BT-Drucksache 15/1874

Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland - Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen

Vom 4. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1874
15. Wahlperiode 04. 11. 2003

Antrag
der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), Renate Blank,
Hartmut Büttner (Schönebeck), Dr. Peter Gauweiler, MarkusGrübel, Volker Kauder,
Dr. Günter Krings, Dr. Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld,
Dorothee Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Melanie Oßwald,
Heinrich-WilhelmRonsöhr, Kurt J. Rossmanith, Matthias Sehling, Erika Steinbach,
Christian Freiherr von Stetten, Edeltraut Töpfer, Wolfgang Zeitlmann und der
Fraktion der CDU/CSU

Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland –
Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen
Diktaturen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Zu den konstitutiven Elementen des wiedervereinten Deutschlands gehört das
Gedenken an die Opfer der beiden totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts:
Nationalsozialismus und Kommunismus. Beide sind Bestandteile der deut-
schen Geschichte. Sowohl die nationalsozialistische Herrschaft von 1933 bis
1945 als auch die kommunistische Diktatur von 1945 bis 1989 sind Kapitel
unserer Nationalgeschichte.
Es bedarf eines Konzeptes, das Institutionen und historische Orte beinhaltet,
die an beide Diktaturen erinnern. In diesem Zusammenhang sei auf eine Reihe
historischer Orte und heutiger Gedenkstätten verwiesen, die von beiden Dikta-
turen zur Unterdrückung von Opposition und Widerstand genutzt wurden. Hier
ist der Zusammenhang zwischen den Diktaturen ohnehin evident. Der Umgang
mit der „doppelten Vergangenheit“ bildet dabei eine besondere Herausforde-
rung.
Zur Umsetzung eines beide Diktaturen in Deutschland berücksichtigenden, in-
tegralen Konzeptes sind inhaltliche, administrative und finanzielle Fragen und
Beteiligungen von Bund und Ländern zu klären. Dabei kann an das „Gesetz zur
Errichtung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer
politischer Gewaltherrschaft“, das der Sächsische Landtag am 28. Februar 2003
beschlossen hat, angeknüpft werden. In Anlehnung daran sollten in einem
Gesamtkonzept des Bundes folgende Ziele formuliert werden:
1. Historische Orte, die an politische Gewaltverbrechen während der beiden

Diktaturen erinnern, müssen erschlossen werden.
2. Diese Orte sollten nach klaren und transparenten Maßstäben historisch ge-

wichtet werden und einen entsprechenden Rang in der nationalen Erinne-
rungskultur einnehmen.

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3. Diese Orte sollten als nationale Gedenkstätten gefördert und entsprechend
betreut werden.

4. Dafür in Frage kommen Orte, die entweder während beider oder jeweils
während einer der Diktaturen als Orte von staatlich organisiertem Mord,
politischen Gewaltverbrechen, politischer Verfolgung bzw. Staatsterror
fungierten.

5. Dazu zählen auch Orte, die in markanter Weise für Opposition und Wider-
stand gegen die beiden oder jeweils eine der Diktaturen authentisch sind.

6. Dazu zählen weiterhin Orte, die geeignet sind, Strukturen und Methoden der
jeweiligen Herrschaftssysteme für die Öffentlichkeit zu dokumentieren.

Die Orte gelten im öffentlichen Bewusstsein als exemplarisch für einen be-
stimmten Verfolgungskomplex. Nach Maßgabe der Unterrichtung durch die
Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 14/1569) handelt es sich um Orte mit
einem spezifischen, unverwechselbaren Profil, das sich auf die Authentizität
des Ortes gründet. Eine besondere Betrachtung verlangt das Denkmal für die
ermordeten Juden Europas, wo die Authentizität des Ortes nicht im Vorder-
grund steht. Mit Ausnahme des ehemaligen geschlossenen Jugendwerkhofs
Torgau liegen wissenschaftlich, museologisch und gedenkstättenpädagogisch
fundierte Konzepte vor. Nach derzeitigem Stand sollte das Gesamtkonzept fol-
gende Gedenkstätten, Erinnerungsorte und Dokumentationszentren enthalten:
I. Zentrale Orte der Erinnerung an Repression und Widerstand während der na-
tionalsozialistischen Gewaltherrschaft, Stätten von Opposition und Widerstand
gegen die NS-Diktatur
l Stiftung Topographie des Terrors, Berlin;
l Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz;
l Denkmal für die ermordeten Juden Europas; Gedenken der anderen Opfer;
l KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen;
l KZ-Gedenkstätte Dachau;
l Gedenkstätte Deutscher Widerstand;
l Gedenkstätte Mittelbau-Dora (in der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-

