden sind. Nach dieser Vorschrift wird von
der für jede Landesliste ermittelten Abgeordnetenzahl die
Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes er-
rungenen Sitze abgerechnet. Diese Regelung hat gerade den
Zweck, dem System der Verhältniswahl eine mehrheits-
wahlrechtliche Komponente hinzuzufügen. Diese System-
entscheidung ist auch nicht etwa deshalb verfassungswidrig,
weil die Erststimme und die Zweitstimme bei der Verteilung
der Mandate in gewissem Umfang in Beziehung zueinander
gesetzt werden. Von Verfassungs wegen ist es – entgegen
der Auffassung des Einspruchsführers – nicht geboten, ein
Stimmensplitting generell zu „sanktionieren“, indem die
derzeitige Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BWG auf weitere
Fallgruppen ausgedehnt wird. Es ist bereits dargelegt wor-
den, dass die nach dem geltenden Recht bei dieser Vor-
schrift vorgenommene Differenzierung nicht willkürlich ist.
Der Einspruch kann schließlich auch keinen Erfolg haben,
soweit die Verteilung der Sitze nach Bruchteilen gemäß § 6
Abs. 2 Satz 4 BWG (Hare/Niemeyer-Verfahren) beanstan-
det wird. Das Bundesverfassungsgericht hat es der Gestal-
tungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen, für welches Ver-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/2400

teilungsverfahren er sich entscheiden will. Hierbei hat es die
Konsequenz in Kauf genommen, dass beim Verfahren Hare/
Niemeyer die Verteilung von Resten ganzer Zahlen auf zu
vergebende ganze Sitze zwangsläufig dazu führt, dass die
für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen für die Zu-
teilung von Sitzen real unterschiedlichen Erfolgswert haben
(BVerfGE 79, 169/171). Es ist dem Gesetzgeber unbenom-
men, sich statt der Berechnungsverfahren nach Hare/Nie-
meyer oder d’Hondt für ein anderes Verfahren – z. B.
Sainte-Laguë/Schepers – zu entscheiden.
Ungeachtet der Tatsache, dass somit verfassungsrechtliche
Zweifel an den vom Einspruchsführer gerügten wahlrechtli-
chen Vorschriften und generell am Wahlsystem nicht beste-
hen, erfolgt – wie bereits dargelegt – eine Entscheidung
über die Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften nicht im
Wahlprüfungsverfahren beim Deutschen Bundestag, son-
dern durch das Bundesverfassungsgericht. Eine Verletzung
wahlrechtlicher Vorschriften bei der Vorbereitung oder
Durchführung der Bundestagswahl ist vom Einspruchsfüh-
rer – wie bereits erwähnt – nicht vorgetragen worden.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/2400

Anlage 12

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn L. K., 14772 Brandenburg

– Az.: WP 26/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 27. September 2002 und einem am
9. Oktober 2002 übermittelten Telefax sowie mit zwei an
den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben vom 21. Sep-
tember 2002 und 8. Oktober 2002, die an den Bundestag
weitergeleitet wurden, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundes-
tag eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen die
seiner Ansicht nach mangelnde Erreichbarkeit des Bundes-
wahlleiters bei der Bundestagswahl 2002 an.
Der Einspruchsführer trägt vor, dass die Bundestagswahl
2002 schon deshalb anzufechten sei, weil das Büro des Bun-
deswahlleiters am Wahltag „nachweisbar“ nicht besetzt ge-
wesen sei und er daher die „auftretenden Fragen“ nicht habe
klären können. Trotz mehrmaliger Versuche sei sein Anruf
im Büro des Bundeswahlleiters nicht entgegengenommen
worden. Seine Recherchen hätten ergeben, dass sich der
Bundeswahlleiter am Wahltag in Berlin aufgehalten habe.
Der Aufenthalt des Bundeswahlleiters in Berlin sei nur dann
„möglich und akzeptabel“, wenn dies durch den Bundestag
und die Bundestagsverwaltung „organisatorisch abgesi-
chert“ gewesen sei. Eine Telefonweiterleitung von Wiesba-
den nach Berlin, die es dem Bundeswahlleiter ermöglicht
hätte, die in seinem Büro in Wiesbaden eingehenden Anrufe
an seinem Aufenthaltsort in Berlin entgegen zunehmen, sei
jedoch nicht eingerichtet gewesen. Anlässlich der telefoni-
schen Anfrage bei der Telefonzentrale der Bundestagsver-
waltung sei dem Einspruchsführer die Richtigkeit der ihm
bekannten Rufnummer des Bundeswahlleiters bestätigt
worden. Eine Faxnummer sei der Zentrale zunächst nicht
bekannt gewesen und dem Einspruchsführer erst nach
Rücksprache mit dem Bundeswahlleiter bekannt gegeben
worden. Der Einspruchsführer habe nach der Wahl mehr-
mals mit Mitarbeitern aus dem Büro des Bundeswahlleiters
fernmündliche Gespräche geführt, die für ihn nicht zu
einem Gespräch mit dem Bundeswahlleiter geführt hätten.
Er habe daher den Eindruck, dass man es als „Zumutung“
betrachte, dass ein Bürger den Bundeswahlleiter mit Nach-
fragen „belästige“.
Der Einspruchsführer trägt weiter vor, dass das Wahlprü-
fungsgesetz grundsätzliche Mängel enthalte. So betrage die
Einspruchsfrist nach diesem Gesetz zwei Monate, wobei die
Vereidigung des Bundeskanzlers jedoch vor der Gültigkeit

der Wahl vorgesehen sei. Hinzu komme, dass die Wahlprü-
fung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist durchgeführt
werde und auch einige Zeit in Anspruch nehme.
Daneben beanstandet der Einspruchsführer, dass die „Un-
verbindlichkeit der Parteienwahlprogramme“ die Grund-
lagen für Wahlmanipulationen schaffe. Wahlprogramme
seien nicht rechtsverbindlich und könnten nach der Wahl
„ohne Mandat des Bürgers willkürlich“ geändert werden.
Durch Änderungen in der Politik im Hinblick auf die im
Wahlkampf gemachten Aussagen werde das „Gegenteil von
dem getan“, was vor der Wahl versprochen worden sei. Da-
her liege für diese Änderungen kein Mandat vor.
Mit der Wahlanfechtung wolle er erreichen, dass vom
Grundsatz her darüber nachgedacht werde, wie der „Umbau
der Gesellschaft sozial verträglicher und gerechter“ gestaltet
werden könne. Vor diesem Hintergrund trägt der Ein-
spruchsführer mehrere Vorschläge und Meinungsäußerun-
gen zu verschiedenen Politikfeldern vor. Hierbei schlägt er
z. B. eine Verringerung des Einflusses der politischen Par-
teien, eine direkte Mitwirkung des Volkes an der Gesetzge-
bung und wichtigen Entscheidungen (z. B. bei der Einfüh-
rung des Euro), eine persönliche Haftung der Politiker für
getroffene Entscheidungen und einen Wegfall bestimmter
Steuern (z. B. der Ökosteuer) vor; darüber hinaus äußert er
sich u. a. zur Medienpolitik, zur beruflichen Struktur des
Parlaments, zur Höhe der Abgeordnetendiäten, zur Art und
Weise der Aufstellung von Landeslisten, zur Ausländerpoli-
tik, zur Kriminalitätsbekämpfung, zum Datenschutz, zur
Energiepolitik und zu militärischen Auslandseinsätzen. In
diesem Zusammenhang verweist der Einspruchsführer auf
sein „Politikprojekt zur Demokratisierung des Landes“.
In einer weiteren Zuschrift vom 17. Oktober 2002 trägt der
Einspruchsführer vor, „aus aktueller Sicht“ komme Wahlbe-
trug hinzu, da seiner Ansicht nach Wahlversprechen nicht
eingehalten worden seien. Die Wählerinnen und Wähler
seien „orientierungslos“ und fänden sich im „System“ nicht
mehr zurecht. Er trägt vor, dass die Einführung neuer Steu-
ern im Hinblick auf die Aussage vor der Wahl, auf Steuer-
erhöhungen zu verzichten, „Betrug am Volk“ sei. Darüber
hinaus führt er die Nichteinhaltung der Kriterien des euro-
päischen Stabilitätspaktes an, deren Einhaltung jedoch wäh-
rend des Wahlkampfs zugesagt worden sei.

