BT-Drucksache 15/1695

Gottesbezug im Europäischen Verfassungsvertrag

Vom 14. Oktober 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1695
15. Wahlperiode 14. 10. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Klaus Hofbauer, Dr. Gerd Müller, Peter
Hintze, Thomas Rachel, Peter Altmaier, Veronika Bellmann, Renate Blank, Thomas
Dörflinger, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauser, Norbert Geis, Roland Gewalt,
Josef Göppel, Peter Götz, Kurt-Dieter Grill, Herrmann Gröhe, Michael Grosse-
Brömer, Markus Grübel, Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Olav
Gutting, Ursula Heinen, Michael Hennrich, Bernhard Kaster, Volker Kauder,
Gerlinde Kaupa, Julia Klöckner, Michael Kretschmer, Gunther Krichbaum,
Dr. Günter Krings, Dr. Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld,
Patricia Lips, Dorothee Mantel, Bernd Neumann (Bremen), Günter Nooke,
Dr. Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Melanie Oßwald, Eduard Oswald, Heinrich-
Wilhelm Ronsöhr, Kurt J. Rossmanith, Dr. Christian Ruck, Albert Rupprecht
(Weiden), Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Wolfgang Schäuble, Andreas Scheuer,
Dr. Andreas Schockenhoff, ThomasSilberhorn, Erika Steinbach, Christian Freiherr
von Stetten, Michael Stübgen, Edeltraut Töpfer, Annette Widmann-Mauz, Matthias
Wissmann, Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Gottesbezug im Europäischen Verfassungsvertrag

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Charta der Grundrechte, welche

eine Werteorientierung für die gesamte Europäische Union sowie deren Bür-
gerinnen und Bürgern darstellt, im Entwurf des Europäischen Verfassungs-
vertrags verankert ist.

2. Der Deutsche Bundestag bedauert, dass es bisher nicht gelungen ist, die Be-
zugnahme auf die Grundlagen der christlich-abendländischen Wertetradition
und die Verantwortung vor Gott in die Präambel des Europäischen Verfas-
sungsvertrags zu integrieren.

3. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, sich mit
allen ihr zu Verfügung stehenden Kräften dafür einzusetzen, dass in die
Präambel des künftigen Europäischen Verfassungsvertrags ein deutlicher
Bezug auf die Verantwortung vor Gott und die christlich-abendländische
Wertetradition eingearbeitet wird.
Der Deutsche Bundestag schlägt hierzu folgende Formulierung vor:
„In dem Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, den Menschen und dem,
was Europa seinem geistig-religiösem Erbe schuldet, gründet sich die Union
auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der
Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.“

Berlin, den 14. Oktober 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Drucksache 15/1695 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

Begründung
Die Europäische Union ist nicht nur eine Sicherheits- und Wirtschaftsgemein-
schaft. Sie ist eine politische Gemeinschaft. Mehr noch: Sie ist eine Union ge-
lebter gemeinsamer Werte. Diese Werte finden ihren Ausdruck in der politi-
schen Architektur aller Mitgliedstaaten – so dem demokratischen Rechtsstaat
und dem Prinzip des Sozialstaats in seinen unterschiedlichen Ausprägungen.
Für die Väter der europäischen Einigung – Adenauer, Schumann, de Gasperi –
bestand nach den Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges kein Zweifel, dass es
eine gemeinsame Grundlage gibt und dass diese im geistig-religiösen Erbe
unseres durch das Christentum geprägten Kontinents besteht. Sie waren sich
einig, dass die Zerstörungen, mit denen uns die Nazidiktatur und die Diktatur
Stalins konfrontierten, gerade auf der Abstoßung dieser Grundlage beruhten.
Daher muss die christliche Prägung Europas neben den grundlegenden Werten
wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität Eingang in den Verfas-
sungsvertrag finden. Die christlichen Wertfundamente stellen eine der wichtigs-
ten Orientierungen für die individuelle eigene Lebensgestaltung und das Zu-
sammenleben dar. Sie sind Garant für die Existenz einer Wertewirklichkeit und
verhindern, dass die konsensbildenden Faktoren einer Gesamtgesellschaft je-
derzeit zur Disposition gestellt werden. Das Christentum hat ein europäisches
Verständnis vomMenschen erst ermöglicht. Es ist einer der wichtigsten europä-
ischen Integrationsbestandteile und Motor des Dialogs zwischen den Zivilisati-
onen und Kulturen. Ein Verweis auf das geistig-religiöse Erbe Europas würde
diesen Tatsachen gerecht.
Darüber hinaus muss explizit auf die Verantwortung vor Gott Bezug genommen
werden. Damit wird die Verbindung der Europäischen Union und deren Organe
zu den Religionsgemeinschaften gestärkt und ein intensiver Dialog mit einem
großen Teil der Gesamtgesellschaft gesichert. Nicht zuletzt ist dadurch die Vor-
läufigkeit, Fehlbarkeit und Unvollkommenheit allen menschlichen und politi-
schen Handelns zum Ausdruck gebracht, womit auf eine außerhalb der Politik
liegende letzte Begründung des Daseins verwiesen wird. Dies beschränkt einen
absoluten Gewissheitsanspruch der politischen Entscheidungsträger und führt
ihnen ihre besondere Verantwortung jederzeit zu Bewusstsein.

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