BT-Drucksache 15/1136

zu dem Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Hans Büttner (Ingolstadt), Detlef Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Ludger Volmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/742- Wiederbelebung des Friedensprozesses in Kolumbien

Vom 4. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1136
15. Wahlperiode 04. 06. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Hans Büttner (Ingolstadt),
Detlef Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Ludger Volmer, Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/742 –

Wiederbelebung des Friedensprozesses in Kolumbien

A. Problem
Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die kolumbianische Bevölkerung seit
Jahrzehnten an dem gewaltsamen innerstaatlichen Konflikt leidet, in dem Gue-
rillabewegungen, paramilitärische Gruppen, Drogenhändler, aber auch staatli-
che Sicherheitskräfte schwerste Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen
begehen. Dieser längste Konflikt in einem lateinamerikanischen Land hat sich,
angesichts von jährlich nahezu 5 000 infolge der Kampfhandlungen Getöteten
sowie mittlerweile über 2,5 Millionen Flüchtlingen und internen Vertriebenen,
längst zu einer nationalen humanitären Katastrophe entwickelt. Dies wird deut-
lich erneut an dem Massaker, das von der Guerillabewegung „Revolutionäre
Streitkräfte Kolumbiens“ (FARC) am 16. Januar 2003 in der Gemeinde San
Carlos begangen wurde, aber auch den am 20. Januar 2003 erfolgten Übergrif-
fen von Einheiten der paramilitärischen „Selbstverteidigungskräfte Kolum-
biens“ (AUC). Das Massaker vom 16. Januar 2003 zeigt die Verschärfung des
Konflikts, die Übergriffe vom 20. Januar 2003 verweisen auf die akute Gefahr
einer Ausdehnung des Konflikts auf die gesamte Region. Kampfhandlungen
und andere gewaltsame Maßnahmen haben das Ziel, die Zivilbevölkerung zu
schädigen; es sind schwerste Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen
des humanitären Völkerrechts, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Dies gilt
auch für die jährlich rd. 3 000 Entführungen. Besorgnis erregend ist die Si-
tuation der indigenen und afrokolumbianischen Minderheiten. In Kolumbien
herrscht heute ein Klima der Gewalt vor, in dem sich niemand mehr sicher fühlt
und in dem offensichtlich Verbrechen ohne strafrechtliche Konsequenzen
begangen werden können. Der kolumbianische Staat und seine Gesellschaft
werden in ihren Grundfesten erschüttert.
Die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die Organisation der amerika-
nischen Staaten (OAS) und die Vertreter der zentralamerikanischen Staaten so-
wie von Argentinien und Kolumbien haben den Terror verurteilt und anlässlich
des Attentates vom 7. Februar 2002 ihre Solidarität mit der kolumbianischen

Drucksache 15/1136 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bevölkerung bekundet. Es ist erforderlich, dass die internationale Gemein-
schaft zu einer Wiederbelebung des Friedensprozesses beiträgt.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. gemeinsam mit der Europäischen Union und anderen Staaten die neue Re-

gierung von Präsident Alvaro Uribe darin zu unterstützen, das staatliche
Gewaltmonopol wiederherzustellen. Eine schnelle Aufhebung des Ausnah-
mezustands und die volle Wiedereinsetzung aller Verfassungsrechte durch
die kolumbianische Regierung soll angestrebt werden;

2. an alle an den Auseinandersetzungen beteiligten Gruppen in Kolumbien
eindringlich zu appellieren, die Anwendung von Gewalt gegen Zivilisten
zu unterlassen;

3. gegenüber der kolumbianischen Regierung darauf zu drängen, die Empfeh-
lungen des örtlichen Büros des Hochkommissariats für Menschenrechte der
Vereinten Nationen zügig umzusetzen;

4. gegenüber der kolumbianischen Regierung darauf hinzuwirken, einen stär-
keren Schutz vor Zwangsvertreibungen sowie eine bessere Unterstützung
von Opfern der Vertreibungen zu gewährleisten;

5. im Rahmen der Europäischen Union und in Koordination mit dem Büro des
VN-Hochkommissars für Menschenrechte in Kolumbien die kolumbiani-
sche Regierung bei der Entwicklung eines Aktionsplanes zur Umsetzung
der Menschenrechte zu unterstützen;

6. gegenüber der kolumbianischen Regierung darauf zu drängen, ihre Bemü-
hungen fortzusetzen, wieder Friedensverhandlungen mit allen beteiligten
Gruppen aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Diese Anstrengungen sollen
durch humanitäre Abkommen flankiert werden;

