BT-Drucksache 15/200

40 Jahre deutsch-französischer Freundschaftsvertrag - für eine neue Qualität und Dynamik der deutsch-französischen Beziehungen

Vom 17. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/200
15. Wahlperiode 17. 12. 2002

Antrag
der Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff, Dr. Friedbert Pflüger, Peter Hintze,
Christian Schmidt (Fürth), Dr. Wolfgang Schäuble, Ulrich Adam, Ilse Aigner, Peter
Altmaier, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner, Veronika
Bellmann, Dr. Wolfgang Bötsch, Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Dr. Michael
Fuchs, Michael Glos, Kurt-Dieter Grill, Hermann Gröhe, Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg, Olav Gutting, Klaus-Jürgen Hedrich, Siegfried Helias, Jürgen
Herrmann, Robert Hochbaum, Joachim Hörster, Dr. Egon Jüttner, Eckart von
Klaeden, Thomas Kossendey, Gunther Krichbaum, Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg), Dr. Norbert Lammert, Ursula Lietz, Eduard Lintner, Patricia Lips,
Dr. GerdMüller, BernwardMüller (Gera), Claudia Nolte, Dr. Georg Nüßlein, Dr. Peter
Paziorek, Ruprecht Polenz, Hans Raidel, Helmut Rauber, Christa Reichard
(Dresden), Dr. Norbert Röttgen, Dr. Klaus Rose, Kurt J. Rossmanith, Dr. Christian
Ruck, Volker Rühe, Albert Rupprecht (Weiden), Anita Schäfer (Saalstadt), Bernd
Schmidbauer, Bernd Siebert, Thomas Silberhorn, Jens Spahn, Michael Stübgen,
Dr. Hans-Peter Uhl, Angelika Volquartz, Peter Weiß (Emmendingen), Willy Wimmer
(Neuss), Matthias Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU

40 Jahre deutsch-französischer Freundschaftsvertrag – für eine neue Qualität
und Dynamik der deutsch-französischen Beziehungen

Der Bundestag wolle beschließen:
Gute deutsch-französische Beziehungen waren stets die entscheidende Grund-
lage für alle Fortschritte im Europäischen Vereinigungs- und Integrations-
prozess. Begründet wurde die besondere Qualität der deutsch-französischen
Beziehungen 1963 im deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Der Elysée-
Vertrag besiegelte die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. Mit
dem Ende des Ost-West-Konfliktes und der Einheit Deutschlands haben sich
die politischen Dimensionen gewandelt, die die deutsch-französische Freund-
schaft in ihrem Ursprung wesentlich geprägt haben. 40 Jahre nach Unterzeich-
nung des Elysée-Vertrages durch Bundeskanzler Konrad Adenauer und General
Charles de Gaulle ist die Idee eines vereinigten starken Europas, die schon
1963 Leitgedanke für die künftige bilaterale Zusammenarbeit der beiden Län-
der war, noch immer die zentrale Aufgabe.
Die deutsch-französische Kooperation war und ist in ihrer engen bilateralen
Zusammenarbeit und in ihrer Bedeutung für die europäische Integration einzig-
artig. Ein gut funktionierendes deutsch-französisches Verhältnis bedeutet für
Europa Dynamik und Fortschritt, Störungen zwischen Deutschland und Frank-
reich hingegen beschädigen den europäischen Integrationsprozess. Und auch in
Zukunft werden die Interessen Deutschlands und Frankreichs am besten in
einem starken Europa zu verwirklichen sein.

