BT-Drucksache 15/1235

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht (Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz - 3. SED-UnBerG)

Vom 25. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1235
15. Wahlperiode 25. 06. 2003

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Markus Löning, Eberhard
Otto (Godern), Cornelia Pieper, Jürgen Türk, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Hans-Michael Goldmann, Ulrich
Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Harald Leibrecht, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht
(Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 3. SED-UnBerG)

A. Problem
Die Opfer politischer Verfolgung in der SBZ bzw. der DDR warten bis zum
heutigen Tage auf eine angemessene finanzielle Wiedergutmachung für ihr
erlittenes Schicksal. Mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
vom 28. April 1999 zu Fragen der Überleitung von Ansprüchen und Anwart-
schaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetz-
liche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands und mit der
Umsetzung dieser Entscheidungen durch die Bundesregierung muss diese Ge-
rechtigkeitslücke geschlossen werden.

B. Lösung
Um das von der 2. deutschen Diktatur geschaffene Unrecht auszugleichen, er-
halten diejenigen, die Opfer politischer Verfolgung in der Zeit vom 8. Mai 1945
bis 2. Oktober 1990 waren, eine monatliche Rente in Höhe von 500 Euro.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Eine zuverlässige Schätzung der durch das Gesetz entstehenden Kosten ist
nicht möglich, da es an verlässlichen Daten fehlt. Die Zahl der Berechtigten
dürfte jedoch bei ca. 85 000 bis 90 000 Personen liegen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1235

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht
(Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 3. SED-UnBerG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz über eine Rente für die Opfer politischer

Verfolgung im Beitrittsgebiet
§ 1

Anwendungsbereich
Dieses Gesetz regelt die Gewährung einer Opferrente für

Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet.
§ 2

Politische Verfolgung
(1) Wer in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober

1990
1. infolge einer in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags

genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu Unrecht erlittenen
Freiheitsentziehung,

2. infolge eines Gewahrsams nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
oder 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes

belastet wurde, ist Opfer politischer Verfolgung im Beitritts-
gebiet im Sinne dieses Gesetzes, soweit die Freiheitsentzie-
hung mindestens sechs Monate beträgt.

(2) Die politische Verfolgung kann grundsätzlich durch
eine Rehabilitierungsentscheidung nach dem Strafrechtli-
chen Rehabilitierungsgesetz oder durch eine Bescheinigung
nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes nachgewiesen
werden.

§ 3
Opferrente

(1) Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet er-
halten auf Antrag eine Opferrente in Höhe von monatlich
500 Euro, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen des Ers-
ten bis Dritten Teils des Zweiten Unterabschnittes (§§ 35 bis
49) des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch oder der §§ 4 ff.
des Beamtenversorgungsgesetzes (Ruhegehalt) erfüllen, un-
abhängig davon auch mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

(2) Die Opferrente wird zu Lebzeiten des Opfers monat-
lich im Voraus, beginnend mit dem auf die Antragstellung
folgenden Monat gezahlt.

(3) Mit der Opferrente werden auch Verdienstausfälle
und entgangener Lohn für geleistete Zwangsarbeit während
der Haft abgegolten.

§ 4
Zusammentreffen mit anderen Vorschriften

Leistungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitritts-
gebiet nach anderen Gesetzen werden durch dieses Gesetz
nicht berührt. Die Opferrente wird bei Sozialleistungen,

deren Gewährung vom Einkommen abhängig ist, nicht als
Einkommen angerechnet. Sie ist auch bei beamtenrecht-
lichen Versorgungsansprüchen nicht anzurechnen. Der An-
spruch auf die Opferrente ist unpfändbar.

§ 5
Ausschließungsgründe

Eine Opferrente wird nicht gezahlt, wenn das Opfer poli-
tischer Verfolgung gegen die Grundsätze der Menschlich-
keit oder Rechtstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwie-
gendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum
Nachteil anderer missbraucht hat.

§ 6
Rehabilitierungsbehörde, Verfahren, Kosten

(1) Über den Antrag auf Gewährung einer Opferrente
entscheidet die Rehabilitierungsbehörde. Zuständig ist die
Rehabilitierungsbehörde des Landes, in dessen Gebiet nach
dem Gebietsstand vom 3. Oktober 1990 Verfolgungsmaß-
nahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 stattgefunden haben. Sind
hiernach die Rehabilitierungsbehörden mehrerer Länder
zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit dem
Antrag befasst wird, über ihn.