Drucksache 15/2400 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu diesem Wahleinspruch hat der Bundeswahlleiter wie
folgt Stellung genommen:
Am 21. und 22. September 2002 habe er sich gemeinsam
mit seinem Stellvertreter und weiteren Mitarbeitern zur
Ermittlung und Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses
der Wahl des 15. Deutschen Bundestages dienstlich in Ber-
lin aufgehalten. Gleichwohl sei das Büro des Bundes-
wahlleiters in Wiesbaden besetzt gewesen. Zusätzlich zur
Ermittlung des Zwischenergebnisses zur Wahlbeteiligung
um 14.00 Uhr habe ein Mitarbeiter telefonisch zwischen
11.15 Uhr und 16.45 Uhr zahlreiche Anfragen von Bürge-
rinnen und Bürgern zu diversen wahlrechtlichen Fragestel-
lungen angenommen und beantwortet. Am Wahltag seien er
und seine Mitarbeiter in Berlin unter verschiedenen Ruf-
nummern, die dem Bundestag mit Schreiben vom 12. Sep-
tember 2002 mitgeteilt worden seien, erreichbar gewesen.
Von dieser Möglichkeit der Kontaktaufnahme hätten Wäh-
lerinnen und Wähler in erheblichem Umfang Gebrauch ge-
macht. Die Fernsprechzentralen des Deutschen Bundestages
und des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden seien am
22. September 2002 ab 10.00 Uhr bis zur Bekanntgabe des
vorläufigen Wahlergebnisses am 23. September 2002 um
4.00 Uhr besetzt gewesen. Es seien daher alle Vorkehrungen
getroffen worden, um die Erreichbarkeit des Bundeswahl-
leiters und seiner Mitarbeiter sicherzustellen. In der telefo-
nischen Erreichbarkeit des Bundeswahlleiters am Wahltag
sehe er keinen für die Gültigkeit der Bundestagswahl rele-
vanten Tatbestand.
Der Einspruchsführer hat sich mit Schreiben vom 19. No-
vember 2002 zu der Stellungnahme wie folgt geäußert:
Die in der Stellungnahme getroffene Aussage des Bundes-
wahlleiters könne nicht stimmen. Er könne anhand seiner
Telefonrechnung belegen, dass er mehrmals im Büro des
Bundeswahlleiters angerufen habe. Ferner sei in der Fern-
sprechzentrale des Deutschen Bundestages mittels der
„Clip-Funktion“ nachweisbar, dass er dort angerufen habe.
Bei seinen Anrufversuchen sei die Telefonleitung im Büro
des Bundeswahlleiters in Wiesbaden lediglich zweimal be-
setzt gewesen; anschließend habe er jeweils ein Freizeichen
erhalten, ohne dass eine Gesprächsverbindung hergestellt
worden sei.
Zu seinem Wahleinspruch hat der Einspruchsführer vom
Oktober 2002 bis einschließlich 29. Januar 2004 weitere
21 Schreiben eingesandt. Hierzu wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Eine Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften ist aus dem
vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Dies gilt zu-
nächst für die Beanstandung des Einspruchsführers, der
Bundeswahlleiter und seine Mitarbeiter seien für ihn am

Wahltag telefonisch nicht erreichbar gewesen. Hierbei kann
dahingestellt bleiben, ob für den Einspruchsführer tatsäch-
lich keine Möglichkeit bestand, einen Gesprächspartner
beim Bundeswahlleiter zu erreichen, und welche Gründe es
ggf. hierfür gab. Ein Wahlfehler käme nämlich allenfalls
dann in Betracht, wenn zusätzlich vorgetragen worden
wäre, dass im Falle eines Telefonats konkrete Mängel in der
Wahldurchführung vermieden worden wären. Der Ein-
spruchsführer hat jedoch lediglich vorgetragen, er habe am
Wahltag aufgetretene Fragen nicht klären können. Aufgrund
des vorliegenden Sachverhalts bedarf es keiner Klärung der
Frage, ob der Bundeswahlleiter aus wahlprüfungsrecht-
licher Sicht lediglich den Wahlleitern und Wahlbehörden für
Rückfragen zur Verfügung stehen muss oder ob dies auch
für Wählerinnen und Wähler gilt.
Soweit der Einspruchsführer grundsätzliche Mängel im
Wahlprüfungsgesetz geltend macht, kann sein Einspruch
ebenfalls keinen Erfolg haben. Er weist zu Recht darauf hin,
dass nach § 2 Abs. 4 Satz 1 WPrüfG die Einspruchsfrist
zwei Monate nach dem Wahltag beträgt. Ebenso ist es rich-
tig, dass die Vereidigung des Bundeskanzlers nicht vom Ab-
schluss der Wahlprüfung abhängig gemacht wird. Es beste-
hen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gelten-
den Regelungen. Insbesondere wird durch die Regelung der
Einspruchsfrist ein Ausgleich zwischen dem Interesse an der
alsbaldigen verbindlichen Feststellung der ordnungsgemä-
ßen Zusammensetzung des Parlaments und dem Interesse an
der materiellen Richtigkeit des Wahlergebnisses hergestellt.
Unabhängig davon sehen sich der Bundestag und der Wahl-
prüfungsausschuss nicht berufen, die Verfassungswidrigkeit
von Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle
ist stets demBundesverfassungsgericht vorbehalten worden.
Auch soweit der Einspruchsführer rügt, Wahlprogramme
seien nicht rechtsverbindlich, ist ein Wahlfehler nicht fest-
zustellen. Nach den geltenden Vorschriften sind Wahlpro-
gramme nicht rechtsverbindlich. Auch insoweit bestehen
keine Zweifel, dass dies verfassungsgemäß ist.
Soweit der Einspruchsführer konkret rügt, dass falsche
Wahlversprechungen im Hinblick auf die Einführung neuer
Steuern und im Hinblick auf die Einhaltung der Kriterien
des Europäischen Stabilitätspaktes gemacht worden seien,
so ist ein Fehler bei der Anwendung der für die Wahl gelten-
den Vorschriften und Rechtsgrundsätze nicht zu erkennen.
Die vom Einspruchsführer angeführten Wahlkampfaus-
sagen könnten wahlprüfungsrechtlich nur dann eine unzu-
lässige Wahlbeeinflussung darstellen, wenn durch sie die
Grundsätze der Wahlfreiheit und Wahlgleichheit verletzt
worden wären (BVerfGE 40, 11/39). Dabei ist anerkannt,
dass diese Grundsätze nicht nur für den Wahlvorgang selbst
gelten, sondern auch schon für die Wahlvorbereitung und
die in diesem Zusammenhang erfolgende Wahlwerbung
(BVerfGE 44, 125/146).
Für die wahlprüfungsrechtliche Bewertung von Wahlwer-
bung und sog. Wahlmanövern ist zu berücksichtigen, dass
Wahlpropaganda als Werbung für eine „gezielte“ Stimm-
abgabe in ihren unterschiedlichen Ausprägungen in einer
„Massendemokratie“ wie der Bundesrepublik Deutschland
für die Durchführung einer Wahl im Sinne des Demokratie-
prinzips unerlässlich ist. Sie dient in aller Regel der Wil-
lensbildung und Entschließungsfreiheit der Wählerinnen
und Wähler und ist nicht gegen sie gerichtet. Viele Wahl-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/2400

berechtigte werden erst durch einen Wahlkampf dazu be-
stimmt, an der Wahl teilzunehmen und ihre Wahlentschei-
dung zu treffen (Schreiber, Wahlrecht, 7. Auflage, § 1
Rn. 15). Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass die
Wählerinnen und Wähler in der Lage sind, Aussagen von
Politikern im Hinblick auf die Besonderheiten von Wahl-
kämpfen richtig einzuschätzen und zu bewerten. Dies gilt
gerade auch für sog. Wahlversprechen.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2001 entschie-
den, dass eine Handlung im Vorfeld einer Wahl, die nicht
von staatlichen Stellen ausgeht, und in mehr als nur unerheb-
lichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des Wähler-
willens einwirkt, nur dann im Wahlprüfungsverfahren bean-
standet werden kann, wenn private Dritte, einschließlich
Parteien und einzelnen Kandidaten, mit Mitteln des Zwangs
oder Drucks den Wahlwettbewerb beeinflusst haben oder
wenn in ähnlich schwer wiegender Art und Weise auf die
Wählerwillensbildung eingewirkt worden ist, ohne dass eine
hinreichende Möglichkeit der Abwehr oder des Ausgleichs,
etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte
(vgl. BVerfGE 103, 111/132 f.). Außerhalb dieses Bereichs
erheblicher Verletzungen der Freiheit oder der Gleichheit
der Wahl stellt ein Einwirken von Parteien, einzelnen Wahl-
bewerbern, gesellschaftlichen Gruppen oder sonstigen Drit-
ten auf die Bildung des Wählerwillens kein Verhalten dar,
das einen Wahlfehler begründet, selbst wenn es für sich ge-
nommen als unlauter zu werten sein und gegen gesetzliche
Bestimmungen verstoßen sollte (BVerfGE 103, 111/133).