7. innerhalb der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass die Union sich
in Abstimmung mit der kolumbianischen Regierung, den VN sowie der
OAS weiterhin aktiv in den Friedensprozess einbringt;

8. innerhalb der Europäischen Union die Ernennung und Entsendung eines
„Hohen Beauftragten der Europäischen Union für den Konflikt in Kolum-
bien“ wohlwollend prüfen zu lassen;

9. bei der kolumbianischen Regierung darauf hinzuwirken, in höchstmögli-
chem Maße den Verhandlungsprozess transparent zu gestalten, um die Er-
folgsaussichten dank einer auf breiter gesellschaftlicher Basis beruhenden
Legitimation zu erhöhen;

10. gegenüber der kolumbianischen Regierung darauf zu drängen, dass sie den
Drogenhandel als Finanzierungsquelle für die Kriegsparteien zwar effektiv
bekämpfen muss, dabei jedoch auf chemische Besprühungen und den damit
verbundenen Einsatz von Pestiziden zu verzichtet;

11. gegenüber der kolumbianischen Regierung darauf zu drängen, endlich eine
alternative Drogenpolitik im Sinne von sozialen Maßnahmen für die Bau-
ern zu entwickeln und zu implementieren;

12. die von der Bundesregierung im Rahmen polizeilicher Zusammenarbeit
bereits geleistete Unterstützung für Kolumbien weiterzuführen;

13. die bilaterale und europäische Entwicklungszusammenarbeit in Kolumbien
durch Projekte zur Lösung der sozio-ökonomischen Ursachen des Konflikts
fortzuführen;

14. sich im Rahmen der Europäischen Union dafür einzusetzen, für das „Prin-
zip der geteilten Verantwortung“ auch bei anderen Drogenabnehmerländern
aktiv zu werben;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1136

15. die kolumbianische Regierung in ihren Bemühungen bei der Suche nach ei-
ner nachhaltigen Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme sowie
der Bekämpfung der angestiegenen Armut zu unterstützen;

16. sich im Rahmen der Europäischen Union auch in Zukunft dafür einzuset-
zen, dass Produkte aus alternativem Anbau weiterhin die Sondervergünsti-
gungen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS „Drogen“) beim Zugang
zum europäischen Binnenmarkt erhalten;

17. der kolumbianischen Regierung technische Unterstützung und Beratung
anzubieten, um die bereits bestehenden Möglichkeiten im Rahmen des APS
„Drogen“ vollends auszuschöpfen;

18. sich im Rahmen der Europäischen Union dafür einzusetzen, die Liste der
vom APS „Drogen“ begünstigten landwirtschaftlichen Produkte zu erwei-
tern, von der Möglichkeit zur Graduierung im Rahmen des APS nur sehr
restriktiv Gebrauch zu machen und zusätzlich den Abbau von nicht-tarifä-
ren Handelshemmnissen wohlwollend zu prüfen.

B. Lösung
Annahme desAntragsmit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Drucksache 15/1136 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 15/742 anzunehmen.

Berlin, den 4. Juni 2003

Der Auswärtige Ausschuss
Volker Rühe
Vorsitzender

Lothar Mark
Berichterstatter

Dr. Friedbert Pflüger
Berichterstatter

Dr. Ludger Volmer
Berichterstatter

Dr. Werner Hoyer
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1136

Bericht der Abgeordneten Lothar Mark, Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Ludger Volmer
und Dr. Werner Hoyer

I.
Der Deutsche Bundestag hat den vorliegenden Antrag auf
Drucksache 15/742 in seiner 37. Sitzung am 3. April 2003
beraten.
Der Antrag wurde an den Auswärtigen Ausschuss federfüh-
rend sowie an den Ausschuss fürMenschenrechte und huma-
nitäre Hilfe und an denAusschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zur Mitberatung überwiesen.

II.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat den Antrag in seiner 14. Sitzung am 7. Mai 2003
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der

Fraktion der CDU/CSU bei Abwesenheit der Fraktion der
FDP die Annahme.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 15. Sitzung am
21. Mai 2003 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU die Annahme.

III.
DerAuswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 17. Sit-
zung am 4. Juni 2003 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU die An-
nahme.

Berlin, den 4. Juni 2003

Lothar Mark Dr. Friedbert Pflüger Dr. Ludger Volmer Dr. Werner Hoyer
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

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