BT-Drucksache 15/1753

1. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/1502, 15/1639, 15/1750- 2. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/1313, 15/1726- 3. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung -15/1309, 15/1521, 15/1661, 15/1732- 4. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/1518, 15/1665, 15/1684- 5. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/1517, 15/1664, 15/1727-

Vom 16. Oktober 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1753
15. Wahlperiode 16. 10. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Dr. Hermann Otto Solms, Jürgen Koppelin,
Dr. Andreas Pinkwart, Otto Fricke, Carl-Ludwig Thiele, Daniel Bahr (Münster),
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Marita Sehn, Dr. Max Stadler, Jürgen Türk,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

1. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1502, 15/1639, 15/1750 –
Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004
(Haushaltbegleitgesetz 2004 HBeglG 2004)

2. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/1313, 15/1726 –
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes
und anderer Verbrauchsteuergesetze

3. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1309, 15/1521, 15/1661, 15/1732 –
Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit

4. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1518, 15/1665, 15/1684 –
Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz

Drucksache 15/1753 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

5. zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1517, 15/1664, 15/1727 –
Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Gewerbesteuer

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag hält Steuersenkungen für dringend notwendig. Bürger
und Unternehmen müssen entlastet werden. Voraussetzung für eine Steuersen-
kung ist eine solide Finanzierung, die in den weiteren parlamentarischen Ver-
fahren erreicht werden muss. Eine mit rd. 14 Mrd. Euro kreditfinanzierte Steu-
erreform bleibt den Anspruch der Solidität jedoch schuldig. Die vorliegenden
Gesetze sind das Ergebnis einer völlig unzureichenden und konzeptionslosen
Finanz- und Steuerpolitik. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme sol-
len wahllos steuerliche Vergünstigungen einseitig abgebaut werden, Verbrauch-
steuern steigen, Mittel umgeschichtet und zusätzlich das Vorziehen der letzten
Stufe der Steuerreform durch höhere Schulden finanziert werden. Dieses Vor-
gehen wäre weder gerecht, noch volkswirtschaftlich und fiskalisch geboten.
Probleme werden nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben.
1. Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung und die anhaltend hohe Ar-

beitslosigkeit mit rd. 4,3 Millionen Menschen lassen keine Verbesserung der
Finanzsituation in den öffentlichen Haushalten kurzfristig erwarten. Die
Haushaltssituation von Bund, Ländern und Gemeinden ist gekennzeichnet
durch Überschuldung, obwohl Steuern und Abgaben laufend erhöht wurden.
Das Defizit der Gebietskörperschaften lag 2002 mit 70 Mrd. Euro weit über
den prognostizierten Werten. Für das Jahr 2003 muss ebenso von einer nega-
tiven Finanzentwicklung – annähernd 80 Mrd. Euro Neuverschuldung – aus-
gegangen werden. In vielen Fällen wurden dabei die haushaltsrechtlichen
Obergrenzen für die Nettokreditaufnahme überschritten. Der Bundeshaus-
halt wird zum zweiten Mal hintereinander verfassungswidrig sein und gegen
Artikel 115 GG verstoßen. Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien wird
nach 2002 auch in diesem Jahr verfehlt. Dabei bilden solide öffentliche
Finanzen das Herzstück der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
Sie sind das beste Mittel zur Schaffung der Voraussetzungen für Preisstabili-
tät und tragen dauerhaft zu Wachstum und Beschäftigung bei.
Obgleich die Regierungsprognose im Jahr 2004 von einem realen Wirt-
schaftswachstum von 2 Prozent ausgeht, vollführt die Finanzpolitik vor die-
sem konjunkturellen Hintergrund eine Kehrtwende. Es ist nicht länger der
Haushaltsausgleich, der das Regierungshandeln dominiert. Die Bundes-
regierung nimmt billigend eine höhere Verschuldung zur Finanzierung der
dritten Stufe der Steuerreform in Kauf, legt einen bereits im Entwurf verfas-
sungswidrigen Haushalt vor und erklärt – trotz eines prognostizierten Wirt-
schaftswachstums von 2 Prozent – die Störung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts.
Das Ziel dieser finanzpolitischen Kehrtwende ist es, einen konjunkturellen
Impuls zu geben. Dafür wird eine höhere Verschuldung – 14 Mrd. Euro über
alle staatlichen Ebenen – in Kauf genommen. Dabei führen Steuersenkun-
gen, die durch Schulden finanziert werden, bestenfalls zu einer zeitlichen
Belastungsverlagerung. Die steuerliche Entlastung im Jahr 2004 wird allen-
falls einen einmaligen Schub beim privaten Konsum entfachen.
In der konkreten Situation führen die mit dem Bundeshaushalt 2004 geplan-
ten gesetzlichen Vorhaben wie z. B. die Gewerbesteuerreform und das

