BT-Drucksache 15/1821

Mindestlohnverordnung und Schattenwirtschaft und Ihre Folgen für das Baugewerbe in Ostdeutschland

Vom 21. Oktober 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1821
15. Wahlperiode 21. 10. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Arnold Vaatz, Rainer Eppelmann, Werner Kuhn (Zingst), Dirk
Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Georg Brunnhuber, Ulrich Adam, Renate
Blank, Klaus Brähmig, Hartmut Büttner (Schönebeck), Hubert Deittert, Enak
Ferlemann, Dr. Michael Fuchs, Peter Götz, ManfredGrund, Siegfried Helias, Robert
Hochbaum, Klaus Hofbauer, Susanne Jaffke, Volker Kauder, Michael Kretschmer,
Vera Lengsfeld, Eduard Lintner, Dr. KlausW. Lippold, Maria Michalk, Klaus Minkel,
Bernward Müller (Gera), Henry Nitzsche, Claudia Nolte, Christa Reichard
(Dresden), Gero Storjohann, Lena Strothmann, Antje Tillmann, Volkmar Uwe
Vogel, Gerhard Wächter, Marco Wanderwitz und der Fraktion der CDU/CSU

Mindestlohnverordnung und Schattenwirtschaft und ihre Folgen für das
Baugewerbe in Ostdeutschland

Die ostdeutsche Bauindustrie befindet sich seit Mitte der 90er Jahre in einem
schmerzhaften Anpassungsprozess. Als Reaktion auf die in den Jahren zuvor
überhöhte, nicht durchhaltbare Bauaktivität, sinkt seit 1996 die Bruttowert-
schöpfung im Baugewerbe um ca. 8,5 % p. a. Auch die Zahl der Arbeitsplätze
hat seit dem Höhepunkt des Baubooms dramatisch abgenommen. Ende 2002
fanden in Ostdeutschland nur noch rund 220 000 Menschen Beschäftigung in
der Bauindustrie, dies entspricht einem Rückgang um ca. 50 %. Dieser Abbau
setzt sich im laufenden Jahr unvermindert fort. Für die vorhersehbare Zukunft
muss dieser Trend gestoppt und eine Anpassung des ostdeutschen Baugewerbes
an Markterfordernisse erreicht werden.
Um den verbliebenen Bauunternehmen kostenseitig eine zumindest teilweise
Entlastung zu verschaffen, verständigten sich die Tarifparteien 1997 auf Lohn-
öffnungsklauseln. Dem aber entgegenwirkend wurde von der Bundesregierung
eine Mindestlohnverordnung erlassen, die wiederum zu steigenden Arbeitskos-
ten führte. Da die Produktivität mit dieser Zunahme nicht Schritt hielt, zogen
auch die Lohnstückkosten wieder an. Das Institut für Wirtschaftsforschung
Halle schätzt, dass die Lohnkostenbelastung der Baubetriebe in Ostdeutschland
inzwischen rd. ein Viertel höher ist als in Westdeutschland.
In seinem Jahresgutachten 2002/2003 (Bundestagsdrucksache 15/100) bemerkt
der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung, dass sich Rigidität auf den Arbeitsmärkten gerade in strukturschwa-
chen, aufholenden Regionen als Wachstumsbremse erweisen kann. Mit Verweis
auf das Regulierungsgeflecht Westdeutschlands äußert er sich dazu wie folgt:
„Was für eine hoch entwickelte Region zumindest in normalen Situationen ver-
kraftbar sein mag, kann sich für aufholende Regionen als Hemmschuh erwei-
sen.“ Aber anstatt dieser vernünftigen Feststellung Rechnung zu tragen und die
rechtlichen Voraussetzungen für mehr Flexibilität in den Unternehmen zu
schaffen, geht die Bundesregierung mit einer zweiten Allgemeinverbindlich-

Drucksache 15/1821 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
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keitserklärung für die Löhne in der Bauwirtschaft erneut den Weg des zentral-
staatlichen Dirigismus.
Insbesondere im Baubereich wird die außerordentlich schwierige Lage durch
die stetig weiter wachsende Schattenwirtschaft verschärft. Offiziellen Angaben
zufolge wird der Umfang für 2002 allein im Baugewerbe deutschlandweit auf
ca. 133 Mrd. Euro geschätzt. Der Anteil gemessen am offiziellen Brutto-
inlandsprodukt (BIP) hat sich seit Mitte der 90er Jahre deutlich erhöht (derzeit
vermutlich ca. 17 %) und wird sehr wahrscheinlich weiter steigen. Diese Ent-
wicklung ist offenbar auch Ausdruck eines allgemeinen Wertewandels.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die finanzielle Belastung der ostdeut-

schen Bauindustrie durch die Mindestlohnverordnung ein?
2. Teilt die Bundesregierung die zitierte Auffassung des Sachverständigenrates

in Bezug auf die wachstumshemmende Wirkung eines rigiden Arbeitsmark-
tes?

3. Welche Instrumente beabsichtigt die Bundesregierung einzusetzen, um die
durch die Mindestlohnverordnung bedingte erhöhte Kostenbelastung für die
ostdeutschen Baubetriebe wieder auszugleichen?

4. Welchen Umfang hat die Schattenwirtschaft nach Einschätzung der Bundes-
regierung inzwischen in Ostdeutschland insgesamt erreicht, wie viel entfällt
hiervon auf das Baugewerbe und wie verteilt sich die Schattenwirtschaft re-
gional auf die sechs neuen Bundesländer?

5. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den durch die Schattenwirtschaft ver-
ursachten volkswirtschaftlichen Schaden ein?

6. Welche Entwicklung prognostiziert die Bundesregierung für die Schatten-
wirtschaft in Ostdeutschland?

7. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung über die bestehenden
Sanktionsmöglichkeiten hinaus zu ergreifen, um dem bei einer größer wer-
denden Gruppe offenbar zugrunde liegenden Wertewandel – Schwarzarbeit
als „Kavaliersdelikt“ – energisch entgegenzutreten?

8. Welche Schritte beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um die
insbesondere den Bausektor erheblich behindernde Bürokratie und Rege-
lungsdichte nachhaltig einzuschränken und damit einen wichtigen Beitrag
zur Stabilisierung des Baugewerbes in Ostdeutschland und zur Eindämmung
der Schwarzarbeit zu leisten?

9. Hat die Bundesregierung die Möglichkeit eines Aussetzens der Mindest-
lohnverordnung für Ostdeutschland geprüft?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. Oktober 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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