Dora).
II. Authentische Orte der Erinnerung und des Gedenkens an die Verbrechen
der NS-Diktatur und der kommunistischen Gewaltherrschaft
l Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (KZ und sowjetisches Speziallager

Sachsenhausen und KZ Ravensbrück);
l Gedenkstätte Buchenwald (in der Stiftung Buchenwald und Mittelbau-

Dora).
III. Orte der Erinnerung an Repression und Widerstand in der SED-Diktatur,
Stätten von Opposition und Widerstand, Flucht und Vertreibung
l Zentrale Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit

(MfS), Berlin-Hohenschönhausen;
l Ehemaliger Sitz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im „Haus I

Normannenstrasse“, Berlin;
l Gedenkstätte Bautzen;
l Geschlossener Jugendwerkhof Torgau (Konzept muss erarbeitet werden);
l Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, Berlin.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1874

IV. Authentische Orte zur Geschichte der deutschen Teilung als Bestandteile
der Nationalgeschichte
l Gedenkstätte und Dokumentationszentrum Bernauer Straße, Berlin;
l Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn;
l Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth.
Diese Erinnerungsorte sollten als Gedenkstätten von herausragender nationaler
Bedeutung entsprechend vom Bund im Rahmen des Plafonds gefördert werden.
Bei der inhaltlichen Arbeit wirken Bund und das jeweilige Land gleichberech-
tigt zusammen, die Wissenschaft wird dabei angemessen beteiligt.
Alle Gedenkstätten und Einrichtungen, die bisher vom Bund anteilig finanziert
wurden und hier nicht genannt sind, werden in der Praxis von diesem Antrag
nicht berührt.
Das Gesamtkonzept sollte folgende weitere Regelungen enthalten:
Der Bund garantiert die Pluralität der Konzeptionen, die Zusammenarbeit von
ehrenamtlichen und professionellen Mitarbeitern sowie individuelles und kol-
lektives Engagement. Trotz der zentralen finanziellen Verantwortung garantiert
der Bund die dezentralen Lern- und Zugangsmöglichkeiten, insbesondere die
Zusammenarbeit der Gedenkstätten mit Schulen und anderen Trägern politi-
scher Bildungsarbeit. Die genannten herausragenden Orte und Einrichtungen
müssen in die Lage versetzt werden, sinnvoll an die universitäre Forschung ge-
koppelt und nach Möglichkeit institutionell dort integriert zu werden. Im Ein-
zelfall könnte dies als eigenständiger Forschungsbereich innerhalb einer Fakul-
tät etc. realisiert werden. Die Arbeit der Gedenkstätten sollte national und inter-
national vernetzt werden. Dies sollte in Form von Mitarbeiteraustausch sowie
gemeinsamen Veranstaltungsangeboten und Forschungsprojekten geschehen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit den Ländern einen Vorschlag vor-
zulegen, mit welchen Instrumenten und Regelungsmöglichkeiten (z. B. Staats-
vertrag) den unterschiedlichen Aspekten des Themenkomplexes Rechnung ge-
tragen werden kann, um ein zukunftsfähiges und stringentes Gesamtkonzept
umsetzen zu können.