(2) Die zuständige Rehabilitierungsbehörde kann die Ak-
ten der dem Antrag zugrunde liegenden Rehabilitierungs-
verfahren beiziehen. Soweit in diesem Gesetz nichts anderes
bestimmt ist, gelten bis zum Erlass entsprechender landes-
rechtlicher Bestimmungen die Vorschriften des Verwal-
tungsverfahrensgesetzes, des Verwaltungszustellungsgeset-
zes und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes.

(3) Das Verwaltungsverfahren vor der Rehabilitierungs-
behörde einschließlich des Widerspruchsverfahrens ist
kostenfrei. In Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet. § 16 Abs. 1 VwRehaG gilt
entsprechend.

§ 7
Kosten für Leistungen nach diesem Gesetz

Von den Aufwendungen, die den Ländern durch Geld-
leistungen nach diesem Gesetz entstehen, trägt der Bund
60 vom Hundert.

Artikel 2
Änderung des Strafrechtlichen

Rehabilitierungsgesetzes
1. § 25 Abs. 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Die Leistungen nach den §§ 17 bis 19 werden auch an
Personen gewährt, die eine Bescheinigung nach § 10
Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes erhalten haben
1. für einen Gewahrsam, der auf einer Verurteilung

durch ein deutsches Gericht oder auf einer der in § 1
Abs. 5 genannten strafrechtlichen Maßnahmen be-

Drucksache 15/1235 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ruht, wenn diese Bescheinigung vor Inkrafttreten die-
ses Gesetzes beantragt worden ist, oder

2. weil sie im Zusammenhang mit der Errichtung oder
Aufrechterhaltung der kommunistischen Gewaltherr-
schaft im Beitrittsgebiet dort ohne Verurteilung durch
ein deutsches Gericht oder ohne eine der in § 1
Abs. 5 genannten strafrechtlichen Maßnahmen in
Gewahrsam genommen oder in Gewahrsam gehalten
wurden, oder

3. weil sie in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenen-
gesetzes genannten Gebieten aus politischen und
nach freiheitlich-demokratischer Auffassung von
ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam
genommen wurden.“

2. Nach § 21 wird folgender neue § 21a eingefügt:
㤠21a

War der Verfolgte mindestens sechs Monate in Haft
und ist er in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 vom Hundert
oder mehr gemindert, so wird zu seinen Gunsten vermu-
tet, dass die verfolgungsbedingte Minderung der Er-
werbsfähigkeit 25 vom Hundert beträgt.“

Artikel 3
Änderung des Häftlingshilfegesetzes

Nach § 4 Abs. 5 wird folgender Absatz 6 eingefügt:
(6) War der Verfolgte mindestens sechs Monate in Haft

und ist er in seiner Erwerbsfähigkeit um 25 vom Hundert
oder mehr gemindert, so wird zu seinen Gunsten vermutet,
dass die verfolgungsbedingte Minderung der Erwerbsfähig-
keit 25 vom Hundert beträgt.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 31. Dezember 2003 in Kraft.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1235

Begründung

A. Allgemeiner Teil
Das Dritte SED-Unrechtsbereinigungsgesetz führt die we-
sentlichen heute noch bestehenden Probleme bei der Bewäl-
tigung des vom SED-Regime geschaffenen Unrechts einer
vor allem für die Opfer befriedigenden Lösung zu. Das Ge-
setz über eine Opferrente für die Opfer politischer Verfol-
gung im Beitrittsgebiet würdigt die herausragende Bedeu-
tung des Einsatzes der Betroffenen bei ihrem Widerstand
gegen die zweite deutsche Diktatur. Dadurch soll auch die
gesellschaftliche Bedeutung dieses Einsatzes für eine
rechtsstaatliche, freiheitliche Demokratie, die Wichtigkeit
dieses mutigen Eintretens auch für heutige Demokratie im
wiedervereinigten Deutschland herausgestellt werden. Der
von diesen Menschen bewusst gewagte Einsatz ihres Le-
bens und die Inkaufnahme erheblicher sozialer Nachteile für
Freiheit und Demokratie muss vom wiedervereinigten deut-
schen Staat angemessen gewürdigt werden. Die bisherigen
fiskalpolitisch motivierten Überlegungen, die einer solchen
angemessenen Würdigung bislang entgegengestanden ha-
ben, lassen sich angesichts der vom Bundesverfassungsge-
richt getroffenen Entscheidungen vom 28. April 1999 zu
Fragen der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaf-
ten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR
in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinig-
ten Deutschlands und der Umsetzung dieser Entscheidun-
gen durch die Bundesregierung nicht länger aufrecht halten.