Drucksache 15/200 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag betrachtet die gemeinsame Erklärung der Französi-
schen Nationalversammlung und des Deutschen Bundestages zur interparla-
mentarischen Zusammenarbeit als einen Schritt zur substanziellen Vertiefung
der beiderseitigen Beziehungen mit dem Ziel, gemeinsame Antworten auf die
neuen Aufgaben und Herausforderungen zu finden.
Denn neben der Vollendung der Einheit Europas, wofür die nächsten Schritte
die in Kopenhagen beschlossene Integration von zehn Beitrittsländern und die
Vertiefung der Europäischen Union durch den Konvent sind, stellen sich ange-
sichts der globalen Entwicklungen neue Herausforderungen für die deutsch-
französische Freundschaft. Diesen müssen sich Deutschland und Frankreich als
befreundete Nachbarn gemeinsam stellen. Die deutsch-französische Freund-
schaft muss deshalb nach 40 Jahren in einem gewandelten Umfeld eine neue
Dynamik entwickeln.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Deutschland und Frankreich müssen jetzt dringender denn je eine gemeinsame
Vorstellung von der Rolle Europas in der Welt entwickeln. Denn durch die
beim Kopenhagener EU-Gipfel am 12./13. Dezember 2002 beschlossene Er-
weiterung wird die Europäische Union ihre Interessen im globalen Wettbewerb
besser behaupten, ihr Gewicht und ihren Einfluss in der Welt und in den inter-
nationalen Organisationen erhöhen und somit wirksamer als Ordnungs- und
Stabilitätsfaktor handeln können. Zugleich werden dadurch die Chancen für
eine erfolgreichere Bewältigung der globalen Herausforderungen, insbesondere
der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der Weiterverbreitung von
Massenvernichtungswaffen, der Unterentwicklung und der Umweltrisiken, ver-
bessert.
Europa wird gestaltenden Einfluss auf die weltpolitischen Entwicklungen je-
doch nur dann wirksam ausüben können, wenn die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) und mit ihr die Europäische Sicherheits- und Vertei-
digungspolitik (ESVP) von allen EU-Mitgliedstaaten als gemeinsame prioritäre
Aufgaben aufgefasst werden. Deutschland und Frankreich stehen hierbei in
einer besonderen Verantwortung. Damit sie ihrer Rolle als Motor für ein starkes
Europa in der Welt gerecht werden, müssen sie in allen wichtigen Fragen der
Außen- und Sicherheitspolitik – insbesondere in der Frage möglicher Militär-
einsätze – mit einer gemeinsamen Position auftreten.
In diesem Sinne fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,
zusammen mit der französischen Regierung
– möglichst bald eine gemeinsame Bedrohungsanalyse mit abgestimmten

Schlussfolgerungen zu erarbeiten, mit welchen politischen und wirtschaft-
lichen Mitteln und militärischen Fähigkeiten und Strukturen Europäische
Union und NATO den neuen Bedrohungen begegnen sollten;

– Konzepte zu entwickeln, wie wirksamer gegen die Weiterverbreitung von
Massenvernichtungsmitteln und Trägersystemen vorgegangen werden
sollte. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang gemein-
same deutsch-französische Initiativen in den Bereichen Abrüstung von Mas-
senvernichtungswaffen einschließlich Abrüstungshilfen sowie die Stärkung
des weltweiten Rüstungskontrollregimes;

– eine gemeinsame Initiative für eine europäische Schutzkomponente im Rah-
men eines umfassenden Raketenabwehrsystems zu starten und dabei die
Möglichkeiten einer transatlantischen technologischen und wissenschaft-
lichen Kooperation zu nutzen und die Interessen deutscher und französischer
Hochtechnologieunternehmen und Forschungseinrichtungen aktiv zu unter-
stützen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/200

– eine Strategie zu entwickeln, wie wirksamer als bisher Staaten, die vom
politischen Zerfall und internen Konflikten gezeichnet sind, stabilisiert und
Zonen der Ordnungslosigkeit, in denen Terroristen Unterschlupf und Nähr-
boden für ihren menschenverachtenden Fanatismus finden, beseitigt werden
können;

– ihre Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung gegen-
über den Entwicklungsländern sowohl untereinander, als auch mit ihren EU-
Partnern sowie mit der Europäischen Kommission besser aufeinander abzu-
stimmen;

– für eine Umsetzung der europäischen Verpflichtungen zur CO2-Reduktionnach dem Kyoto-Protokoll zu sorgen und sich für den Einsatz aller flexiblen
Instrumente durch die Europäische Union einzusetzen;

– Vorstellungen vorzulegen, wie die europäisch-amerikanischen Beziehungen
vertieft und dabei eine gemeinsame Haltung zum Stellenwert internationaler
Vereinbarungen und Strukturen erreicht werden kann, so dass eine trans-
atlantische Verständigung über eine künftige globale Ordnung möglich wird;

