BT-Drucksache 14/9565

1. A der Abg. Seehofer, Laumann, Lohmann, weiterer Abg. und CDU/CSU -14/8268- Krise in der Sozialversicherung beseitigen - endlich die notwendigen Reformen auf den Weg bringen 2. A der Abg. Dr. Schwaetzer, Dr. Kolb, Niebel, weiterer Abgeordneter und FDP -14/9245- Für eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme

Vom 26. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9565
14. Wahlperiode 26. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann,
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/8268 –

Krise in der Sozialversicherung beseitigen – endlich die notwendigen
Reformen auf den Weg bringen

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/9245 –

Für eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme

A. Problem
Zu Drucksache 14/8268
Nach Ansicht der Antragsteller hat sich die deutsche Sozialversicherung vom
Aushängeschild eines fortschrittlichen Sozialstaates zum Problemfall entwi-
ckelt. Die finanziellen Probleme aller Sozialversicherungszweige hätten sich
durch die Politik der Bundesregierung verstärkt. Bei der Kranken- und Pflege-
versicherung sowie bei der Arbeitslosenversicherung bestünden eklatante
qualitative und strukturelle Mängel. Gleichzeitig stünden aber die zentralen
Herausforderungen, namentlich die Entwicklung der Altersstruktur und der in-
tensive Fortschritt in der Medizin und Pflege, für das Sozialsystem noch bevor.
Zu Drucksache 14/9245
Die großen gesetzlich geregelten Sicherungssysteme der Renten-, Kranken-,
Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind nach Meinung der antragstellenden
Fraktion in ihrer derzeitigen Form nicht zukunftsfähig. Auf Grund von Umbrü-
chen auf dem Arbeitsmarkt und der demographischen Entwicklung müsse es zu
einer Anpassung der Systeme an die veränderten Gegebenheiten kommen. Die
Weiterentwicklung müsse sich an dem Grundsatz „Versicherungspflicht statt
Pflichtversicherung“ orientieren. Jeder Bürger müsse frei und individuell ent-
scheiden, wie und wo er dieser Versicherungspflicht für die großen Risiken
nachkommt.

Drucksache 14/9565 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

B. Lösung
Zu Drucksache 14/8268
Aufforderung an die Bundesregierung,
1. sofort umfassende Reformen zur finanziellen Stabilisierung der sozialen Si-

cherungssysteme durchzuführen, die gewährleisten, dass der Gesamtsozial-
versicherungsbeitrag langfristig unter 40 % gehalten werden kann;

2. beschäftigungswirksame Reformen auf dem Arbeitsmarkt durchzuführen
und insbesondere die Vereinheitlichung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhil-
fe, die Aktivierung des Niedriglohnsektors und die notwendigen Flexibili-
sierungen im Arbeitsrecht vorzunehmen;

3. steuerpolitische Maßnahmen durchzuführen, die eine wirksame Entlastung
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zur Folge ha-
ben;

4. eine nachhaltige Rentenpolitik zu betreiben, die die demographische Ent-
wicklung angemessen berücksichtigt und die Rentenbeiträge langfristig sta-
bil hält.

Zu Drucksache 14/9245
Aufforderung an die Bundesregierung,
1. zur Wahrung der Generationengerechtigkeit dem Deutschen Bundestag

regelmäßig eine Generationenbilanz vorzulegen,
2. zur Senkung der Arbeitslosenversicherung alle arbeitsmarktpolitischen Pro-

gramme auf Umfang, Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu überprüfen,
3. aus der Krankenversicherung versicherungsfremde Leistungen auszuglie-

dern,
4. bei der Pflegeversicherung die Weichen für den Aufbau einer ergänzenden

kapitalgedeckten Säule der privaten Eigenvorsorge für das Pflegerisiko zu
stellen,

5. Stärkung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge und Befreiung aller Vorsorge-
beiträge schrittweise von der Besteuerung.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/8268 mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/9245 mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

C. Alternativen
Annahme des Antrags oder der Anträge auf Drucksache 14/8268 und 14/9245.

D. Kosten
Der Ausschuss hat auf eine Kostenerörterung verzichtet.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9565

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag – Drucksache 14/8268 – abzulehnen,
2. den Antrag – Drucksache 14/9245 – abzulehnen.

