BT-Drucksache 15/1091

Stadtumbau Ost auf dem richtigen Weg

Vom 3. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1091
15. Wahlperiode 03. 06. 2003

Antrag
der Abgeordneten Ernst Kranz, Wolfgang Spanier, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer,
Hans-Günter Bruckmann, Dr. Peter Danckert, Annette Faße, Rainer Fornahl,
Gabriele Groneberg, Dr. Christine Lucyga, Heinz Paula, Karin Rehbock-Zureich,
Siegfried Scheffler, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Ludwig Stiegler, Petra Weis,
Reinhard Weis (Stendal), Dr. Margrit Wetzel, Heidi Wright, Franz Müntefering und
der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln),
Ursula Sowa, Peter Hettlich, Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Katrin
Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stadtumbau Ost auf dem richtigen Weg

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Seit Ende der 90er Jahre zeichnete sich ab, dass eine große Zahl von Wohnun-
gen in Ostdeutschland nicht mehr vermietbar ist. Die rot-grüne Koalition hat
umgehend gehandelt. Sie hat in 2000 die Expertenkommission „Wohnungs-
wirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ unter dem Vorsitz des
ehemaligen Oberbürgermeisters von Leipzig, Dr. Hinrich Lehmann-Grube, ein-
gesetzt. Diese Kommission stellte fest, dass seit 1998 1 Million Wohnungen in
Ostdeutschland leerstehen und dass bis 2010 mindestens 350 000 Wohnungen
durch Abriss dauerhaft vom Markt genommen werden müssen.
Ursache für den Leerstand sind die Stadt-Umland-Wanderung aufgrund sich
wandelnder Wohnbedürfnisse, die wirtschaftliche Strukturschwäche und die
anhaltende arbeitsmarktbedingte Abwanderung. Allerdings gab es bereits zur
Zeit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland einen statistisch nicht erfassten
Leerstand im innerstädtischen Altbaubereich. Die umfassende Neubau- und Sa-
nierungstätigkeit in den 90er Jahren und das Fördergebietsgesetz haben ihrer-
seits das Leerstandsproblem verstärkt. Nach Hochrechnungen des Bundesver-
bandes Deutscher Wohnungsunternehmen (GdW) standen Ende des Jahres
2001 bereits 1,3 Millionen Wohnungen leer. Die durchschnittliche Leerstands-
quote der Unternehmen hat sich demnach von Ende 2001 lediglich um 0,3 Pro-
zentpunkte auf insgesamt 15,8 % zum 31. Dezember 2002 erhöht.
Das im Jahr 2001 beschlossene und 2002 gestartete Programm „Stadtumbau
Ost“ ist von den politisch und fachlich Beteiligten als wichtiger und notwen-
diger Schritt zur Stabilisierung der Städte und Siedlungen sowie der Woh-
nungswirtschaft bewertet worden. Mit dem vom Bund geförderten erfolgrei-
chen Wettbewerb zur Erarbeitung von Stadtentwicklungskonzepten im Jahr
2002 ist eine solide Grundlage für einen zügigen und effektiven Einsatz der
Fördermittel geschaffen worden. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten vor al-
lem bei den Ländern mit größeren Wohnungsleerständen geht die praktische

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Umsetzung des Programms Schritt für Schritt voran. Bis zum Ende des vergan-
genen Jahres wurden bereits 75 % der bereitstehenden Bundesmittel abgerufen.
Bei den Rückbaumitteln waren es sogar 83 %. In den meisten Kommunen
wurden sehr konstruktive Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Politik und
Verwaltung, der Wohnungswirtschaft und den Mietern aufgebaut. Auch die
Kooperation von Bund, Ländern und Gemeinden gestaltet sich gut, obwohl die
einzelnen Länder sehr unterschiedliche Verfahrensschritte festgelegt haben.
Festzustellen ist auch, dass die im Rahmen des Stadtumbaus erforderlichen
Umsetzungen von den betroffenen Mietern und den Mietervereinigungen in
den meisten Fällen konstruktiv und verständnisvoll mitgetragen werden. Laut
Rechtsprechung in mehreren Fällen hat im Übrigen der Vermieter bereits nach
geltendem Recht die Möglichkeit, das Mietverhältnis bei leerstandsbedingten
Stadtumbaumaßnahmen gegenüber einzelnen verbleibenden Mietern wegen be-
rechtigter Interessen zu kündigen.
Für das erste Programmjahr 2002 wurde das gesteckte Ziel bereits erreicht:
2002 wurden in das Stadtumbauprogramm 197 Gemeinden aufgenommen, die
von Bund und Ländern 153 Mio. Euro für den Rückbau von mindestens 45 000
Wohnungen erhalten. Das ist etwas mehr als ein Achtel der 350 000 Wohnun-
gen, die mit dem Programm in acht Jahren rückgebaut werden sollen. Dies
zeigt: Das Programm „Stadtumbau Ost“ greift und ist die richtige Strategie zur
Lösung der großen Leerstandsprobleme in Ostdeutschland.
Die Auswertungen der ersten Erfahrungen mit dem Stadtumbauprogramm zei-
gen auch, dass es Möglichkeiten gibt, die Bewilligungsverfahren zu vereinfa-
chen und zu beschleunigen. Die Bundesregierung hat dazu bereits Maßnahmen
ergriffen. Die Änderungen werden in der „Verwaltungsvereinbarung Städte-
bauförderung 2003“ zum Tragen kommen.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Maßnahmen der Bundesregierung zur
vereinfachten und zielgenauen Handhabung des Förderinstrumentariums
„Stadtumbau Ost“:

l Der Gestaltungsspielraum der Länder zum Einsatz der vom Bund bewillig-
ten Kassenmittel für Maßnahmen des Rückbaus wird erweitert. Künftig ha-
ben die Länder die Möglichkeit, bei Bedarf mehr als 50 % der Mittel für den
Rückbau einzusetzen.

