BT-Drucksache 15/2203

Qualität von Nahrungsmitteln des ökologischen Landbaus

Vom 10. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2203
15. Wahlperiode 10. 12. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Klaus Haupt,
Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Qualität von Nahrungsmitteln des ökologischen Landbaus

In Deutschland wurden laut dem Ernährungs- und agrarpolitischen Bericht
2003 der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 15/405) bis zum Ende des
Jahres 2001 3,7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nach den Richt-
linien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Erklärtes Ziel der Bundesre-
gierung ist es, den ökologischen Landbau bis zum Jahr 2010 auf 20 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzfläche auszudehnen. Die Einführung des Biosiegels
und das damit gestiegende Angebot an Nahrungsmitteln des ökologischen
Landbaus aus dem Ausland hat den Preisdruck für die heimischen Erzeuger
deutlich erhöht. Parallel zu den vielfältigen Problemen für den ökologischen
Landbau, die mit der Verwirklichung der politisch bestimmten Zielvorgabe für
den ökologischen Landbau von 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche
bis zum Jahr 2010 verbunden sind, stellen sich grundsätzliche Fragen nach den
ernährungsphysiologischen Vorteilen der Produkte des ökologischen Landbaus
für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Vergleich zu denen der konventi-
onellen Produktion. Insbesondere im Hinblick auf die wahrheitsgemäße Infor-
mation der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität der von ihnen
gekauften Produkte muss daher bei der Zertifizierung von Produkten unter-
schieden werden zwischen der Zertifizierung von Produktionsverfahren und der
Zertifizierung von Produkteigenschaften.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Lebensmittel des ökologischen

Landbaus, eine signifikant bessere Produktqualität als Lebensmittel des inte-
grierten und des konventionellen Landbaus, und wenn ja, in welchen Stu-
dien unabhängiger Institutionen und für welche Bereiche der Lebensmittel-
qualität (Hygiene, geringer Gehalt an natürlichen oder chemischen Toxinen,
Gehalt an Vitaminen oder lebensnotwendigen Spurenelementen etc.) wurde
dies konkret nachgewiesen?

Drucksache 15/2203 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Gütezeichen
verschiedener Institutionen, die auf der Grundlage von nachgewiesenen
Produkteigenschaften wie z. B. niedriger Nitratgehalt, niedriger Gehalt an
Mykotoxinen vergeben werden und nicht auf der Grundlage von Produk-
tionsverfahren?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Gütezeichen, die auf der
Grundlage von Analyseergebnissen Produkteigenschaften zertifizieren
(Beispiel Gütezeichen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein),
für Verbraucherinnen und Verbraucher, die eine besonders hohe Produkt-
qualität bevorzugen, aussagekräftiger sind als Siegel, die die Produktion
nach bestimmten Produktionsverfahren zertifizieren, und wenn nein, wa-
rum nicht?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Instituts für ökologischen
Landbau in Trenthorst (Schleswig-Holstein), dass bislang „klare Beweise
fehlen, ob ökologisch produzierte Lebensmittel eine bessere Produktquali-
tät aufweisen und/oder gesünder sind als Lebensmittel aus konventioneller
Produktion“?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der Welternährungsorgani-
sation FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations),
nach der die Bezeichnung ,organisch“ eine Prozess-Deklaration darstellt
und deshalb „nicht unbedingt als Bescheinigung interpretiert werden sollte,
dass die produzierten Produkte gesünder, sicherer oder ,100 % natürlich‘
sind“?