Berlin, den 12. Juni 2002

Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Doris Barnett
Vorsitzende

Klaus Brandner
Berichterstatter

Drucksache 14/9565 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Klaus Brandner

I. Beratungsverlauf
Die Drucksachen 14/8268 und 14/9245 sind in der 239. Sit-
zung am 6. Juni 2002 in erster Lesung beraten und dem
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zur federführenden
Beratung sowie die Drucksache 14/8268 dem Finanzaus-
schuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie,
dem Ausschuss für Gesundheit, dem Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend und dem Haushaltsausschuss
und die Drucksache 14/9245 dem Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie zur Mitberatung überwiesen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in der
83. Sitzung am 12. Juni 2002 mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung
der Fraktion der FDP beschlossen, die Ablehnung des An-
trags auf Drucksache 14/8268 sowie mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ge-
gen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 14/9245 zu empfehlen.
Der Haushaltsausschuss hat auf der 109. Sitzung am
12. Juni 2002 mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP beschlossen, die
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/8268 zu emp-
fehlen.
Der Finanzausschuss hat in der 135. Sitzung am 12. Juni
2002mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP be-
schlossen, die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/
8268 zu empfehlen.
Der Ausschuss für Gesundheit hat in der 147. Sitzung mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP beschlossen, die Ablehnung des An-
trags auf Drucksache 14/8268 zu empfehlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat in der 94. Sitzung mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU beschlossen,
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/8268 zu
empfehlen.
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozial-
ordnung hat in seiner 133. Sitzung am 12. Juni 2002 die
Vorlagen beraten. Mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung
des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/8268 und, mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache
14/9245.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
Zu Drucksache 14/8268
Aufforderung an die Bundesregierung,
1. sofort umfassende Reformen zur finanziellen Stabilisie-

rung der sozialen Sicherungssysteme durchzuführen, die
gewährleisten, dass der Gesamtsozialversicherungsbei-
trag langfristig unter 40 % gehalten werden kann;

2. beschäftigungswirksame Reformen auf dem Arbeits-
markt durchzuführen und insbesondere die Vereinheit-
lichung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die Akti-
vierung des Niedriglohnsektors und die notwendigen
Flexibilisierungen im Arbeitsrecht vorzunehmen;

3. steuerpolitische Maßnahmen durchzuführen, die eine
wirksame Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer und der Arbeitgeber zur Folge haben;

4. eine nachhaltige Rentenpolitik zu betreiben, die die de-
mographische Entwicklung angemessen berücksichtigt
und die Rentenbeiträge langfristig stabil hält.

Zu Drucksache 14/9245
Aufforderung an die Bundesregierung,
1. zur Wahrung der Generationengerechtigkeit dem Deut-

schen Bundestag regelmäßig eine Generationenbilanz
vorzulegen,

2. zur Senkung der Arbeitslosenversicherung alle arbeits-
marktpolitischen Programme auf Umfang, Wirtschaft-
lichkeit und Effizienz zu überprüfen,

3. aus der Krankenversicherung versicherungsfremde Leis-
tungen auszugliedern,

4. bei der Pflegeversicherung die Weichen für den Aufbau
einer ergänzenden kapitalgedeckten Säule der privaten
Eigenvorsorge für das Pflegerisiko zu stellen,

5. Stärkung der kapitalgedeckten Eigenvorsorge und Be-
freiung aller Vorsorgebeiträge schrittweise von der Be-
steuerung.

III. Ausschussberatungen
Für die Mitglieder der Fraktion der SPD offenbarte der
Sozialbericht 1997 das Scheitern der 16-jährigen Regent-
schaft von Helmut Kohl. In diesen Jahren habe es viele Ge-
setzesänderungen gegeben, die zu gravierenden Einschnit-
ten für die Rentner geführt hätten. Besonders betroffen
seien dabei die Frauen gewesen. Der Sozialbericht 1997 be-
schreibe eine Situation des Anstiegs der Arbeitslosigkeit,
der Sozialbericht 2001 zeige dagegen, dass es dieser Bun-
desregierung gelungen sei, Arbeitslosigkeit zu verringern
und mehr Beschäftigung zu erreichen. Mit dem Job-
AQTIV-Gesetz habe die Bundesregierung den Arbeitsmarkt
modernisiert und die Voraussetzungen für mehr Beschäfti-
gung gelegt. Der Bericht 1997 müsse den stetigen Anstieg
der Sozialversicherungsbeiträge von 34 % auf 42 % konsta-
tieren. Im Bericht 2001 könne dagegen erwähnt werden,
dass dieser Trend nicht nur gestoppt, sondern umgeleitet

