BT-Drucksache 15/1001

Umfassende Politik für Verbraucher - weg von einem engen Aktionsplan zum Schutz der Verbraucher

Vom 21. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1001
15. Wahlperiode 21. 05. 2003

Antrag
der Abgeordneten Gudrun Kopp, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-
Kasan, Marita Sehn, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Helga Daub, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Eberhard Otto (Godern), Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Umfassende Politik für Verbraucher – weg von einem engen Aktionsplan
zum Schutz der Verbraucher

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit der Vorlage des „Aktionsplans Verbraucherschutz“ am 7. Mai 2003 und auf
der Grundlage der „Strategischen Grundsätze und Leitbilder einer neuen Ver-
braucherpolitik“, einem Diskussionspapier des Wissenschaftlichen Beirates für
Verbraucher- und Ernährungspolitik beim Bundesministerium für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft, hat die Bundesregierung erstmals eine
systematische Bündelung aller aus ihrer Sicht wichtigen verbraucherpolitischen
Vorhaben auf Bundesebene vorgenommen. Damit entspricht sie dem Koali-
tionsauftrag, einen „Aktionsplan Verbraucherschutz“ vorzulegen, der ab 2004
in einem „Fortschrittsbericht Verbraucherschutz“ über seine Umsetzung Aus-
kunft geben soll.
In ihrem Antrag „Kurzfristige nationale Strategien in der Verbraucherpolitik
unzureichend“ (Bundestagsdrucksache 14/9553) hat die FDP-Bundestagsfrak-
tion Eckpunkte einer liberalen, nachhaltigen Verbraucherpolitik benannt. Sie
hat zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute weder einer
verbraucherpolitischen Strategie gefolgt, noch einen konkreten, ressortüber-
greifendem Handlungsplan in die Tat umgesetzt hat. Vielmehr hat sie seit der
BSE-Krise fast ausschließlich im Bereich der Lebensmittelsicherheit reagiert,
ohne jedoch ein umfassendes vorsorgendes Verbraucherschutzkonzept selbst
nur für diesen Teilbereich vorzulegen.

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
– Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe
Die alleinige Zuordnung zu einem Fachressort bzw. zu einem Fachausschuss
im Rahmen der Arbeit der Bundesregierung bzw. des Deutschen Bundestages
hat sich nicht bewährt. Auch die einseitige Aufstockung der Planstellen des