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1753

Steuervergünstigungsabbaugesetz hingegen eher zu einer permanenten
Verschlechterung der Investitionsbedingungen. Dies gilt umso mehr, wenn
die angestrebten Bedingungen mit denen verglichen werden, die ursprüng-
lich mit der dreistufigen Steuerreform verbunden waren. Mit diesem Vorge-
hen trägt die Finanzpolitik der Bundesregierung zu einer Destabilisierung
der Erwartungen bei. Die psychologische Wirkung einer Absenkung der
Steuersätze dürfte im Übrigen durch die andauernde öffentliche Diskussion
um das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform überhaupt bzw. neuer-
dings um ein anteiliges Vorziehen bereits heute verpufft sein.

2. Generell ist der Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen aus
ordnungspolitischer Sicht geboten und sollte Bestandteil einer soliden
Finanzpolitik sein. Dies ist allerdings nur dann vermittelbar, wenn gleichzei-
tig die Steuern sinken. Hier lassen die vorliegenden Gesetzentwürfe keiner-
lei Konzept erkennen. Insbesondere im Haushaltsbegleitgesetz und im Ge-
setz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Ver-
mittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz werden steuer-
liche Sondertatbestände für die Bürger und die Unternehmen auch des
Mittelstands gestrichen, um das Defizit des Staates zu finanzieren. Diese
Maßnahmen wirken wie eine Steuererhöhung. Das Vorziehen der dritten
Stufe der Steuerreform soll dagegen überwiegend mit neuen Schulden finan-
ziert werden. Das ist nicht nur verantwortungslos gegenüber künftigen Steu-
erzahlern, sondern würde auch das vorsätzliche Überschreiten der Defizit-
grenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und damit den Bruch eines völ-
kerrechtlichen Vertrages bedeuten.
Dabei sind solide öffentliche Haushalte eine wichtige Grundlage für ein
nachhaltiges gesamtwirtschaftliches Wachstum. Sie schaffen Vertrauen in
die Fähigkeit des Staates, die Abgabenbelastung in der Zukunft zu be-
grenzen sowie die demografische Belastung der öffentlichen Finanzen zu
bewältigen. Keinesfalls darf daher das Vorziehen der Steuersenkung durch
eine Erhöhung der Staatsverschuldung – so auch das mehrheitliche Sachver-
ständigenergebnis einer Anhörung zum Haushaltbegleitgesetz – oder durch
Steuererhöhungen an anderer Stelle finanziert werden.

3. Ein Zeichen von politischer Hilflosigkeit ist die Erhöhung der Tabaksteuer
zur Finanzierung von Leistungen im Gesundheitswesen. Zur Stabilisierung
der Krankenversicherungsbeiträge ist der einzig sinnvolle Weg die Kürzung
von Leistungen. Statt diesen Weg zu gehen, soll das Aufkommen aus der
Erhöhung der Tabaksteuer zu den Krankenkassen umgeleitet werden. Auf
diese Weise geht die Bundesregierung der Lösung der Probleme im Gesund-
heitswesen aus dem Weg.