Der Einspruchsführer trägt nicht vor, dass aufgrund der von
ihm angeführten Aussagen ein Zwang oder ein Druck auf
die Wählerinnen und Wähler ausgeübt worden wäre, der sie
mit Nachdruck dazu veranlasst hätte, gerade wegen dieser
Aussagen ihre Wahlentscheidung zu treffen. Die Opposi-
tionsparteien haben mehrfach die Gelegenheit wahrgenom-
men, ihre eigene Einschätzung zu den vom Einspruchsfüh-
rer aufgeführten Themen, insbesondere auch zur Haushalts-
und Finanzlage des Bundes, im Wahlkampf darzustellen.
Insbesondere wurde von der Opposition vor der Wahl die
Situation des Bundeshaushalts und die Problematik der Ein-
haltung der Stabilitätskriterien des EG-Vertrages und des
Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts durch den
Bund breit thematisiert. Der Wahlwettbewerb zwischen den
Parteien wurde durch die vorgetragenen Äußerungen nicht
beeinträchtigt, so dass eine Verletzung der Grundsätze der
Freiheit und Gleichheit der Wahl durch eine sog. private
Wahlbeeinflussung nicht vorliegt.
Die vom Einspruchsführer darüber hinaus vorgetragenen
Vorschläge und Meinungsäußerungen können nicht zum
Gegenstand eines Wahlprüfungsverfahrens gemacht wer-
den, da insoweit Wahlfehler nicht substantiiert dargelegt
werden. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Äußerungen
und Vorschläge sich auf Wahlen beziehen oder nicht.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57 – Drucksache 15/2400

Anlage 13

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn H. S., 26802 Moormerland

– Az.: WP 19/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand
Der Einspruchsführer hat mit einem per Telefax an das Ver-
waltungsgericht Wiesbaden übermittelten Schreiben vom
23. September 2002, das dort am gleichen Tage eingegan-
gen ist, Klage gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deut-
schen Bundestag am 22. September 2002 erhoben. Die vom
Verwaltungsgericht Wiesbaden unter dem Aktenzeichen 6 E
1929/02 geführte Klageschrift ist zuständigkeitshalber an
den Deutschen Bundestag übersandt worden und dort am
1. Oktober 2002 eingegangen. Der Eingang des an das Ver-
waltungsgericht Wiesbaden gerichteten Schreibens ist dem
Einspruchsführer vom Wahlprüfungsausschuss mit Schrei-
ben vom 7. Oktober 2002 bestätigt worden. Ihm ist hierbei
mitgeteilt worden, dass dieses Schreiben – sein Einver-
ständnis voraussetzend – als Wahleinspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag am 22. Sep-
tember 2002 behandelt werde.
Der Einspruchsführer hat daraufhin dem Verwaltungsge-
richt Wiesbaden, dem Verwaltungsgericht Berlin – bei die-
sem war am 23. September 2002 eine wortgleiche Klage
eingegangen – und dem Deutschen Bundestag per Telefax
am 8. Oktober 2002 sinngemäß mitgeteilt, dass er die Klage
aufrecht erhalte und um Vorlage beim Bundesverfassungs-
gericht bitte. Die Erhebung einer Klage bzw. eines Wahlein-
spruchs bei der Beklagten (Bundesrepublik Deutschland –
Deutschen Bundestag) selbst sei seiner Ansicht nach unter
dem Gesichtspunkt der Befangenheit unzulässig. „Vorsorg-
lich und hilfsweise zur Fristwahrung“ hat er jedoch auch
Wahleinspruch eingelegt.
Zur Begründung trägt der Einspruchsführer vor, dass der
Hinweis auf dem Wahlschein zur Bundestagswahl 2002
„Versicherung an Eides statt zur Briefwahl“, und der Hin-
weis auf die Strafbarkeit einer falsch abgegebenen Versiche-
rung an Eides statt „vollinhaltlich unzutreffend und vorsätz-
lich irreführend“ seien und eine „durch nichts gerechtfer-
tigte Nötigung des mündigen Briefwählers“ darstellten. Die
Versicherung an Eides statt, mit der die Briefwählerin und
der Briefwähler versichere, dass der Stimmzettel persönlich
oder unter Hinzuziehung einer Hilfsperson gekennzeichnet
worden sei, werde „privat zu Hause“ abgegeben und unter-
schrieben. Nach Ansicht des Einspruchsführers hat diese
eidesstattliche Versicherung keine juristische Relevanz.
Eine eidesstattliche Versicherung, die strafrechtlich verfolgt

werden könne, könne nur vor einem Gericht oder einem No-
tar abgegeben werden. Dies hätten bereits der 12. Senat des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und das Bun-
desverwaltungsgericht entschieden. Da diese Entscheidun-
gen weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Euro-
päischen Gerichtshof aufgehoben worden seien, seien sie
rechtskräftig.
Die beim Verwaltungsgericht Wiesbaden erhobene Klage
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bun-
destag ist mit Gerichtsbescheid vom 30. Oktober 2002 als
unzulässig abgewiesen worden, da es sich bei dem Wahl-
prüfungsverfahren um eine Streitigkeit verfassungsrecht-
licher Art handele, und somit der Verwaltungsrechtsweg im
Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) nicht eröffnet sei. Darüber hinaus spreche gegen
die Auffassung des Einspruchsführers (Klägers), eine Klage
beim Beklagten sei unzulässig, dass es sich bei dem Be-
schluss des Deutschen Bundestages über die Gültigkeit der
Wahl nicht um eine letztverbindliche Entscheidung handele.
Vielmehr sei gegen diesen Beschluss der Rechtweg zum
Bundesverfassungsgericht, das als unabhängige Instanz die
letztverbindliche Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl
treffe, eröffnet.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Einspruchsführer
(Kläger) bezüglich der dort anhängig gemachten Klage
(Aktenzeichen VG 2 A 151.02) mit Schreiben vom 16. Ja-
nuar 2003 aufgefordert, das Verfahren innerhalb einer Frist
von drei Monaten zu betreiben. Hierbei ist er darauf hin-
gewiesen worden, dass die Klage für den Fall, dass er der
Aufforderung nicht nachkomme, als zurückgenommen gelte
und das Verfahren eingestellt werde. Der Einspruchsführer
ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Das Verwal-
tungsgericht Berlin hat daraufhin am 22. Mai 2003 be-
schlossen, dass die Klage als zurückgenommen gelte und
das Verfahren einzustellen sei.
Eine an den Bundeswahlleiter gerichtete – mit der Ein-
spruchsschrift und den Klagen textidentische – Zuschrift,
die per Telefax am 23. September 2002 übermittelt worden
ist, ist vom Büro des Bundeswahlleiters an den Deutschen
Bundestag übersandt worden und dort am 11. Oktober 2002
eingegangen. Ein vom Einspruchsführer per Telefax am
7. Oktober 2002 an den Petitionsausschuss des Deutschen
Bundestages übermitteltes – mit der Einspruchsschrift und

Drucksache 15/2400 – 58 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

den Klagen textidentisches – Schreiben ist zuständigkeits-
halber an den Wahlprüfungsausschuss abgegeben worden.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3
WPrüfG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht ein-
gegangen und auch wirksam eingelegt worden. Der Um-
stand, dass der Einspruchsführer „vorsorglich“ und „hilfs-
weise“ Einspruch eingelegt hat, steht einer wirksamen Ein-
legung des Einspruchs nicht entgegen. Zwar können auch
im Wahlprüfungsverfahren Verfahrenshandlungen grund-
sätzlich nicht mit einer Bedingung versehen werden. Vor-
liegend möchte der Einspruchsführer jedoch lediglich zum
Ausdruck bringen, dass er ein verwaltungsgerichtliches Ver-
fahren in seiner Angelegenheit als vorzugswürdig gegen-
über dem Wahlprüfungsverfahren ansieht. Er bringt unmiss-
verständlich zum Ausdruck, dass er mit einer sachlichen
Prüfung seiner Einwände in einem Wahlprüfungsverfahren
einverstanden ist. Dies ist für eine wirksame Einlegung des
Wahleinspruchs ausreichend.
Der Einspruch ist jedoch in der Sache offensichtlich unbe-
gründet.
Der Einspruchsführer beanstandet zu Unrecht, dass bei der
Briefwahl auf dem Wahlschein eine Versicherung an Eides
statt vorgesehen ist und auf die Strafbarkeit einer falsch ab-
gegebenen Versicherung an Eides statt hingewiesen wird.

