BT-Drucksache 15/1093

Ergänzungen der Fahrerlaubnisverordnung

Vom 3. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1093
15. Wahlperiode 03. 06. 2003

Antrag
der Abgeordneten Heidi Wright, Reinhard Weis (Stendal), Sören Bartol,
Uwe Beckmeyer, Hans-Günter Bruckmann, Dr. Peter Danckert, Annette Faße,
Rainer Fornahl, Gabriele Groneberg, Ernst Kranz, Helga Kühn-Mengel,
Dr. Christine Lucyga, Heinz Paula, Karin Rehbock-Zureich, Siegfried Scheffler,
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Wolfgang Spanier, Petra Weis, Dr. Margrit Wetzel,
Franz Müntefering und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), Peter
Hettlich, Albert Schmidt (Ingolstadt), Rainder Steenblock, Katrin Göring-Eckardt,
Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ergänzung der Fahrerlaubnisverordnung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung,
1. die Fahrerlaubnisverordnung mit dem Ziel zu ändern, künftig für das Führen

von motorisierten Krankenfahrstühlen mit einer bauartbedingten Höchstge-
schwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h (Elektro-Rollstühle) kein Min-
destalter mehr vorzuschreiben;

2. zu prüfen, ob die Fahrerlaubnis der Klasse M (Mopedführerschein) dahin
gehend erweitert werden kann, dass sie nicht nur zum Führen von zweirädri-
gen Leichtkrafträdern berechtigt, sondern auch zum Führen von dreirädrigen
Leichtkrafträdern, oder ob für dreirädrige Kraftfahrzeuge bis 45 km/h eine
neue Fahrerlaubnisklasse geschaffen werden kann, die hinsichtlich der Aus-
bildungs- und Prüfungsanforderungen unter denen der Klasse B liegt.

Berlin, den 3. Juni 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

Begründung
Zu Nummer 1
Nach gegenwärtiger Rechtslage ist es gemäß § 10 Abs. 3 Fahrerlaubnisverord-
nung behinderten Kindern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
grundsätzlich verboten, motorisierte Krankenfahrstühle im öffentlichen Ver-

Drucksache 15/1093 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

kehrsraum selbständig zu führen, selbst wenn der Krankenfahrstuhl bauartbe-
dingt nicht schneller als 10 km/h fahren kann. Verschiedene Bundesländer las-
sen Einzelausnahmen unter bestimmten Voraussetzungen zu. Konkrete Vorga-
ben für die Erteilung von Einzelausnahmen fehlen in vielen Bundesländern. In
der Folge ist nicht klar, nach welchen Kriterien die nach Landesrecht zustän-
digen Behörden eine Ausnahmegenehmigung überhaupt erteilen sollen. Für die
betroffenen Eltern und die – in der Regel mehrfach – behinderten Kinder ist
diese unklare Rechtslage eine schwere Härte.
Eine gesetzliche Neuregelung ist notwendig im Interesse der Kinder an einer
alters- und entwicklungsentsprechenden Teilnahme am Straßenverkehr. Durch
das gegenwärtige generelle Verbot, im Straßenverkehr teilzunehmen, werden
behinderte Kinder gegenüber nicht behinderten Kindern ohne sachlichen Grund
ungleich behandelt. Der elektrische Krankenfahrstuhl hat für die behinderten
Kinder keine andere Funktion, als ihre Gehunfähigkeit auszugleichen. Da ein
nicht gehbehindertes Kind unter 15 Jahren oder eines, das sich mit einem Greif-
reifenrollstuhl fortbewegen kann, auch nicht von der Teilnahme am Straßenver-
kehr ausgeschlossen ist, gibt es keinen Grund, dem besonders schwerbehinder-
ten Kind die Teilnahme am Straßenverkehr zu verwehren.
Eine Lösung über Ausnahmegenehmigungen gleicht diese Benachteiligung
nicht aus; behinderten Kindern, die zu ihrer Fortbewegung auf einen Elektro-
rollstuhl angewiesen sind, muss die selbstbestimmte, ihrem Alter und ihrer Ent-
wicklung entsprechende Teilnahme am Straßenverkehr ermöglicht werden. Die
Beantragung einer speziellen Ausnahmegenehmigung wäre eine unnötige und
grundlose Erschwernis.
Gegen die hier vorgeschlagene Neuregelung spricht auch nicht die Möglich-
keit, dass im Einzelfall tatsächlich einmal ein Kind ungeeignet zum selbständi-
gen Führen eines Elektrorollstuhles sein kann. Die §§ 2 und 3 Fahrerlaubnis-
verordnung stellen genau auf den Fall ab, dass Personen im Einzelfall ungeeig-
net oder nur bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen sind. Überdies bleibt
für die zuständigen Behörden die Möglichkeit aufrechterhalten, Auflagen im
speziellen Fall für das Führen eines Fahrzeuges anzuordnen. Dies gilt dann
selbstverständlich auch für das Führen des Elektrorollstuhls.
Die vorgeschlagene Neuregelung schafft auch keine Änderungen bezüglich der
Aufsichtspflicht der Eltern und Lehrer. Die gebotene Aufsicht bestimmt sich in
jedem Falle – sowohl für behinderte als auch für nicht behinderte Kinder – nach
Alter, Eigenart und Charakter des Kindes. Bezogen auf nichtbehinderte Kinder
bedeutet das, dass es bei den Eltern liegt, darüber zu entscheiden, inwieweit ihr
Kind aufgrund des Entwicklungsstandes und seiner motorischen Fähigkeiten in
der Lage ist, als Fußgängerin und Fußgänger, Fahrradfahrerin und Fahrradfah-
rer oder Rollstuhlfahrerin und Rollstuhlfahrer am öffentlichen Straßenverkehr
teilzunehmen. Diese Aufsichtspflicht wird in keiner Weise durch die Fahr-
erlaubnisverordnung und die hier vorgeschlagene Regelung hinsichtlich von
elektrischen Krankenfahrstühlen berührt.
Es ist deshalb angezeigt, § 10 Abs. 3 Fahrerlaubnisverordnung um eine Aus-
nahmegenehmigung zu ergänzen, nach der für das Führen eines motorisierten
Krankenfahrstuhls mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht
mehr als 6 km/h kein Mindestalter mehr gefordert wird.