B. Zu den einzelnen Regelungen
Zu Artikel 1
Zu § 1
Die Vorschrift regelt den Anwendungsbereich des Gesetzes.
Zu § 2
§ 2 des Gesetzes legt die Grundlagen für die Gewährung
einer Opferrente fest.
Absatz 1 schließt dabei an den vom 1. SED-UnRBerG ver-
wendeten Begriff der politischen Verfolgung durch das
SED-Regime an. Der Entwurf beschränkt die Opferrente auf
ehemalige politische Häftlinge. Er schließt nicht inhaftierte
Rehabilitierte nach dem 2. SED-UnRBerG aus. Dies soll
einer späteren Regelung vorbehalten bleiben.
Absatz2dient zumeinenderVerfahrenserleichterung:Mitder
Bezugnahme auf Rehabilitierungsentscheidungen nach dem
Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und das Häftlings-
hilfegesetz werden umständliche Sachverhaltsermittlungen
weiträumig entbehrlich. Gleichzeitig wird deutlich, dass im
Regelfall ein solches Verfahren vor der Gewährung einer
Opferrente bereits durchlaufen sein soll, eine rechtsstaatliche
Überprüfung des Sachverhalts also bereits geschehen ist.
Neben der Rehabilitierungsentscheidung nach dem Straf-
rechtlichen Rehabilitierungsgesetz oder der Bescheinigung
nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes können auch in
weiteren begründeten Ausnahmefällen die Voraussetzungen
für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes gegeben sein.

Zu § 3
Absatz 1 Die Opferrente soll 500 Euro betragen (Absatz 1).
Die Opferrente ist eine höchstpersönliche Zahlung, sie wird
nur dem Opfer politischer Verfolgung selbst, auf seinen An-
trag hin gewährt. Die Bundesrepublik Deutschland, das wie-
dervereinigte Deutschland nimmt hiermit seine moralische
Verpflichtung auch hinsichtlich des von der zweiten Dikta-
tur auf deutschem Boden geschaffenen Unrechts wahr.
Der Entwurf beschränkt die Opferrente auf Verfolgte, die das
gesetzliche Rentenalter erreicht haben, oder die Vorausset-
zungen für den Bezug einer Berufs- oder Erwerbsunfähig-
keitsrente erfüllen, weil sie keiner Arbeit mehr nachgehen
können. Diese Tatbestände sindmit der Benennung der §§ 35
bis 49 des Sozialgesetzbuches VI hinreichend genau
beschrieben. Ist der Versicherte infolge eines politischen
Gewahrsams vermindert erwerbsfähig geworden, gilt die
Wartezeit über § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bzw. § 245 Abs. 2
SGB VI als erfüllt und damit auch der Anspruch auf die hier
zu beschließende Opferrente gegeben. Für Beamte sind die
vorgenannten Voraussetzungen mit der Benennung der
§§ 4 ff. Beamtenversorgungsgesetz hinreichend umrissen.
Die Anerkennung eines Anspruches mit Vollendung des
60. Lebensjahres resultiert daraus, dass gesetzliche Mög-
lichkeiten bestehen, vorzeitig in die Rente zu gehen. Der
Verfolgte soll nicht gezwungen werden, mit der Geltend-
machung des gesetzlichen Anspruchs auf eine Opferrente
bis zum Eintritt in das gesetzliche Rentenalter zu warten.
Absatz 2 stellt die Zahlungsweise der Opferrente klar. Sie
ist letztmals im Sterbemonat des Opfers zu zahlen.
Absatz 3 stellt klar, dass die Leistungen nach diesem Gesetz
etwaige weitere Ansprüche des genannten Personenkreises
ausschließen.
Zu § 4
Die Opferrente soll dem Opfer politischer Verfolgung unge-
schmälert verbleiben. Andere dem Opfer zustehende indivi-
duelle Ansprüche auf staatliche Leistungen sollen durch
diese staatliche Anerkennung seines Einsatzes für Freiheit
und Demokratie deshalb ebenfalls nicht gekürzt werden
können.
Zu § 5
Ausschließungsgründe sind in Wiedergutmachungs- und
Wiedergutmachungsgesetzen weithin üblich, sie sind gerade
in einem Gesetz zur Bereinigung des SED-Unrechts zwin-
gend.
Die Ausschulregelung folgt hier den Ausschlussregelungen
des 1. und 2. SED-UnRBerG.
Zu § 6
§ 6 Abs. 1 regelt zunächst, welche Rehabilitierungsbehörde
zuständig für die Behandlung eines Antrages ist. Damit
wird gleichzeitig auch geregelt, dass das Verfahren auf
Gewährung einer Opferrente dort durchgeführt wird. Dies
ist auch sachgerecht, da dort die entsprechende Sachkompe-

