BT-Drucksache 15/1592

Fairer Wettbewerb für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe

Vom 24. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1592
15. Wahlperiode 24. 09. 2003

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Otto Fricke, Rainer
Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Christoph Hartmann (Homburg), Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Dr. Andreas Pinkwart, Dr. Günter Rexrodt, Marita Sehn, Max Stadler, Dr. Wolfgang
Gerhardt und Fraktion der FDP

Fairer Wettbewerb für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um irreparablen Schaden
vom deutschen Transportgewerbe abzuwenden. Dies beinhaltet insbesondere:
1. Die verbindliche Festlegung eines Beginns der LKW-Maut, um die uner-

trägliche Unsicherheit bei den Kosten- und Kalkulationsgrundlagen des
Transportgewerbes zu beseitigen. Der Mautbeginn muss realistisch termi-
niert sein, insbesondere müssen genügend funktionierende On-Board-Units
in die LKW eingebaut und die Alltagstauglichkeit erprobt sein.

2. Die Ablehnung des Vorschlags des ECOFIN-Rates vom 19. März 2003 zur
Dieselkraftstoffbesteuerung bei der im Herbst 2003 zu erwartenden Abstim-
mung im Rat der Europäischen Union über die neue Energiesteuer-Richtlinie.

3. Die energische Durchsetzung des Mineralölsteuer-Anrechnungsverfahrens
bei der EU-Kommission. Dabei muss endlich klargestellt werden, dass es
dabei nicht um eine Kompensation für die Mautgebühren, sondern um eine
Harmonisierung der davon unabhängigen Wettbewerbsbedingungen.

4. Die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Absenkung der Kraftfahrzeugsteuer
für schwere LKW auf das vorgeschriebene EU-Mindestniveau, vorsorglich
für den Fall, dass eine Harmonisierung durch das Anrechnungsverfahren
nicht erreicht werden kann.

5. Die Vorlage eines Berichts über bestehende Harmonisierungsdefizite auf
dem europäischen Güterkraftverkehrsmarkt an den Deutschen Bundestag bis
zum 31. März 2004.

Berlin, den 22. September 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 15/1592 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung
Die Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe ha-
ben sich in den letzten 5 Jahren stetig verschlechtert. Im Vergleich mit den be-
nachbarten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die deutschen Fuhr-
unternehmer mit Abstand am stärksten belastet durch Mineralöl- und Kfz-
Steuer sowie das durchschnittliche Gehaltsniveau einschließlich Lohnneben-
kosten. Im Bereich der Steuer- und Abgabenbelastung findet der deutsche
Fuhrunternehmer die auf dem Europäischen Festland höchsten Belastungen
vor. Die Jahresabgaben für einen 40-Tonner der Schadstoffklasse Euro 2 belau-
fen sich nach Angaben des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und
Entsorgung (BGL) bei einer Jahreslaufleistung von 135 000 km und einem
durchschnittlichen Verbrauch von 34 Liter/100 km in Deutschland auf 24 362
Euro, in Belgien dagegen auf 15 130 Euro, in Frankreich 19 241 Euro, in Italien
auf 17 393 Euro, in Luxemburg auf 13 367 Euro und in den Niederlanden auf
16 778 Euro. Auch bei der Höhe der Kfz-Steuer für schwere LKW nimmt
Deutschland einen Spitzenplatz ein. Lediglich ein Fuhrunternehmer in Öster-
reich muss einen höheren Kfz-Steuersatz bezahlen, alle anderen Mitgliedslän-
der der EU bieten ihren Unternehmern niedrigere Kfz-Steuersätze. Die Haupt-
ursache für den stetigen Anstieg der Steuerbelastungen für das deutsche
Transportgewerbe sind die stufenweisen Mineralölsteuererhöhungen seit 1999
im Rahmen der „ökologischen Steuerreform“.
Die massive Wettbewerbsbenachteiligung der deutschen Fuhrunternehmer ist
somit durch folgende Aspekte gekennzeichnet:
– die stufenweise Mineralölsteuererhöhung seit 1999 im Rahmen der „ökolo-

gischen Steuerreform“;
– die wettbewerbsverzerrenden Steuerbegünstigungen für Transportunterneh-

men aus anderen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich, Italien und
Niederlande;

– die Fortführung und Zementierung der bestehenden Unterschiede bei der
Dieselkraftstoffbesteuerung im Rahmen der vorgesehenen EU-Richtlinie zur
Energiebesteuerung;

– die fehlende Anrechnung von Mineralölsteuerzahlungen auf die nach Über-
windung der technischen Probleme einzuführende LKW-Maut.

Die Auswirkungen dieser Benachteiligungen auf die Wettbewerbssituation des
deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes sind katastrophal. Viele der vorwiegend
mittelständisch organisierten deutschen Betriebe müssen aufgeben oder ihren
Standort ins Ausland verlagern. Dementsprechend hat das Jahr 2002 dem deut-
schen Transportgewerbe einen traurigen Rekord in dem Bereich der Insolven-
zen beschert. Die Anzahl der Insolvenzen im Bereich Straßenverkehr/Spedition
und Lagerei stieg von 1 022 im Jahr 1999 auf 1 861 im Jahr 2002. Eine weitere
Pleitewelle droht, wenn die LKW-Maut ohne die zugesagten Harmonisierungs-
maßnahmen in Kraft tritt.
Es ist deswegen zwingend erforderlich, unverzüglich Aktivitäten zur Harmoni-
sierung der Wettbewerbsbedingungen im Europäischen Güterkraftverkehrs-
markt zu beginnen.
Als Sofortmaßnahme muss das unerträgliche Gezerre um den Starttermin der
Maut beendet werden. Die gegenwärtige Unsicherheit ist für das Transport-
und das Speditionsgewerbe sowie die verladende Wirtschaft unzumutbar. Die
von der Maut betroffenen Wirtschaftszweige müssen Kosten und Preise kalku-
lieren und verhandeln können. Das geht nicht, wenn täglich wechselnde Nach-
richten über Verschiebungsnotwendigkeiten eintreffen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1592