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Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft als
koordinierende Stelle im Rahmen der Arbeit der Bundesregierung hat sich als
kontraproduktiv erwiesen. Laut Bericht des Bundesrechnungshofes vom
12. Februar 2003 sind die Planstellen zweckentfremdet und nicht für die Be-
arbeitung verbraucherpolitischer Themen verwandt worden. Deshalb bedarf es
einer Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der Geschäftsordnung der
Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Sie soll sich insbesondere
mit Fragen einer möglichen Neuordnung befassen, d. h. der Zuständigkeiten
der jeweiligen Bundesministerien und ihrer nachgeordneten Behörden sowie
der Gremien des Deutschen Bundestages. Dies gilt auch für etwaige Neugrün-
dungen von Einrichtungen und Gremien. Ziele sind die optimale Bearbeitung
der Verbraucherfragen und die Durchsetzung einer effektiven Verbraucher-
politik.
– Verbraucherpolitik entscheidet sich am Markt
Der Wettbewerb wirkt dem Entstehen und dem Missbrauch zu starker Markt-
positionen entgegen. Er fördert den technischen Fortschritt und trägt damit zur
Produktsicherheit bei. Verbraucher und Verbraucherinnen sind in ihren Ent-
scheidungen souverän und frei. Sie steuern durch ihr Nachfrageverhalten das
Angebot und damit die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Verbrau-
cherinnen und Verbraucher benötigen für ihre Entscheidungen konkrete Pro-
duktinformationen. Deshalb ist eine differenzierte Ausgestaltung einer markto-
rientierten Informationspolitik notwendig. Intransparenzen am Markt müssen
bereinigt werden. Hier sind primär die Unternehmen gefordert. Der Staat ge-
staltet ausschließlich die Rahmenbedingungen für eine effektive und marktkon-
forme Verbraucherpolitik und definiert klare Aufgaben für die jeweils zuständi-
gen staatlichen Stellen. Ihm obliegt die Durchsetzung allgemeiner Pflichten,
die möglichst im Rahmen freiwilliger Selbstverpflichtungen, aber gegebenen-
falls auch gesetzlich festgelegt werden können.
– Verbraucherpolitik ist Informationspolitik
Informationen über ein Produkt sind am ehesten über die Hersteller erhältlich.
Sie haben bereits erhebliche Vorleistungen getroffen. Sie handeln schon heute
in einem engmaschigen Netz an Vorschriften, die die Gewährleistung des Ver-
braucherschutzes und die Information des Verbrauchers über die angebotenen
Produkte betrifft. Zahlreiche privatwirtschaftliche Qualitäts- und Markenpro-
gramme, die den Verbrauchern durch entsprechende Prüf-, Güte- und Marken-
zeichen kommuniziert werden, haben bereits zu mehr Markttransparenz ge-
führt. Angesichts der Bedeutung der Informationspflichten für den Verbrau-
cherschutz ist jedoch eine Informationsoffensive notwendig. Eine Schlüssel-
funktion sollen dabei weiterhin die Unternehmen haben. Ihre Aufgabe ist es,
rechtzeitig, eindeutig und in angemessener Form – auch in Kooperation mit an-
bieter- und politikunabhängigen Einrichtungen – Informationen zur Verfügung
zu stellen. Eine wirksame Selbstregulierung, die klare bindende Selbstver-
pflichtungen gegenüber dem Verbraucher umfasst, laufend aktualisiert und ent-
sprechend durchgesetzt wird, ist der Vorzug vor staatlichen bzw. ordnungs-
rechtlichen Eingriffen zu geben. Das von der Bundesregierung im Aktionsplan
genannte Verbraucherinformationsgesetz sollte sich ausschließlich auf eine
enge Umsetzung der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlamentes und
des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit be-
schränken.
– Verbraucherpolitik braucht unabhängige Beratungsstellen
Die Stiftung Warentest muss mit einem ausreichenden Eigenkapitalstock in die
Selbständigkeit geführt werden. Für die Verbraucherberatungsstellen müssen
Konzepte erarbeitet werden, die ihnen im Rahmen der bestehenden Kapitalaus-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1001

stattung größere wirtschaftliche und damit konzeptionelle Freiräume ermög-
lichen.
– Verbraucherpolitik muss international ausgerichtet sein
Deshalb bedarf es einer stärkeren Harmonisierung der Verbraucherpolitik in der
EU und einer Intensivierung der Zusammenarbeit der Behörden über einzel-
staatliche Grenzen hinaus. Die Arbeit der Bundesregierung muss, international
abgestimmt, integraler Bestandteil einer gemeinsamen, zumindest EU-weiten
Politik werden. Ein nationaler Krisenplan allein ist nicht ausreichend.
– Verbraucherpolitik ist eine Daueraufgabe
Verbrauchervertrauen hängt maßgeblich von einem verlässlichen politischen
Rahmen ab, der faire Marktbedingungen und einen gesetzlichen Ordnungsrah-
men sicherstellt. Gesundheit und Sicherheit müssen angemessen in allen Poli-
tikfeldern berücksichtigt werden. Durch die angespannte Wirtschaftslage, die
schlechten Konjunkturaussichten und die deprimierenden Arbeitslosenzahlen
ist das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Politik der Bun-
desregierung nachhaltig getrübt. Um dieses wieder zu stärken, muss die Bun-
desregierung ein umfassendes Konzept mit mutigen Vorschlägen vorlegen, um
die Probleme der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt anzugehen. Die Umset-
zung des „Aktionsplans Verbraucherschutz“ ist unzureichend und wird den Er-
fordernissen nicht gerecht.

Berlin, den 20. Mai 2003
Gudrun Kopp
Hans-Michael Goldmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Marita Sehn
Rainer Brüderle
Daniel Bahr (Münster)
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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