BT-Drucksache 14/9922

Umstrittene Öl-Pipeline in Ecuador

Vom 3. September 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9922
14. Wahlperiode 03. 09. 2002

Kleine Anfrage
des Abgeordneten Carsten Hübner, Ursula Lötzer, Roland Claus und der Fraktion
der PDS

Umstrittene Öl-Pipeline in Ecuador

Wie aus zahlreichen Presseberichten hervorgeht (u. a. FAZ vom 19. Februar
2002, General-Anzeiger vom 13. April 2002, SPIEGEL vom 3. April 2002,
Neues Deutschland vom 15. Mai 2002, taz vom 20. Juni 2002), finanziert die
Westdeutsche Landesbank (WestLB) in Ecuador das umstrittene Pipeline-
Projekt OCP (Oleoducto de Crudos Pesados). Die OCP wird die zweite Pipeline
Ecuadors, nachdem in den 70er Jahren bereits die SOTE (Sistema Oleoducto
TransEcuatoriana) gebaut worden war. Obwohl Ecuador seit den 70er Jahren er-
hebliche Gewinne aus dem Erdöl-Geschäft erzielt, stieg kontinuierlich die Ver-
schuldung (von 217 Mio. US-Dollar 1970 auf heute rund 17 Mrd. US-Dollar).
Ecuador ist mittlerweile eines der ärmsten Länder Lateinamerikas – 69 Prozent
der Bevölkerung leben unter der nationalen Armutsgrenze. Tatsächlich sind die
Provinzen Sucumbios und Orellana, durch die die Öl-Pipeline führen soll, die
ärmsten des Landes.
Aber nicht nur die sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Ölförderung,
sondern auch die ökologischen Auswirkungen bedrohen die Zukunft des Lan-
des. Seit der Inbetriebnahme der SOTE-Pipeline 1972 liefen nach Schätzungen
von Greenpeace circa 74 Mio. Liter Öl durch Unfälle, Erdbeben und Sabotage-
akte unkontrolliert aus und verseuchten ganze Landstriche sowie die Trinkwas-
serversorgung der lokalen Bevölkerung. Die neue Pipeline führt zudem durch 94
Gebiete die stark durch Erdbeben gefährdet sind, kreuzt seismische Bruchlinien,
verläuft entlang sechs aktiver Vulkane und führt durch sieben Umweltschutzge-
biete. Außerdem führt die Pipeline so nah an der Grenze zu Kolumbien vorbei,
dass auch Anschläge von Guerilliagruppen, wie z. B. der Farc oder der ELN
bzw. paramilitärischen Gruppen (AUC) denkbar sind. Nach Protesten verschie-
dener Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, Accion Ecologica und Ret-
tet den Regenwald e. V. erklärte die WestLB gegenüber der Öffentlichkeit, dass
bei diesem Projekt die Umweltstandards der Weltbank beachtet würden. In ei-
nem Brief der Weltbank vom 19. Dezember 2001 an das OCP-Konsortium
(http://www.regenwald.org/new/aktuelles/ecuador/brief_wb_westlb.htm) wur-
den nicht nur Zweifel an der Behauptung geäußert, Weltbankstandards würden
eingehalten, sondern auch auf die Risiken hingewiesen, die sich durch den Pipe-
linebau für das „Choco-Andean Corridor Project“ ergeben. Ein Projekt, das die
einmalige biologische Vielfalt in diesem Gebiet erhalten soll und unter anderem
von der Weltbank unterstützt wird. Die Pipeline soll durch dieses Projektgebiet
führen.
Elaina Serrano, Vertreterin der Weltbank, erklärte außerdem gegenüber dem
Fernsehmagazin Monitor in der Sendung vom 17. Januar 2002 wörtlich: „Ers-
tens sind wir besorgt um das zerbrechliche ökologische Gleichgewicht dieser

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Region Ecuadors, die wir gut kennen, weil wir dort mehrere eigene Umwelt-
schutzprojekte unterhalten. Zweitens sind wir besorgt, dass unsere Standards
nicht eingehalten werden – unser Name aber missbraucht wird, um das Projekt
abzusegnen, wenn die Standards nicht eingehalten werden.“
In einem Brief eines Vorstandsmitglieds der WestLB an den Ausschuss für Eu-
ropa und Eine-Welt-Politik des Landtags in Nordrhein-Westfalen (NRW), vom
14. Januar 2002, wird behauptet, dass neben dem Internationalen Währungs-
fonds auch die „Bundesregierung in Berlin den Bau der Pipeline grundsätzlich
unterstützt“ (zu finden auf der Homepage der WestLB, www.westlb.de). Wei-
terhin wird behauptet, das ecuadorianische Umweltministerium habe „die Bun-
desregierung Anfang diesen Jahres offiziell darum gebeten (…), den Monito-
ring Prozess in Ecuador durch die Bereitstellung von im Land akkreditiertem
Personal des Deutschen Entwicklungsdienstes zu unterstützen.“
Bei der Sicherung der Wegerechte durch das OCP-Konsortium kam es immer
wieder zu Unregelmäßigkeiten. So wurden laut „Frankfurter Rundschau“ vom
26. März 2002 teilweise illegale Verträge mit Gemeinderäten der betroffenen
Regionen geschlossen. Gegen den Bau der Pipeline regt sich ausgehend von der
betroffenen Bevölkerung immer wieder Widerstand, der allerdings brutal von
Polizei und Militär niedergeschlagen wird. Nach Angaben von Greenpeace hat
es bis zum 12. März 2002 infolgedessen insgesamt vier Tote (darunter zwei
Kinder), zwanzig Verletzte und ca. hundert Festnahmen gegeben. Auch ent-
wicklungspolitisch ist das Projekt umstritten. So melden sowohl WestLB als
auch Greenpeace übereinstimmend, dass nach heutigem Kenntnisstand bei ei-
ner Verdoppelung der Erdölproduktion, der Vorrat noch für ca. 15 bis 20 Jahre
reicht, danach müsste Ecuador selber zum Ölimporteur werden. Der Bau der
Pipeline wird außerdem zu erheblichen Einkommenseinbußen der lokalen Be-
völkerung führen. Durch den Naturtourismus könnte sie, nach Schätzungen von
Greenpeace und der Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen (NRW) Ute
Koczy, in den nächsten zwanzig Jahren ca. 600 Mio. US-Dollar umsetzen.
Vorausgesetzt die Regenwälder bleiben erhalten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Unterstützt die Bundesregierung den Bau der Pipeline OCP in Ecuador

