BT-Drucksache 15/1016

Fakultativprotokoll gegen Einsatz von Kindersoldaten umgehend ratifizieren

Vom 20. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1016
15. Wahlperiode 20. 05. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hartwig Fischer (Göttingen), Siegfried
Helias, Hermann Gröhe, Dr. Ralf Brauksiepe, Rudolf Kraus, Conny Mayer
(Baiersbronn), Sibylle Pfeiffer, Christa Reichard (Dresden), Peter Weiß
(Emmendingen), Rainer Eppelmann, Ingrid Fischbach, Norbert Geis,
Dr. Egon Jüttner, Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Jürgen Klimke, Daniela Raab,
Arnold Vaatz und der Fraktion der CDU/CSU

Fakultativprotokoll gegen Einsatz von Kindersoldaten umgehend ratifizieren

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach Schätzungen der UN sind mehr als 300 000 Kinder und Jugendliche unter
18 Jahren in mehr als 30 Ländern als gewaltsam rekrutierte Kindersoldaten in
Streitkräften und bewaffneten Oppositionsgruppen im Einsatz. Außerdem wur-
den darüber hinaus bereits mehrere Hunderttausende Kinder und Jugendliche
unter 18 Jahren in Regierungsarmeen, Paramilitärs, Milizen und nichtstaat-
lichen bewaffneten Gruppen gewaltsam rekrutiert.
Der Grund für diese erschreckende Entwicklung liegt in der neuen Kriegsstrate-
gie vieler Kriegsparteien insbesondere in Entwicklungsländern und einer ekla-
tanten Missachtung von Rekrutierungsregeln. Außerdem ist eine wachsende
Anzahl von innerstaatlichen bewaffneten Konflikten zu beobachten, in denen
die Grundregeln der herkömmlichen Kriegsführung der Berufsarmeen systema-
tisch verletzt werden.
All dies trägt zu einer verstärkten gewaltsamen Rekrutierung von Minderjähri-
gen bei, die sich der Rekrutierung aus eigener Kraft häufig nicht erwehren kön-
nen. Neben direkten Anwerbungen sind häufig Zwangsrekrutierungen von Kin-
dern aus überwiegend sozial und wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungs-
schichten und Waisenkindern die Regel. Es handelt sich dabei um Jungen und
um Mädchen, die in manchen Fällen nicht älter als 7 Jahre sind.
Den Einsatz von Kindern bei bewaffneten Auseinandersetzungen begünstigt,
dass diese wenig Geld kosten, beliebig austauschbar und – insbesondere auf-
grund ihrer nicht voll entwickelten Persönlichkeit – einfacher zu kontrollieren
sind als reguläre Soldaten.
Häufig werden die Kinder (insbesondere die Mädchen) vergewaltigt und sexu-
ell versklavt. Auch Folter, Misshandlungen und Hinrichtungen bei Verweigern
der Anweisungen sind auf der Tagesordnung. Durch das Verabreichen von Dro-
gen werden die Kinder gefügig gemacht. Sie geraten so in eine vollständige Ab-
hängigkeit zu ihren Herren.
Diese Kinder kennen und haben keine Kindheit. Ihre Persönlichkeitsentwick-
lung wird erheblich beeinträchtigt. Sie haben keine Ausbildungs- und Entwick-

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lungsmöglichkeiten, die sie zu verantwortlichen Menschen in der Gesellschaft
erziehen, wenn sie aus diesem Joch der Ausbeutung und Unterdrückung nicht
herausgeholt werden. Sie erleiden körperliche Schäden und psychische Trau-
mata. Häufig leiden sie unter Sucht- und Infektionskrankheiten.
Die Lebensbedingungen, mit denen sich Kindersoldaten alltäglich konfrontiert
sehen, stehen im krassen Widerspruch zu den von der Generalversammlung der
Vereinten Nationen verkündeten „Allgemeinen Erklärung der Menschen-
rechte“, zu den Internationalen Pakten über bürgerliche und politische sowie
über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, vor allem aber zum Über-
einkommen über die Rechte des Kindes.
Der Deutsche Bundestag fordert deshalb alle verantwortlichen Akteure auf, alle
Bestrebungen zu unterstützen, die zum Ziel haben, dass gewaltsam rekrutierte
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren grundsätzlich nicht mehr zu militä-
rischen oder paramilitärischen Zwecken missbraucht werden dürfen, bzw. von
bewaffneten Konflikten gänzlich auszuschließen sind.
Deshalb begrüßt der Deutsche Bundestag das am 25. Mai 2000 von der UN-
Vollversammlung verkündete „Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über
die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten
Konflikten“.
Am 6. September 2000 unterzeichnete Bundeskanzler Gerhard Schröder dieses
Fakultativprotokoll, welches schließlich am 12. Februar 2002 in Kraft trat. Bis
heute hat die Bundesregierung das Fakultativprotokoll allerdings nicht an den
Deutschen Bundestag zur Ratifizierung weitergeleitet. Der Grund hierfür liegt
in einem inhaltlichen, bislang nicht gelösten Konflikt zwischen zwei beteiligten
Bundesressorts. Während das Bundesjustizministerium die Volljährigkeit, d. h.
ein Mindestalter von 18 Jahren, für die Rekrutierung vorschreiben will, besteht
das Bundesverteidigungsministerium auf einem Mindestalter von 17 Jahren, da
sich jährlich ca. 350 junge Männer zur Bundeswehr melden, die ansonsten zum
Bundesgrenzschutz gehen würden.

Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
– das „Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes

betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten“ umge-
hend an den Deutschen Bundestag zur Ratifizierung weiterzuleiten. Das
kann eine Vorbildfunktion für eine internationale Ratifizierung haben. Darü-
ber hinaus ist die bisherige UN-Regelung zu prüfen, die bislang vorsieht,
dass bereits 15-Jährigen eine Teilnahme an Feindseligkeiten als Soldaten er-
laubt wird;

– Maßnahmen von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Problema-
tik der Kindersoldaten beschäftigen, zu fördern;

– die Lage von Kindern in Gebieten mit innerstaatlichen Konflikten zu beob-
achten und bei Verhandlungen mit entsprechenden Ländern anzusprechen.
Es muss sichergestellt werden, dass Länder, die Kindersoldaten rekrutieren,
keine Entwicklungsgelder der Bundesrepublik Deutschland, der EU oder an-
derer internationaler Organisationen mit deutscher Mitgliedschaft erhalten;

– sich intensiver für die Umsetzung des Artikels 7 der UN-Kinderrechtskon-
vention einzusetzen, wonach alle Kinder durch staatliche Institutionen mit
offiziellen Papieren ausgestattet werden sollen. Nur dadurch kann das Alter
eines Kindes genau festgestellt werden;

– Maßnahmen, die der Demobilisierung und Resozialisierung von Kindersol-
daten dienen, entwicklungspolitisch zu unterstützen. Nur durch eine von ge-

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schulten Psychologen durchgeführte Therapie können die grausamen Erleb-
nisse verarbeitet werden;

– präventiv in den Entwicklungsländern den Bildungssektor besonders zu för-
dern. Bildung ist eine grundlegende Voraussetzung, um ein stabiles Normen-
und Wertesystem entstehen zu lassen;

– eine Evaluierung der Resozialisierungsmaßnahmen von Kindersoldaten an-
zuregen, die dazu dient, dass Erfahrungen systematisch dokumentiert und
eine stärkere Differenzierung der Kindersoldaten-Problematik nach militä-
rischer Vorbildung, Dauer und Einsatzgebiet, Alter, Geschlecht, Herkunft,
Region und politischem Regime ermöglicht werden. Dies trägt dazu bei,
dass die Resozialisierungsmaßnahmen konkreter gefasst und Verbesserun-
gen sowie Alternativen auf dem Gebiet entwickelt werden können;

– dem Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten bei allen internationalen
Überwachungsmissionen von Seiten der Vereinten Nationen „erste Priorität“
einzuräumen und in internationalen Gremien darauf hinzuwirken, dass in
allen Friedensabkommen die Situation von Kindersoldaten berücksichtigt
wird und Maßnahmen zu deren Reintegration in die Gesellschaft festge-
schrieben werden.

Berlin, den 20. Mai 2003
Dr. Christian Ruck
Hartwig Fischer (Göttingen)
Siegfried Helias
Hermann Gröhe
Dr. Ralf Brauksiepe
Rudolf Kraus
Conny Mayer (Baiersbronn)
Sibylle Pfeiffer
Christa Reichard (Dresden)
Peter Weiß (Emmendingen)
Rainer Eppelmann
Ingrid Fischbach
Norbert Geis
Dr. Egon Jüttner
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Jürgen Klimke
Daniela Raab
Arnold Vaatz
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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