Dies entspricht entgegen seiner Auffassung dem geltenden
Recht. Nach § 36 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWG) hat der
Wähler oder die Hilfsperson auf demWahlschein gegenüber
dem Kreiswahlleiter an Eides statt zu versichern, dass der
Stimmzettel persönlich oder gemäß dem erklärten Willen
des Wählers gekennzeichnet worden ist. Der Kreiswahllei-
ter ist zur Abnahme einer solchen Versicherung an Eides
statt zuständig; er gilt als Behörde im Sinne des § 156 des
Strafgesetzbuches, der die Strafbarkeit einer falschen Ver-
sicherung an Eides statt regelt. Nach § 39 Abs. 4 Nr. 6
BWG sind bei der Briefwahl Wahlbriefe zurückzuweisen,
wenn der Wähler oder die Hilfsperson die vorgeschriebene
Versicherung an Eides statt auf dem Wahlschein nicht un-
terschrieben hat.
Auf dieser Grundlage sieht das Muster eines Wahlscheines
(Anlage 9 zu § 26 Bundeswahlordnung (BWO)) eine Ver-
sicherung an Eides statt gegenüber dem Kreiswahlleiter
vor. Auch das Merkblatt zur Briefwahl (Muster der An-
lage 12 zu § 28 Abs. 3 Nr. 4 BWO) weist darauf hin, dass
die Stimmabgabe bei der Briefwahl nur gültig ist, wenn in
der unteren Hälfte des Wahlscheines die „Versicherung an
Eides statt zur Briefwahl“ mit der Unterschrift versehen ist.
Es bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
dieser Vorschriften. Abgesehen davon haben der Bundes-
tag und der Wahlprüfungsausschuss nach ständiger Praxis
die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechts-
vorschriften stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehal-
ten.
Der Einspruch ist somit als offensichtlich unbegründet im
Sinne des § 6 Abs. 1a Nr. 3 WPrüfG zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59 – Drucksache 15/2400

Anlage 14

Beschlussempfehlung

Zu den Wahleinsprüchen
1. des Herrn F. W. M., 21217 Seevetal

– Az.: WP 52/02 –
2. des Herrn Dr. F.-C. v. L., 22767 Hamburg,

des Herrn B. O. M., 21077 Hamburg,
des Herrn H. G. S.-M., 22301 Hamburg

– Az.: WP 157/02 –
3. der Frau V. S., 21423 Winsen/Luhe

– Az.: WP 155/02 –
4. des Herrn K. P., 20493 Hamburg

– Az.: WP 156/02 –
5. des Herrn C. K., 22197 Hamburg

– Az.: WP 158/02 –
6. der Frau T. M., 22179 Hamburg

– Az.: WP 159/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Die Wahleinsprüche werden zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2002, ergänzt durch Schrei-
ben vom 17. Oktober 2002 und vom 20. November 2002 hat
der Einspruchsführer zu Nr. 1 Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag am 22. Sep-
tember 2002 eingelegt. Die Einspruchsführerinnen und Ein-
spruchsführer zu Nrn. 2 bis 6 haben sich jeweils mit im
Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 20. Novem-
ber 2002 dem Einspruch des Einspruchsführers zu Nr. 1 an-
geschlossen. Deren Vortrag hat sich wiederum der Ein-
spruchsführer zu Nr. 1 zu eigen gemacht.
Die Einspruchsführerinnen und Einspruchsführer beanstan-
den die sog. Frauenquote der Partei BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN. Die Satzung des Bundesverbandes der Partei
regelt in § 10 Abs. 5 Folgendes:
„Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Frauen und
Männern zu besetzen, wobei den Frauen die ungeraden
Plätze zur Verfügung stehen (Mindestparität). Frauen können
auch auf den geraden Plätzen kandidieren. Reine Frauenlis-
ten sind möglich.
Sollte keine Frau für einen Frauen zustehenden Platz kandi-
dieren bzw. gewählt werden, entscheidet die Wahlversamm-
lung über das weitere Verfahren. Die Frauen der Wahlver-
sammlung haben diesbezüglich ein Vetorecht entsprechend
§ 4 des Frauenstatuts.“
§ 1 des Frauenstatuts von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
das Bestandteil der Satzung des Bundesverbandes ist, ent-

hält in § 1 unter der Überschrift „Mindestquotierung“ eine
wortgleiche Regelung.
Die Einspruchsführer beziehen sich auf die Mitgliederver-
sammlung des Landesverbands Hamburg am 7. April 2002,
bei der neben der Wahl einer neuen Landesvorsitzenden
bzw. eines neuen Landesvorsitzenden die Kandidatinnen
und Kandidaten der Hamburger Landesliste für die Bundes-
tagswahl 2002 gewählt wurden. Entgegen dem sonst prakti-
zierten Frauenvorrang sei für den ersten Listenplatz eine
Kampfabstimmung zwischen einem Mann und einer Frau
zugelassen worden. Gewählt worden sei Frau Anja Hajduk.
Für die Wahl der weiteren Plätze auf der Landesliste sei die
Frauenquote angewandt worden. Die Einspruchsführer wei-
sen darauf hin, dass im ganzen Bundesgebiet Frauen in An-
wendung der Frauenquote in den Bundestag gewählt wor-
den seien, und benennen diese Abgeordneten.
Die angewandte Quotenregelung verstoße gegen Artikel 38
Grundgesetz (GG) und hierbei insbesondere gegen die ele-
mentaren Grundsätze der gleichen und freien Wahl. Diese
Grundsätze hätten auch für das passive Wahlrecht Geltung.
Sie seien bereits für die Wahlvorbereitung und somit auch
für die Aufstellung der Kandidaten für die Landeslisten der
Parteien anzuwenden. Nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 3 GG
müsse die innere Ordnung der Parteien demokratischen
Grundsätzen entsprechen. Die Vorkämpferinnen des Frau-
enwahlrechts hätten kein „Quotenvorrecht“ für die Frauen
gefordert. Durch die Quotenregelung werde die Menschen-
würde der Frauen beeinträchtigt, da sie zu Unrecht behan-