grundsätzlich, wie in dem Brief der WestLB an den Eine-Welt-Ausschuss
des Landtages NRW behauptet wird?
Wenn ja, auf welche Art und Weise wird der Pipeline-Bau unterstützt?

2. Wurde die Bundesregierung vom ecuadorianischen Umweltministerium offi-
ziell darum gebeten den Monitoring Prozess mit Personal des Deutschen
Entwicklungsdienstes zu unterstützen?
Wenn ja, wurde dieser Bitte stattgegeben und in welcher Form (bitte Auf-
schlüsseln nach Bereitstellung von Personal, technischem Gerät, etc.)?

3. Gibt es schon Ergebnisse des Monitoring Prozesses?
Wenn ja, sind der Bundesregierung die Ergebnisse des Monitoring Prozesses
bekannt und wie lauten die Ergebnisse?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Bedeutung der Pipeline für die ecuado-
rianische Wirtschaft ein?

5. Wie schätzt die Bundesregierung die entwicklungspolitische Bedeutung der
Pipeline im Hinblick auf den ausbleibenden Ökotourismus und die zeitlich
begrenzte Möglichkeit der Ölförderung für die Bevölkerung Ecuadors ein?

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6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Nachhaltigkeit des durchgeführten
Projektes vor dem Hintergrund, dass die Ölvorräte Ecuadors in 15 bis 20
Jahren erschöpft sein werden und zurzeit noch nicht geklärt ist, ob die Öl-
vorräte ausreichen, um die neue OCP-Pipeline auszulasten?

7. Sind der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Bau der Pipeline
Menschenrechtsverletzungen bekannt?
Wenn ja, wie hat die Bundesregierung darauf reagiert?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefährdung der Pipeline durch An-
schläge bzw. Kampfhandlungen paramilitärischer Gruppen der AUC und
Guerilliagruppen wie der Farc und der ELN aus dem Grenzgebiet zu Ko-
lumbien?

9. Der Vertrag zwischen OCP und WestLB soll eine Vertragsklausel beinhal-
ten, die besagt, dass der Vertrag bei Vertragsbruch aufgelöst werden kann.
Die Einhaltung der Weltbank Richtlinien beim Bau der Pipeline wurden
von der WestLB selbst als unabdingbare Voraussetzung angeführt. Kann
diese Vertragsklausel eingesehen werden?

10. Wird die Bundesregierung im Fall, dass ein in Sachen Weltbankstandards
kompetenter Gutachter belegt, dass die Umweltrichtlinien der Weltbank
nicht eingehalten werden, auf die Landesregierung und die WestLB dahin
eingehend ihren Einfluss geltend machen, dass der Kredit zurückgezogen
wird?
Wenn nein, warum nicht?

11. Wie lässt sich der Milliardenkredit der WestLB (Investition öffentlich
rechtlicher Gelder in Gewinnung fossiler Energieträger, dabei Zerstörung
von Biodiversität) mit den Zielen des Waldsektorkonzeptes der Bundes-
regierung und der bereits 1992 unterzeichneten und ratifizierten CBD ver-
einbaren?

12. Wird die Bundesregierung die Offenlegung aller relevanten Gutachten
(wie z. B. das erste Gutachten der Firma Stone & Webster) erwirken?

13. Wer wird für die durch den Bau der Pipeline und die Ölförderung im Ama-
zonasgebiet verursachten ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen
Schäden haften?

14. Wer wird in Zukunft im Falle von Ölunfällen für die entstehenden Schäden
an Natur und den dort lebenden Menschen (Ansteigen der Rate von Fehl-
geburten, Krebs, Durchfällen, Haarausfall und Halsentzündungen, …) haf-
ten?

15. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Landesbank von NRW in
Projekte investiert, die nicht nur gegen die Umweltgesetze Ecuadors,
sondern auch gegen die eigene Satzung der WestLB verstoßen?

16. Wie ist das Projekt mit dem Ziel des Schutzes der indigenen Bevölkerung
im Amazonas vereinbar?

Berlin den 28. August 2002
Carsten Hübner
Ursula Lötzer
Roland Claus und Fraktion

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