BT-Drucksache 15/2352

Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlinburg durchführen

Vom 14. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2352
15. Wahlperiode 14. 01. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Ulrike
Flach, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer Funke, Dr. Karlheinz Guttmacher,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Eberhard Otto (Godern), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der FDP

Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und
Quedlinburg durchführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Feuerbrand ist eine bakterielle Erkrankung von Kernobstarten wie Apfel,
Birne, Quitte. Sie hat sich in den letzten dreißig Jahren in vielen europäischen
Ländern ausgebreitet und dort erhebliche Schäden verursacht. Feuerbrand ist
hochansteckend. Von den ca. 40 000 ha Kernobst in Deutschland sind derzeit
klimatisch bedingt die Bestände in den Anbauregionen der südlichen Bundes-
länder am meisten gefährdet. Im Jahr 1993 mussten in Baden-Württemberg
200 ha Apfelanlagen gerodet werden. Dies verursachte Kosten von 22 000 Euro
je Hektar. Es dauert ca. 4 Jahre, bis eine Neuanlage wieder voll im Ertrag ist. In
dieser Zeit gehen dem Obstbauer ca. 15 000 Euro Umsatz pro Hektar im Jahr
verloren. Für die Bekämpfung des Feuerbrands gibt es keine wirksamen Mittel,
die ökologisch und gesundheitlich unbedenklich sind. In Deutschland darf nur
in Ausnahmefällen ein Antibiotikum angewendet werden. Die Bundesregie-
rung setzt sich für einen gänzlichen Verzicht auf die Anwendung antibiotika-
haltiger Pflanzenschutzmittel ein. Dazu sollten nach Ansicht der Bundesregie-
rung alle verfügbaren vorbeugenden Maßnahmen und Verfahren ausgeschöpft
werden.
Apfelschorf und Apfelmehltau sind Pilzerkrankungen, die ebenfalls zu hohen
Ertragseinbußen führen. Beide Erkrankungen können nur mit Fungiziden be-
kämpft werden. So sind z. B. in Sachsen während der Vegetationsperiode jähr-
lich 10 bis 12 Fungizidspritzungen gegen Schorf vorgesehen. In den letzten
Jahrzehnten sind auf konventionellem Wege zwar Apfelsorten mit hoher Resis-
tenz gezüchtet worden, aber die beispielsweise aus der konventionellen Pill-
nitzer Züchtung hervorgegangenen resistenten Sorten sind nur für bestimmte
lokale Anbaugebiete und für spezielle obstbauliche Produktionsformen von
Bedeutung. Diese Sorten entsprechen nicht den Qualitätskriterien, die gegen-
wärtig an eine Weltsorte gestellt werden.
Im Institut für Obstzüchtung der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an
Kulturpflanzen Dresden-Pillnitz wird seit einigen Jahren neben der konventio-

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nellen Züchtung die Möglichkeit verfolgt, mit Hilfe gentechnischer Methoden
die Resistenz der Pflanzen gegen bakterielle und pilzliche Erkrankungen zu
verbessern. Seit 1997 wird an der Entwicklung von transgenen Apfelbäumen
gearbeitet. Um die Stabilität und die Expression der Fremdgene zu testen, wur-
den bereits Versuche im Gewächshaus durchgeführt. Nach Auskunft der Bun-
desregierung (Bundestagsdrucksache 15/2079) wurden dafür bereits Finanz-
mittel in Höhe von 1,14 Mio. Euro aufgewendet. In Dresden-Pillnitz und in
Quedlinburg war geplant, gentechnisch veränderte Apfelbäume unter Freiland-
bedingungen zu testen. Bei den auf zwanzig Jahre angelegten Versuchen sollte
überprüft werden, ob neue, gentechnisch vermittelte Resistenzen gegen die Er-
reger Feuerbrand, Mehltau und Apfelschorf wirksam sind und somit neue Pers-
pektiven in der Bekämpfung dieser Apfelkrankheiten eröffnen könnten. In den
vergangenen Jahren sind an der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kul-
turpflanzen (BAZ) und im Rahmen internationaler Zusammenarbeit verschie-
dene, dafür geeignet erscheinende Genkonstrukte entwickelt und auf Apfel-
bäume übertragen worden, die die Abwehr der Pflanzen gegenüber Krankheits-
erregern erhöhen sollen. Die Gene stammen aus verschiedenen Organismen,
aus Bakteriophagen, aus einem Pilz und aus der Seidenraupenmotte. Sie ver-
mitteln die Produktion von Proteinen, die gegen Bakterien oder Pilze wirksam
sind. Es kann dabei auf bereits gewonnene Erkenntnisse zurückgegriffen wer-
den. Das Gen aus dem Bakteriophagen T4, das für die Produktion des Eiweißes
Lysozym sorgt, welches die Zellwand von Bakterien angreift, ist bereits an Kar-
toffeln getestet worden. Das Gen aus dem Pilz Trichoderma harzianum, das für
die Bildung des Enzyms Chitinase verantwortlich ist, welches die Zellwände
von Pilzen zersetzt, wurde in ähnlicher Formulierung bereits an Weinreben er-
probt.
Bereits Anfang Oktober hatte die ZKBS (Zentrale Kommission für biologische
Sicherheit), das Sachverständigengremium bei der Zulassungsbehörde RKI
(Robert Koch-Institut), über die Apfel-Versuche beraten und eine Genehmi-
gung unter Auflagen empfohlen: Der Versuch sollte vorerst auf zehn Jahre be-
grenzt und durch eine Begleitforschung ergänzt werden. Als Untersuchungs-
thema wurde etwa eine mögliche Allergenität der Äpfel genannt. Vom Ergebnis
dieser Forschungen sollte eine weitere Fortsetzung der Versuche abhängig ge-
macht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die Bundesanstalt für Züchtungsforschung anzuweisen, das Genehmigungsver-
fahren für die Durchführung des Freisetzungsversuchs von transgenen Apfel-
bäumen wieder aufzunehmen, mit dem Ziel, den Versuch wie ursprünglich ge-
plant an den vorgesehenen Standorten in Pillnitz und Quedlinburg in diesem
Jahr zu beginnen.

Berlin, den 13. Januar 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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