4. Keinen Erfolg haben wird die Steueramnestie, weil die Rahmenbedingungen
am Finanzmarkt Deutschland nicht stimmen. Ohne ein finanzpolitisches Ge-
samtkonzept mit der Einführung einer Zinsabgeltungsteuer mit moderatem
Steuersatz, der endgültigen Abschaffung der Vermögensteuer und Klarheit
bei der Erbschaftsteuer wird kein Kapital nach Deutschland zurückfließen.
Die für den Bundeshaushalt vorgesehenen Mehreinnahmen lassen sich daher
nicht erzielen.

5. Das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz enthält um-
fassende Steuererhöhungen für die deutsche Wirtschaft, die zusätzlich die
Finanzierung gerade mittelständischer Unternehmen massiv verschlechtern.
Die Einschränkung der Verlustverrechnung bzw. die Umgestaltung der Min-
deststeuer, die Beschränkung des Verlustausgleichs bei stillen Beteiligungen
oder die Einschränkung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung sind praxis-
fern, volkswirtschaftlich schädlich und zum Teil rechtlich fragwürdig.

Drucksache 15/1753 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

6. Auch das Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer ist keine Antwort auf die
finanzielle Notlage der kommunalen Haushalte. Die Ausweitung der Gewer-
besteuer auf Freiberufler und Änderungen bei der Erhebung der Gewerbe-
steuer sind nichts anderes als Steuererhöhungen. Mit dem Mehraufkommen
sollen die Löcher in den kommunalen Haushalten gestopft werden. Eine
finanzpolitische Konzeption fehlt auch hier, da es keinerlei Aussagen zum
Umfang der kommunalen Aufgaben und zur Höhe der Ausgaben gibt. Kurz-
fristige Steuererhöhungen lösen hier keine Probleme.

Der Deutsche Bundestag lehnt die vorliegenden Gesetzentwürfe ab, weil sie
keine Linie erkennen lassen. Volkswirtschaftlich geboten und daher finanzpoli-
tisch notwendig sind eine umfassende Absenkung der Steuerbelastung, die
allein einen Abbau steuerlicher Vergünstigungen rechtfertigt, und eine wirk-
liche Vereinfachung des Steuerrechts. Die ständigen Änderungen z. T. soeben
erst geänderter Vorschriften verunsichern Bürger und Betriebe und nehmen
ihnen jegliche Planungssicherheit.
Die von der Bundesregierung zu verantwortende immer höhere Neuverschul-
dung muss endlich gestoppt werden. Das wird nur gelingen, wenn die staat-
lichen Ausgaben wirklich gekürzt werden. Der Staat muss sich aus vielen
Bereichen zurückziehen, in denen er heute kostenträchtig tätig ist.
Das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform ist nur dann zu verantworten,
wenn die bislang völlig unzureichenden Finanzierungsvorschläge der Bundes-
regierung überarbeitet werden. Die geeignete Maßnahme ist ein Abbau staat-
licher Subventionen um 20 Prozent.
II. Der Deutsche Bundestag beschließt:
1. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, ein überarbeitetes

Konzept für eine solide Finanzierung zum Vorziehen der dritten Steuer-
reformstufe vorzulegen.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Haushaltsberatun-
gen 1 Mrd. Euro zwecks Steuerreformfinanzierung einzusparen.

3. Sämtliche Subventionen und staatliche Zuwendungen sind linear um
20 Prozent zu kürzen.

4. Der Deutsche Bundestag appelliert an Arbeitnehmer und Arbeitgeber, durch
eine Verlängerung der unbezahlten Arbeitszeit zur Steigerung des Brutto-
inlandprodukts und damit zu höheren Steuereinnahmen beizutragen.

5. Die Bundesregierung wird aufgefordert, weitere Privatisierungen von Bun-
desvermögen vorzunehmen.

6. Der Deutsche Bundestag lehnt das Gesetz zur Änderung des Tabaksteuer-
gesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze ab.

7. Der Deutsche Bundestag lehnt das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlich-
keit ab.

8. Der Deutsche Bundestag lehnt das Gesetz zur Umsetzung der Protokoll-
erklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuer-
vergünstigungsabbaugesetz ab.

9. Der Deutsche Bundestag lehnt das Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer ab.

Berlin, den 15. Oktober 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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