l Die Altschuldenhilfe und das Programm „Stadtumbau Ost“ werden stärker
aufeinander abgestimmt. Die Mittel für den Rückbau im Programm „Stadt-
umbau Ost“ werden künftig als Landesbeitrag zu § 6a Altschuldenhilfe-
gesetz anerkannt. Diese Maßnahme stellt eine sinnvolle Flankierung der
bereits erfolgten Aufstockung der Altschuldenhilfe um 300 Mio. Euro auf
658 Mio. Euro dar, womit die Handlungsspielräume der Länder zur Unter-
stützung existenzgefährdeter Wohnungsunternehmen erheblich erweitert
werden.

l Bei der Vergabe der Fördermittel werden künftig die Gemeinden bevorzugt,
deren Wohnungsunternehmen die Unterstützung nach der Härtefallregelung
– gemäß § 6a AHG – beantragt haben.

l Künftig wird es den Kommunen im Einzelfall ermöglicht, den Rückbau ein-
zelner Gebäude auch außerhalb der festgelegten Fördergebiete zu fördern.

l Die Regelungen für den Programmbaustein „Wohneigentumsbildung“ wer-
den durch Pauschalierung und Lockerung der bisher strikten Gebietsbindung
einfacher und flexibler gestaltet.

l Die Mittel des Programms „Stadtumbau Ost“ sind künftig mit dem neuen
Infrastrukturprogramm und dem Wohnraummodernisierungsprogramm der

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KfW kombinierbar. Insbesondere die Träger technischer Infrastruktur sind
aufgefordert, die zinsgünstigen Darlehen des KfW-Infrastrukturprogramms
für den erforderlichen Infrastruktur-Umbau zu nutzen.

l Zur Beschleunigung des Rückbaus wird – bei gegebenem Verpflichtungs-
rahmen – die jeweils erste der fünf Kassenmitteljahresraten, in denen jedes
Programmjahr abgewickelt wird, von 5 % auf 15 % angehoben. Die Anhe-
bung wird durch eine entsprechende Minderung der beiden letzten Kassen-
mitteljahresraten ausgeglichen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. darauf hinzuwirken, dass die Möglichkeiten zur Beschleunigung des Rück-

baus genutzt werden, insbesondere die bereits nach der Verwaltungsverein-
barung Städtebauförderung förderungsfähige Vor- und Zwischenfinanzie-
rung. Der Deutsche Bundestag appelliert an die ostdeutschen Bundesländer,
zur Erleichterung der Vorfinanzierung abtretungsfähige Bewilligungsbe-
scheide auszustellen;

2. dazu beizutragen, dass auch die besonders finanzschwachen Kommunen in
die Lage versetzt werden, am Programm „Stadtumbau Ost“ zu partizipieren;

3. zu prüfen, inwieweit die vom Preisgericht zum Wettbewerb „Stadtumbau
Ost“ im Jahr 2002 abgegebenen Empfehlungen von den Akteuren vor Ort
aufgegriffen werden;

4. in Zusammenarbeit mit den Ländern die Auswertung der städtebaulichen
Konzepte zu vereinheitlichen, um eine Typisierung von Leerstandsproble-
men und der städtebaulichen Bedingungen, eine Beschreibung der Eigen-
tümerstrukturen und eine Übersicht über die städtebaulichen und wohnungs-
wirtschaftlichen Ziele zu erhalten;

5. dem Bundestag in regelmäßigen Abständen über den Stand der Umsetzung
zu berichten. Dabei sollte auch eine Auswertung der erzielten Erfolge unter-
schiedlicher städtebaulicher Konzepte vorgenommen werden, aber auch auf
Probleme bei der Umsetzung und der notwendigen Anpassung von Infra-
strukturen eingegangen werden. Herausragende Projekte sollten in Form
einer „best-practise-Sammlung“ den Ländern, Kommunen und interessier-
ten Bürgern zur Verfügung gestellt werden;

6. mit den Ländern gemeinsam eine befristete Befreiung der Grunderwerb-
steuer für jene ostdeutsche Wohnungsunternehmen vorzusehen, die auf
Grund von Leerständen und zur Vermeidung von Insolvenzen Unterneh-
mensfusionen und Übernahmen durchführen;

7. die geplante Wirkungsanalyse der Investitionszulage für Modernisierungs-
maßnahmen an Wohngebäuden rechtzeitig vorzulegen, so dass eine zeitnahe
Entscheidung über eine Verlängerung der Investitionszulage getroffen wer-
den kann.
Im Rahmen des „Stadtumbau Ost“ hat die Investitionszulage für Moderni-
sierungsmaßnahmen an Wohngebäuden die Aufgabe, die mit dem Rückbau
gleichzeitig notwendige Aufwertung des verbleibenden Wohnungsbestandes
zu unterstützen. Der Schwerpunkt der Förderung liegt dabei auf dem inner-
städtischen Altbau.

Berlin, den 3. Juni 2003
Franz Müntefering und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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