BT-Drucksache 14/9723

zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Ina Albowitz, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -14/7435, 14/9186- "Wir sind bereit": Versprechen der Bundesregierung - Anspruch und Wirklichkeit

Vom 3. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9723
14. Wahlperiode 03. 07. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Dr. Irmgard Schwaetzer, Ina Albowitz,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther
Friedrich Nolting, Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler,
Gudrun Serowiecki, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Dieter Thomae,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Ina Albowitz,
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksachen 14/7435, 14/9186 –

„Wir sind bereit“: Versprechen der Bundesregierung – Anspruch und Wirklichkeit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Wirklichkeit von Familien hat sich gewandelt, aber die Bedeutung von Fa-
milie nimmt unter jungen Menschen wieder zu. Die Rahmenbedingungen müs-
sen allerdings dringend verbessert werden. Deutschland braucht eine kinder-
und familienfreundlichere Perspektive.
Pluralisierung, Individualisierung und neue Lebensentwürfe von Frauen und
Männern haben in unserer Gesellschaft zu vielfältigen Lebensformen und Le-
bensstilen von Familien geführt. Ehe und Familie sind dabei nicht nur Aus-
druck persönlicher und sozialer Bindung. Sie sind auch das kleinste und bedeu-
tendste soziale Netz und stehen zu Recht unter dem besonderen Schutz der
staatlichen Ordnung.
Die Entscheidung für Kinder ist durch eine echte Wahlfreiheit endlich möglich
zu machen. Tatsächliche Freiheit bei der Entscheidung für Kinder setzt voraus,
dass insbesondere der Staat familien- und kinderfreundliche Rahmenbedingun-
gen schafft. Die gesamte Lebens- und Arbeitswelt in Deutschland muss kinder-
und familienfreundlicher werden, damit nicht die Perspektive Deutschlands
eine kinderlose Gesellschaft ist. Ohne Kinder keine Zukunft! Darüber hinaus ist
der Staat dort gefordert, wo Eltern allein der Verantwortung für das Aufwach-
sen der Kinder und Jugendlichen nicht gerecht werden können. Gerechtigkeit
zwischen den Generationen ist herzustellen.

Drucksache 14/9723 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
1. Familien mit Kindern weiter steuerlich zu entlasten. Die FDP hat ein umfas-

sendes neues Steuerkonzept vorgelegt, das unter anderem für Familien eine
deutliche Absenkung der Steuerbelastung bringt: Das Existenzminimum der
Familie bzw. der Einzelpersonen bleibt danach als indisponibles Einkommen
steuerfrei; nur das darüber hinausgehende Einkommen darf der progressiven
Besteuerung unterworfen werden. Zur Freistellung des Existenzminimums
soll es für jeden Bürger, also auch für jedes Kind, einen einheitlichen Grund-
freibetrag von 7 500 Euro pro Jahr geben. Der besonderen Belastung von
Familien einschließlich der allein Erziehenden wird durch diese deutliche
Erhöhung des Freibetrags für Kinder Rechnung getragen. Es wird anerkannt,
dass auch Kinder eigenständige Individuen sind, die eines soziokulturellen
Existenzminimums bedürfen, um an unserer Gesellschaft angemessen teil-
haben zu können;

2. für Familien, die von der Steuerentlastung nicht profitieren, das direkt ausge-
zahlte Kindergeld zu erhalten und entsprechend an den neuen steuerlichen
Freibetrag von 7 500 Euro je Kind anzupassen;

3. anfallende Betreuungskosten, wie Kita-Gebühren, Kosten für Tagesmütter
etc. für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Werbungskosten und für
Selbstständige als Betriebsausgaben steuerlich anzuerkennen;

4. die steuerliche Abzugsfähigkeit von sozialversicherungspflichtigen haus-
wirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen als außergewöhnliche Belas-
tungen wieder einzuführen;

5. die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit zu fördern und den Auf-
bau eines flächendeckenden kinder- und elterngerechten Angebotes an Kin-
dertageseinrichtungen in Kooperation mit den Ländern und Gemeinden zu
unterstützen. Dazu spricht sich der Deutsche Bundestag für die Einführung
des so genannten Kita-Gutschein-Modells aus. Damit wird der Anspruch der
Eltern auf eine Kinderbetreuung bestätigt, ohne dass damit die Zuweisung
eines konkreten Platzes verbunden ist. Mit dem Kita-Gutschein treten die
Eltern am Markt der Anbieter als Nachfrager auf und suchen sich die
gewünschte Leistung aus. Durch die mit dem Kita-Gutschein verbundene
Förderung von nichtstaatlichen Kinderbetreuungsformen wie private Ein-
richtungen und Tagesmütter bietet sich auch die Chance, Kinderbetreuungs-
angebote beispielsweise in ländlichen Regionen zu schaffen, wo die Kinder-
zahl die Gründung eines Kindergartens nicht rechtfertigt, sehr wohl aber die
Einrichtung einer Tagesmuttergruppe;

6. bei der Einrichtung von Ganztagsschulen eine Bundes-Förderung von Mo-
dellvorhaben von Bundesländern und Kommunen anzubieten. Gerade im
Bereich der Ganztagsbetreuung sind sehr unterschiedliche an die jeweiligen
örtlichen Verhältnisse angepasste Konzeptionen denkbar und wünschens-
wert. Der Ausbau von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Schulen und
Vereinen ist zu fördern. Auch die Vergabe von Ganztagsbetreuung an geeig-
nete private Betreiber (Vereine, Kirchen, Lehrer- und Elterngruppen) sollte
möglich sein. Zur Förderung von Kreativität und Selbständigkeit muss der
Stellenwert musischer und künstlerischer Bildung deutlich gestärkt werden;

7. Maßnahmen zur Förderung einer familiengerechten Arbeitswelt zu entwi-
ckeln. Der deutsche Arbeitsmarkt ist ausgesprochen rigide gestaltet. Gerade
für Eltern ist die mangelnde Flexibilität des Arbeitsmarktes von Nachteil:
Sie haben kaum eine Chance ihre Arbeitskraft entsprechend ihrer jeweiligen
Lebenssituation auf dem Arbeitsmarkt ganz oder teilweise anzubieten oder
auch temporär aus der Arbeitswelt auszusteigen. Eine höhere Flexibilität des
Arbeitsmarktes, auch durch den Verzicht auf überzogene Schutzbestimmun-
gen, die sich gegen die Beschäftigten verkehren, ist dringend erforderlich.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9723

Weitere Kernelemente zur besseren Vereinbarkeit von Familien- und Er-
werbsarbeit sind: Die Flexibilisierung der Arbeitszeit, nicht nur in Form von
traditionellen starren Teilzeitmodellen, sondern auch mit Jahres- oder Le-
bensarbeitszeitkonten und anderen kreativen Modellen, die private und be-
triebliche Bedürfnisse in Einklang bringen, eine Flexibilisierung beim Ar-
beitsort durch Modelle wie Teleheimarbeit, Satellitenbüros, Wohnraumarbeit
u. a. Auch Ausbildung, Studium und auch Fort- und Weiterbildung müssen
so gestaltet sein, dass sie auch für Menschen mit Familienpflichten zugäng-
lich sind.

Berlin, den 3. Juli 2002
Ina Lenke
Klaus Haupt
Dr. Irmgard Schwaetzer
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Gudrun Serowiecki
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.