– im Sinne dieser Zielsetzung Positionen für eine gemeinsame Politik
Deutschlands und Frankreichs in multilateralen Organisationen, insbeson-
dere in den Vereinten Nationen und den internationalen Finanzorganisatio-
nen, zu formulieren;

– die von der Bundesregierung Kohl/Genscher entwickelte Zusammenarbeit
zwischen Deutschland, Frankreich und Polen im Rahmen des „Weimarer
Dreiecks“ zu vertiefen und mit mehr Leben zu erfüllen;

– Ideen zu entwickeln, wie der globalisierungsbedingte Wandel so gestaltet
werden kann, dass künftig auf der Grundlage eines weiterentwickelten Völ-
kerrechts globale Wertentscheidungen und Kooperationsformen möglich
und sichergestellt werden; diese sollten sich auf die Sicherung des Friedens,
die Gewährleistung der Menschenrechte, eine nachhaltige Bewirtschaftung
globaler öffentlicher Güter, eine gemeinsame Wettbewerbsordnung und die
Nichtdiskriminierung konzentrieren;

– die relevanten Teile des Centre d’analyse et de prévision (CAP) des Quai
d’Orsay und des Planungsstabes des Auswärtigen Amts zu einer integrierten
Strategieeinheit zusammenzufassen.

Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Absicht der deutschen und der französi-
schen Regierung, eine Sicherheits- und Verteidigungsunion zu schaffen, die zur
Stärkung des europäischen Pfeilers der Allianz beitragen soll. Um diese Vision
zu verwirklichen, müssen auch die entsprechenden militärischen Fähigkeiten
geschaffen und die finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Dafür sollten:
– die Krisenreaktionskräfte endlich in ihrem vollen Aufgabenspektrum ein-

satzfähig werden, die Transport-, Aufklärungs- und Kommunikationsfähig-
keiten müssen deutlich verbessert werden;

– stärker als bisher Synergien unter den nationalen Streitkräften hergestellt
werden: So sollten gemeinsame Ausbildungs- und Wartungseinheiten ge-
schaffen werden. Weiterhin sollten sie ihre Fähigkeiten zu strategischem
Truppentransport in einer gemeinsamen Organisation koordinieren. In ge-
meinsamen Einsatzregionen mit langer gemeinsamer Verweildauer könnten
sie ihre nationale Logistik verschmelzen;

– Frankreich und Deutschland für größere Militäreinsätze ein gemeinsames
mobiles Hauptquartier mit gesicherten Kommunikationsverbindungen er-
richten und für die EU bereitstellen;

Drucksache 15/200 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– ihre Spezialtruppen regelmäßig gemeinsam üben und mit kompatiblen Kom-
munikations- und Transportmitteln ausgestattet werden;

– Deutschland und Frankreich künftig für gemeinsame, sicherheitspolitisch
gebotene Beschaffungsprojekte über gemeinsam bereitgestellte Mittel verfü-
gen können, die von einem Ausschuss aus Deutschem Bundestag und Fran-
zösischer Nationalversammlung überwacht werden;

– die deutschen Verteidigungsausgaben – insbesondere zur Modernisierung
der Streitkräfte – dem französischen Beispiel folgend erhöht werden;

– beide Länder im Rahmen der ESVP nachdrücklich eine gemeinsame Streit-
kräfteplanung, eine gemeinsame Rüstungspolitik, ein gemeinsames europäi-
sches Beschaffungswesen sowie die Gründung einer Europäischen Rüstungs-
agentur anstreben und den Aufbau einer europäischen Verteidigungsindustrie
fördern;

– auch im Bereich der ESVP Regelungen für eine verstärkte Zusammenarbeit
vereinbart werden.