Drucksache 15/2400 – 60 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

delt würden, als bedürften sie der Hilfestellung, um sich im
politischen Wettbewerb zu behaupten. Andererseits werde
die freie Entfaltung der Männer angetastet, wenn die sozial
erwünschte Gleichberechtigung der Frau kraft bloßen bür-
gerlich-rechtlichen Satzungsrechts der Parteien in rechtliche
Benachteiligung der Männer im Wettbewerb um die Parla-
mentssitze umschlage. Der Bundestag stelle mit den ge-
wählten Abgeordneten keinen genauen Bevölkerungsquer-
schnitt dar, obwohl jede Bürgerin und jeder Bürger gleiches
Stimmrecht habe. Wolle man ein solches „Abbild“ der ver-
schiedenen Gruppierungen und Schichtungen im Parlament
erreichen, so müssten ständestaatliche Elemente in die Ver-
fassung eingeführt werden. Das Ziel, dass Männer und
Frauen in Parlamenten annähernd in gleicher Zahl vertreten
seien, sei zwar politisch wünschenswert, könne jedoch nicht
mit einem Bruch der Verfassung herbeigeführt werden. In
der Rechtsliteratur gebe es zahlreiche Autoren, die sich ge-
gen die Frauenquote aussprächen. Nach Artikel 3 Abs. 2
GG seien Männer und Frauen gleichberechtigt. Nach Satz 2
dieser Vorschrift fördere der Staat die tatsächliche Durchset-
zung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirke auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dies
erlaube jedoch nicht, eine etwa noch vorhandene soziale
Unterprivilegierung der Frauen in der politischen Repräsen-
tation durch ihre rechtliche Überprivilegierung auszutarie-
ren. Eine zeitliche Begrenzung der Quotenregelung sei nicht
vorgesehen. Die Parteien hätten für die aufgestellten Listen-
bewerber (50 % der Bundestagsmandate) das alleinige Mo-
nopol des Zuganges zum Abgeordnetenmandat. Vor diesem
Hintergrund seien sie bei der Ausgestaltung ihrer Satzungen
strikt an die Verfassung gebunden.
Die Einspruchsführer zu Nrn. 2 bis 6 beantragen, die Bun-
destagswahl 2002 in ihrer Gesamtheit für ungültig zu erklä-
ren und die Wahl zu wiederholen. Hilfsweise wird unter Be-
zugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zu Parteiverboten (BVerfGE 2,1 – SRP-Urteil) be-
antragt, den durch die Quotenregelung begünstigten
Abgeordneten ihr Mandat abzuerkennen und dieses für den
Rest der Wahlperiode unbesetzt zu lassen. Der Einspruchs-
führer zu Nr. 1 stellt Haupt- und Hilfsantrag in umgekehrter
Reihung und beantragt außerdem, die über die Quotenrege-
lung in den Bundestag gewählten Frauen von einem späte-
ren Einzug in den Bundestag auszuschließen.
Der Einspruchsführer zu Nr. 1 weist in seinem Vortrag auf
die Gründungssatzungen der Partei hin, die keine Quoten-
regelung enthalten hätten. Durch die jetzige Regelung sei
das passive Wahlrecht der Männer derart eingeschränkt,
dass ihr Anteil von 0 bis 50 % betrage und der Anteil der
Frauen zwischen 50 und 100 % liegen müsse. Aufgrund des
von den Hamburger Grünen im Jahre 1980 beschlossenen
Gründungskonsenses sehe er sich zum Handeln verpflichtet,
da „Recht zu Unrecht“ werde. Dieser Verpflichtung folgend
lege er Wahleinspruch ein. Die Auswirkungen der Quoten-
regelung würden – wie anhand von Beispielen dargelegt
wird – durch den Koalitionsvertrag zwischen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch verstärkt. Wegen des
weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen.
Der Einspruchsführer zu Nr. 1 hatte sich im Anschluss an
die Aufstellung der Landesliste Hamburg an den Landes-
wahlleiter sowie an den Bundeswahlleiter gewandt.

Der Bundeswahlleiter nahm hierzu mit Schreiben vom
8. Juli 2002 wie folgt Stellung:
Die Wahlrechtsgrundsätze des Artikel 38 Abs. 1 GG, insbe-
sondere der Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit der
Wahl, fänden unmittelbare Anwendung bei Wahlen zum
Deutschen Bundestag. Sie strahlten zudem auf die innerpar-
teiliche Wahlbewerberaufstellung aus, da diese neben einer
inneren Angelegenheit der Parteien auch eine Angelegen-
heit des Wahlrechts sei. Da die innere Ordnung der Parteien
und damit auch das innerparteiliche Wahlbewerberaufstel-
lungsverfahren nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 GG demokra-
tischen Grundsätzen genügen müssten, seien zur Konkreti-
sierung dieses innerparteilichen Prozesses die in Artikel 38
Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Wahlrechts-
grundsätze in entsprechender Anwendung heranzuziehen.
Wegen der Besonderheiten des Aufstellungsverfahren der
Wahlbewerber bei Bundestagwahlen seien allerdings Ab-
weichungen möglich. Der Gesetzgeber habe die Regelung
der Einzelheiten des Verfahrens der Aufstellung der Wahl-
kreisbewerber und der Listenbewerber der Parteien bei Bun-
destagswahlen dem autonomen Parteisatzungsrecht überlas-
sen. Bei der entsprechenden Regelung in den Satzungen
seien demokratische Grundsätze zu beachten. Die aus dem
Gebot der Wahlrechtsgleichheit resultierenden Einwände
gegen eine Quotierungsregelung seien mit der Gewährleis-
tung der Parteienfreiheit unter Berücksichtigung des Gebots
der Gleichberechtigung nach Artikel 3 Abs. 2 GG abzuwä-
gen. Die gewichtigeren Gründe sprächen für die Zulässig-
keit einer solche Quotierung.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deutschen
Bundestag eingegangen. Er ist zulässig, jedoch offensicht-
lich unbegründet.
Ein wahlprüfungsrechtlich erheblicher Verstoß gegen Wahl-
rechtsgrundsätze bei der Kandidatenaufstellung innerhalb
der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wegen der von den
Einspruchsführern gerügten Quotenregelung dieser Partei
lässt sich im Ergebnis nicht feststellen. Nicht allen Maßnah-
men von Parteien im Zusammenhang mit der Kandidaten-
aufstellung kommt – wie auch der Bundeswahlleiter darge-
legt hat – wahlrechtliche Bedeutung zu. Das Bundesverfas-
sungsgericht (BVerfGE 89, S. 243/253) betont deshalb, dass
der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag im
Bereich der Nahtstelle zwischen parteiinternen Angelegen-
heiten und staatlicher Wahlvorbereitung nur Verstöße gegen
elementare Regeln des demokratischen Wahlvorgangs rügen
können. Das Bundesverfassungsgericht verlangt „die Ein-
haltung eines Kernbestands an Verfahrensgrundsätzen, ohne
den ein Kandidatenvorschlag schlechterdings nicht Grund-
lage eines demokratischen Wahlvorgangs sein kann“
(BVerfGE 89, 243/252 f.). „Halten die Parteien bei der Wahl
der Vertreterversammlung oder der Wahlkreis- und Listen-
kandidaten diese elementaren Regeln nicht ein, so begrün-
det das die Gefahr der Verfälschung des demokratischen
Charakters der Wahl bereits in ihrer Grundlage und damit

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 61 – Drucksache 15/2400

einen Wahlfehler. Ereignen sich hingegen bei der Kandida-
tenaufstellung der Parteien Verstöße gegen Regeln, die nach
diesem Maßstab nicht elementar sind, so berührt dies die
Voraussetzungen einer ‚Wahl‘ im Sinne des § 21 Abs. 1
BWG nicht und scheidet daher von vornherein als Wahlfeh-
ler aus“, stellt das Gericht fest und grenzt damit die parteiin-
ternen Angelegenheiten einerseits und die praktische Wahl-
vorbereitung andererseits voneinander ab. Dementspre-
chend ist im Wahlprüfungsverfahren die Autonomie der
Parteien zu beachten. Diese wird berührt, wenn es darum
geht, deren Verfahren bei der Kandidatenaufstellung durch
staatliche Wahlorgane und im Wahlprüfungsverfahren zu
kontrollieren und zu bewerten.
Daraus ergibt sich des Weiteren, dass die Verfahrensweise
der Parteien zur Aufstellung ihrer Wahlbewerber im Rah-
men der Wahlprüfung allein an den hierfür von den Wahlge-
setzen bestimmten zwingenden Anforderungen zu messen
ist. Die Gestaltung des innerparteilichen Wahlrechts und die
Einhaltung der Satzungsvorschriften unterliegen demgegen-
über grundsätzlich nicht der Überprüfung imWahlprüfungs-
verfahren. Rechtsfehler im Zusammenhang mit der sat-
zungsrechtlich geregelten Aufstellung der Kandidaten kön-
nen hier allenfalls dann durchgreifen, wenn sie gleichzeitig
eine Verletzung der zwingenden gesetzlichen Vorschriften
über die Bewerberaufstellung enthalten.
Das Bundeswahlgesetz (BWG) regelt die Einreichung von
Landeslisten durch die politischen Parteien in § 27. Hin-
sichtlich der Aufstellung der Listenbewerber verweist § 27
Abs. 5 BWG im Wesentlichen auf die in den §§ 21 ff. BWG
enthaltenen Bestimmungen über die Aufstellung von Wahl-
kreisbewerbern. Die Regelung der Auswahl und Bestim-
mung der Kandidaten im Rahmen der Wahlvorbereitung hat
das Bundeswahlgesetz – sieht man von den „anderen“
Kreiswahlvorschlägen nach § 20 Abs. 3 BWG ab – dem-
nach in die Hände der Parteien gelegt (vgl. §§ 18, 27 Abs. 1
Satz 1 BWG).
Die Satzungen der Parteien sind Statute im Sinne des bür-
gerlich-rechtlichen Vereinsrechts. Ihre Vorschriften, insbe-
sondere diejenigen über die Gestaltung der inneren Ordnung
einschließlich der Kandidatenaufstellung für öffentliche
Wahlen, müssen im Sinne des Artikels 21 Abs. 1 Satz 3 GG
demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie dürfen weder
gegen die Grundgedanken des § 21 BWG und dessen ein-
zelne Regelungen noch allgemein gegen zwingendes Geset-
zesrecht verstoßen, mag dieses im Grundgesetz (z. B. Arti-
kel 3, 21 oder 38 Abs. 1), in einem einfachen Gesetz (z. B.
Bundeswahlgesetz oder Parteiengesetz) oder in einer
Rechtsverordnung (z. B. Bundeswahlordnung) normiert
sein. An diesen normativen Anforderungen haben sich alle
satzungsmäßigen Regelungen des Aufstellungsverfahrens
im Sinne des § 21 BWG, wie z. B. die Festlegung des in-
nerparteilichen Wahlmodus für die Bewerberaufstellung,
auszurichten. Da es sich insoweit um elementare Regeln des
demokratischen Wahlvorgangs handelt, können Verstöße
hiergegen im Wahlprüfungsverfahren gerügt werden. Wi-
derspricht eine Satzung hinsichtlich des Wahlmodus einer
gesetzlichen Norm, hat dies die Nichtigkeit der Regelung
zur Folge (§§ 134, 139 BGB). Soweit die Regelungskom-
petenz vom Gesetzgeber ausschließlich dem autonomen
Parteisatzungsgeber überlassen worden ist, unterliegt die
entsprechende parteiinterne Regelung als Recht der inneren

