BT-Drucksache 15/1604

Umsetzung des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 und des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens von 1952/1927 durch die Türkei

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1604
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Helga Daub, Jörg van Essen, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Christel Happach-Kasan, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Gisela Piltz, Dr. Max Stadler,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

UmsetzungdesAssoziationsratsbeschlussesNr. 1/80 unddes deutsch-türkischen
Niederlassungsabkommens von 1952/1927 durch die Türkei

1952 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei die Wie-
deranwendung des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens vom 12. Ja-
nuar 1927 vereinbart, das den Angehörigen beider Staaten den gleichen Status
beim Aufenthalt im jeweils anderen Land zuerkennt. Das Abkommen ist in sei-
ner Substanz jedoch vollkommen ausgehöhlt, weil sich die Türkei nicht daran
hält und sie das Gegenseitigkeitsprinzip verletzt.
Während sich prinzipiell jeder Türke in Deutschland gewerblich niederlassen
und Dienstleistungen anbieten kann, ist dies Deutschen in der Türkei nicht
erlaubt. In zahlreichen Berufen war es deutschen Staatsangehörigen bisher ver-
boten, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Deutschen in der Türkei ist es im Ge-
gensatz zu Türken in Deutschland auch nicht erlaubt, Grundstücke ohne Be-
schränkungen erb- oder rechtsgeschäftlich zu erwerben. Hinzu kommt, dass
Deutsche nicht die Aussicht auf einen rechtlich abgesichertenDaueraufenthalt in
der Türkei haben und die Erteilung vonAufenthalts- undArbeitsgenehmigungen
für deutsche Wirtschaftsvertreter nur sehr schleppend vor sich geht. Die Gebüh-
ren, die die Türkei für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen verlangt,
betragen ein Vielfaches von jenen, die in Deutschland erhoben werden.
Das Auswärtige Amt beruft sich bei Fragen zur Einhaltung des deutsch-türki-
schen Niederlassungsabkommens regelmäßig auf die seit 1980 anzuwendenden
Regelungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EU – Türkei. Diese
würden zwar von den Türken bislang nicht in vollem Umfang umgesetzt. Das
Problem werde jedoch regelmäßig auch bilateral auf hoher Regierungsebene an-
gesprochen.
Neuere Erleichterungen aufenthalts- und arbeitsrechtlicher Art weisen zwar in
die richtige Richtung. Am 27. Februar 2003 wurde z. B. ein türkisches Gesetz
zur Regelung der Arbeitserlaubnis für Ausländer verabschiedet. Nunmehr kann
Ausländern, die mit türkischen Staatsangehörigen verheiratet sind und in eheli-
cher Gemeinschaft leben, und Unionsbürgern unabhängig von den sonst gelten-
den Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Außer Kraft getreten
ist das Gesetz über Gewerbe und Dienstleistungen vom 11. Juni 1932, wonach
derenAusübung nur türkischen Staatsangehörigen vorbehaltenwar. Zudemwur-
den gemäß Verbalnote des türkischen Außenministeriums vom 18. November

Drucksache 15/1604 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
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2002 zum 1. Januar 2003 die Gebühren über Aufenthaltstitel für deutsche Staats-
angehörige in der Türkei gesenkt.
In anderen Bereichen wie beim erb- und rechtsgeschäftlichen Erwerb von
Grundstücken gibt es jedoch weiterhin Diskriminierungen von Ausländern.
Auch wenn oftmals keine gesetzlichen Beschränkungen bestehen, weicht die
Praxis der türkischen Behörden in vielen Fällen von der Rechtslage ab, so dass
beispielsweise die Eintragung des deutschen Erben in das Grundbuch verweigert
wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie verhält sich aus Sicht der Bundesregierung die Anwendung des Assozia-

tionsratsbeschlussesNr. 1/80 zur Frage der Einhaltung des deutsch-türkischen
Niederlassungsabkommens?

2. Ergeben sich die türkischen Vertragsverpflichtungen betreffend des deutsch-
türkischen Niederlassungsabkommens vollständig aus den Verpflichtungen,
die für die Türkei aus demAssoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 resultieren?

3. Wird das Gesetz zur Regelung der Arbeitserlaubnis für Ausländer vom
27. Februar 2003 von der Türkei umgesetzt?

4. Erfüllt die Türkei durch die Verabschiedung und Anwendung dieses Gesetzes
vom 27. Februar 2003 ihre Verpflichtungen aus dem Assoziationsrecht und
aus dem deutsch-türkischen Niederlassungsabkommen?

5. Gibt es neue Regelungen in der Türkei, die die Schlechterstellung von Aus-
ländern im Allgemeinen und von Deutschen im Besonderen beim erb- und
rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundstücken aufheben?

6. Wie gedenkt die Bundesregierung, die Rechte der Deutschen in der Türkei be-
treffend den erb- und rechtsgeschäftlichen Grundstückserwerb zu stärken?

7. Wie weit ist die Bundesregierung mit ihren Bestrebungen vorangekommen,
denDeutschen einen rechtlich abgesichertenDaueraufenthalt in der Türkei zu
gewährleisten?
Wurde eventuell schon eine unproblematische Verlängerungspraxis für Auf-
enthaltstitel eingeführt?

8. Wurde mit der Senkung der Gebühren über Aufenthaltstitel für deutsche
Staatsangehörige in der Türkei zum 1. Januar 2003 eine Anpassung an das
deutsch-türkische Niederlassungsabkommen erreicht?

9. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um weitere Verbesserungen des
Status der Deutschen in der Türkei herbeizuführen und so eine Anpassung an
Assoziationsrecht und an das deutsch-türkischeNiederlassungsabkommen zu
realisieren?

Berlin, den 23. September 2003
Dr. Werner Hoyer
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
GudrunKopp
Jürgen Koppelin

Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-JoachimOtto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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