Von grundlegender Bedeutung ist, dass die Bundesregierung entgegen ihrer bis-
herigen Absicht gegen die geplante EU-Energiesteuerrichtlinie in ihrer jetzigen
Fassung stimmt und sie damit verhindert. Die Richtlinie, die im Rat der Euro-
päischen Finanzminister (ECOFIN) am 19. März 2003 politisch abgesegnet
wurde, würde die Einführung des sog. Mineralölsteuererstattungsverfahrens in
Deutschland als präferiertes Harmonisierungsmodell verhindern. Ziel der
Richtlinie ist unter anderem die Festlegung von Mindeststeuerbeträgen für
Kraftstoffe. Dabei ist eine Anhebung der EU-Mindeststeuersätze für Diesel von
heute 245 Euro/1000 Liter auf 330 Euro/1000 Liter zum 1. Januar 2010 vor-
gesehen. Dabei sind allerdings zahlreiche nationale Ausnahmeregelungen ge-
plant, die erneut zu Lasten des deutschen Transportgewerbes gehen. Spanien,
Österreich und Belgien erhalten eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2007,
Luxemburg und Portugal bis 1. Januar 2009 und Griechenland bis 1. Januar
2010, bis die nationalen Steuerbeträge auf den neuen Mindeststeuersatz von
302 Euro/1000 Liter der ab dem 1. Januar 2004 gilt, angeglichen werden müs-
sen. Die Mindeststeuersätze von 330 Euro/1000 Liter müssen alle diese Länder
erst ab 1. Januar 2012, statt zum 1. Januar 2010 anwenden. Dagegen beträgt der
Mineralölsteuersatz in Deutschland für schwefelfreien Dieselkraftstoff schon
heute 470,40 Euro/1000 Liter. Frankreich und Italien dagegen haben infolge
des im ECOFIN-Rat erreichten Kompromisses noch bis zum 1. Januar 2005
Zeit, um ihre bisherigen Dieselsubventionen abzubauen. Sollte die Bundes-
regierung der geplanten Richtlinie zur Energiebesteuerung durch den EU-Mi-
nisterrat im Herbst 2003 zustimmen, wäre die auch von der Bundesregierung
präferierte Harmonisierungsmaßnahme in Form einer Anrechnung der Mineral-
ölsteuer auf die zu entrichtende LKW-Maut blockiert. Denn nach der neuen
Richtlinie zur Energiebesteuerung wäre eine Absenkung der Mineralölsteuer
für Diesel bei gleichzeitiger Einführung von LKW-Straßenbenutzungsgebühren
nur unter der Voraussetzung zulässig, dass der am 1. Januar 2003 der geltende
Steuersatz des betreffenden Landes nicht unterschritten wird (in der Bundesre-
publik 430 Euro/1000 Liter) und der am 1. Januar 2003 geltende Steuersatz des
betreffenden Landes mindestens 604 Euro/1000 Liter betrüge. Diese Vorausset-
zung trifft jedoch nur für Großbritannien, nicht jedoch für Deutschland zu. Eine
Absenkung der Steuer auf gewerblichen Dieselkraftstoff durch eine Anrech-
nung auf die Mautgebühren wäre daher nur bei einer einstimmigen Ausnahme-
genehmigung im EU-Rat möglich. Faktisch wäre damit eine solche Absenkung
verhindert. Durch eine Zustimmung der Bundesregierung zu der geplanten
Energiebesteuerungs-Richtlinie würde daher der zwischen Bundesregierung,
Bundesrat und Bundestag geschlossene „Mautkompromiss“ vorsätzlich unter-
laufen.
Ein weiterer Schritt ist die Absenkung der Kraftfahrzeugsteuer für schwere
LKW, ggf. gekoppelt mit einer ökologischen Komponente, die die Einführung
schadstoffarmer Euro-3- und Euro-4-Motoren beschleunigt. Die daraus resul-
tierende Entlastung beträgt 500 Euro pro Jahr für einen schweren LKW und
wäre für sich genommen keine ausreichende Entlastung. Die Absenkung der
Kraftfahrzeugsteuer wäre jedoch ein klares Signal in Richtung Güterkraftver-
kehrsgewerbe und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Ausarbeitung
eines entsprechenden Gesetzesentwurfs muss deshalb rechtzeitig für den Fall
erfolgen, dass eine Harmonisierung durch das Anrechnungsverfahren nicht er-
reicht werden kann.
Die Finanzierung der Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt durch die Anhebung
der LKW-Maut auf den ursprünglich vorgesehene Satz von 15 Cent/km. Das
Harmonisierungsvolumen von insgesamt 600 Mio. Euro ist dem Transport-
gewerbe im „Mautkompromiss“ bereits zugesagt.
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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