Ordnung der Partei grundsätzlich keiner staatlichen Nach-
prüfung (vgl. Schreiber, Wahlrecht, 7. Auflage, § 21,
Rn. 22). Das gilt z. B. auch für das Frauenstatut der Partei
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, welches Bestandteil der Sat-
zung dieser Partei ist und insofern ebenfalls den oben ge-
nannten normativen Regelungen über die Kandidatenauf-
stellung für Bundestagswahlen nicht widersprechen darf.
Der Gesetzgeber schreibt keine geschlechtsbezogenen Quo-
ten für Listenbewerber bei öffentlichen Wahlen vor und hat
die Regelungskompetenz für diese Materie ausdrücklich
dem autonomen Parteisatzungsgeber überlassen. Aus-
schließlich unter formalen Gleichheitsaspekten (Artikel 3
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG) können Privilegierun-
gen eines Geschlechtes bei der Aufstellung der Landeslisten
und innerparteilichenWahlen wegen der auch hier prinzipiell
geltenden Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl
durchaus bedenklich erscheinen. Wenn jedoch, wie letztlich
nach der Satzung der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegeben, eine ausgewogene personale Auswahl möglich ist,
bestehen angesichts der Zielsetzung von Quotenregelungen
bei sachgemäßer Ausgestaltung und Handhabung gegen de-
ren Zulässigkeit keine durchgreifenden Bedenken (vgl.
Schreiber, Wahlrecht, 7. Auflage, § 27, Rn. 13a).
Gerade diese ausgewogene personale Auswahl wird von
den Einspruchsführern allerdings bestritten, weil nach der
oben dargestellten Quotenregelung den Frauen grundsätz-
lich die ungeraden Listenplätze, und damit auch Platz 1, zur
Verfügung stehen, und sie darüber hinaus auch auf den gera-
den Listenplätzen kandidieren können, während Männern
umgekehrt eine Kandidatur auf den ungeraden Listenplät-
zen grundsätzlich nicht erlaubt wird. Indem sie damit auf ei-
nen auf den ersten Blick naheliegenden Widerspruch zum
formalisierten Gleichheitssatz, der auch für das passive
Wahlrecht gilt, hinweisen, machen die Einspruchsführer Be-
denken gegen die genannte Quotenregelung geltend, die
nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind.
Im Ergebnis der gebotenen umfassenden verfassungsrecht-
lichen Abwägung ist jedoch festzustellen, dass diese Quo-
tenregelung im Sinne der nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes notwendigen Differenzierung
zu rechtfertigen und damit zulässig ist. Angesichts der Er-
gänzung des Artikels 3 GG durch Absatz 2 Satz 2, der eine
bevorzugte Ungleichbehandlung von Frauen unter bestimm-
ten Voraussetzungen rechtfertigt (siehe unten), sowie be-
stimmter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
kann im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass von der
Unanwendbarkeit der Quotenregelung auszugehen ist. In
gleicher Weise hat der Bundestag bereits über Einsprüche
gegen die Bundestagswahlen 1994 und 1998 entschieden
(vgl. Bundestagsdrucksache 14/1560, Anlage 82; Bundes-
tagsdrucksache 13/3927, Anlagen 15 und 21).
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Quotenrege-
lung sind die Grundsätze des Artikels 38 Abs. 1 GG heran-
zuziehen. Die häufig bereits ausschlaggebende Bedeutung
der Kandidatenaufstellung für den Einzug in das Parlament
legt es nahe, die Legitimationswirkung dieser Grundsätze
für die parteiinterne Kandidatenaufstellung in Anspruch zu
nehmen und Statutenregelungen daran zu messen.
Der Grundsatz der gleichen Wahl verbietet zwar grundsätz-
lich Differenzierungen bei der Zulassung zur Kandidatur.
Die durch Artikel 38 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheit

Drucksache 15/2400 – 62 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ist grundsätzlich formal und nur unter eingeschränkten Be-
dingungen differenzierungsfähig (BVerfGE 11, 266/272).
Sachliche Differenzierungen bedürfen einer rechtfertigen-
den Begründung.
Die Quotierung im Reißverschlussverfahren reduziert den
Entscheidungsspielraum bei der Kandidatenaufstellung.
Denn dieses Verfahren bindet die Wahlberechtigten an eine
Entscheidung, die von anderen Parteimitgliedern vorgenom-
men worden ist. Die Einspruchsführer weisen in diesem Zu-
sammenhang auf ein „Monopol“ der Parteien beim Zugang
zum Abgeordnetenmandat im Hinblick auf die von ihnen
aufzustellenden Listenbewerber hin. Die Wahlberechtigten
seien somit in ihrer Wahl nicht mehr gänzlich frei. Eine sol-
che Beschränkung ist mit dem Grundsatz der Wahlfreiheit
im Ergebnis aber zu vereinbaren. So hat das Bundesverfas-
sungsgericht ein Wahlsystem mit gebundenen Listen, die
notwendigerweise zu einer gewissen Mediatisierung des
Wählerwillens und damit einer Beschränkung der Wahlfrei-
heit führen könnten, als im Rahmen der dem Gesetzgeber
anvertrauten näheren Ausgestaltung des Wahlrechts liegend
angesehen (BVerfGE 47, 253/283). Die hier zu behandeln-
den satzungsmäßigen Vorgaben für die Aufstellung der Lis-
ten gehen allerdings über die Konstellation der üblichen,
sich wahlgesetzlich ergebenden sog. starren oder gebunde-
nen Liste hinaus.
Die gebotene verfassungsrechtliche Abwägung unter Be-
rücksichtigung des programmatischen Auftrages des Arti-
kel 3 Abs. 2 Satz 2 GG und des Sozialstaatsprinzips ergibt,
dass ein Verstoß gegen Artikel 38 Abs. 1 GG (§ 1 Abs. 1
Satz 2 BWG) nicht vorliegt. Die Anwendung der Wahl-
rechtsgrundsätze des Artikels 38 Abs. 1 GG auf die parteiin-
terne Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahlen muss
mit Modifikationen in Einklang gebracht werden, die der
Funktion der politischen Parteien und der besonderen Struk-
tur der innerparteilichen Willensbildung Rechnung tragen.
Auch die hier zu beachtenden Grundsätze der Gleichheit und
der Freiheit der Wahl sind im Hinblick auf die Funktion der
Parteien im politischen System der grundgesetzlichen Ord-
nung modifiziert auszulegen; ihre Anwendung muss auf die
Freiheit der Parteien, politisch eigenständig profilierte Kan-
didatenvorschläge zu machen, Rücksicht nehmen.
Jede Quotierung bewirkt zunächst eine Ungleichbehand-
lung, deutet also zunächst auf einen Verstoß gegen das
Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 GG
hin. Offenkundig ist dieser Umstand bei der oben aufgeführ-
ten Quotenregelung, die die Männer von den Frauenplätzen
ausschließt, während sie den Frauen nichtsdestoweniger die
Möglichkeit eröffnet, sich zusätzlich auch um Männerplätze
zu bewerben. Das Gleichheitsgebot verlangt demgegenüber
aber auf den ersten Blick die Möglichkeit des gleichen Zu-
gangs zu jedem Listenplatz. Dieser ist den Männern auf-
grund der von der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
troffenen Regelungen prinzipiell verwehrt. Wird die Rege-
lung ausnahmslos angewandt, so beträgt – worauf der Ein-
spruchsführer zu Nr. 1 zu Recht hinweist –, der Anteil der
Männer zwischen 0 und 50 % der Listenplätze, während der
Frauenanteil bei 50 % oder höher liegen kann.
Dennoch findet die geschlechtsspezifische Quotierung der
Auswahl der Kandidaten für Mandate durch Satzungen der
Parteien aber auch eine Stütze in Artikel 3 Abs. 2 GG. Bei
der Quotierung handelt es sich entgegen der Auffassung der