Zu Nummer 2
Dreirädrige Kleinkrafträder sind im Straßenverkehr relativ selten anzutreffen;
sie entsprechen im Wesentlichen den Interessen Gehbehinderter und älterer
Menschen, die sich im Straßenverkehr aufgrund von Gleichgewichtsproblemen
eher unsicher fühlen. Für diese Personengruppe ist ein leichtmotorisiertes Drei-

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rad stand- und fahrsicherer als ein entsprechendes Zweirad und unterstützt sie
dabei, im Straßenverkehr mobil zu bleiben.
Bis 1989 berechtigte der Mopedführerschein zum Führen aller Kraftfahrzeuge
mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr
als 25 km/h. Damit schloss der Mopedführerschein auch das Führen von drei-
rädrigen Kleinkrafträdern ein.
Im gegenwärtigen deutschen Fahrerlaubnisrecht ist für das Führen eines drei-
rädrigen Fahrzeugs grundsätzlich ein Führerschein der Klasse B (Pkw-Führer-
schein) erforderlich. Die Folge davon ist, dass auch für das Führen eines drei-
rädrigen Fahrrads mit Hilfsmotor (Verbrennungsmotor) oder eines dreirädrigen
Mopeds mit einer Spitzengeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h ein Pkw-
Führerschein der Klasse B erforderlich ist.
Für das Führen eines zweirädrigen Fahrrads mit Hilfsmotor bzw. eines Mopeds
mit einer Spitzengeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h ist ein Führer-
schein der Klasse M (Moped) ausreichend. Zum Erwerb des Führerscheins der
Klasse M ist eine Prüfung mit wesentlich geringeren Erfordernissen als für die
Klasse B zu bestehen.
Die gegenwärtige deutsche Rechtslage in dieser Frage ist keine zwangsläufige
Ableitung aus der EG-FührerscheinRL (91/439/EWG): Die EG-RL stellt es in
Artikel 5 (3) ihren Mitgliedstaaten völlig frei, für ihr eigenes Hoheitsgebiet in
dem jeweiligen Fahrerlaubnisrecht dreirädrige Fahrzeuge als Krafträder zu be-
handeln. Danach sind dreirädrige Kraftfahrzeuge gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 4
StVZO mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von
nicht mehr als 45 km/h und mit elektrischer Antriebsmaschine oder mit einem
Verbrennungsmotor mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 cm3, eingestuft
gemäß den Bauvorschriften als dreirädrige Kleinkrafträder, nicht von den Be-
stimmungen der Führerscheinrichtlinie erfasst.
Bis zum Inkrafttreten der neuen Fahrerlaubnis-VO (14. Dezember 2001) spielte
die enge deutsche Auslegung des Moped-Begriffs (zweirädrig) keine so ein-
schneidende Rolle: Personen, die am Führen eines dreirädrigen Mopeds inter-
essiert waren, konnten sich dadurch behelfen, dass sie ihr dreirädriges Fahrrad
mit Hilfsmotor bzw. ihr Moped als Krankenfahrstuhl im Sinne der Fahrerlaub-
nis-VO definierten. Mit der jetzt gültigen, sehr eingeschränkten Definition des
Krankenfahrstuhls, ist diese missbräuchliche Möglichkeit für die Fahrer eines
dreirädrigen Mopeds entfallen.
Das Führen eines Dreirades mit Hilfsmotor bzw. eines dreirädrigen Mofas (mit
einer Höchstgeschwindigkeit bis zu 45 km/h) erfordert nunmehr den Erwerb
des Pkw-Führerscheins, was für die betroffene Personengruppe angesichts der
wesentlich höheren Anforderungen und Kosten des Führerscheinerwerbs in
vielen Fällen unzumutbar ist.
Für die Mobilitätsbedürfnisse insbesondere dieses Personenkreises soll daher
eine neue Fahrerlaubnisklasse geschaffen werden. Die Verkehrssicherheit ist
durch angemessene Ausbildung- und Prüfungsvorschriften zu gewährleisten.
Die neue Fahrerlaubnisklasse kann von allen genutzt werden, sie kommt aber
insbesondere älteren und gehbehinderten Menschen zu Gute, da sie eine Lücke
zwischen dem fahrerlaubnisfreien, aber relativ langsamen motorisierten Kran-
kenfahrstuhl (15 km/h) und dem Pkw ausfüllt.

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