Konvent zur Zukunft Europas
Der Konvent zur Zukunft Europas ist eine große Herausforderung für die
gestalterische Kraft Deutschlands und Frankreichs als Motor des weiteren Inte-
grationsprozesses. Die Europäische Union muss auch mit 27 und mehr Staaten
ihr hohes Integrationsniveau behalten, handlungsfähig sein und dafür zügig,
transparent, bürgernah und demokratisch entscheiden können. Deutschland und
Frankreich müssen für den Konvent zu allen wichtigen Reformvorhaben ge-
meinsame Positionen vorlegen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, darauf
hinzuwirken, dass
– der Kommissionspräsident auf Vorschlag des Rates durch das Europäische

Parlament gewählt wird, wobei der Rat das Ergebnis der Europawahl zu be-
rücksichtigen hat. Ein so gewählter Kommissionspräsident könnte auch den
Vorsitz im Rat übernehmen;

– die EU künftig einen „Außenminister“ hat, der die bisher getrennten Funk-
tionen des Außenkommissars und des Hohen Repräsentanten für die Außen-
und Sicherheitspolitik in einer Person vereinigt;

– eine verbindliche Abgrenzung der Kompetenzen erreicht wird, die für die
Bürger der Europäischen Union durchschaubarer regelt, wer wofür zustän-
dig und verantwortlich ist;

– der Rat in der Regel in allen Fragen, die nicht den Kernbereich staatlicher
Souveränität berühren, künftig mit Mehrheit entscheidet;

– die Möglichkeit, dass die zu bestimmten Integrationsschritten Willigen und
Fähigen vorangehen und verstärkt zusammenarbeiten, zur Regel wird;

– eine Vereinfachung der Entscheidungsstrukturen sowie ein neues Gleich-
gewicht der Institutionen erreicht wird.

In diesem Zusammenhang fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung
auf, zusammenmit der französischen Regierung auf die Frage nach den Grenzen
der Europäischen Union Antworten zu entwickeln, die einem gemeinsamen
Bewusstsein und Werteverständnis der Europäer entsprechen, die die Auf-
nahmefähigkeit der EU nicht sprengen und die auch denjenigen Staaten in
Europa, die nicht Mitglied der Europäischen Union werden können oder wollen,
engste Beziehungen unterhalb einer vollen Mitgliedschaft ermöglichen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/200

Innere Sicherheit und Justiz
Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass durch die Erweiterung auch
die innere Sicherheit der Europäischen Union gestärkt werden muss. Denn mit
der Übernahme der EU-Visa-Politik und der Schengen-Regelungen durch die
neuen EU-Mitglieder sowie durch die Zusammenarbeit im Europol-Verbund
werden illegale Zuwanderung, organisierte Kriminalität und Terrorismus in
Europa erfolgreicher bekämpft werden können. Um einen Europäischen Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, ist dafür nach Auffas-
sung des Deutschen Bundestages in der Europäischen Union allerdings noch
eine Intensivierung der Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Geheimdiens-
ten notwendig. Auch in dieser Frage müssen Deutschland und Frankreich ihre
Führungsrolle im europäischen Integrationsprozess effizienter wahrnehmen.
Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf, sich zusam-
men mit Frankreich in der Europäischen Union insbesondere dafür einzusetzen,
dass möglichst schnell
– die Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit von Europol erreicht wird,

was einen beschleunigten Auf- und Ausbau des Europol-Informationssys-
tems einschließen muss; mit dem außereuropäischen Ausland sollten die
Zusammenarbeit und der Informationsaustausch weiter verstärkt werden;

– EURO-JUST weiter gestärkt wird, um insbesondere schwere grenzüber-
schreitende Kriminalität effektiver verfolgen zu können. Die Möglichkeit
einer Weiterentwicklung zu einer europäischen Staatsanwaltschaft muss
offen gehalten werden;

– der europaweite Haftbefehl praxisgerecht durch die nationalen Rechtsord-
nungen umgesetzt wird, um die Verfolgung schwerer Straftäter über die
Grenzen hinaus zu erleichtern und zu beschleunigen;

– die Möglichkeit der gegenseitigen Anerkennung von strafprozessualen Ent-
scheidungen in Ermittlungs- und Strafverfahren und der gerichtlichen Ver-
wertbarkeit von grenzüberschreitend erzielten akustischen und optischen
Beweisen erweitert werden – auch, soweit erforderlich, durch Angleichung
strafrechtlicher und strafprozessualer Vorschriften mit dem Ziel der Verein-
barung von Mindeststandards;

– die Bereiche der europäischen Innen- und Justizpolitik in einem gemeinsa-
men Rechtsrahmen zusammengefasst werden.

Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik
Die aktuellen Diskussionen über die Kriterien der europäischen Stabilitätspoli-
tik sowie über die Finanzierung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik und
der Strukturpolitik, aber auch die Tatsache, dass Deutschland und Frankreich
vor vergleichbaren gesellschaftlichen Herausforderungen stehen, weisen auf
die Notwendigkeit hin, zwischen beiden Ländern einen vertieften Dialog über
die Perspektiven ihrer Wirtschaftspolitik und die Möglichkeiten zur Lösung
gesellschaftlicher Probleme zu führen. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb
die Bundesregierung auf, zusammen mit der französischen Regierung
– Überlegungen zu erarbeiten, wie unter den Bedingungen der Globalisierung

eine neue Balance von liberaler Wirtschaftsordnung und solidarischer Ge-
sellschaftsordnung im Sinne einer Internationalen Sozialen Marktwirtschaft,
die den Grundprinzipien der Nachhaltigkeit gerecht wird, hergestellt werden
kann;

– die Initiative für die Bildung eines deutsch-französischen Bündnisses – be-
stehend aus Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaften und Sozialverbän-
den – zu ergreifen, das Konzepte für die Lösung der für beide Gesellschaften

Drucksache 15/200 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

vergleichbaren Herausforderungen erarbeiten soll. Der Nationale Ethikrat
und sein französisches Pendant sollten auch als binationale Einrichtung
tagen;

– die deutsch-französische Unternehmenszusammenarbeit zu fördern und die
notwendigen Rahmenbedingungen für eine Verbesserung der Wettbewerbs-
fähigkeit des gemeinsamen Wirtschaftsstandortes unter Einschluss von Leit-
linien für eine gemeinsame Energiepolitik zu schaffen;

– umgehend eine gemeinsame Arbeitsgruppe einzusetzen, die Positionen für
eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union für die
Zeit nach 2006 erarbeitet und dabei unvoreingenommen die Einführung der
Kofinanzierung erörtert, damit in dieser – auch im bilateralen Verhältnis –
zentralen Frage ein baldige grundsätzliche Verständigung erreicht wird.

Kultur, Bildung und Medien, Grenzregionen
Das Wesen und der innere Wert der deutsch-französischen Beziehungen
werden davon bestimmt bleiben, wie sehr die gemeinsame Idee von beiden
Völkern verinnerlicht wird. Der Elysée-Vertrag hat hierzu ein wichtiges Instru-
mentarium geschaffen. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass jetzt
über das Erreichte hinaus, an dem das Deutsch-Französische Jugendwerk einen
erheblichen Anteil hat, neue ehrgeizige Ziele gesetzt werden sollten. Eine be-
sondere Rolle sollte dabei der Zusammenarbeit in den Grenzregionen zukom-
men. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
– zusammen mit der französischen Regierung der Förderung der Partner-

sprache und dem Kennenlernen der Kultur des Partnerlandes in der kulturel-
len Zusammenarbeit Priorität einzuräumen;

– im Bildungsbereich und in der Wissenschaft neben der deutsch-französi-
schen Hochschule vor allem die Kooperation von deutschen und französi-
schen Hochschulen zu fördern, damit Forschungspotentiale zusammen-
gefasst und fokussiert werden können;

– eine durchgehende beiderseitige Anerkennung von Schul- und Hochschul-
abschlüssen sowie Abschlüssen der beruflichen Bildung zu verwirklichen;

– im schulischen Bereich das im Jahr 2000 eingeleitete Austauschprogramm
„Voltaire“ weiter auszubauen, zu fördern und ein Konzept zu entwickeln,
damit es über den gymnasialen Zweig hinaus ausgedehnt werden kann, so-
wie das Netz der bilingualen Schulen weiter auszubauen. Erstrebenswertes
Ziel sollte sein, dass möglichst bald die Mehrzahl der deutschen bzw. fran-
zösischen Schüler einen Schulaufenthalt im Partnerland genossen hat;