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9565

worden sei. Die Regierung werde in der nächsten Legisla-
turperiode diese erfolgreiche Politik der Begrenzung der
Lohnnebenkosten fortsetzen. Die Forderung zur Senkung
der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 %, wie in dem
Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/8268
enthalten, stehe im Widerspruch zu der Ankündigung des
CSU-Politikers Horst Seehofer, die Rentenversicherungs-
beiträge würden – ganz in der Tradtion der Politik von Hel-
mut Kohl – bei einem Regierungswechsel steigen. Horst
Seehofer habe damit „die Katze aus dem Sack gelassen“
und die wahren Absichten der Union und ihres Kanzlerkan-
didaten – wenn vermutlich auch unbeabsichtigt – offenbart.
DieMitglieder der Fraktion der CDU/CSU erklärten, der
Sozialbericht 2001 offenbare ein grundlegendes Scheitern
der Regierungspolitik. Ein Anstieg der Rentenbeiträge sei
nur durch eine Absenkung der Schwankungsreserve ver-
meidbar gewesen. Die schlechte Wirtschaftslage und die da-
mit verbundenen Beitragsausfälle würden dazu führen, dass
im neuen Jahr die Beiträge steigen müssten. Auch die Ein-
nahmen aus der vierten Stufe der sog. Ökosteuer würden
nicht ausreichen, dieses zu verhindern. Die mittelstands-
feindliche Politik der Regierung verhindere die Entstehung
neuer Arbeitsplätze in dem für die Beschäftigungpolitik
wichtigsten Wirtschaftsbereich. Die übergroße Zahl der Ar-
beitsplätze bestünde nicht bei den großen Konzernen, son-
dern im Bereich des Mittelstandes. Die Hofierung der Groß-
konzerne durch den augenblicklichen Bundeskanzler, ge-
rade auch im Bereich der Steuerpolitik, führe zu erheblichen
Steuerausfällen bei den Kommunen. Dies wirke sich unmit-
telbar auch auf die sozialpolitischen Möglichkeiten der
Kommunen aus. In der Bundesrepublik Deutschland müsse
sich in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik viel und vor al-
len Dingen Grundlegendes ändern. Dazu sei diese Bundes-
regierung nicht in der Lage, es bedürfe eines Regierungs-
wechsels.

Die Sozialberichte belegen nach Meinung der Mitglieder
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass es dieser
Regierung gelungen sei, die Stabilisierung der Sozialver-
sicherung voran zu bringen. Die Ankündigung der Fraktion
der CDU/CSU, bei einer Regierungsübernahme den Spit-
zensteuersatz, die Staatsquote und den Gesamtsozialversi-
cherungsbeitrag auf jeweils unter 40 % zu senken, werde
nicht durch Aussagen, wie dieses Ziel erreicht werden soll,
untermauert. Nur durch gravierende Einschnitte im Leis-
tungskatalog der Sozialversicherungen und in der Sozialpo-
litik insgesamt sei diese Aussage umsetzbar.
Für dieMitglieder der Fraktion der FDP ist der Sozialbe-
richt 2001 eine einzige Schönfärberei der Bundesregierung.
Die Stabilisierung der Beitragssätze sei dieser Bundesregie-
rung nur durch die Erhöhung des steuerfinanzierten Anteils
möglich gewesen. Es sei schon jetzt vorhersehbar, dass der
Rentenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr mindestens
um 0,2 Prozentpunkte steigen werde. Grund sei, dass die be-
schlossenen Reformen nicht weit genug gingen. Auch die
Krankenversicherungsbeiträge seien unter der Regierung
Gerhard Schröder deutlich gestiegen und es gebe ein Milli-
ardenloch bei den Krankenkassen. Ministerin Ulla Schmidt
habe auf der gesamten Linie versagt, außer vollmundigen
Ankündigungen sei nichts geschehen.
DieMitglieder der Fraktion der PDS erklärten, beide Be-
richte seien schillernde, schriftlich fixierteMärchenerzählun-
gen. Sowohl die Regierung als auch die Fraktionen der CDU/
CSU und FDP würden Schaukämpfe führen. In den Grund-
zügen sei die Sozialpolitik dieser Parteien sehr ähnlich.
Sowohl die Regierung Helmut Kohl als auch die Regierung
Gerhard Schröder stünden für Sozialabbau zu Lasten der Be-
troffenen, für Leistungseinschnitte in der Sozialversicherung
und für Massenarbeitslosigkeit.

Berlin, den 25. Juni 2002
Klaus Brandner
Berichterstatter

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