Berlin, den 4. November 2003
Günter Nooke
Bernd Neumann (Bremen)
Renate Blank
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Dr. Peter Gauweiler
Markus Grübel
Volker Kauder
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Norbert Lammert
Vera Lengsfeld

Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Melanie Oßwald
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Kurt J. Rossmanith
Matthias Sehling
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Edeltraut Töpfer
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Drucksache 15/1874 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Überwindung der Fol-
gen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ stellte in ihrem
Schlussbericht (Bundestagsdrucksache 13/11000, S. 227) fest: „Die Erinnerung
an die beiden Diktaturen, die die Feindschaft gegen Demokratie und Rechts-
staat verbunden hat, schärft das Bewusstsein für den Wert von Freiheit, Recht
und Demokratie. Dies, wie die notwendige Aufklärung über die Geschichte der
beiden Diktaturen, ist der Kern des antitotalitären Konsenses und der demokra-
tischen Erinnerungskultur der Deutschen.“ In diesem Zusammenhang betont
die Bundesregierung in einer Unterrichtung (Bundestagsdrucksache 14/1569),
dass die Gedenkstätten an den authentischen Orten zur Erinnerung an beide
Diktaturen und zum Gedenken an ihre Opfer als Stützpunkte von zentraler Be-
deutung seien. Die Erinnerungskultur müsse als gesamtstaatliche und gesamt-
gesellschaftliche Aufgabe angesehen werden. Die Erinnerung an die NS-Ter-
rorherrschaft und die SED-Diktatur und das Gedenken an die Opfer und den
Widerstand sind Teile des demokratischen Selbstverständnisses der Bundes-
republik Deutschland. Weiterhin betont die Bundesregierung, dass dieses Erin-
nern zur Festigung des Bewusstseins für Freiheit, Recht und Demokratie bei-
trage und den antitotalitären Konsens in Deutschland stärke. Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion unterstützt diese Einschätzung der Bundesregierung.
In der Folge des Sieges der Alliierten des zweiten Weltkrieges über den Na-
tionalsozialismus und der Besetzung Deutschlands durch die Siegermächte
konnten Demokratie und Rechtsstaat nur in den westlichen Besatzungszonen
etabliert werden. Im Ostteil wurde mit massiver Hilfe der Siegermacht Sowjet-
union der kommunistischen SED zur Herrschaft verholfen. Diese war zu kei-
nem Zeitpunkt rechtsstaatlich und durch demokratische Wahlen legitimiert. Die
40-jährige SED-Herrschaft auf dem Boden der sowjetischen Besatzungszone
ist auch ein direktes Ergebnis der unmittelbar vorausgegangenen NS-Herr-
schaft. Beide Diktaturen standen jeweils auf ihre Weise einem demokratischen
Rechtsstaat diametral entgegen und bekämpften diesen. Der Widerstand gegen
diese Diktaturen war mit unzähligen Opfern verbunden. Vor dem Hintergrund
dieser historischen Entwicklungen und der offenkundigen Zusammenhänge er-
klärt sich auch die Genesis bundesrepublikanischer Erinnerungskultur. Bis zum
3. Oktober 1990 ist für beide Teile Deutschlands ein unterschiedlicher Umgang
beim Gedenken an die Diktaturen zu konstatieren. Im Mittelpunkt einer natio-
nalen Erinnerungskultur stand lediglich die Zeit des Nationalsozialismus. Im
Westen Deutschlands zog der Parlamentarische Rat in Form des Grundgesetzes
klare Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der NS-Diktatur. Spätestens seit
den sechziger und siebziger Jahren erfuhren authentische Orte des Gedenkens
an die NS-Diktatur durch breite wissenschaftliche, publizistische, politische
und gesellschaftliche Auseinandersetzungen große Aufmerksamkeit. Sowohl
bürgerschaftliches Engagement als auch die klare und unmissverständliche
Übernahme gesamtstaatlicher Verantwortung durch die verschiedenen Bundes-
regierungen führten zu einer umfangreichen Dokumentation der historischen
Ereignisse und einer allmählich sich tief verwurzelnden, lebendigen Erinne-
rungskultur.
Für die öffentliche Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur sowohl in der
sowjetisch besetzten Zone (SBZ) als auch in der DDR war der ideologisch
definierte Begriff vom „Antifaschismus“ maßgebend. Nicht zuletzt diente diese
Form der Interpretation des „antifaschistischen Kampfes“ zur Legitimierung
der SED-Herrschaft. Die in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren in
der DDR entstandenen „Nationalen Mahn- und Gedenkstätten“ waren in ihrem
Ansehen somit von Anfang an diskreditiert, wie auch die Enquete-Kommission
„Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“
feststellte (a. a. O., S. 230 ff.). Diese spezifische, von der SED-Ideologie ge-
prägte Erinnerungskultur wies erhebliche Defizite insbesondere bei der Dar-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1874