– die Zusammenarbeit bei der Gestaltung von Schulbüchern, insbesondere für
den Geschichtsunterricht, zu intensivieren;

– sich in der kulturpolitischen Zusammenarbeit für gemeinsame Projekte in
allen Regionen einzusetzen, um eine Konzentration allein auf die Haupt-
städte zu vermeiden. Dafür müssen die haushaltspolitischen Voraussetzun-
gen geschaffen werden, die eine Aufrechterhaltung und Erweiterung des
kulturpolitischen Angebots der Goetheinstitute in Frankreich und der Insti-
tuts Français in Deutschland erlauben. Außerdem sollte ein gemeinsames
deutsch-französisches Kulturinstitut geschaffen werden, das den beiden Ein-
richtungen in ihrer internationalen Funktion zur Außendarstellung des
deutsch-französischen Miteinanders zur Seite gestellt werden sollte;

– die Ergebnisse des Symposiums zur Bedeutung der Medien für die Schaf-
fung einer europäischen Öffentlichkeit vom Mai 2002, wie sie in die Erklä-
rung des 79. deutsch-französischen Gipfels in Schwerin eingeflossen sind, in
kürzester Zeit in Handlungskonzepte zu überführen und in die Praxis umzu-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/200

setzen. Zur Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses und der gesell-
schaftlichen und kulturellen Beziehungen sollten über das bisherige
Programm des Fernsehsenders ARTE hinaus deutsch-französische Nach-
richtensendungen, die gemeinsame Übertragung von gesellschaftlichen,
kulturellen und sportlichen Ereignissen sowie regionale Schwerpunktpro-
gramme erwogen werden;

– gemeinsam mit unseren französischen Partnern die deutsch-französischen
Grenzregionen zu modellhaften, starken gemeinsamen Räumen zu ent-
wickeln, und damit auch für andere Regionen Europas beispielgebend für
das Zusammenwachsen über bisherigen Grenzen hinweg zu wirken;

– zusammen mit der französischen Regierung das Karlsruher Übereinkommen
vom 23. Januar 1996 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwi-
schen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen weiterzuent-
wickeln und dabei in den Grenzregionen insbesondere hinzuwirken auf den
Aufbau gemeinsamer Verwaltungseinheiten, auf ein gemeinsames Vorgehen
bei Fragen der Raumordnung und der Verkehrsinfrastruktur, auf die Etablie-
rung eines zweisprachigen Schul-, Berufsbildungs- und Hochschulwesens,
auf den Aufbau gemeinsamer Strukturen von Verbänden, sozialen Einrich-
tungen und der Organisationen des Sports, auf die Stärkung gemeinsamer
Wirtschaftsstandorte durch gemeinsame Strukturen zur Förderung wirt-
schaftlicher Aktivitäten, gemeinsame Ansätze zu Sicherung der Energie-
versorgung und gemeinsame Konzepte für Umweltmaßnahmen;

– Vorschläge für die Einrichtung gemeinsamer grenzüberschreitender Europa-
wahlkreise und die Aufstellung transnationaler Wahllisten für Grenzregio-
nen bei Wahlen zum Europäischen Parlament vorzulegen.

Berlin, den 17. Dezember 2002
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Friedbert Pflüger
Peter Hintze
Christian Schmidt (Fürth)
Dr. Wolfgang Schäuble
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Veronika Bellmann
Dr. Wolfgang Bötsch
Anke Eymer (Lübeck)
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Michael Glos
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Olav Gutting
Klaus-Jürgen Hedrich
Siegfried Helias
Jürgen Herrmann
Robert Hochbaum
Joachim Hörster
Dr. Egon Jüttner
Eckart von Klaeden

Drucksache 15/200 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Dr. Norbert Lammert
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Gera)
Claudia Nolte
Dr. Georg Nüßlein
Dr. Peter Paziorek
Ruprecht Polenz
Hans Raidel
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht (Weiden)
Anita Schäfer (Saalstadt)
Bernd Schmidbauer
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Jens Spahn
Michael Stübgen
Dr. Hans-Peter Uhl
Angelika Volquartz
Peter Weiß (Emmendingen)
Willy Wimmer (Neuss)
Matthias Wissmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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