Einspruchsführer um eine Maßnahme im sachlichen Gel-
tungsbereich des Artikels 3 Abs. 2 und 3 GG. Die in diesen
Vorschriften zum Ausdruck gebrachten Wertungen spielen
in dem hier zu betrachtenden Zusammenhang insoweit eine
Rolle, als sie im Wege systematischer Auslegung für die
Konkretisierung des Prinzips der formalen Wahlgleichheit
innerhalb der „demokratischen Grundsätze“ des Artikels 21
Abs. 1 Satz 3 GG herangezogen werden können. Artikel 3
Abs. 2 GG wirkt als Legitimation einer partiellen Abwei-
chung vom Prinzip der formalen Wahlgleichheit. Die Vor-
schrift enthält nämlich neben ihrem individualrechtlichen,
geschlechtsspezifische Diskriminierungen verbietenden Ge-
halt auch einen „programmatischen“, auf Herstellung fakti-
scher Gleichstellung gerichteten Inhalt, der gegenüber dem
Gesetzgeber als Verfassungsauftrag wirkt. Die Vorschrift
des Artikels 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist im Sinne sozialer
Gleichstellung zu verstehen. Als objektive Wertentschei-
dung enthält sie eine positive Wertung der Frauenemanzipa-
tion, die mit der Beseitigung rechtlicher Diskriminierung al-
lein noch nicht erreicht ist. Dementsprechend betrachten die
Parteien die Quotierungen für die Landeslistenbewerber zu-
gunsten von Frauen durch ihre jeweiligen Parteisatzungen
als „Beitrag zur Verstärkung der Beteiligung der Frauen in
der Politik und zur Verwirklichung der Gleichberechtigung
von Mann und Frau“.
Der objektiv-rechtliche Gehalt des Artikels 3 Abs. 2 GG ge-
winnt nicht zuletzt durch Argumente aus dem Bereich des
Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes zusätzliches Ge-
wicht. Bei der Grundrechtsausübung dürfen faktische so-
ziale Voraussetzungen nicht außer acht gelassen werden.
Aus beidem folgt die objektive Wertentscheidung für eine
umfassende, auch die Stellung in der Gesellschaft einbezie-
hende Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Hieraus folgt auch, dass für einen Verstoß gegen die Men-
schenwürde der Frauen entgegen der Auffassung der Ein-
spruchsführer kein Raum ist. Bezieht man Artikel 3 Abs. 2
Satz 2 GG als objektive Wertentscheidung im Sinne einer
sozialen, umfassenden Gleichberechtigung mit ein, so kann
hieraus nicht gleichzeitig ein Verstoß gegen Artikel 1 GG
abgeleitet werden. Dies gilt auch, soweit die Einspruchsfüh-
rer einen Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 GG hinsichtlich
der Männer rügen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit
findet nämlich seine Grenzen in der verfassungsmäßigen
Ordnung, zu der auch die objektive Wertentscheidung des
Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG gehört. Die Quotenregelung in
der Parteisatzung wird hierdurch im Ergebnis gerechtfertigt
und verstößt damit ebenfalls nicht gegen die verfassungs-
mäßige Ordnung.
Die Einspruchsführer können auch nicht mit Erfolg hierge-
gen einwenden, dass der Bundestag auch sonst kein genaues
„Abbild“ der verschiedenen Gruppierungen und Schichtun-
gen der Gesellschaft darstelle. Hieran ist richtig, dass eine
solche Zielsetzung nicht aus dem gleichen Stimmrecht für
alle Wahlberechtigten abgeleitet werden kann. Soweit sich
aber eine politische Partei auf eine objektive Wertentschei-
dung der Verfassung stützen kann, ist sie im Rahmen ihrer
Satzungsautonomie – wie dargelegt – berechtigt, eine ent-
sprechende Regelung in ihre Satzung aufzunehmen.
Bei einer Gesamtbetrachtung der vorhandenen Quotenrege-
lungen in Parteisatzungen und deren Auswirkungen ist von
einem Verstoß gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Arti-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 63 – Drucksache 15/2400

kel 38 Abs. 1 GG nicht auszugehen. Aus diesem Grund ist
die beanstandete Quotenregelung auch ohne die von den
Einspruchsführern angemahnte zeitliche Begrenzung wahl-
prüfungsrechtlich als gültig zu behandeln.
Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtssprechung
des Bundesverfassungsgerichts, die den Rahmen für die
wahlprüfungsrechtliche Bewertung des vorliegenden Ein-
spruchs bildet, werden im Ergebnis, wie auch schon in
früheren Entscheidungen (vgl. z. B. Bundestagsdrucksache
14/1560, Anlage 82, Bundestagsdrucksache 13/3927,
Anlagen 15 und 21), die beanstandeten innerparteilichen
Vorschriften zur Kandidatenaufstellung der Partei BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN als rechtswirksam betrachtet.
Der Einspruch ist deshalb als offensichtlich unbegründet zu-
rückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65 – Drucksache 15/2400

Anlage 15

Beschlussempfehlung

Zum Wahleinspruch
des Herrn K. M., 53332 Bornheim

– Az.: WP 66/02 –
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

Tatbestand
Mit einem an den Bundeswahlleiter gerichteten Schreiben
vom 4. Oktober 2002, das am 16. Oktober 2002 im Büro des
Bundeswahlleiters eingegangen ist, hat der Einspruchsfüh-
rer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 15. Deut-
schen Bundestag eingelegt. Dieses Schreiben ist an den
Deutschen Bundestag weitergeleitet worden und dort am
22. Oktober 2002 eingegangen.
Der Einspruchsführer bezieht sich in seiner Einspruchs-
schrift auf seinen Wahleinspruch zur Wahl des Euro-
päischen Parlaments (Bundestagsdrucksache 14/2761, An-
lage 7; Az: EuWP 11/99) und einen nach Beendigung des
Wahlprüfungsverfahrens geführten Schriftwechsel. Gegen-
stand dieses zurückgewiesenen Wahleinspruchs war die da-
malige Nichteintragung in das Wählerverzeichnis. Seinem
Einspruch sei „nicht ordnungsgemäß nachgegangen“ wor-
den, weshalb er sich auch an die Staatsanwaltschaft Nürn-
berg gewandt habe.
Mit Schreiben vom 6. November 2002 hat die Vorsitzende
des Wahlprüfungsausschusses den Einspruchsführer auf die
fehlende substantiierte Begründung seines Einspruchs auf-
merksam gemacht und ihn aufgefordert, dem Begründungs-
mangel bis zum 22. November 2002 abzuhelfen.
Der Einspruchsführer hat daraufhin mit Schreiben vom
9. November 2002, das am 26. November 2002 beim Bun-
destag eingegangen ist, mitgeteilt, dass seiner Auffassung
nach die Landesliste der SPD für den Freistaat Bayern nicht
ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Da der Freistaat
Bayern ein „wesentlicher Staat im föderativen Verband“ der
Bundesrepublik Deutschland sei, zweifele er an der Gültig-
keit der Bundestagswahl. Er habe auf Grund der nicht ord-
nungsgemäß zustande gekommenen Landesliste Bedenken
gegen die ordnungsgemäße Wahl der Bundestagskandidaten
aus Bayern. Zum weiteren Vortrag des Einspruchsführers
wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach-
und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 2 des
Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen
Verhandlung abzusehen.

Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist unzulässig, weil er dem Begründungs-
erfordernis des § 2 Abs. 3 Wahlprüfungsgesetz nicht ent-
spricht. Der Einspruchsführer hat trotz Fristsetzung der Vor-
sitzenden des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 6 Abs. 1a
Nr. 2 WPrüfG dem Begründungsmangel nicht abgeholfen.
Im Wahlprüfungsverfahren können gemäß § 49 BWG nur
solche Entscheidungen und Maßnahmen angefochten wer-
den, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen.
Demgegenüber bezieht sich der Einspruchsführer mit sei-
nem Vortrag in der Einspruchsschrift auf die Zurückwei-
sung seines Wahleinspruchs gegen die Wahl des Europäi-
schen Parlaments im Jahr 1999. Konkrete Mängel bei der
Vorbereitung oder Durchführung der Bundestagswahl 2002
werden nicht vorgetragen.
Das Begründungserfordernis ist auch nicht durch das am
26. November 2002 eingegangene weitere Schreiben des
Einspruchsführers erfüllt worden. Zum einen ist die nicht
belegte und pauschale Behauptung, die Landesliste der SPD
in Bayern sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen,
nicht hinreichend substantiiert. Zum anderen ist dieser „Ein-
spruchsgrund“ nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 2
Abs. 4 Satz 1 WPrüfG (22. November 2002) vorgetragen
worden. Es handelt sich hierbei nicht um nähere Ausführun-
gen oder Ergänzungen zu den Darlegungen in der Ein-
spruchsschrift, sondern um einen neuen „Grund“, der den
Einspruch stützen soll. Das Nachschieben eines neuen Ein-
spruchsgrundes nach Ablauf der Einspruchsfrist ist im Inte-
resse einer schnellen Klärung der Gültigkeit oder Ungül-
tigkeit der Wahl und der damit einhergehenden alsbaldigen
verbindlichen Feststellung der ordnungsgemäßen Zusam-
mensetzung des Parlaments unzulässig (Schreiber, Kom-
mentar zum Bundeswahlgesetz, 7. Auflage, § 49 Rn. 18).
Der Einspruch ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 67 – Drucksache 15/2400

Anlage 16

Beschlussempfehlung

In der Wahlprüfungsangelegenheit
1. des Herrn J. E., 19273 Tripkau
2. des Herrn H. E., 19273 Vockfey
3. des Herrn K. N., 19273 Stapel
4. der Frau S. N., 19273 Gülstorf

– Az.: WP 120/02 –
Bevollmächtigter:

Rechtsanwalt H. N., 19053 Schwerin
zur Wahl zum 15. Deutschen Bundestag

am 22. September 2002
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2004 beschlossen,

dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:
Der Antrag auf Erstattung der entstandenen Kosten wird abgewiesen.

Gründe
I.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2004, eingegangen am 13. Ja-
nuar 2004, haben die Einspruchsführerin und die Ein-
spruchsführer (im Folgenden als Einspruchsführer bezeich-
net) beantragt, ihnen die notwendigen Auslagen im Wahl-
prüfungsverfahren zu erstatten. Hierbei nehmen sie auf den
Bundestagsbeschluss vom 6. November 2003 zu ihrer
Wahlprüfungsangelegenheit Bezug (Bundestagsdrucksache
15/1850, Anlage 30). Darin ist ihr Wahleinspruch als offen-
sichtlich unbegründet zurückgewiesen worden; der Ein-
spruch hatte trotz eines festgestellten Wahlfehlers keinen
Erfolg, weil dieser keine Auswirkungen auf die Mandats-
verteilung im 15. Deutschen Bundestag entfaltet hat.
Die Einspruchsführer begründen ihren Antrag damit, dass
die Voraussetzungen für eine Erstattung der notwendigen
Auslagen nach dem Wahlprüfungsgesetz vorlägen. Nach-
dem der Deutsche Bundestag festgestellt habe, dass es sich
im vorliegenden Fall um einen „in seiner Klarheit kaum zu
überbietenden Eingriff in den Wahlwettbewerb“ gehandelt
habe, sei der Wahleinspruch auch nicht mutwillig gewesen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes sei notwendig ge-
wesen, weil die Einspruchsführer keinerlei juristische Vor-
bildung hätten. Der Einspruchsführer zu Nr. 3 sei Landwirt;
die Einspruchsführer zu Nrn. 1 und 2 seien Rentner und vor-
her ebenfalls als Landwirte berufstätig gewesen; die Ein-
spruchsführerin zu Nr. 4 sei Buchhändlerin.

II.
Eine Entscheidung über die Erstattung der notwendigen
Auslagen im Wahlprüfungsverfahren durch einen gesonder-
ten Beschluss des Bundestages begegnet trotz des Wortlauts
von § 19 Abs. 2 Wahlprüfungsgesetz (WPrüfG) keinen Be-
denken. Obwohl in dieser Vorschrift geregelt ist, dass über

die Erstattung von notwendigen Auslagen „in dem Be-
schluss des Bundestages“ über den Wahleinspruch zu befin-
den ist, soll hierdurch dem Parlament nicht verwehrt wer-
den, auf Antrag der Einspruchsführer in einem gesonderten
Beschluss über die Erstattung von Auslagen zu entscheiden
(Bundestagsdrucksache 13/3928, Anlage 21).
Nach Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und
den Belangen der Einspruchsführer ist eine Erstattung der
notwendigen Auslagen nicht gerechtfertigt. Zwar liegen
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 2
WPrüfG vor. Hiernach können dem in nicht amtlicher Ei-
genschaft Einsprechenden notwendige Auslagen erstattet
werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Ein-
spruch nur deshalb zurückgewiesen wurde, weil der geltend
gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis ge-
habt hat. Wie bereits dargelegt, ist der Wahleinspruch der
Einspruchsführer nur deshalb zurückgewiesen worden, weil
der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahl-
ergebnis gehabt hat. Die Vorschrift räumt dem Bundestag
jedoch hinsichtlich der Entscheidung der Frage, ob Ausla-
genersatz gewährt werden soll oder nicht, ein Ermessen ein.
Dieses ist dem Zweck des § 19 WPrüfG entsprechend aus-
zuüben, wobei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens ein-
zuhalten sind. Maßgeblich für die Ablehnung des Antrags
der Einspruchsführer ist die ständige Praxis des Bundesta-
ges, Anträge auf Kostenerstattung generell abzulehnen. Der
Deutsche Bundestag hat bislang – mit Ausnahme eines aty-
pisch gelagerten, besonders begründeten Sonderfalles (Bun-
destagsdrucksache 12/1002, Anlage 29) – Ersuchen um
Kostenerstattung stets abgelehnt (vgl. z. B. Bundestags-
drucksache 13/3928, Anlage 21). Ein sachlicher Grund, im
vorliegenden Fall ausnahmsweise die Auslagen zu erstatten,
ist nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Einspruchsführer ergibt sich
ein solcher besonderer Ausnahmefall nicht daraus, dass es

Drucksache 15/2400 – 68 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sich bei dem festgestellten Wahlfehler um einen eindeutigen
Eingriff in den Wahlwettbewerb gehandelt hat. Zwar weisen
die Einspruchsführer in diesem Zusammenhang zu Recht
darauf hin, dass der Wahleinspruch nicht mutwillig gewesen
ist. Allein dieser Umstand macht die vorliegende Wahlprü-
fungsangelegenheit jedoch nicht zu einem atypischen Son-
derfall, der ein Abweichen von der ständigen Praxis des
Bundestages ausnahmsweise rechtfertigen könnte. Vielmehr
ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Einlegung eines
Einspruches nicht mutwillig erfolgt.
Auch der Umstand, dass die Einspruchsführer keine juris-
tische Vorbildung haben, rechtfertigt keine andere Entschei-
dung. Das Fehlen einer juristischen Vorbildung der Ein-
spruchsführer macht den vorliegenden Fall nicht mit der
Konstellation in dem oben genannten Sonderfall (Bundes-
tagsdrucksache 12/1002, Anlage 29) vergleichbar. In die-
sem besonderen Ausnahmefall wurden die Anwaltskosten
im Hinblick darauf erstattet, dass der Einspruchsführer län-
gere Zeit unter Pflegschaft gestanden hatte und ihm trotz er-
folgter Aufhebung die Teilnahme an der Wahl verweigert
worden war. In diesem Fall erschien die Konsultation eines
Rechtsanwaltes objektiv erforderlich und im Ansatz jeden-
falls geeignet, das im Streit stehende Wahlrecht des Ein-
spruchsführers zu verfolgen. Der vorliegende Fall, in dem
die Einspruchsführer nicht ihr eigenes Wahlrecht geltend
gemacht haben, sondern eine Wahlbeeinflussung durch ei-
nen Bürgermeister, ist mit dieser Konstellation nicht ver-
gleichbar.
Weitere Billigkeitsgründe, die im vorliegenden Fall aus-
nahmsweise eine Erstattung der Auslagen rechtfertigen
könnten, sind nicht ersichtlich.

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