stellung der Geschehnisse an den authentischen Orten auf. Außerdem wurde
nicht aller Opfer der NS-Diktatur gleichermaßen gedacht. Gleichwohl waren
diese Orte Stätten des Gedenkens und der Trauer. Die am 3. Oktober 1990
erfolgte Wiederherstellung der staatlichen Einheit ermöglichte die Um- bzw.
Neugestaltung dieser „Nationalen Mahn- und Gedenkstätten“. Schon in den
späten achtziger Jahren hatte das bürgerschaftliche Engagement einzelner Op-
positionsgruppen dazu Vorarbeiten geleistet. Neue Ausstellungen nach 1990,
Grundlagenforschung zur Geschichte der einzelnen Orte, die konservatorische
Sicherung der authentischen Orte und die Dokumentation der ideologischen
Instrumentalisierung der Gedenkstätten durch die SED führten zu einer diffe-
renzierten und pluralistischen Gedenkstättenarbeit. Dieser Prozess der Umge-
staltung dauert noch an und ist an einzelnen Orten wie Buchenwald und Sach-
senhausen weitestgehend abgeschlossen, wie die Bundesregierung in ihrer Un-
terrichtung (Bundestagsdrucksache 14/1569) feststellt. Die Enquete-Kommissi-
onen des Deutschen Bundestages zur SED-Diktatur haben nicht allein wichtige
Erkenntnisse und zahlreiche wissenschaftliche Expertisen erbracht, sondern
darüber hinaus einen prinzipiellen Anstoß für die Erforschung der SED-Dikta-
tur geliefert, der in vielfältiger Weise durch wissenschaftliche Forschung, aber
auch die Dokumentationsaktivitäten der Bürgerrechtsbewegung aufgenommen
wird. Auch diese vielgestaltige Arbeit sollte in den geplanten Gedenkstätten für
einen breiteren Kreis sichtbar werden.
Jedoch muss im Jahr 2003 festgestellt werden, dass dem Gedenken an die Op-
fer der beiden Diktaturen ausgesprochen unterschiedlich Rechnung getragen
wird. Trotz des unmittelbaren Zusammenhangs von NS- und kommunistischer
Herrschaft als Bestandteile unserer Nationalgeschichte wird an die Zeit der
SED-Diktatur auf nationaler Ebene nur marginal gedacht. Allein die 1996 in
zweiter Auflage erschienene Dokumentation „Gedenkstätten für die Opfer des
Nationalsozialismus“ umfasst 1 800 Seiten. Vergleichbares existiert bezogen
auf die zweite deutsche Diktatur nicht. Damit entsteht der falsche Eindruck,
dass diese SED-Diktatur lediglich als regionales Ereignis auf dem Boden der
ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR zu betrachten und
eben nicht als Bestandteil der gemeinsamen deutschen Nationalgeschichte dar-
zustellen sei. Dieser falschen und für die Erinnerungskultur fatalen Fehl-
einschätzung sollte nicht weiterhin Vorschub geleistet werden. Der für das
Verständnis unserer Geschichte so wichtige Zusammenhang zwischen beiden
Diktaturen und das Gedenken an deren Opfer muss sich in einem stringenten
Gesamtkonzept wiederfinden.
Zwar sind seit dem 3. Oktober 1990 neue Gedenkstätten entstanden. Dort wer-
den insbesondere die Geschichte der sowjetischen Speziallager in der SBZ, der
Haftanstalten für politische Gefangene in der DDR sowie Opposition, Wider-
stand, Flucht und Vertreibung dokumentiert. Aber diese Gedenkstätten sollten
in viel stärkerem Maße in den Fokus nationaler Gedenkkultur gerückt werden.
Die Erinnerung an die SED-Diktatur – wie die an die NS-Diktatur – beruht in
der Bundesrepublik Deutschland zu einem wesentlichen Teil auf bürgerschaft-
lichem Engagement. Aber diese Gedenkstätten stehen vor besonderen Heraus-
forderungen und benötigen eine gezielte Unterstützung seitens des Bundes.
Einerseits ist die Förderung der Erinnerung, des Gedenkens und von Gedenk-
stätten sowohl der NS-Terrorherrschaft als auch der SED-Diktatur Aufgabe der
Gesellschaft, der Kommunen und Länder. Aber der Bund sollte in viel stärke-
rem Maße als bisher Gedenkstätten und Projekte zur Erinnerung an die SED-
Diktatur und den Widerstand gegen sie fördern, wenn diese von nationaler Be-
deutung sind. Dies entspräche auch den Intentionen, die von der Bundesregie-
rung 1999 selbst aufgestellt wurden (Bundestagsdrucksache 14/1569).
Zu diskutieren wäre auch eine alternative Form der Finanzierung, wenn alle
Bundesländer gleichermaßen ihren Beitrag leisten. Die konkrete Verantwortung
beim Umgang mit der historischen Vergangenheit beider Diktaturen in