6. Teilt die Bundesregierung die Feststellung des 16th Report des britischen
House of Lords, dass „die Bezeichnung ,organisch‘ (biologisch) beschei-
nigt, dass ein Produkt auf eine bestimmte Weise produziert wurde und
keine Garantie ist, dass das Produkt bestimmte erwünschte Qualitäten auf-
weist“, und wenn nein, warum nicht?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Menge an
bestimmten Mykotoxinen bei Produkten des ökologischen Landbaus we-
sentlich höher sein kann als bei Produkten des konventionellen Landbaus,
wie z. B. im Fall von Patulin, einem potenziellen Kanzerogen, das nach ei-
ner Studie von Jukes (1990) in Apfelsäften aus Äpfeln des ökologischen
Landbaus in höherer Konzentration nachgewiesen wurde als in Apfelsäften
aus Äpfeln aus der konventionellen Produktion?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Untersuchung von Marx et al.
(1995), die bei Weizen- und Roggen-Proben aus konventioneller und öko-
logischer Produktion feststellte, dass die Deoxynivalenol-Kontamination
und Verunreinigung mit Zearalenon bei ökologischen Produkten im Durch-
schnitt höher ausfiel als bei konventionellen Produkten?

9. Ist der Bundesregierung die kürzlich aufgetretene Problematik von mit Fu-
monisinen verunreinigten Maismehlen in Großbritannien bekannt, die zur
Rücknahme sämtlicher getesteter Maismehle aus ökologischer Produktion
vom Markt geführt hat?
Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die gesundheitlichen Risiken
für die deutschen Verbraucher?

10. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zum Vorschlag der Europäi-
schen Kommission ein, einen Grenzwert von 500 Mikrogramm pro Kilo-
gramm für Fumonisine in allen Maiserzeugnissen einzuführen?

11. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Einfüh-
rung von Bt-Mais in den Regionen in Deutschland (z. B. Oderbruch), in

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2203

denen der Mais vom Maiszünsler stark befallen wird und eine erhöhte
Belastung durch Mykotoxine zeigt?

12. Wie bewertet die Bundesregierung eine Studie der Emory University
(2000), die das im Ökolandbau verwendete natürliche Insektizid Rotenon
(Substrate aus den tropischen Leguminosen: Derris spp., Lonchocarpus
spp. und Terphrosia spp.) mit der Parkinsonschen Krankheit im Tierver-
such ursächlich in Zusammenhang bringt?

13. Sind der Bundesregierung Studien oder Untersuchungen bekannt, wonach
nachgewiesen werden kann, dass die von Pflanzen natürlicherweise produ-
zierten Pestizide für den Menschen weniger giftig als chemisch-syntheti-
sche Pflanzenschutzmittel sind, und wie bewertet sie diese?

14. Welche Hektarerträge werden auf Flächen gleicher Bonität im ökologi-
schen Landbau bei Weizen, Roggen und Gerste im Vergleich zur konventi-
onellen Landwirtschaft erzielt?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die These, dass an günstigen Standorten
wie z. B. der Magdeburger Börde oder im Osten von Schleswig-Holstein
der konventionelle Landbau bezogen auf die Erntemenge eine geringere
Umwelteinwirkung (wie z. B. Energiemenge, Nitrateintrag ins Grundwas-
ser) hat als der ökologische Landbau?

16. Welche Erkenntnisse gibt es über die mikrobielle Belastung von Eiern
sowie Geflügel (Hähnchen, Enten, Gänse, Puten) aus der Produktion des
ökologischen Landbaus im Vergleich zu der aus konventioneller Tierhal-
tung?

17. Wie verträgt sich der deutlich höhere Flächenbedarf in der Tierproduktion
des ökologischen Landbaus mit dem Leitbild der Bundesregierung für eine
nachhaltige und umweltverträgliche Landwirtschaft?

18. Ist der Bundesregierung die „Deklaration für Naturschutz durch intensive
Land- und Forstwirtschaft“ bekannt, in der die Friedensnobelpreisträger
Norman Borlaug und Oscar Arias sowie renommierte Vertreter gemeinnüt-
ziger Organisationen betonen, dass zur Erreichung des Ziels humaner
Lebensbedingungen für alle Menschen und gleichzeitiger Erhaltung der
Biodiversität unserer Umwelt eine intensive Bewirtschaftung basierend auf
den Fortschritten in Biologie, Ökologie, Chemie und Technologie dringend
notwendig ist?
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung dazu ein?

Berlin, den 10. Dezember 2003
Dr. Christel Happach-Kasan
Hans-Michael Goldmann
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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