Drucksache 15/1235 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

tenz vorhanden ist. Absatz 2 greift dies auf und regelt einen
unmittelbaren Aktenbeiziehungsanspruch der zur Entschei-
dung berufenen Rehabilitierungsbehörde. Absatz 3 regelt
die Frage der Verfahrenskosten und im Anschluss an die
von Absatz 2 bestimmte Geltung des Verwaltungsrechts die
Eröffnung des Verwaltungsgerichtsweges.
Zu § 7
Die Norm stellt die Kostenverteilung zwischen dem Bund
und den Ländern klar. Sie folgt dabei der im 2. SED-Un-
rechtsbereinigungsgesetz gefundenen Kostenteilung zwi-
schen Bund und Ländern.
Zu Artikel 2
Zu Nummer 1
§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Strafrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetzes
Unbefriedigend ist die bisherige Regelung über die Kapital-
wiedergutmachung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetz für Verhaftungen vor dem 7. Oktober 1949 ge-
blieben. Diese erhalten nur die Personen, die nach 1945
vom Boden der Sowjetischen Besatzungszone aus ver-
schleppt und inhaftiert wurden. Personen, die 1945 aus ih-
ren Heimatorten, wie z. B. Breslau, Stettin oder Königsberg
nach Russland zur Zwangsarbeit verschleppt wurden, erhal-
ten im Beitrittsgebiet keine Kapitalwiedergutmachung. Die
Regelung will diese Menschen in den Kreis der entschädi-
genden Personen einbeziehen.
Zu Nummer 2
Einfügen eines § 21a des Strafrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetzes
Das Recht der sozialen Versorgung erkennt als Ursache einer
Gesundheitsschädigung das Ereignis, das als Ursache über-
wiegend wahrscheinlich ist (§ 1 Abs. 3 S. 1 BVG). Es fragt,
ob die gesundheitliche Schädigung durch das Ereignis (die

Haft) eingetreten ist, vorher nicht bestand und auch nicht ent-
standen wäre, wenn das Ereignis nicht eingetreten wäre.
Dieser Grundsatz war einmal geschaffen für die Versorgung
der Versehrten des Zweiten Weltkrieges mit in der Regel äu-
ßeren Schäden. Wird es für Haftfolgen herangezogen, führt
es zu unvertretbaren Ergebnissen.
Die Ursache äußerer gesundheitlicher Schäden während des
Zweiten Weltkrieges, also der Verlust der Beine, Arme, des
Gehörs oder des Augenlichts, ist sehr leicht zu erfassen. Die
Kampfhandlungen sind von der Wehrmacht selbst mit
Gründlichkeit protokolliert worden. Auch lässt sich immer
beweisen, dass der Geschädigte vor z. B. der Bombardie-
rung noch zwei gesunde Beine hatte.
Innere Gesundheitsschäden, wie Magen-, Darm-, Herz- oder
Lungenerkrankungen werfen die Frage der „Verschlimme-
rung“ auf. Der Geschädigte muss nach dem geltenden Recht
heute von den Versorgungsämtern gefragt werden, ob er
denn nicht schon eine Veranlagung zum Herzfehler hatte,
als er inhaftiert wurde? Der verzweifelte Schrei des Verfolg-
ten, er habe in den Jahren zwischen 1945 und 1950 bei Hun-
ger und Kälte unter Haftbedingungen aushalten müssen, die
jeder Dritte nicht überlebt hat, hilft ihm nicht weiter. Es be-
antwortet auch die Frage nicht. Zwar wird jeder Arzt bestä-
tigen, dass Hunger eine Ursache von Typhus ist und weiter,
dass Typhus in der Regel einen Herzschaden nach sich
zieht. Allerdings müsste noch ein Arzt die Diagnose stellen,
dass der Verfolgte niemals herzkrank geworden wäre, wenn
es keine Haft gegeben hätte.
Zu Artikel 3
Einfügen eines § 4 Abs. 6 in das Häftlingshilfegesetz
Zur Begründung gilt das oben zu Artikel 2 Nr. 2 Ausge-
führte.
Zu Artikel 4
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Berlin, den 25. Juni 2003
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Markus Löning
Eberhard Otto (Godern)
Cornelia Pieper
Jürgen Türk
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen

Hans-Michael Goldmann
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.