Drucksache 15/1874 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Deutschland kann nicht nur von den Ländern getragen werden, auf deren
Territorium sich die Gedenkstätten von herausragender nationaler Bedeutung
befinden. Die Bundesländer, auf deren Territorium keine solchen Gedenkstät-
ten existieren, müssten in diesem Fall in die Verantwortung einbezogen wer-
den. Demnach sollte die finanzielle Aufteilung auf alle Bundesländer nach
einem festzulegenden Finanzierungsschlüssel verhandelt werden. Die Bundes-
regierung möge aktiv eine gesellschaftliche Debatte in Gang setzen, in der
sowohl die Eigenart der im Folgenden genannten Gedenkstätten respektiert
wird als auch vor allem die finanziellen Lasten gleichermaßen auf alle Bundes-
länder verteilt werden. Dies könnte in Form einer Bund-Länder-Stiftung reali-
siert bzw. vorhandene Einrichtungen dafür genutzt werden.
In den Kontext der Folgen der Diktaturgeschichte sowie der Überwindung tota-
litärer Regime in Deutschland gehört auch das Gedenken an folgende Opfer-
gruppen, Ereignisse sowie Themenkomplexe:
l Opfer von Krieg und Vertreibung;
l zivile Opfer der alliierten Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges;
l friedliche Revolution und Wiederherstellung der staatlichen Einheit.
Ziel einer gesellschaftlichen Debatte sollte es sein, auch an diese Ereignisse in
Form von jeweils zentralen Gedenkstätten von nationaler Bedeutung zu erin-
nern. Hier sollte schnellstens an die Diskussion um ein Zentrum gegen Vertrei-
bungen sowie ein Mahnmal für die Bombenopfer des alliierten Luftkrieges
angeknüpft werden.
In Bezug auf die friedliche Revolution und Wiederherstellung der staatlichen
Einheit sei auf den Gruppenantrag zur Errichtung eines Denkmals für Freiheit
und Einheit auf der Berliner Schlossfreiheit vom 6. April 2000 (Bundestags-
drucksache 14/3126) verwiesen. Hier sollte es sich um ein neues Nationaldenk-
mal handeln, dass besonders an die Aktiva neuester deutscher Geschichte erin-
nert.
Alle drei noch zu schaffenden Gedenkorte sind in diesem Antrag nicht enthal-
ten, weil es zurzeit noch keine entsprechenden Zentren oder Denkmale gibt, die
darüber stattfindende gesellschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen ist
und deshalb der hier zu betrachtende Sachzusammenhang zwischen originärem
Ort des Geschehens und klarer Täter-Opfer-Perspektive nicht gegeben ist.
Da außer Zweifel steht, dass auch diese Ereignisse und das Gedenken daran
von herausragender nationaler Bedeutung sind, sollte die Möglichkeit geschaf-
fen werden, in nächster Zeit entsprechende Stätten zu errichten. Die Beziehun-
gen zu den bestehenden, vorn beschriebenen Einrichtungen sind zu klären.
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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